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PRESSEKONFERENZ/579: Regierungspressekonferenz vom 27. März 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 27. März 2013 Regierungspressekonferenz vom 27. März 2013

Themen: Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem israelischen Premierminister, Vorgehen russischer Behörden gegen Nichtregierungsorganisationen, Akkreditierungsverfahren für Journalisten zum NSU-Prozess in München, finanzielle Hilfe für Zypern, Gesetzentwurf des Bundesrates zur Frauenquote, Festnahme von zwei deutschen Seeleuten in Indien, Arbeitskosten in Deutschland, Auswirkungen der Eurokrise auf die Gesundheitsversorgung

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Teschke (BMI), Wieduwilt (BMJ), Kothé (BMF), Rouenhoff (BMWi), Albrecht (BMG)



Vorsitzender Hebestreit eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Ich würde Sie gerne darüber informieren, dass die Bundeskanzlerin gestern mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu telefoniert hat. Sie hat ihm zu seiner Wiederwahl und zur erfolgreichen Regierungsbildung gratuliert. Zwischen Deutschland und Israel besteht eine enge Freundschaft und Partnerschaft. Das hat die Bundeskanzlerin in diesem Telefongespräch noch einmal bekräftigt. Sie hat gesagt, sie freue sich darauf, diese Freundschaft und Partnerschaft auch in der in Israel kommenden Legislaturperiode weiter zu vertiefen.

Die beiden Regierungschefs haben sich dann über aktuelle regionale Entwicklungen ausgetauscht. Premierminister Netanjahu hat über den gerade beendeten Besuch des US-Präsidenten in Israel berichtet. Dann hat die Bundeskanzlerin insbesondere das jüngste Einvernehmen begrüßt, das zwischen Premierminister Netanjahu und dem türkischen Premierminister Erdogan erreicht worden ist. Das ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und der Türkei. Damit ist es auch ein wichtiger Schritt für die gesamte Region. Abschließend hat die Bundeskanzlerin ein frohes Pessachfest gewünscht.

Dann kommen wir zum zweiten Thema: Richtig, das Thema ist Russland. Die Bundesregierung verfolgt das derzeitige Vorgehen russischer Behörden gegen Nichtregierungsorganisationen mit großer Sorge. Dazu gehören auch die jüngsten Maßnahmen der russischen Staatsanwaltschaft gegenüber den Büros deutscher politischer Stiftungen sowohl in Moskau als auch in Sankt Petersburg. Es wurden dort Computer beschlagnahmt. Es wurden umfangreiche Dokumentensammlungen angefordert.

Unsere Stiftungen und ihre Partner aus der russischen Zivilgesellschaft tragen ganz erheblich Anteil an der Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen. Maßnahmen, die ihre wichtige Arbeit beeinträchtigen oder gar kriminalisieren, fügen unseren Beziehungen Schaden zu. Die Bundesregierung hat dies gegenüber der russischen Seite gestern schon in angemessener Weise kommuniziert. Die Bundesregierung hatte immer davor gewarnt, dass das russische Gesetz über Nichtregierungsorganisationen genau diese Auswirkungen haben könnte. Wir erwarten, dass die bewährte Arbeit der deutschen politischen Stiftungen in Russland, die ja oft schon seit vielen Jahren in Russland wirken, reibungslos fortgesetzt werden kann - so reibungslos, wie das in vielen anderen Ländern weltweit möglich ist.

Frage: Herr Seibert, da sich ja der Kanzlerkandidat der SPD im Hinblick auf den öffentlich und laut geführten Menschenrechtsdialog mit weniger menschenrechtsfreundlichen Staaten zu Wort gemeldet hat und sich für etwas leisere Töne ausgesprochen hat, können Sie einmal sagen, welche Erfahrungen die Bundeskanzlerin mit dem Ansprechen von Menschenrechtsproblematiken gegenüber autoritären Regimen gemacht hat? Ist es nach Ansicht der Kanzlerin wirkungsvoller, wenn man das Thema eher leise und intern anspricht oder wenn man laut die Trommel rührt und darauf hinweist, dass es objektiv betrachtet große Menschenrechtsprobleme gibt?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin spricht Menschenrechts- und Demokratiefragen immer klar an. Das kann ja auch immer auf eine respektvolle Weise geschehen, und so ist es auch im Verhältnis zu Russland. So war es auch bei den jüngsten Begegnungen in Moskau mit Präsident Putin. Respekt entsteht ja auch daraus, dass man klar für seine Überzeugungen eintritt.

Zusatzfrage: Hat die Bundeskanzlerin, wenn sie das immer klar und deutlich anspricht - Sie sind dabei, ich nicht -, damit irgendwelche positive Erfahrungen gemacht?

StS Seibert: Ich kann hier jetzt nicht einzelne Gespräche wiedergeben und die Vielfalt der internationalen Kontakte der Bundeskanzlerin in ein paar Sätzen zusammenfassen. Aber natürlich gehört es zu unserer Außenpolitik, die eine wertegesteuerte und wertebasierte Außenpolitik ist, dass wir unsere Überzeugungen in Bezug auf Rechtsstaat, Zivilgesellschaft und Freiheit klar ansprechen. Es gibt viele Beispiele dafür, dass dies auch ein Nachdenken auf der Seite der anderen Gesprächspartner ausgelöst hat.

Zusatzfrage: Genau darum wäre es mir gegangen. Wenn es so viele Beispiele gibt, dann nennen Sie mir doch einmal ein oder zwei Beispiele dafür, dass sich die Art von Angela Merkel, Menschenrechtsfragen anzusprechen, positiv ausgewirkt hat.

StS Seibert: Ich finde diese Frage jetzt, ehrlich gesagt, viel zu global.

Zusatz: Sie ist ja konkret. Ich will es ja konkret machen.

StS Seibert: Ich haben Ihnen gesagt, was ich über das Auftreten der Bundeskanzlerin in Sachen Menschenrechts- und Demokratiefragen zu sagen habe, auch in Russland. Uns bewegt, dass es dort derzeit ein Vorgehen der russischen Staatsanwaltschaft gibt, das die Arbeit wichtiger Nichtregierungsorganisationen und wichtiger politischer Stiftungen aus Deutschland zu gefährden droht. Deswegen wollen wir uns dafür einsetzen, dass das aufhört.

Frage: Herr Schäfer, hat es denn schon eine Reaktion gegeben, nachdem gestern der Ständige Vertreter Russlands in das Auswärtige Amt einbestellt worden ist? Gibt es schon Signale aus Moskau dazu, wie man künftig mit den Stiftungen umgehen wird?

Schäfer: Zuerst einmal ist das gestrige Gespräch, wie Sie gesehen und auch geschrieben haben, ein Gespräch zwischen dem Politischen Direktor des Auswärtigen Amtes und dem russischen Gesandten hier in Berlin gewesen. Schon die Bezeichnung als Gespräch spricht ja dafür, dass nicht nur eine Seite gesprochen hat, sondern auch die andere, also dass es einen Dialog gegeben hat. In der Tat hat es auf die Äußerungen des Politischen Direktors und auf die Übermittlung der Sorgen der Bundesregierung eine Antwort gegeben. Es wäre aber jetzt nicht ziemlich für mich, Ihnen hier die Antwort des russischen Diplomaten coram publico vorzutragen. Das heißt: Einen Dialog und ein Gespräch darüber gibt es. Ob und in welcher Weise sich jetzt Vertreter der russischen Regierung, des Außenministeriums, des federführenden Justizministeriums oder der Generalstaatsanwaltschaft - die, wie man annehmen muss, zumindest an den konzertierten Aktionen beteiligt ist, die von Staatsanwaltschaften quer durch die Russische Föderation durchgeführt werden - öffentlich einlassen werden, müssen wir abwarten. Dazu kann ich Ihnen leider gar nichts sagen.

Aber wenn Sie mir mit Ihrer Frage die Gelegenheit dazu geben, möchte ich doch noch einmal das, was Herr Seibert gerade gesagt hat, mit der Ankündigung bekräftigen und ergänzen, dass der Politische Direktor auf Bitte des Außenministers für heute Nachmittag die Vertreter der deutschen politischen Stiftungen, die in Russland vertreten sind, ins Auswärtige Amt eingeladen hat. Sie wissen, dass Moskau einer der wenigen Orte der Welt ist, in denen alle sechs politischen Stiftungen Deutschlands vertreten sind.

