Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/582: Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Putin, 8.4.13 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 8. April 2013
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Putin anläßlich der Hannover Messe 2013

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)



BK'in Merkel: Ich freue mich, dass wir hier heute gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Ihnen diese Pressekonferenz abhalten können - im Anschluss an unseren Rundgang über die Hannover Messe, im Anschluss an unsere Gespräche gestern Abend und im Anschluss an die Eröffnung der Hannover Messe.

Es ist ein gutes Zeichen, dass Russland das Gastland auf der Hannover Messe ist, und das auch noch im Deutsch-Russischen Jahr. Das heißt, wir haben hier eine Darstellung, eine Ausstellung der russischen Industrie in sehr vielfältiger Form, wovon wir uns auf dem Rundgang eben überzeugen konnten - und zwar sowohl, was die Rohstoffe und die Rohstoffverarbeitung Russlands anbelangt, als natürlich auch, was die verarbeitende Industrie, die sich daran anschließt, anbelangt, und auch, was Hochtechnologie anbelangt.

Der Lebensstandard, der Wohlstand in Russland steigt; daher befinden sich die Märkte, die auch die Menschen versorgen - wie zum Beispiel der Automobilmarkt -, in einer sehr guten Position. Es gibt eine Vielzahl von Kooperationsprojekten deutscher Unternehmen - ob das Siemens, ob das Volkswagen oder ob das andere, gerade auch mittelständische Unternehmen in Deutschland sind -, die mit Russland sehr eng zusammenarbeiten, und es gibt auch eine Vielzahl von jungen russischen Unternehmen, die dieselben Ansprüche haben.

Wir machen heute nicht nur ein kurzes Statement am Schluss, sondern diese Pressekonferenz, weil wir gestern Abend ein ausführliches Gespräch über alle Fragen der bilateralen Kontakte und der internationalen Politik hatten. Dabei hat natürlich die Frage der innenpolitischen Situation in Russland eine Rolle gespielt. Ich habe gestern in meiner Eröffnungsrede darauf hingewiesen, dass wir uns eine lebendige Zivilgesellschaft in Russland wünschen. Wir haben natürlich auch über die Kontrollen deutscher Stiftungen - der Ebert-Stiftung, der Adenauer-Stiftung - gesprochen. Der Präsident hat noch einmal versichert, dass es nicht darum geht, die Arbeit dieser Stiftungen zu beeinträchtigen. Dennoch habe auch ich zum Ausdruck gebracht, dass wir Sorge haben, dass dadurch Angst oder Besorgnis entstehen kann, dass sich die Nichtregierungsorganisationen nicht so entwickeln können, wie sie das gerne möchten, und ich habe noch einmal deutlich gemacht, dass Deutschland für eine starke zivilgesellschaftliche Entwicklung und viele Nichtregierungsorganisationen eintritt.

Wir haben darüber gesprochen, welche Chancen sich aus dem WTO-Beitritt Russlands ergeben, und wir haben über die G20-Präsidentschaft gesprochen. Ich freue mich auf die Gastgeberschaft von Russland im Herbst des Jahres, wo wir gerade auch die Probleme der internationalen Wirtschaftsentwicklung besprechen werden.

Wir haben dann über eine Vielzahl von internationalen Problemen gesprochen. Hier möchte ich das Thema des Syrien-Konfliktes und das Thema der Provokationen, wie ich es nennen würde, die wir im Augenblick aus Nordkorea erleben, hervorheben. Gerade, was Nordkorea anbelangt, waren wir uns sehr einig, dass die internationale Staatengemeinschaft hier beruhigend einwirken muss, aber auch deutlich einwirken muss, damit Nordkorea die Provokationen einstellt.

Was Syrien anbelangt, so gibt es und gab es ja immer wieder unterschiedliche Meinungen, zum Beispiel auch zwischen der Europäischen Union und Russland. Dennoch sind wir überzeugt, dass alles dafür getan werden muss, eine politische Lösung des Problems zu erreichen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern und die schrecklichen Opfer von Zivilpersonen, die wir jeden Tag zu beklagen haben - von Kindern, von Frauen, von Erwachsenen -, möglichst zu minimieren. Wir bleiben hierüber in einem intensiven Gespräch. Das Beste wäre, wenn es gelänge, endlich einen politischen Prozess in Gang zu bringen. Das ist bis heute nicht gelungen. Deshalb müssen und werden wir uns mit diesem Thema weiter beschäftigen.

