Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/649: Regierungspressekonferenz vom 19. August 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 19. August 2013
Regierungspressekonferenz vom 19. August 2013

Themen: Urteil gegen den Schwager des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, aktuelle Lage in Ägypten, "Spiegel"-Artikel zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses, Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers zur Schaffung eines neuen Börsensegments für junge und wachstumsstarke Unternehmen, Geiselnahme in Ingolstadt/dortiger Wahlkampftermin der Bundeskanzlerin, Deutsche Botschaft im Jemen, Nukleargespräche mit dem Iran, umstrittene Kältemittel in Daimler-Fahrzeugen, Debatte über eine Rückverlagerung von EU-Kompetenzen an die Nationalstaaten

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Schlienkamp (BMWi), Roth (BMVg), Lesch (BMZ), Teschke (BMI), Strater (BMVBS)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, ich wollte Ihnen zunächst eine Stellungnahme zu einem Fall der chinesischen Justiz mitteilen. Es geht um das Urteil gegen den Schwager des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, Liu Hui. Er ist im Juni dieses Jahres wegen angeblichen Betrugs zu elf Jahren Haft und weiteren zwei Jahren sogenannter politischer Bewährung verurteilt worden. Dieses Urteil ist nun am Freitag der vergangenen Woche von dem Gericht bestätigt worden und ist damit rechtskräftig. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Herr Löning, hat sich dazu bereits kritisch geäußert.

Für die Bundeskanzlerin möchte ich sagen, dass sie die Entwicklungen in China persönlich mit großem Interesse verfolgt und dass sie über die Bestätigung dieses überaus harten Urteils gegen Liu Hui, den Schwager des Friedensnobelpreisträgers, durch das Gericht am Freitag enttäuscht ist. Von einem wichtigen Partner wie China, der eine beeindruckende Entwicklung genommen hat, erwarten wir die Gewährung eines Minimums an Rechtsstaatlichkeit und Transparenz. Es gibt leider deutliche Anzeichen, dass der Prozess gegen Liu Hui Teil des umfassenden staatlichen Drucks gegenüber der Familie von Liu Xiaobo ist. Deutsche Diplomaten und andere Diplomaten, die den Prozess beobachten wollten, mussten erneut vor der Tür des Gerichtssaals warten. Wir stellen uns partnerschaftliche Beziehungen anders vor.

Die Bundeskanzlerin fordert die chinesische Regierung einmal mehr auf, alle Personen freizulassen, die wegen der friedlichen Ausübung ihres verfassungsgemäßen Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert sind. Das gilt auch für die Mitglieder der "Bewegung neuer Bürger", des sogenannten "New Citizens' Movement".

Schäfer: Ich würde gerne im Namen von Außenminister Westerwelle Folgendes zur aktuellen Lage in Ägypten sagen:

Der Minister ist über die Nachrichten über die Tötung von mehr als 20 ägyptischen Polizisten auf der Sinai-Halbinsel - offenbar durch militante Terroristen - bestürzt. Minister Westerwelle verurteilt diesen terroristischen Akt auf das Schärfste und übermittelt den Angehörigen der Opfer der getöteten Polizisten sein Beileid.

Der Außenminister hat über das Wochenende zahlreiche Gespräche zur aktuellen Lage in Ägypten geführt, unter anderem mit dem britischen Außenminister Hague, dem amerikanischen Außenminister John Kerry, Frau Ashton, dem französischen Außenminister Fabius sowie am Samstagnachmittag auch mit dem ägyptischen Außenminister Fahmy. Er hat ihnen in all diesen Gesprächen die klare Haltung der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, die ich noch einmal ganz kurz zusammenfassen möchte:

Wir verurteilen jede Form von Gewalt in Ägypten. Die Spirale der Gewalt, die Ägypten zurzeit erschüttert, muss jetzt dringend gestoppt werden. Das gilt im Interesse aller Ägypter, aber besonders im Interesse der Angehörigen von Minderheiten wie zum Beispiel der christlichen Gemeinschaft, die in diesen Tagen eine erschreckende Welle der Gewalt erlebt. Außenminister Westerwelle hat gesagt: Was das Land jetzt braucht, ist eine Art runder Tisch, der alle politischen Kräfte und gesellschaftlichen Gruppen für einen Dialog zusammenbringt.