Bei diesem Gespräch im Auswärtigen Amt soll es jetzt zunächst einmal darum gehen, dass wir uns einen möglichst umfassenden und genauen Überblick darüber verschaffen, wie die Lage ist und welche deutschen politischen Stiftungen in welcher Weise von russischen Behörden im Zuge dieser konzertierten Aktion angesprochen worden sind. Öffentlich ist bekannt, dass es sich bislang um die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung handelt, aber es ist ja durchaus möglich, dass auch andere Stiftungen in bestimmter Weise angesprochen worden sind.

Natürlich geht es zweitens auch darum, dass wir deutlich machen wollen, dass die Bundesregierung unsere deutschen politischen Stiftungen tatkräftig bei ihrer außerordentlich wichtigen Arbeit in Russland, darüber hinaus und auch weltweit unterstützt.

Drittens wird es darum gehen, gemeinsam zu besprechen, wie wir vorgehen, welche Ideen es gibt, welche Vorschläge es etwa vonseiten der politischen Stiftungen gibt und wie wir gemeinsam dafür sorgen können, dass die wichtige Arbeit der Stiftungen in Russland in einem dafür förderlichen politischen Umfeld auch weiterhin stattfinden kann.

Zusatzfrage: Ist im Anschluss eine Presseunterrichtung geplant?

Schäfer: Ja, wir werden uns dann in der gebotenen Weise im Lichte der Ergebnisse des Gesprächs vielleicht an die Presse wenden. Das kann ich nicht versprechen, aber angesichts des großen Interesses, das es gibt, liegt es auf der Hand, dass wir Sie darüber unterrichten werden.

Frage: Wird Herr Putin immer noch nach Hannover kommen? Ist es jetzt ein bisschen unbequem, dass er bei der Handelsmesse in Hannover eine sehr große Feier durchführen wird?

StS Seibert: Ich wüsste nichts anderes, als dass die Reise von Herrn Putin nach Hannover stattfinden wird. Russland ist Gast oder Partnerland der Hannover Messe. Das zeigt auch die große Bedeutung, die der wirtschaftliche Austausch zwischen unseren beiden Ländern hat. Deswegen ist das auch vollkommen angemessen.

Frage: Es waren ja nicht nur deutsche Stiftungen betroffen. Gibt es denn Konsultationen auf europäischer oder noch breiterer Ebene darüber, wie man in dieser Sache verfahren hat, oder geht jedes Land allein vor?

Schäfer: Zunächst einmal haben Sie sicherlich auch bemerkt, dass sich die Hohe Beauftragte für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Lady Ashton, gestern zu Wort gemeldet und sich in einer Weise eingelassen hat, die diesen Äußerungen der Bundesregierung nahezu eins zu eins entsprochen hat. Schon daran mögen Sie ersehen, dass es einen Abstimmungsprozess gibt. Bei einem so wichtigen Partner wie Russland und bei einem so wichtigen Thema, nämlich dem Umgang mit der Zivilgesellschaft, liegt es nicht nur auf der Hand, sondern ist es selbstverständlich, dass es auch innerhalb Europas einen engen Abstimmungsprozess gibt.

Nun hat es ja in den letzten Tagen, wie Sie sehen, keine förmlichen Sitzungen zum Thema der Außenpolitik der Europäischen Union auf politischer Ebene gegeben. Dessen ungeachtet ist es völlig selbstverständlich, dass die mit diesen Sachverhalten - Rechtsstaatlichkeit, Zivilgesellschaft und den Beziehungen zu Russland - befassten Mitarbeiter der Bundesregierung insbesondere im Auswärtigen Amt auf den verschiedenen Ebenen in engem Kontakt mit ihren Partnern und Kollegen stehen, um auf diese Art und Weise nicht nur eine gemeinsame Linie zu finden und zu vereinbaren, sondern auch gemeinsam zu überlegen, wie wir vorgehen können, um das, was wir uns wünschen, in Russland und anderswo auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Frage: Herr Schäfer, teilt das Auswärtige Amt die Befürchtung von Herrn Pöttering, dass mit diesem Vorgehen gegen die deutsche Stiftungen eine Rückkehr zu einem totalitären Regime droht?

Zweite Frage: Ist das aus deutscher Sicht eher ein Vorgehen gegen deutsche Stiftungen oder ein Vorgehen mittels der deutsche Stiftungen gegen die Zivilgesellschaft Russlands selbst?

Schäfer: Ihre zweite Frage würde ich wie folgt beantworten: Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass wir jetzt zunächst einmal abwarten, was das Gespräch heute Nachmittag erbringen wird. Nur dann, wenn wir tatsächlich einen umfassenden Überblick über die Art und Weise des Umgangs in diesem uns besonders am Herzen liegenden Fall haben, nämlich dem des Umgangs mit allen sechs deutschen politischen Stiftungen in Moskau, wären wir in der Lage, sinnvoll dazu Stellung zu nehmen.

Der Eindruck, den man aus den letzten Tagen haben muss, ist, dass dies eine konzertierte Aktion ist, die in vielen Städten und Regionen der Russischen Föderation vorgenommen wird und die eine hohe Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen betrifft. Schon das Verhältnis zwischen der Zahl deutscher politischer Stiftungen und der Gesamtzahl, die ich im Detail nicht kenne, aber nur annehmen kann, spricht nicht dafür, dass es sich um eine Handlung handelt, die explizit, bewusst und ausdrücklich gegen deutsche Institutionen gerichtet gewesen ist. Aber das sage ich unter dem Vorbehalt dessen, was ich eingangs gesagt habe, nämlich dass wir abwarten müssen, was uns die politischen Stiftungen heute Nachmittag über das erzählen werden, was in den letzten Tagen in Moskau und anderswo in Russland vorgefallen ist.

Auf Ihre erste Frage möchte ich gerne antworten: Es ist nicht an mir und nicht an uns innerhalb der Bundesregierung, mit dieser Art von Schlagworten zu agieren. Was ich aber sagen möchte, ist, dass wir - wenn ich "wir" sage, meine ich den Außenminister und die Bundesregierung - bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes über Nichtregierungsorganisationen aus unserer Sorge und aus unseren Vorbehalten keinen Hehl gemacht haben. Wir fühlen uns durch die konzertierten Aktionen der letzten Tage in unserer Sorge bestärkt. Ich möchte ergänzen: Es ist aus Sicht der Bundesregierung auch im Interesse Russlands, dass die Grundsätze des Pluralismus, der Meinungsfreiheit und des Auflebens einer lebendigen Zivilgesellschaft Platz greifen. Das sind politische Grundsätze, die die Bundesregierung natürlich auch in ihrem Dialog mit der russischen Regierung zur Sprache bringt.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten, glaube ich, vorhin ungefähr, die Bundeskanzlerin werde die Menschenrechtsfragen immer offen und aktiv ansprechen. Vor diesem Hintergrund wüsste ich gerne mit Blick auf das Zusammentreffen mit Herrn Putin: Lässt Frau Merkel diese Kritik bis dahin öffentlich vortragen - durch Sie, durch andere Sprecher, durch Politische Direktoren im Auswärtigen Amt oder durch wen auch immer -, oder hat sie vor, das direkt und persönlich zu machen? Welche Form habe ich mir dabei vorzustellen? Schreibt Frau Merkel Herrn Putin einen Brief? Ruft sie ihn an? Wird sie ihn in Hannover beiseite nehmen und sagen, dass uns dieses und jenes nicht passt? Wie habe ich mir also die direkte, aktive und offene Ansprache des Themas Menschenrechte gegenüber Herrn Putin vorzustellen?