Russland ist für Deutschland ein wichtiger strategischer Partner; das zeigt die Hannover Messe, das zeigt aber auch das ganze deutsch-russische Jahr. Es gibt intensivste Kontakte, die wir fortsetzen wollen. Deshalb noch einmal ein herzliches Willkommen dem Präsidenten der russischen Föderation, Wladimir Putin!

P Putin: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich nochmals bedanken für die Einladung an Russland, sich als Partnerland an der Hannover Messe zu beteiligen. Ich möchte auch den Organisatoren der Messe gratulieren. Wir haben heute gesehen, wie grandios sie ist, wie inhaltsreich und wie interessant sie ist.

Ich konnte die Stimmungen der Vertreter der Business-Welt, der Industrie, zu spüren bekommen, sowohl der russischen als auch der deutschen Vertreter. Alle sind sehr zufrieden damit, wie sie zusammenarbeiten, was sie machen. Sie sprechen von großen Perspektiven der gemeinsamen Arbeit. Wir haben erst eben die Stände unserer größten Energiekonzerne besucht. Sie alle haben milliardenschwere Projekte der Entwicklung. Ein großer Teil dieser Geldmittel kann gemeinsam mit den deutschen Gesellschaften, mit den deutschen Firmen, realisiert werden. Ich meine hier die hochtechnologischen Potenziale unserer deutschen Partner. All das ist dienlich für die Wirtschaften unserer beiden Länder, also auch dienlich für die Völker unserer Länder. Das ist ohne Übertreibung so. Ich habe bei der Eröffnung der Messe gestern gesagt: Nur in Deutschland sind durch die Produktion für Russland und mit Russland etwa 700.000 Arbeitsplätze gesichert. Das ist natürlich sehr wichtig in der heutigen Lage.

Russland ist hier sehr präsent. 160 Betriebe aus über 20 Regionen verfügen hier über eine große Ausstellungsfläche. Es gefällt mir sehr, dass unsere Business-Vertreter sich hier wie zuhause fühlen. Ich meine sehr enge und gute Kontakte zu ihren deutschen Partnern.

Gestern haben wir im Laufe unseres abendlichen Gesprächs mit der Bundeskanzlerin viele Probleme angesprochen. Die Frau Bundeskanzlerin hat hier schon fast alle Themen angeführt. Ich habe hier nichts hinzuzufügen. Ich möchte nur sagen, dass diese Diskussion aus meiner Sicht sehr offen, sehr ehrlich und sehr produktiv war.

Natürlich haben wir festgestellt, dass wir in einigen Fragen verschiedene Meinungen und auch verschiedene Herangehensweise an manche Probleme haben. Aber ich möchte bekräftigen, dass alle Diskussionen mit unseren Partnern in Deutschland konstruktiv in einer sehr guten und offenen Atmosphäre geführt werden. Ich bin der Auffassung, dass solch ein Stil unserer gemeinsamen Arbeit zu neuen Errungenschaften führen muss. Die Errungenschaften sind schon sehr groß. Wir haben zurzeit einen Handelsumsatz von 74 Milliarden US-Dollar. Das ist nicht die Obergrenze.

Jetzt werde ich kurz Holland einen kurzen Besuch abstatten. Mit diesem Land, das ein kleineres Potenzial hat, haben wir einen Umsatz von 82 Milliarden Dollar. Das zeugt nur davon, dass wir mit unserem deutschen Partner in Kürze zumindest die Latte von 100 Milliarden Dollar erreichen werden.

Was die internationale Problematik anbetrifft, so hat die Frau Bundeskanzlerin schon die wichtigsten Themen angesprochen. Ich habe nichts hinzuzufügen. Wenn Sie noch irgendwelche Fragen dazu haben, werden wir versuchen, sie zu beantworten.

Ich möchte mich nochmals bei den Organisatoren, bei der Führung des Bundeslandes Niedersachsen, bedanken. Solche Veranstaltungen bedeuten natürlich eine große Last, auch in Bezug auf die Infrastruktur. Wir möchten uns dafür entschuldigen. Aber wir hoffen, dass Sie alle eine solche Art von Veranstaltungen zu nutzen wissen, sowohl für das Bundesland als auch für die Stadt und unsere bilateralen Beziehungen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Frage: Es gibt ja im Korea-Konflikt auch heute wieder Meldungen, die auf eine weitere Eskalation hindeuten - Stichwort: Hinweise auf einen vierten Atomwaffentest. Welche Einwirkungsmöglichkeiten sehen Sie denn im Moment, wenn es darum geht, diesen Konflikt zu entschärfen?