Ich möchte das noch einmal bekräftigen und ergänzen, dass die Bundesregierung mit ganz besonderer Sorge und auch Empörung auf die Angriffe gegen Christen und christliche Gotteshäuser in Ägypten schaut. Wir fordern alle Verantwortlichen in Ägypten auf, effektiven und wirksamen Schutz für die christliche Glaubensgemeinschaft und ihre Einrichtungen in Ägypten sicherzustellen. Deutsche Diplomaten haben in den letzten Tagen und auch über das Wochenende in direkten Gesprächen mit Verantwortlichen auf allen Seiten diese klare Forderung nach einem sofortigen Ende der Gewalt und dem Schutz der christlichen Gemeinschaften überbracht.

Ich ergänze noch: Sie wissen, dass sich heute die EU-Botschafter in Brüssel im Rahmen des sogenannten PSK zu einer Sondersitzung zum Thema Ägypten treffen. Auf dieser Sitzung geht es darum, dass sich die 28 Partnerstaaten in der Europäischen Union zur Lage in Ägypten austauschen und gemeinsam beraten, in welcher Weise die Europäische Union angemessen auf die Ereignisse in Ägypten reagiert.

Sie haben sicherlich in den letzten Tagen verfolgt, dass die Bundesregierung - die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister - gesagt haben, dass das, was in Ägypten geschehen ist, nicht ohne Konsequenzen bleiben kann. Der Bundesregierung geht es jetzt darum, in den nächsten Tagen eine gemeinsame Haltung mit der Europäischen Union ins Werk zu setzen. Je einiger wir in Europa auf die schrecklichen und erschütternden Ereignisse von Ägypten reagieren, umso besser.

Sie wissen auch, dass geplant ist, dass sich auch die Außenminister der Europäischen Union in den nächsten Tagen zu diesem Thema zusammensetzen wollen; ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch kein genaues Datum nennen. Es liegt in der Verantwortung von Frau Ashton, einen solchen Termin zu veröffentlichen.

Frage: Herr Schäfer, ich hätte gerne gewusst, was die aktuelle Lage in Ägypten für die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes bedeutet, ob sie in irgendeiner Form noch einmal ausgeweitet werden.

Zweitens. Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse, dass es auch einen regionalen Zusammenhang gibt? Sie haben die Todesfälle auf dem Sinai erwähnt. Ist das möglicherweise ein Konflikt, der nicht mehr allein in Ägypten spielt, sondern, ähnlich, wie wir es auch bei anderen Konfliktherden in Nordafrika oder Syrien gesehen haben, jetzt auch mit Kämpfern ausgefochten wird, die aus anderen Ländern kommen?

Schäfer: Zu den Reise- und Sicherheitshinweisen: Im Auswärtigen Amt hat der Krisenstab auch über das Wochenende täglich getagt. Er hat sich auf der Grundlage unserer Erkenntnisquellen - Berichten der Botschaft, Berichten aus den Medien und anderen Quellen, die uns zur Verfügung stehen - mit der Lage und ihren Folgen für deutsche Staatsangehörige befasst. Das Ergebnis dieser Beratungen ist jeweils gewesen, dass es zurzeit - hier und heute - und auch zurzeit der Beratungen keinen Anlass gab, die Reise- und Sicherheitshinweise, wie sie vom Stand Freitag existieren, zu verändern. Das bedeutet, dass es eine Reisewarnung für einen Teil Ägyptens gibt. Das sind der Nordsinai und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet. Die Ereignisse des heutigen Morgens bestätigen und bestärken uns darin, dass wir ausdrücklich und eindringlich davor warnen, dass sich ein deutscher Staatsangehöriger in dieses Gebiet einfach wegen der dortigen Lage und der Gefahr terroristischer Übergriffe begibt.