StS Seibert: Ich will Ihnen Ihre Vorstellungen nicht vorschreiben. Ich nehme an, dass die Bundeskanzlerin - davon kann man ausgehen - das russische Vorgehen der letzten Tage beim Treffen mit Herrn Putin in Hannover ansprechen wird. Themen wie das Gesetz über die Nichtregierungsorganisationen oder die Bedeutung einer freien und lebendigen Zivilgesellschaft waren auch Themen des letzten Gesprächs im Kreml. Sie waren auch Themen auf offener Bühne, so beim Petersburger Dialog, der dort stattfand. Sie können sich also schon Vorstellungen davon bilden, wie so etwas aussehen kann.

Ansonsten haben Herr Schäfer und ich für die Bundesregierung und auch für die Bundeskanzlerin das übermittelt, was heute für die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin in dieser Frage wichtig ist.

Frage: Das Thema ist die Vergabepraxis des Oberlandesgerichtes München, was die Reservierungen für Journalisten anbelangt. Meine Frage an die Ressorts des Inneren und der Justiz: Halten Sie diese Vergabepraxis nach der Reihenfolge des Eingangs der Anmeldungen für angemessen? Würden Sie sich wünschen, dass das Oberlandesgericht das noch einmal überdenkt, auch angesichts des großen internationalen Interesses an diesem Prozess?

Ich habe auch eine Frage an das Auswärtige Amt. Es gab zum Beispiel nach dem Urteil des Kölner Gerichts zur Beschneidung massive Reaktionen im Ausland, die auch an das Auswärtige Amt herangetragen worden sind. Sehen Sie jetzt schon vergleichbare scharfe Reaktionen? Befürchten Sie, dass das Bild Deutschlands im Ausland Schaden nimmt?

Teschke: Für das Innenressort kann ich nur sagen: Das ist eine Entscheidung der unabhängigen bayerischen Justiz. Es steht mir nicht zu, sie zu kommentieren.

Wieduwilt: Genauso sieht es das Bundesjustizministerium.

Schäfer: Ich schließe mich insofern den Ausführungen der Kollegen an, als die Unabhängigkeit der Justiz selbstverständlich auch für das Auswärtige Amt ein hohes Gut ist und wir diese Unabhängigkeit der Justiz in keiner Weise anzutasten beabsichtigen. Ich ergänze nur einen Satz: Es wäre schön, wenn bei einer Angelegenheit, die völlig offensichtlich auch die türkische Öffentlichkeit und die Menschen türkischer Abstammung in Deutschland und in der Türkei interessiert, die Möglichkeit bestünde, dass Vertreter der Medien darüber angemessen berichten können. Zu sagen, wie und auf welche Weise das geschehen kann, ist angesichts der Unabhängigkeit der Justiz nicht an mir. Aber den Wunsch, dass das möglich gemacht werden sollte, kann man, glaube ich, auch angesichts der Unabhängigkeit der Justiz durchaus zum Ausdruck bringen.

Zusatzfrage: Dann habe ich noch eine Nachfrage an das Justizministerium. Herr Wieduwilt, ist es denn so, wie das Oberlandesgericht München sagt, dass es rein rechtlich gar nicht geht, die Akkreditierungspraxis anders durchzuführen, zum Beispiel durch Vorabreservierungen einer gewissen Anzahl von Plätzen für ausländische Medien?

Wieduwilt: Vielen Dank für den zweiten Versuch. Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut, und sie erlaubt jetzt sozusagen auch nicht juristische Exegesen, die dann als eine Kritik oder als eine Bestätigung der Praxis des OLG ausgelegt werden könnten.

Zusatzfrage: Aber das ist eine Fachfrage. Das hat jetzt erst einmal nichts mit einer Bewertung des Münchner Vorfalls zu tun. Es wird ja rein rechtlich irgendwo niedergeschrieben sein, wie solche Verfahren eigentlich zu laufen haben, oder?

Wieduwilt: Es gibt natürlich rechtliche Vorgaben, insbesondere im Gerichtsverfassungsgesetz. Aber bitte haben Sie Verständnis. Wenn ich jetzt eine Bewertung dieser abstrakten Situation nach dem GVG abgeben würde, das ja nicht allein entscheidend ist - es gibt Kommentierungen und verschiedene Auffassungen; das werden Sie auch alles schon in der Presse vernommen haben -, dann wäre das letztlich dennoch eine Positionierung gegenüber dem OLG München. So leid es mir tut: Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut, und sie wird von uns ohne Wenn und Aber und ohne Rücksicht auf die Nachrichtenlage beachtet.

Frage: Herr Schäfer, Herr Seibert, hat es von türkischer Seite zum Beispiel schon den Versuch einer Kontaktaufnahme gegeben, oder gibt es Pläne vonseiten des Ministers Westerwelle beziehungsweise der Kanzlerin, in diesem Fall auf türkischer Seite vielleicht nicht für das Verfahren des Oberlandesgerichtes zu werben, aber für Verständnis dafür zu sorgen?

Eine Fachfrage an das Bundesjustizministerium: Hat es denn nach Ihrer Kenntnis schon Fälle gegeben, in denen durch die Vergabe von Plätzen Revisionsgründe entstanden sind, oder ist das ein konstruiertes Argument?

Wieduwilt: Ich habe nicht viel dazu zu sagen. Ich kann Ihnen die Frage, ob es Fälle gegeben hat, in denen es solche Revisionsgründe gab, so aus dem Effeff nicht beantworten. Wenn Sie das interessiert, kann ich das gerne nachreichen.

Vorsitzender Hebestreit: Das würden wir dann über den Verteiler der Bundespressekonferenz gerne weiterreichen.

Schäfer: Mir ist hier und jetzt nicht bekannt, ob es in dieser Frage bereits offizielle oder offiziöse Kontakte zwischen den Regierungen Deutschlands und der Türkei gegeben hat. Ich will das aber ausdrücklich nicht ausschließen. Ich weiß es schlichtweg nicht.

StS Seibert: Ich kann von solchen Kontakten auch nichts berichten. Ich habe keine Kenntnis davon.

Frage: An das Justizministerium: Es ist ja auffällig, dass sich die Bundesjustizministerin in diesem Fall einer derart strikte Zurückhaltung in jeder öffentlichen Kommentierung befleißigt. Sonst schreckt sie auch nicht davor zurück, sich lang und ergiebig über Themen zu äußern, die in andere Ressorts und andere Zuständigkeitsbereiche fallen. Hat Ihnen die Ministerin, bevor sie in den Urlaub gefahren ist, eine Erklärung dazu hinterlassen, wieso Sie ein striktes Aussageverbot in diesen Sach- und Fachfragen haben? Das finde ich ganz ungewöhnlich für die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.

Als zweiten Punkt wüsste ich gerne, ganz allgemein gefragt: Hat die Justizministerin eine Meinung dazu, ob man Prozesse zukünftig per Video einem Teil der Öffentlichkeit zugänglich machen können sollte? Gibt es dafür gesetzgeberische oder rechtliche Planungen? Steht das vielleicht auf der Agenda der FDP-Politikerin Leutheusser-Schnarrenberger, soweit Sie das wissen?

Wieduwilt: Zunächst einmal eine allgemeine Vorbemerkung, die mir hier notwendig erscheint: Nichts von dem, was Sie insinuieren, mache ich mir zu eigen, wenn ich jetzt antworte, also zum Beispiel auch nicht, dass die Ministerin jetzt in den Urlaub gefahren ist und mir irgendwelche Anweisungen gegeben hat.

Zusatzfrage: Dürfen Sie also reden, wie Sie wollen?

Wieduwilt: Natürlich, selbstverständlich! - Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Unabhängigkeit der Justiz ein hohes Gut ist. Die liegt in der Verfassung begründet, und deswegen ist das ein anderer Fall, als wenn sich die Justizministerin zu anderen Themen äußert, die eventuell unter andere Zuständigkeiten fallen. Da gibt es einen ganz relevanten Unterschied. Es geziemt sich für eine Justizministerin auch absolut nicht, sich in Gerichtsentscheidungen einzumischen. Das mag Ihre Auffassung sein. Die unsere und, glaube ich, auch die der Verfassung ist es nicht.