BK'in Merkel: Ich von meiner Seite sehe immer wieder nur die Einwirkungsmöglichkeit, eine möglichst geschlossene Haltung der internationalen Gemeinschaft zu bekommen. Hier kommt der Rolle von Russland und der Rolle von China natürlich eine besondere Bedeutung zu. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle im Großen und Ganzen auch die gleichen Ziele haben, nämlich dass Nordkorea die internationalen Verpflichtungen einhält. Der Weg dazu muss immer wieder der Versuch von Gesprächen und die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft sein.

P Putin: Unsere Position zu der nordkoreanischen Atomwaffenproblematik ist bekannt. Wir sind gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Zweitens sind wir für die Demilitarisierung der ganzen koreanischen Halbinsel.

Das Wichtigste, was Sie gefragt haben: Die Eskalierung auf der Korea-Halbinsel besorgt uns, weil wir Nachbarn sind. Ich mache keinen Hehl daraus. Wenn dort um Gottes willen etwas stattfindet - so wie Tschernobyl, das wir sehr gut kennen -, könnte uns das als ein Kleinkindermärchen erscheinen.

Gibt es solch eine Gefahr? - Es gibt sie natürlich. Man soll ja nichts eskalieren. Aber ich würde alle dazu aufrufen, sich zu beruhigen und in einer solchen ruhigen Lage am Verhandlungstisch zu beginnen, all die Probleme zu lösen, die dort angehäuft sind.

Es erscheint mir, dass die Vereinigten Staaten von Amerika einen sehr wichtigen Schritt gemacht haben. Sie haben den Test einer ballistischen Rakete gestoppt. Wir müssen den USA für diesen Schritt danken. Ich hoffe, dass es bemerkt wird, dass von unseren Partnern, auch in Nordkorea, entsprechende Bilanzen gezogen werden und sich alle beruhigen. Alle werden sich gemeinsam an die Lösung der bestehenden Probleme machen.

Frage (Der erste Teil der Frage wurde nicht übersetzt)

Die zweite Frage in Bezug auf Zypern richtet sich sowohl an Herrn Putin als auch an Frau Merkel: Sind Sie nicht der Meinung, dass die jetzige Lösung auf Zypern Beispielcharakter hat und ein Präzedenzfall für weitere Lösungen in anderen Staaten sein könnte?

P Putin: Zu den NGO's hat die Frau Bundeskanzlerin schon gestern, auch offiziell, etwas gesagt, und jetzt hat sie das auch angesprochen. Natürlich haben wir dieses Problem gestern sehr eingehend besprochen. Es erscheint mir, dass es mir gelungen ist, meine Besorgnis an die Frau Bundeskanzlerin weiterzuleiten - nicht im Zusammenhang mit der Tätigkeit dieser NGO's, sondern im Zusammenhang mit der massenhaften Finanzierung dieser Organisationen. Darum geht es.

Ich möchte, dass Sie alle wissen: Unsere Tätigkeit ist darauf gerichtet, die Finanzflüsse zu überprüfen, die an die russischen NGO's gehen, die sich mit der innenpolitischen Tätigkeit beschäftigen. Nur in den ersten vier Monaten sind auf die Konten dieser Organisationen 28,3 Milliarden Rubel aus dem Ausland geflossen. Das ist besorgniserregend. Unsere Bürger sind berechtigt zu wissen, woher das Geld kommt und für welche Zwecke es verwendet wird.

Was die Tätigkeit dieser NGO's anbetrifft, so will niemand diese begrenzen. Sie können weiter arbeiten. Solche Art Gesetze gibt es auch in anderen Staaten, in den USA zum Beispiel seit 1938.

Was Zypern anbetrifft: Diese Gelder über eine Milliarde Dollar könnte man für die Rettung solcher Staaten wie Zypern aufwenden. Unsere Position zu Zypern ist gut bekannt. Aber ich gehe davon aus, dass es ein Einzelfall sein wird und für weitere solche Fälle diese Methoden nicht mehr angewandt werden. Aber unseren Beitrag leisten wir. Im letzten Jahr haben wir einen Staatskredit in Höhe von über einer Milliarde Dollar zur Verfügung gestellt, und auf Bitte der Europäischen Kommission haben wir den Beschluss gefasst, diesen Kredit zu restrukturieren. Das ist unser Beitrag zur Lösung des Zypern-Problems.