Ansonsten warnt das Auswärtige Amt eindringlich vor Reisen nach Ägypten. Wir haben in Absprache mit den Reiseverbänden gesehen - wir begrüßen das auch -, dass die Zahl der Urlauber, die sich derzeit in Ägypten aufhält, abschmilzt, und zwar einfach deshalb, weil die Reiseindustrie nur noch wenige Reisen nach Ägypten durchführt und im Wesentlichen die Urlauber, die nach Hause möchten oder am Ende ihres Urlaubsaufenthalts in Ägypten sind, nach Deutschland zurückkehren. Je weniger Deutsche sich in Ägypten aufhalten, umso besser und sicherer ist das angesichts der Lage für uns.

Zu Ihrer zweiten Frage nur so viel, dass die Lage im Nord-Sinai nicht nur eine auf Ägypten begrenzte Lage ist. Das müssen wir in den nächsten Tagen und Wochen prüfen. Die Bundesregierung hat keine konkreten Erkenntnisse darüber, wer der Urheber und Verantwortliche dieser schrecklichen Terroranschläge von heute Morgen und aus den letzten Tagen ist. Insbesondere kann ich Ihnen hier nicht darüber berichten, welcher Staatsangehörigkeit mögliche Täter angehören.

Eines ist klar: Die Region, besonders die besondere Lage im Sinai, ist eine brenzlige. Das ist das Grenzgebiet zu Israel. Es ist ganz offensichtlich, dass das das Risiko in sich birgt, dass die Lage auf dem Sinai auch Auswirkungen hat, die weit über die Grenzen des Landes Ägypten hinausgehen.

Frage: Eine Frage, die nicht nur das Auswärtige Amt, sondern möglicherweise auch das Wirtschaftsministerium betrifft. Wenn ich das richtig verstehe, sind die Waffenlieferungen nach Ägypten jetzt ausgesetzt. Können Sie Angaben darüber machen, welche Waffen oder Ausrüstungsgegenstände in den letzten Monaten nach Ägypten geliefert worden sind?

Schlienkamp: Es ist in der Tat richtig, dass angesichts der Lage in Ägypten alle Entscheidungen über Ausfuhranträge für Rüstungsgüter und Kriegswaffen zurückgestellt, auf Eis gelegt worden sind. Das bedeutet ganz konkret: Wenn ein Antragsteller auf eine Entscheidung dringen würde, würde dementsprechend diese Entscheidung negativ ausfallen.

Ich kann Ihnen dazu eine Zahl nennen, die sich in der Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage wiederfindet: Danach sind im ersten Halbjahr 2013 Rüstungsgüter im Wert von rund 13,2 Millionen Euro geliefert worden sind. Die Genehmigungen betreffen aber im Wesentlichen Ausrüstungen für die Marine und Telekommunikationsausrüstung. Es ist so, dass Kriegswaffen - Panzer oder automatische Schusswaffen - schon seit einigen Jahren nicht mehr an Ägypten geliefert worden sind.

Frage: Eine Frage an Schäfer oder an Herrn Seibert zur Lieferung von Rüstungsgütern beziehungsweise zu deutscher Militärhilfe: Was gibt es aktuell an deutscher Militärhilfe? Ist da etwas eingefroren worden? Plant die Bundesregierung, deutsche Militärhilfe für Ägypten über die Rüstungslieferungen hinaus einzufrieren?

StS Seibert: Es gibt eine militärische Ausbildungshilfe, über die wahrscheinlich am besten der Sprecher des Verteidigungsministeriums berichtet.

Roth: Dazu kann ich etwas sagen: Wir bieten Ägypten seit Jahren im Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe Ausbildungsplätze hier in Deutschland an. Zurzeit wird das von Ägypten auch genutzt. Es befinden sich zurzeit vier ägyptische Soldaten in Deutschland zur Ausbildung.

Zusatzfrage: Kann man sagen, wo sie sind und was sie genau machen?

Roth: Das kann ich Ihnen sagen: Einer der vier ägyptischen Soldaten befindet sich in der Sanitätsausbildung, zwei in der Generalstabsausbildung und einer in der truppendienstlichen Ausbildung.