Zur zweiten Frage: Soweit Sie die FDP-Politikerin ansprechen, kann ich natürlich nicht für sie sprechen, weil ich hier für das BMJ spreche. Soweit Sie auf Videoübertragungsmöglichkeiten anspielen, kann ich auch dazu - Sie werden vielleicht "langweiligerweise" sagen, aber so ist es nun einmal - nur auf das verweisen, was ich vorhin gesagt habe: Wenn ich mich jetzt irgendwie im Namen des BMJ dazu äußern würde, wo Handlungsbedarf oder Handlungsmöglichkeiten bestünden, dann würde das als Kritik an der Entscheidung und den Regularien des OLG München zu lesen sein. Da ich das aus den bereits dargelegten Gründen nicht machen kann, kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben.

Zusatzfrage: Aber die Frage war ja, da Sie sich frei äußern dürfen, ob Ihnen das Thema der Videoübertragung von Justizverfahren in der Praxis der Denkwerkstätten des Bundesjustizministeriums schon einmal begegnet ist. Es müsste doch möglich sein, das zu sagen!

Wieduwilt: Sie sagten ja, ich dürfe mich frei äußern. Dann frage ich mich: Was nützt Ihnen eine Antwort, wenn ich hier als "loose cannon" antworte, ohne mit dem BMJ rückgekoppelt zu sein? - Aber wie gesagt: Ich kann Ihnen zurzeit keine Wasserstandmeldungen darüber geben, wie in den Denkwerkstätten des BMJ das Thema der Videoübertragung von Gerichtsprozessen gehandhabt wird oder wie darüber nachgedacht wird.

Frage: Ist es denn so, dass das geltende Gesetz Videoübertragungen innerhalb des Gerichtsgebäudes in andere Säle ausschließt, oder ist es nicht so? Es gibt im Moment unterschiedliche Interpretationen.

Ich habe noch eine Grundsatzfrage an Herrn Seibert: Die Kanzlerin hat sich mehrmals prinzipiell geäußert und gesagt, die Bundesregierung werde alles tun, damit die Schäden, die in Sachen NSU, Fahndungsspannen etc. pp. entstanden sind, in Grenzen gehalten und aufgearbeitet werden. Der Bundespräsident hat den NSU-Ausschuss empfangen, hat Angehörige der Opfer empfangen und hat sich in gleicher Weise wie die Kanzlerin geäußert. Fällt das, worüber wir reden, jetzt nicht auch in diesen Rahmen? Wäre es nicht angebracht, dazu aus Ihrer Sicht etwas zu sagen?

Wieduwilt: Ich habe auch darauf leider wieder nur dieselbe Antwort für Sie. Sie sagten es selbst: Es gibt verschiedene Interpretationen. Gerade das, also eine Interpretationshilfe in Bezug darauf, wie ein Gesetz auszulegen ist, kann ein Bundesjustizministerium qua Verfassung nicht leisten. So ist es institutionell geregelt. Wir sind nicht dazu da, Gesetz auszulegen; das machen die Gerichte.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin steht selbstverständlich zu der Aussage, dass alles getan werden muss und alles getan werden wird, um zu verhindern, dass eine solche entsetzliche und schändliche Verbrechensserie in Deutschland noch einmal geschehen und so lange unaufgeklärt bleiben kann. Das betrifft die möglichen politischen Konsequenzen, die zu ziehen sind, und die Konsequenzen, was die Struktur der Sicherheitsbehörden betrifft. Das betrifft natürlich auch die gerichtliche Aufarbeitung.

Aber, und jetzt komme ich zum ersten Teil Ihrer Frage, für eine Bundeskanzlerin gilt der in der Verfassung niedergelegte Grundsatz der Gewaltenteilung, und er muss gelten. Der besagt nun einmal, dass ein Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen ist. Das gilt für seine Urteilsfindung, das gilt auch für die Verhandlungsführung, und das gilt für die Herstellung der Öffentlichkeit und den Zugang der Medienvertreter. Genau deswegen haben Ihnen hier die Vertreter des Justizministeriums und andere gesagt - auch ich sage das jetzt -, dass dieses etwas ist, was zu respektieren ist. Das ist ein wichtiger Teil unseres Rechtsstaates. Es nimmt überhaupt nichts davon weg, dass die Aussage der Bundeskanzlerin steht und auch danach gehandelt worden ist.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt und an Herrn Seibert: Inwiefern gibt es Befürchtungen, dass bei einem Fortgang der Debatte darüber, wie das OLG München vorgegangen ist, die Beziehungen zum Beispiel zur Türkei Schaden nehmen können?

StS Seibert: Ich glaube, das Wichtigste, was zu leisten ist - das liegt jetzt in den Händen der deutschen Justiz -, ist, ein rechtsstaatliches Verfahren nach allen Regeln, die dafür in Deutschland aufgestellt sind, durchzuführen.

Frage: Herr Seibert, ich verstehe ja die Unabhängigkeit der Justiz und auch die Frage der Gewaltenteilung durchaus. Aber wenn von der Bundesregierung nicht nur eine umfassende, sondern vor allen Dingen eine transparente Aufklärung versprochen worden ist, stellt sich doch schon die Frage: Ist das, was jetzt momentan mit diesen Vergabeprozeduren in München passiert, im Sinne der Transparenz?

StS Seibert: Ich werde mich nicht weiter zu den Entscheidungen des Münchner Gerichts äußern, die es in seiner Unabhängigkeit getroffen hat.

Die Transparenz des Verfahrens scheint mir dadurch hergestellt zu sein, dass eine große Zahl von Medienvertretern diesem Gerichtsverfahren jeden Tag wird folgen können. Wir haben in der Bundesregierung großes Verständnis, dass es in der Türkei ein so großes Medieninteresse gibt; schließlich stammten die meisten der Opfer dieser schrecklichen Mordserie aus der Türkei. Die Hoffnung muss sein, dass mit diesem Medieninteresse auch sensibel umgegangen wird.

Zusatzfrage: Was habe ich unter dem letzten Satz zu verstehen? Sie sagten, die Hoffnung müsse sein, dass mit diesem Medieninteresse sensibel umgegangen werde. Wenn Sie mir eine Interpretation gestatten, ist das doch eine indirekte Aufforderung, dass OLG möge noch einmal überprüfen, ob - - -

StS Seibert: Nein, das ist es nicht. Ich glaube, ich habe mich jetzt wortreich genug zum Prinzip der Gewaltenteilung, zur Unabhängigkeit des Gerichts bekannt. Ich tue das aus voller Überzeugung für die gesamte Bundesregierung, also Bundeskanzlerin, Justizministerium und die anderen Ressorts. Genau das ist jetzt dazu zu sagen.

Frage: Wie unglücklich ist denn die Bundeskanzlerin über diese ganze Debatte, vielleicht auch darüber, dass sich die türkischen Redaktionen einfach zu spät angemeldet haben? Im Ausland wird das diskutiert. Es gibt sicherlich einige, die sagen: Hätten doch die deutschen Sicherheitsbehörden damals so bürokratisch akribisch gearbeitet, wie es jetzt die Justiz tut. Wenn man diese ganze Debatte verfolgt, kommt das im Ausland sicherlich merkwürdig an. Was denkt die Bundeskanzlerin darüber?

StS Seibert: Ich fürchte, ich habe Ihnen für die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin in der letzten Viertelstunde alles mitgeteilt, was ich zu diesem Thema mitzuteilen habe.

Frage: Ich möchte zum Thema Europa die Bundesregierung, Herrn Seibert oder das Finanzministerium, zum einen mit Blick auf Äußerungen des Eurogruppenchefs fragen: Was ist an dem Zypern-Paket vorbildhaft für weitere Hilfeverfahren? Was ist nicht vorbildhaft für weitere Hilfeverfahren?

Zweitens. Fühlt sich die Bundesregierung in Sachen Vertretung von Hilfsprogrammen und der damit verbundenen Einschnitte gegenüber anderen Partnerländern etwas allein gelassen? Würde sich die Bundesregierung wünschen, dass die EU-Kommission oder auch andere Partnerländer selbst offensiver für Hilfsprogramme mit schmerzhaften Folgen für die Bevölkerung werben und einstehen würden?