BK'in Merkel: Was die Nichtregierungsorganisationen anbelangt, hat der Präsident seine Haltung eben noch einmal deutlich gemacht. Es geht, glaube ich, darum - so habe ich es jedenfalls für uns deutlich gemacht -, dass die Nichtregierungsorganisationen gut und frei arbeiten können. Es geht darum, dass Organisationen wie die deutschen Stiftungen oder das Goethe-Institut unbeschadet ihre Tätigkeit durchführen können. Natürlich ist es eine Störung und ein Eingriff, wenn zum Beispiel einfach Festplatten kontrolliert werden, obwohl die Arbeit dieser Stiftungen nach unserer Kenntnis sehr ordnungsgemäß abläuft.

Ich habe aus meiner Sicht noch einmal deutlich gemacht, dass ich mir eine lebendige Zivilgesellschaft wünsche und dass diese nur entstehen kann, wenn die einzelnen Organisationen ohne Angst und Sorge arbeiten können. Das muss natürlich auf der Grundlage von Gesetzen geschehen - das ist überall auf der Welt so -; sie sollten aber den Eindruck haben, dass sie erwünscht sind, dass die Meinungsvielfalt erwünscht und dass auch der Disput und die unterschiedlichen Positionen erwünscht sind. Wir haben unterschiedliche Positionen, und so werden Gesellschaften immer mit unterschiedlichen Positionen leben müssen.

Ich habe hier gestern in meiner Einführungsrede zur Eröffnung der Hannover Messe auch deutlich gemacht, dass ich glaube, dass motivierte Menschen, die auch für den wirtschaftlichen Fortschritt arbeiten, auch sehr selbstbewusste Menschen sein sollten, die über ihre Gesellschaft eine eigenständige Meinung haben. Dazu gehört Pressevielfalt und dazu gehört zivile beziehungsweise Gesellschaftsvielfalt.

Was Zypern anbelangt, hat der Präsident seine Position noch einmal wiederholt, und ich habe erst einmal zur Kenntnis genommen, dass es eine grundsätzliche Unterstützung der Entwicklung im Euroraum gibt, dass auch Russland ein Interesse an einer stabilen Entwicklung im Euro hat und dass es natürlich darum geht, Berechenbarkeit zu haben. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, dass die europäische gemeinsame Währung einige Dinge nicht aufgebaut hat, die man sehr viel früher hätte aufbauen müssen. Wir haben einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, in dem wir sagen: Okay, wir brauchen eine Begrenzung der Defizite. Daran hat sich auch nicht jeder gehalten, aber immerhin hatten wir solche Regeln. Aber erst jetzt erarbeiten wir gleiche Standards zum Beispiel für Einlagensicherungen. Natürlich ist wichtig, dass jeder weiß, dass Einlagen bis zu 100.000 Euro in allen europäischen Ländern geschützt sind. Die Standards dieser Einlagensicherung werden aber erst jetzt vereinheitlicht, die Aufsicht der Banken wird erst jetzt vereinheitlicht. Das alles hat es über Jahre nicht gegeben, und dadurch ist es zu Fehlentwicklungen gekommen, die in der Tat schwer mit einer gemeinsamen Währung zu vereinbaren sind.

Natürlich ist es - das habe ich von meiner Seite aus deutlich gemacht - auch sehr schwierig, wenn man in einem Gebiet mit einer einzigen Währung ganz unterschiedliche Zinssätze hat. In Deutschland ist die Sicherheit der Banken sehr hoch bewertet, aber die Zinssätze sind sehr gering. In Zypern waren die Zinsen, die man für eine Einlage bekommen konnte, sehr viel höher, aber das Risiko war so groß, dass wir jetzt eben Maßnahmen ergreifen mussten, die nicht der Standard für eine dauerhafte, sichere Bankenlandschaft in Europa sein dürfen. Deshalb arbeiten wir gemeinsam an einer Bankenaufsicht, deshalb arbeiten wir daran, dass wir gleiche Standards für Einlagensicherungen haben und deshalb arbeiten wir daran, dass wir mehr Regeln haben.