StS Seibert: Ich fange einmal mit dem zweiten Teil Ihrer Frage an. Die Entscheidungen in der Eurogruppe - das trifft auch für die jüngste Entscheidung über Zypern zu - werden von allen Eurostaaten und auch von der Europäischen Kommission getragen. Sie sollten deswegen auch in der Öffentlichkeit von allen beteiligten Eurostaaten und der Europäischen Kommission vertreten werden.

Zu Ihrer ersten Frage: Es geht bei jedem Hilfsprogramm für ein Euroland darum, den ganz eigenen Problemen dieses Landes mit den richtigen Instrumenten auf der Basis der Grundüberzeugungen beizukommen, die uns in Europa leiten. Das ist in Zypern geschehen. Die Einigung erst der Troika und dann der Eurogruppe mit der zyprischen Regierung ist eine sachgerechte Lösung - maßgeschneidert oder individuell entworfen, wenn Sie so wollen, für die spezielle Lage auf der Insel. Sie setzt nämlich genau dort an, wo die Probleme entstanden sind und von wo die Probleme drohten, das ganze Land mit sich zu ziehen, nämlich bei den beiden größten Banken, die vor der Insolvenz standen.

Wir haben hier mehrfach erklärt, dass es eine Eigenart der zyprischen Banken ist, dass sie sich zum großen Teil aus Einlegergeldern finanzieren. Deswegen war eine Beteiligung der Einleger oberhalb von 100.000 Euro geboten und unumgänglich. Das ist ein Ansatz für Zypern. Der muss jetzt umgesetzt werden. So müsste man auch vorgehen, falls andere Länder um europäische Hilfen bitten: immer wieder genau auf die speziellen Lage in dem betreffenden Land die richtigen Instrumente, die richtigen Antworten finden. Das eine Modell für alle Fälle gibt es nicht.

Zusatzfrage: Sie widersprechen also damit den Äußerungen des Eurogruppenchefs, der die Beteiligung von Bankengläubigern in zwei Interviews durchaus mit einem gewissen Vorbildcharakter versehen hat?

Zweitens zu dem offensiven Eintreten für ein Hilfsprogramm: Sie sagten, es sollten alle Partner dafür eintreten. Heißt das, dass das im Moment nicht der Fall ist? Glauben Sie, dass dieses Bild, das einem durch Fernsehübertragungen von Protesten mit Bildern in Zypern vor Augen kommt - Bilder von der Kanzlerin, die mit einem Hitlerbärtchen versehen sind, und mit sehr harschen emotionalen Angriffen auf die deutsche Seite -, möglicherweise die Folge davon ist, dass andere Europartner eben nicht so offensiv für dieses Programm werben?

StS Seibert: Nein, da haben Sie mich missverstanden. Ich höre aus vielen Euroländern Aussagen über die gefundene Lösung für Zypern, die exakt auf unserer Linie liegen. So ist es auch richtig.

Was das andere betrifft: Wir haben in Europa glücklicherweise die Demonstrationsfreiheit. Dazu gehört bei einzelnen wenigen Demonstranten, die aber natürlich immer den Weg ins Fernsehen finden, auch die Freiheit, sich historisch zu irren.

Vorsitzender Hebestreit: Die Frage in Sachen Dijsselbloem war noch offen.

StS Seibert: Ich habe dazu gesagt, was ich gesagt habe. Das Programm für Zypern hat den Charakter einer maßgeschneiderten Lösung, bezogen auf die individuelle Schieflage des zyprischen Bankensystems. Dort ist angesetzt worden, und dort musste angesetzt werden. Es muss das europäische Vorgehen sein, dass sich jedes Land aufs Neue, wenn es denn finanzielle Unterstützung braucht, seine individuellen Umstände aufs Neue prüft, Lösungen findet und miteinander in der Troika und innerhalb der Regierung des Landes bespricht.

Zusatzfrage: Die Äußerungen von Herrn Dijsselbloem haben ja etwas andere Schwerpunkte gesetzt. Heißt das, dass Herr Dijsselbloem nicht der adäquate Vertreter einer europäischen Linie im Falle Zyperns war?

StS Seibert: Die Eurogruppe hat unter sehr schwierigen Umständen für einen sehr schwierigen Fall, nämlich Zypern, zusammen mit der zyprischen Regierung eine Lösung auf der Basis dessen gefunden, was die Troika ausgemacht hatte. Das ist das Verdienst der Mitglieder der Eurogruppe und sicherlich auch ihres Chefs.

Frage: Wie beurteilen Sie die Amtsführung des Eurogruppenchefs über das hinaus, was Sie eben gesagt haben?

StS Seibert: Das, was ich eben gesagt habe, ist die Antwort auf Ihre Frage.

Zusatzfrage: Die Bundesregierung ist zufrieden?

StS Seibert: Wir sind sehr zufrieden, dass in einer sehr schwierigen Situation gemeinsam mit den Zyprern eine Lösung gefunden werden konnte, von der wir überzeugt sind, dass sie einen Weg bietet, Zypern in eine solide und nachhaltige Zukunft zu führen.

Das ist das, was erreicht worden ist. Das war keine einfache Aufgabe. Das ging nicht im Handumdrehen, wie Sie alle verfolgt haben. Das ist immer auch das Ergebnis der gesamten Eurogruppe und dann auch das Verdienst ihres Chefs.

Zusatzfrage: Frau Kothé, in der vergangenen Bundespressekonferenz gab es Nachfragen nach einem Überblick über die deutschen Anleger auf Zypern. Haben Sie jetzt einen Überblick?

Kothé: Uns liegen dazu noch keine aktuellen Zahlen vor.

Frage: Eine Nachfrage zu der Aussage von Herrn Dijsselbloem. Der Geist ist ja nun aus der Flasche. Die Diskussion kocht munter hoch. Frage an Frau Kothé oder Herrn Seibert: Für wie fruchtbar oder für wie riskant halten Sie diese Diskussion? Es gibt auch schon Tatsachen, die gefolgt sind, nämlich die Herabstufung durch Moody's.

Kothé: Welche Diskussion meinen Sie jetzt genau? Die Diskussion über die Einlagensicherung?

Zusatzfrage: Die Diskussion, dass Anleger - Großanleger oder Kleinanleger - beteiligt werden sollen, dass also grundsätzlich nicht der Steuerzahler dafür aufkommen soll, dass man - einige Kommentatoren sprechen ja schon davon - sozusagen das System wieder vom Kopf auf die Füße stellt.

Kothé: Die Formulierung, dass der Geist aus der Flasche gelassen ist, geht etwas an den Tatsachen vorbei. Wir diskutieren auf europäischer Ebene insgesamt über eine Reform der Bankenaufsicht und der Einlagensicherung. Dazu gibt es schon einen Kommissionsvorschlag. Die Verhandlungen darüber laufen. Da gibt es noch keine Entscheidungen. Von daher sehe ich jetzt nicht, dass irgendetwas auf den Kopf gestellt wird.

StS Seibert: Fruchtbar ist es in Europa immer, wenn sich die Eurostaaten zusammentun und Lösungen für diejenigen unter ihnen suchen, die großen Problemen gegenüberstehen, und wenn sie ihnen Hilfe bei gleichzeitiger Einforderung von Eigenanstrengungen geben. Das ist in Zypern und auch in anderen Ländern passiert. Es zeitigt übrigens - logischerweise noch nicht in Zypern, aber in anderen Ländern, die unter Programmen stehen - bereits erhebliche Fortschritte. Das halte ich für ein fruchtbares europäisches Vorgehen.

Wenn Sie sehen, wo die Eurozone vor zwei Jahren stand, was zum Beispiel die Haushaltsdefizite betraf, und wo die Eurozone jetzt steht, dann sehen Sie, was fruchtbare europäische Politik ist.

Frage: Auch eine Frage an Herrn Seibert oder Frau Kothé: Es hat gestern nicht nur Äußerungen von Herrn Dijsselbloem, sondern auch einer Sprecherin der EU-Kommission gegeben, die gesagt hat, dass nach dem vorliegenden Entwurf für diese Richtlinie zur Bankenrestrukturierung auch Einleger bei Banken für die Bankenrestrukturierung herangezogen werden können. Wird das von der Bundesregierung unterstützt oder abgelehnt?