Dazu gehört noch weit mehr, nämlich auch eine sehr viel stärkere wirtschaftliche Kooperation und auf lange Sicht sicherlich auch mehr Gleichheit in den Steuersystemen; denn wenn Länder eine gemeinsame Währung haben, dann müssen auch die Gegebenheiten vergleichbar sein. Das wird noch viel Arbeit in der Europäischen Union und in der Eurogruppe mit sich bringen; da sind wir aber auch dran. Nur so können wir die Ursachen der Krise beheben. Wir können ja nicht dauernd und jahrzehntelang retten. Wir müssen vielmehr die Ursachen der Krise beheben, und damit sind wir noch nicht fertig.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, es hat hier einen Protest von drei jungen Frauen gegeben, die den Präsidenten als Diktator beschimpft haben. Haben Sie Verständnis für so einen Protest? Haben Sie in Russland in den vergangenen Monaten Rückschritte gesehen, was Rechtsstaatlichkeit und Demokratie angeht?

An den Präsidenten: Erkennen Sie den Widerspruch, den wir in Deutschland manchmal sehen, wenn es um Russland geht, da Sie einerseits von Zusammenarbeit mit Deutschland und auch von einem Weg in Richtung Demokratie sprechen und andererseits Organisationen, die mit westlichen Partnern zusammenarbeiten und von dort auch Geld bekommen, mit großem Misstrauen begegnen?

BK'in Merkel: Wir sind ein freies Land und man kann demonstrieren. Allerdings muss man sich natürlich auch an die Gegebenheiten halten; es gibt auch hier rechtliche Bestimmungen. Das wird jetzt überprüft werden. Ich bin es gewohnt, dass mir gegenüber verschiedenste Meinungsäußerungen gemacht werden. Insofern wird das in einer Demokratie immer wieder der Fall sein. Was die Messe anbelangt, so ist dies sicherlich ein Ort, für den es - jedenfalls offiziell - nicht angemeldet war, dass man so etwas vorhat. Ob man in Deutschland zu einer solchen Notmaßnahme greifen muss und nicht auch anderweitig seine Meinung sagen kann, da habe ich meine Zweifel. Die Dinge werden jetzt geklärt werden, und dann wird man weitersehen.

P Putin: Was die Aktion selber anbetrifft: Sie hat mir gefallen. Grundsätzlich wussten wir, dass eine solche Aktion in Vorbereitung ist. Ich möchte den ukrainischen Mädchen danken. Denn ohne eine solche Aktion würde man weniger über die Messe sprechen als mit solchen Aktionen.

Was sie geschrien haben, habe ich - ehrlich gesagt - nicht genau gehört, weil die Security sehr gut arbeitet. Große junge Leute haben sich über die schönen Mädchen geworfen. Ich glaube, man könnte das auch etwas einfacher machen.

Ich habe - ehrlich gesagt - auch nicht gesehen, ob sie blond oder schwarzhaarig waren. Also ich sehe darin nichts Schreckliches. Am besten sollte man die Ordnung nicht stören. Wenn jemand politische Diskussionen führen möchte, dann müssten sie angekleidet und nicht ausgezogen gehen. Das wäre möglich am FKK-Strand oder sonst noch wo. Aber hier ist es sowieso nicht kalt. Also man kann das auch so machen.

Was die NGO's und andere Organisationen anbetrifft, so haben Sie gesagt, dass diese Organisationen unter Kontrolle gestellt werden. Ich möchte nochmals betonen: Wir stellen niemanden unter Kontrolle. Wir möchten einfach wissen, wie viel Geld aus dem Ausland aus welchen Kanälen und zu welchen Zwecken nach Russland fließen. In erster Linie möchten wir wissen, ob die Organisationen, die diese Gelder erhalten, sich mit innenpolitischer Tätigkeit beschäftigen. - In Russland wurde ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, und alle werden dieses Gesetz befolgen.

Frage: Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin. Haben Sie bei den internationalen Themen das Syrien-Problem angesprochen? Ist es Ihnen im Laufe der Verhandlungen gelungen, die Positionen Russlands und Deutschlands anzunähern, oder ist dies eine Frage, die Sie zu den Meinungsverschiedenheiten zählen?

Eine zweite Frage zur Zukunft der bilateralen Beziehungen und den instabilen Bedingungen in der Eurozone: Herr Präsident, hat Russland noch Vertrauen zum Euro als eine internationale Währung?