Kothé: Erst einmal ergänzend zum Thema EU-Einlagensicherung: Wenn wir auf europäischer Ebene zu neuen Regeln oder zur Überarbeitung der bestehenden Richtlinie kommen, dient das dazu, dass wir insgesamt europaweit zu einer Verbesserung des bestehenden Einlegerschutzes kommen wollen. Das ist das Anliegen dieser Gesetzesinitiative.

Die Verhandlungen darüber laufen jetzt. Beim Einlegerschutz gibt es eine Reihe von Dingen, die klar in Richtung auf eine Verbesserung zielen. Was die konkreten Ergebnisse betrifft, müssen wir abwarten, wie die Verhandlungen in Brüssel laufen. Das ist die Stoßrichtung.

Auch bei der Restrukturierung von Banken sind wir, wie Sie wissen, im Dezember national mit einem Gesetzentwurf vorangegangen. Auch da wollen wir zu einer verbesserten europäischen Regelung kommen. Auch dazu, was die einzelnen Bestandteile sein werden, können wir nicht den Dingen vorgreifen. Wir wollen insgesamt europaweit das System verbessern.

Zusatzfrage: Das ist ja gerade das, was die Sparer in Europa oder in Deutschland verunsichert. Unterstützt Deutschland Pläne, dass, wie in Zypern, auch in anderen Ländern grundsätzlich Sparer bei der Abwicklung von Banken oder der Restrukturierung von Banken herangezogen werden können?

Kothé: Zunächst einmal gilt, dass Spareinlagen in Deutschland, in Europa gesetzlich bis 100.000 Euro geschützt sind. Das ist eine gesetzliche Regelung. Darüber gibt es im Augenblick national in Deutschland und auch in anderen Ländern noch eine Reihe von Sicherungseinrichtungen und Mechanismen. Auch das sieht das bestehende EU-Recht vor, dass solche Sicherungseinrichtungen vorgehalten werden müssen, die über diese Beträge hinausgehen.

Das deutsche System ist sehr differenziert. Das sind freiwillige Systeme. Da müssen Sie - das können Sie gerne nachlesen - bei den einzelnen Institutsgruppen unterscheiden. Es gibt Entschädigungseinrichtungen für die privaten Banken, Bausparkassen und die öffentlichen Banken. Bei den Volks- und Raiffeisenbanken gibt es, genau wie bei den Sparkassen, die sogenannte Institutssicherung. Da gibt es eine sehr weitreichende Absicherung der Einleger.

Zusatzfrage: Ist die Bundesregierung dafür, dass außer in Zypern auch in anderen europäischen Ländern Sparer, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto haben, herangezogen werden können, wenn diese Banken abgewickelt werden?

Kothé: Der Schutz der Einleger ist in Deutschland gewährleistet und gut. Das soll auch auf europäischer Ebene so bleiben. Die Verhandlungen, wie das konkret ausgestaltet werden kann, wo Schwellen usw. liegen, laufen. Unser Ziel - ich glaube, das habe ich hinreichend deutlich gemacht - ist, die Einleger gut zu schützen.

Zusatz: Ich meinte die Einleger mit mehr als 100.000 Euro, also die ungeschützte Summe.

Kothé: Es gibt auch schon in Europa eine Vielzahl von Sicherungssystemen auf freiwilliger Basis; das habe ich gerade gesagt. Wie weit man zu europäischen Lösungen bei Einlagen kommt, die schon über diese 100.000 Euro hinausgehen, ist im Verhandlungsprozess.

StS Seibert: Abschließend noch einmal, weil wir das schon immer gesagt haben: Zypern ist ein singulärer Fall und ist deswegen mit speziell auf Zypern bezogenen Instrumenten jetzt von der zyprischen Regierung und der Eurogruppe zu bearbeiten. Aus der zyprischen Lösung sind keine Rückschlüsse für andere Länder, die möglicherweise eines Tages einmal ebenfalls um Hilfsgelder beim ESM anfragen, zu ziehen.

Frage: Frau Kothé, der Bundesfinanzminister hat am Montag nach seiner Rückkehr aus Brüssel deutlich gemacht, dass Zypern den schon vor einer Woche geforderten eigenen Beitrag in der gleichen Höhe wird leisten müssen, es aber Zypern überlassen ist, welchen Prozentsatz man auf die Einlagen der beiden betroffenen Banken erheben wird. Es war die Rede von eventuell 50 Prozent. Der zyprische Finanzminister meinte, wahrscheinlich um die 40 Prozent.

Meine Frage: Gibt es nicht einen Mechanismus, dass man, bevor die 10 Milliarden Euro aus dem ESM am Ende in Richtung Zypern unterwegs sein werden, tatsächlich schaut, ob es gelungen ist, in Zypern diesen Betrag von den Einlagen zusammenzuziehen? Es gibt ja auch schon Berichte über eine eventuelle Kapitalflucht, dass eben die Mechanismen, die man in Zypern eingeleitet hat, um Kapitalverkehr zu kontrollieren, eventuell nicht funktionieren. Gibt es eine solche Verbindung? Oder wird die Auszahlung auf Treu und Glauben passieren?

Kothé: Sie haben verfolgt, wie das bei den anderen Programmen ist. Wir haben uns auf Eckpunkte verständigt. Jetzt arbeitet die Troika dieses konkrete "Memorandum of Understanding" aus. Dazu gehört auch eine Finanzvereinbarung, wo genau diese Zahlen niedergelegt werden - auch im Falle von Zypern gehört ein Auszahlungsplan dazu -, welche Auflagen zu welchem Zeitpunkt von einem Land zu erfüllen sind. Auch da wird es genau so laufen, wie bei allen anderen Hilfsprogrammen auch. Sie kennen das von Griechenland, dass wir tranchenweise auszahlen, dass es Meilensteine usw. gibt. Ich weiß nicht, wie konkret das Programm für Zypern ausgestaltet wird. Natürlich wird das schrittweise gehen, und die Hilfe ist immer an die Erfüllung von Auflagen gebunden.

Frage: Herr Seibert, eine Verständnisfrage: Sie sagen, Zypern sei ein singulärer Fall und man solle aus dieser Lösung keine Schlussfolgerungen für andere Länder ziehen, die eventuell Hilfsgelder beantragen. Wenn ich das mit der Aussage des Eurogruppenchefs in einen Zusammenhang stelle, dass das ein Vorbild sein könnte, ist dann die Schlussfolgerung richtig, dass Sie dieser Idee, dass die Lösung für Zypern als Vorbild für andere Euroländer gelten könnte, nicht folgen?

StS Seibert: Das, was ich gesagt habe, steht, und dazu bekenne ich mich; das muss ich jetzt nicht noch interpretieren. Es geht auf den Anfang meiner Ausführungen zurück: Zypern ist eine ganz eigene Geschichte, deswegen muss dafür eine eigene Lösung gefunden werden. In jedem kommenden Fall wird es auf der Basis von Grundüberzeugungen, die man in Europa hat, wieder so sein müssen. Automatische Rückschlüsse von Land 1 auf Land 2 funktionieren in Europa nicht, weil die Situationen äußert unterschiedlich sind.

Zusatzfrage: Habe ich das also richtig verstanden: Kein Automatismus, aber durchaus eine Möglichkeit im Fall der Fälle?

StS Seibert: Das habe ich nicht gesagt. Das mag Ihre Zusammenfassung sein, das ist aber nicht ein Zitat von mir - so habe ich es nicht gesagt.

Frage: Zur Sicherheit noch einmal nachgefragt: Frau Kothé, ist es auch Ihr Informationsstand, dass die Banken in Zypern morgen geöffnet werden?

Kothé. Für morgen ist das angekündigt. Die Entscheidung darüber, wann die Banken wieder öffnen, ist eine Entscheidung der zyprischen Regierung zusammen mit der Zentralbank. Ich möchte Sie hier noch einmal auf das Eurogruppenstatement vom 25. und da auf den drittletzten Paragraphen verweisen. Da heißt es eben, dass die Eurogruppe angesichts der aktuellen und einmaligen, außergewöhnlichen Lage des zyprischen Finanzsektors zur Kenntnis nimmt, dass auch Zypern mit bestimmten Maßnahmen darauf hinwirken wird, dass die Banken rasch wieder zu öffnen sind. Wir gehen davon aus, dass der zyprischen Regierung und Verwaltung in Zusammenarbeit mit der Troika und auch vielen internationalen Experten, die die Regierung dabei beraten, dieser Neustart bald gelingen wird.

Zusatzfrage: Sie haben nun ja gemerkt, dass die Diskussion über die Heranziehung von Einlegern läuft. Ganz konkret gefragt: Sehen Sie irgendwelche Anzeichen dafür oder haben Sie Befürchtungen, dass es aufgrund der Situation morgen, wenn die Banken in Zypern öffnen, auch in Deutschland und über Deutschland hinaus aus einem Gefühl der Verunsicherung heraus ungewöhnliche - vom Ausmaß her - Transaktionen auf deutschen Bankknoten geben könnte?

Kothé: Welchen Grund sollte es dafür geben?

Zusatzfrage: Verunsicherung.

Kothé: Dazu sehe ich in Deutschland keinen Grund.

StS Seibert: Ich würde das auch gerne aufgreifen und sagen: Niemand sollte eine solche Verunsicherung herbeireden oder Sorgen schüren. Deutschland ist ein finanziell solides Land, das seine Neuverschuldung jährlich zurückschraubt und das seine Schuldenbremse schon Jahre früher einhält, als dies eigentlich notwendig wäre. Auch deshalb genießt Deutschland international Vertrauen. Das sollte sich jeder vor Augen führen.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie wiederholen, dass Zypern ein singulärer Fall sei und man jede dieser Hilfsaktionen unabhängig bewerten müsse, dann sieht das so aus, als ob Europa nicht gewillt ist, aus Fehlern, aber auch Erfolgen zu lernen. Kann man denn nicht sagen, dass man, wenn das in Zypern funktioniert, über eine Einbeziehung der Einleger auch in anderen, ähnlichen Fällen nachdenken würde?

StS Seibert: Ich möchte mich Ihrem Schluss jetzt nicht anschließen. Das, was ich sage und jetzt in verschiedenen Variationen geboten habe, ist doch die eigentlich simple Aussage, dass jedes Land für sich zu betrachten, dass jedes Land singulär ist, weil es eine ganz einzigartige Situation und vielleicht auch Problemstruktur hat. Griechenland ist singulär, weil es unter anderem eine äußert schwache Steuerbasis hatte. Zypern ist singulär, weil es gemessen an der gesamten Volkswirtschaft Zyperns einen ausgesprochen überdimensionierten Bankensektor hat, der noch dazu auch in schwerer Schieflage war. So ist jedes Land singulär und kann auch den Anspruch erheben, dass seine europäischen Partner sich seine Probleme ganz individuell anschauen und versuchen, mit ihm zusammen zu Lösungen zu kommen. Mehr wollte ich gar nicht sagen.

Zusatzfrage: Gut, aber dann könnten die Zyprioten natürlich auch erwidern: Warum soll das, was für uns gilt, nicht auch für andere gelten, auch wenn die Situation nicht ganz die gleiche ist?

StS Seibert: Ich möchte nur vor automatischen Schlüssen warnen.

Frage: Ich möchte den Blick noch auf etwas anderes lenken, was sie gesagt haben, nämlich dass jetzt die Grundlage für eine solide und nachhaltige Zukunft in Zypern geschaffen worden sei. Wie wollen Sie diese Zukunft denn nachhaltig gestalten, wenn ein Viertel der Wirtschaftskraft erst einmal wegstirbt? Gibt es auch Pläne, die zyprische Wirtschaft zu stützen?

StS Seibert: Sie wissen sicherlich, dass Kommissionspräsident Barroso die Gründung einer Taskforce angekündigt hat, um zusammen mit Zypern zu erörtern, welche flankierenden Maßnahmen möglich sind. Ich habe gesagt: Die Grundlage einer besseren, nachhaltigeren, solideren Zukunft Zyperns ist damit gelegt. Das ist aber auch erst einmal die Grundlage; es müssen natürlich noch viele Schritte erfolgen.

Sicher ist auch, dass ein Zusammenbruch des zyprischen Bankensektors, der ja vielleicht die Alternative zu einer Lösung gewesen wäre, keine Grundlage für eine positive Entwicklung Zyperns gegeben hätte oder dass es keine Grundlage für eine positive Entwicklung Zyperns gäbe, wenn der zyprische Staat unter der Last seiner Schulden zusammenbräche. Deswegen hat man sich mit der Eurogruppe sehr darum bemüht, einen Weg zur Schuldentragfähigkeit darzustellen und die Maßnahmen zu ergreifen, die dorthin führen können.

Frage: Herr Seibert, gibt es in Europa noch andere Länder mit einem überdimensionierten Bankensektor, den man im Auge haben müsste? Denn das Verhältnis ist ja nicht nur im Falle Zyperns etwas verschoben.

StS Seibert: Es gibt in Europa, wie Sie sicherlich wissen, Länder, die einen größeren, und andere, die einen kleineren Bankensektor haben. Worauf es ankommt, ist, ob diese Struktur im jeweiligen Land nachhaltig betrieben werden kann, ohne in Probleme und Schieflagen zu geraten, die andere Länder oder gar alle anderen Länder der Eurozone ebenfalls in Probleme brächten.

Frage: Herr Seibert, der Bundestag stimmt nach seiner Osterpause über einen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Frauenquote ab. Nun gibt es heute eine Berichterstattung der Wochenzeitung "DIE ZEIT", die nahelegt, dass es im Bundestag möglicherweise entgegen dem Votum der Bundesregierung eine Mehrheit dafür geben könnte. Ist Ihnen so etwas bekannt? Rechnet die Bundesregierung möglicherweise damit, dass dieses Gesetz im Bundestag eine Mehrheit finden könnte, und was wäre gegebenenfalls die Folge davon?

StS Seibert: Der zweite Teil ist sehr hypothetisch. Zum ersten Teil Ihrer Frage kann ich nur sagen, dass ich als Regierungssprecher nicht in der Lage bin zu zählen, wie viele Stimmen in welcher Fraktion für welchen Antrag nach Ostern zur Verfügung stehen werden. Ich kann Ihnen das also einfach nicht beantworten. Ich weiß, was die Haltung der Bundesregierung ist, aber nicht, welche Möglichkeiten sich da ergeben. Die Bundesregierung setzt natürlich darauf - wie sie das immer tut -, dass sie die notwendigen Mehrheiten finden wird.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Herr Schäfer, es gibt Berichterstattung darüber, dass in Indien zwei deutsche Seeleute festgehalten werden, weil ihr Frachter angeblich ein indisches Fischerboot überfahren haben soll, wobei ein Fischer ums Leben gekommen sei. Welche Erkenntnisse hat das Auswärtige Amt zu diesem Fall?

Schäfer: Ich kenne den Fall und kann bestätigen, dass nach dem, was wir wissen, tatsächlich zwei deutsche Staatsangehörige im Hafen von Chennai kurzfristig festgenommen worden sind. Die beiden sind auf Kaution frei, während die Ermittlungen der indischen Strafverfolgungsbehörden weiterlaufen. Die beiden werden vom deutschen Generalkonsulat in Chennai konsularisch betreut, was in diesem Fall natürlich auch bedeutet, sich einen genaueren Überblick über die Umstände zu verschaffen, die zu diesen Maßnahmen der indischen Strafverfolgungsbehörden geführt haben. Es ist selbstverständlich, dass sich das Generalkonsulat umfassend um die beiden Deutschen kümmern wird.

Zusatzfrage: Zu den genauen Umständen heißt es, dass der deutsche Frachter das Pech gehabt habe, dass er in den Hafen von Chennai eingelaufen sei, während Frachtschiffe anderer Nationalität, die involviert gewesen seien, auf Transit gewesen wären. Können Sie das bestätigen?