P Putin: Über Syrien haben wir wirklich sehr lange diskutiert. Ich habe eingehend die Nuancen unserer Position dargelegt. Es erschien mir, dass die Frau Bundeskanzlerin diese gehört und auch entsprechend eingeschätzt hat. Die Bundesregierung ist wie wir besorgt um das Blutvergießen in diesem Lande. Wie unsere Kollegen in Deutschland und Europa sind wir bestrebt, eine solche Variante der Weiterentwicklung der Geschehnisse zu sehen, um diesem Blutvergießen ein Ende zu bereiten. Wir haben Meinungsverschiedenheiten zu einigen Fragen fixiert, im Wenigsten in Bezug auf Syrien.

Was die NGO's anbetrifft, hat die Frau Bundeskanzlerin sehr große Besorgnis darum, dass wir die Tätigkeit dieser NGO's einschränken. Wir haben gesagt, dass wir die Tätigkeit deutscher Organisationen auf russischem Territorium in keinerlei Weise einschränken. Es ist umgekehrt: Wir begrüßen sie und hoffen, dass sie weiter in Russland arbeiten und ihre Tätigkeitsbereiche weiter entwickeln. In Russland lernen 3,2 Millionen russische Bürger die deutsche Sprache. Wir werden alle unterstützen, die diesen Leuten dabei helfen.

Was Syrien anbetrifft, so haben wir keine Lösung dafür. Was sollten wir da machen? - Zuerst müsste man die Waffenlieferungen einschränken, aber an alle Seiten des Konfliktes. Das wäre das Erste.

Das Zweite. Wenn man davon spricht, dass Russland Waffen liefert, so liefern wir diese Waffen an ein legitimes Regime. Das wird von keinen internationalen Regelungen verboten. Aber wir sind bereit, mit allen zusammen zu kommen und gemeinsam zu besprechen, wie wir aus dieser Situation herauskommen. Wir haben da ein Einvernehmen. Ich hoffe auf die Fortsetzung eines konstruktiven Dialogs.

Was die Eurozone anbetrifft: In meinem Interview an die deutsche Presse habe ich gesagt, es ist schade für uns, dass solche Geschehnisse wie in Bezug auf Zypern stattfinden. Aber das grundsätzliche Fundament der europäischen Wirtschaft - das gilt auch für die deutsche Wirtschaft und Deutschland - wird ja sehr gut durch das Entwicklungstempo und die Sicherheit Ihrer Wirtschaft demonstriert. Also da haben wir keine größeren Besorgnisse. Wir wünschen unseren Partnern große Erfolge auf diesem Wege.

Es ist vielleicht unangebracht, das hier in Anwesenheit der Frau Bundeskanzlerin zu sagen, aber wenn Sie schon fragen, so sage ich Ihnen: Ich teile Ihr Herangehen an die Lösung der Wirtschaftsprobleme des heutigen Tages. Zum Ersten sollte man sich von systembedingten Schwierigkeiten abkoppeln und dann mit den Elementen des Geldaufpumpens an entsprechende Länder beginnen. Das ist das einzig richtige Herangehen. Aber wir vertrauen der Wirtschaftspolitik der Europäischen Kommission und der Wirtschaftspolitik unserer deutschen Freunde.

BK'in Merkel: Zu Syrien von meiner Seite nur noch Folgendes: Wir haben sehr ausführlich und sehr detailliert darüber gesprochen, welche Zukunftsperspektiven es gibt. Aus unserer Sicht ist die Legitimation von Herrn Assad nicht mehr gegeben. Dennoch muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, wie wir eine konstruktive syrische Opposition haben können. Diesbezüglich und auch über die Vorgehensweise gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen. Ich glaube aber, unser Gespräch hat auch dazu geführt, dass man noch einmal versuchen sollte, auch im Rahmen des UN-Sicherheitsrates gemeinsame nächste Schritte zu vereinbaren. Denn letztlich ist im Zusammenhang mit dem Syrienkonflikt eine, wie ich finde, sehr negative Situation entstanden, da es über viele, viele Monate unterschiedliche Meinungen unter den Ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates gegeben hat, weshalb die internationale Staatengemeinschaft - anders als im Falle von Nordkorea, wo das besser funktioniert hat - nicht geschlossen auftreten konnte. Ich glaube, dass gerade eine solche gemeinsame internationale Position immer wieder angestrebt werden sollte. Diesem Ziel sollte unser Gespräch gestern dienen. Ich denke, die Gespräche werden auf allen Ebenen weitergeführt werden.

Herzlichen Dank!

P Putin: Danke schön.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 8. April 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/04/2013-04-08-merkel-putin-hannvoer-messe.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2013