Schäfer: Nein. Wir müssen uns zunächst einmal einen Überblick über das verschaffen, was da tatsächlich geschehen sein mag. Ich kenne, wie Sie vielleicht, die Medienmeldungen dazu. Ich würde aber gerne, bevor ich irgendetwas bestätige, richtigstelle oder korrigiere, zunächst abwarten, was das Generalkonsulat an Informationen bekommt. Insofern können Sie gerne beim nächsten Mal oder dann, wenn diese Informationen vorliegen, fragen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es für mich zu früh - einfach aufgrund der Erkenntnislage -, um Ihnen irgendetwas zu bestätigen oder Ihnen die Umstände, um die es hier geht, die die indischen Behörden dazu veranlasst haben, gegen die beiden ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, zu erläutern. Das haben wir selber noch nicht so klar, als dass es geeignet wäre, das mit Ihnen in der Öffentlichkeit zu teilen.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage in Sachen NSU an den Sprecher des Justizministeriums. Können Sie mir sagen, wo die Unabhängigkeit der Justiz endet beziehungsweise wer sozusagen die Aufsicht über dieses Oberlandesgericht hat? In diesem Fall bewegen wir uns ja in einem Grenzbereich - der Normalbürger sagt, dass das, was dort passiert, so nicht in Ordnung ist, aber es ist sicherlich im rechtlich zulässigen Bereich. Es wären aber auch Dinge denkbar, wo das offensichtlich nicht der Fall ist und wo man den Grenzbereich verlässt. Da stellt sich für mich die Frage: Wo endet die Unabhängigkeit und welche Institution wäre diejenige, die dann eingreifen könnte und müsste?

Wieduwilt: Das ist eine etwas abstrakte Frage, ich versuche mich da einmal hineinzudenken. - Diesen Ruf nach einer Obrigkeit beziehungsweise einer Über- oder Kontrollinstanz habe ich auch schon aus Zeitungskommentaren herausgelesen. Es gibt in Deutschland einen Instanzenweg für Beschlüsse, Urteile und Entscheidungen, es gibt ein Bundesverfassungsgericht. Das sind alles die Mittel und Wege, wie eine Kontrolle ausgeübt wird. Es gibt aber nicht sozusagen den Regierungsbeauftragten, der eine Gerichtsentscheidung, die hohe Wellen schlägt - oder auch nicht hohe Wellen schlägt -, korrigieren könnte. Das ist auch ein staatsorganisationsrechtlich schwieriges Verständnis, um es einmal so auszudrücken. Die Wege, die ich Ihnen genannt habe, gibt es. Ansonsten gibt es nicht irgendeine feste Grenze für die Unabhängigkeit der Justiz - das ist ja auch der Sinn der Unabhängigkeit.

Zusatzfrage: Ich finde das gar nicht so abwegig. Es kann doch sein, dass ein Gerichtspräsident oder ein Richter in einem Verfahren etwas tut, was offenkundig daneben ist, was offenkundig rechtswidrig ist, was offenkundig so nicht geht - was schon in dem Augenblick, wo er es tut, offenbar wird. Da fragt man sich: Was passiert dann eigentlich? Läuft das dann so weiter, bis ein Urteil fällt, und muss dann sozusagen der Instanzenweg beschritten werden? Oder kann schon vorher irgendjemand sagen: Lieber Gerichtspräsident, das, was du machst, geht so gar nicht, ändere das bitte?

Wieduwilt: Zur letzten Variante: Nein.

Frage BLANK: Herr Wieduwilt, die Frage liegt eigentlich auf der Hand: Hätte eine Klage gegen eine Akkreditierungsentscheidung des Gerichts aufschiebende Wirkung für den Beginn des Prozesses?

Wieduwilt: Das kann ich Ihnen aus dem Stand nicht beantworten, tut mir leid. Auch das würde ich dann nachreichen. Ich glaube nicht, aber ich weiß es zurzeit nicht.

Frage: Es gab gestern eine statistische Untersuchung, die Deutschland bescheinigt hat, deftig höhere Arbeitskosten zu haben als die europäischen Länder im Schnitt. Ich würde gern vom Wirtschaftsministerium wissen, wie wir das jetzt werten sollen. Heißt das, es gibt in Deutschland einen Reform- oder Anpassungsbedarf, um dem Schnitt wieder näherzukommen, oder ist die Antwort: Wir können uns das leisten, deshalb beunruhigt uns das nicht?

Rouenhoff: Die Arbeitskosten sind essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen hier in Deutschland. Im letzten Jahrzehnt lag das Wachstum der deutschen Arbeitskosten unter dem EU-Durchschnitt. Es ist also ein ganz normaler Vorgang, dass die Arbeitskosten in konjunkturell günstigeren Zeiten etwas anziehen und sich nicht im vollständigen Gleichklang mit den übrigen Ländern der EU befinden. Das war auch schon in den vergangenen beiden Jahren der Fall.

Zusatzfrage: Besteht Handlungsbedarf oder nicht?

Rouenhoff: Es ist, wie gesagt, ein normaler Vorgang, dass die Arbeitskosten in konjunkturell günstigen Zeiten etwas anziehen. Das kann man ja auch mit Blick auf die Lohnnebenkosten und auch auf die Tarifverhandlungen sehen, da die Lohnfindung natürlich Sache der Vertragsparteien ist. Mit Blick auf die Arbeitskosten ist es in der Vergangenheit ja so gewesen, dass wir zu Anfang des Jahres eine Entlastung der Unternehmen vorgenommen haben.

Frage: Es gibt eine Fachuntersuchung über den Zusammenhang von Eurokrise und Gesundheitsversorgung, Selbstmordraten und ähnlichem. Mich würde nur interessieren: Hat das Gesundheitsministerium in irgendeiner Weise eigene Erkenntnisse über den Zusammenhang von Eurokrise und einer größeren Zahl von Erkrankungen, einer größeren Zurückhaltung der Menschen, zum Arzt zu gehen, oder ähnliches? Oder ist das eine Sache, über die Sie auch nur lesen und zu der Sie keine eigenen Erkenntnisse haben?

Albrecht: Vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe diese Studie beziehungsweise die Meldungen dazu auch gelesen. Dass wirtschaftlich schwierige Verhältnisse auch Rückwirkungen auf das Gesundheitssystem haben, ist, glaube ich, evident. Die Tatsache, dass die Bundesregierung im Rahmen der EU-Projekte zum Beispiel Griechenland in der Restrukturierung seines Gesundheitssektors federführend unterstützt, ist ja ein Ausweis dafür, dass eine wirtschaftliche Schieflage auch Auswirkungen auf das Gesundheitssystem hat.

Einen direkten Anknüpfungspunkt an die Studie habe ich jetzt nicht. Ich weiß nicht, ob sie bei uns im Hause vorliegt; das kann ich gerne einmal nachprüfen und dann beantworten. Wichtig ist nur, dass wir an diesem Punkt sehen können, dass es sich positiv auf das Gesundheitssystem auswirkt, wenn wir eine wirtschaftlich gute Verfassung haben - was Sie in Deutschland zum Beispiel sehr gut sehen können.

Zusatzfrage: Eigene Erkenntnisse, die diese Studie oder die Grundaussage bestätigen, haben Sie jetzt aber nicht?

Albrecht: Wie gesagt, wir helfen zum Beispiel in Griechenland den Krankenhäusern, weil wir wissen, dass das (dortige System) ineffizient ist. Wir sehen also die Schwierigkeiten und wollen diese mit aus dem Weg räumen, insofern haben wir natürlich eine eigene Erkenntnis. Was aber diese Studie angeht - ich habe zum Beispiel gelesen, dass Malaria in gewissen Staaten zunehme -, so haben wir solche Erkenntnisse in der Tat nicht, nein.

Vorsitzender Hebestreit: Eine gute Nachricht vor dem Osterfest: Kein Malariazuwachs in Deutschland. - Ich darf mich für heute in die Osterpause verabschieden. Die nächste Regierungspressekonferenz findet heute in einer Woche statt - auch um 11.30 Uhr, da es keine Kabinettssitzung gibt. Ich wünsche frohe Ostertage!

StS Seibert: Frohe Ostern!

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 27. März 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/03/2013-03-27-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2013