Schäfer: Wenn ich darf, Frau Vorsitzende, ein paar allgemeine Anmerkungen zu den Gesprächen und womöglich den Entscheidungen, die in den nächsten Tagen anstehen:

Es gibt ein ziemlich umfassendes Kooperationsprogramm über viele Bereiche und die Zuständigkeit verschiedener Ministerien hinweg, das nicht zuletzt im Zuge der revolutionären Umwälzungen in Ägypten seit Februar 2011 umgesetzt worden ist. Wir nennen das "Transformationspartnerschaft". Das sind zusätzliche Gelder und Mittel, die die Bundesregierung für zahlreiche Projekte - im Übrigen nicht nur in Ägypten, aber ganz besonders in Ägypten - bereitgestellt hat und die sozusagen ab 2011 das ergänzt haben, was es bereits an Zusammenarbeit mit Ägypten gab.

Es gilt, und das sage ich ausdrücklich im Namen des Außenministers, dass all diese Formen der Zusammenarbeit mit Ägypten in den nächsten Tagen auf den Prüfstand gestellt werden. Wir werden das innerhalb der Bundesregierung besprechen. Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat ja auch für seinen Zuständigkeitsbereich einige Entscheidungen angekündigt. Das werden wir aber auch im Kreis unserer Partner über die Europäische Union hinaus besprechen, also mit unseren Partnern in Washington und in der Region.

Aus Sicht der Bundesregierung könnte es dabei ein geeigneter Ansatz sein, so etwas wie Kriterien aufzustellen, Benchmarks zu vereinbaren oder Voraussetzungen zu definieren, unter denen eine enge weitere Zusammenarbeit in den jeweils verschiedenen Bereichen möglich ist. Dazu gehört natürlich insbesondere die weitere Entwicklung in Ägypten, also etwa die Inklusivität des politischen Prozesses, der Umgang mit Menschenrechten, der Umgang mit politischen Gefangenen, die Wahrung der Presse- und der Versammlungsfreiheit sowie die Art und Weise, in der Gewalt angewandt wird.

Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass wir hier und heute noch nicht in der Lage sind, Ihnen eine konsolidierte Entscheidung mitzuteilen, schlicht und ergreifend deshalb, weil es sich gehört, das zu besprechen, und zwar weit über den Kreis der Bundesregierung hinaus. Ich hatte ihnen angekündigt oder angedeutet, dass es hoffentlich in den nächsten Tagen einen Sonderrat der Außenminister der Europäischen Union geben wird, bei dem natürlich die Frage im Mittelpunkt stehen wird, auf welche Art und Weise die Europäische Union in angemessener Weise auf die Ereignisse in Kairo und in anderen Städten Ägyptens reagiert.

Lesch: Da das angesprochen worden ist, wollte ich einfach nur der Vollständigkeit halber hinzufügen, dass Bundesminister Niebel die Entscheidung getroffen hat, dass es bis auf Weiteres keine Neuzusagen an Ägypten geben wird. Das betrifft insbesondere ein ursprünglich vorgesehenes Programm über 25 Millionen Euro. Dabei ging es um Klima- und Umweltschutz. Das wird dieses Jahr nicht zugesagt werden.

Zusatzfrage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass es außer dieser Ausbildungshilfe für ägyptische Militärangehörige hier in Deutschland keine weitere Militärhilfe gibt? Ist geplant, diese Ausbildungshilfe dann einfach weiterlaufen zu lassen, oder gehört das zu dem, von dem Herr Schäfer eben gesagt hat, dass das überdacht wird?

Roth: Die militärische Ausbildungshilfe für die, die dann davon Nutzen haben, findet ja generell in Deutschland statt.

Dem, was Herr Schäfer gesagt hat, kann ich mich nur anschließen: Wir werden ressortgemeinsam und auch gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten beraten, wie wir aufgrund der Situation in Ägypten dort weiter verfahren.

Frage: Ich habe eine Frage zu den Kopten an Herrn Seibert und Herrn Teschke. Es hat ja im Falle Syriens das Angebot gegeben, dass man Christen aus Syrien aufnimmt. Nun gibt es aus den koptischen Kreisen schon Forderungen danach, dass Deutschland zumindest die verletzten oder traumatisierten Opfer von Anschlägen hier in Deutschland aufnehmen sollte. Deswegen die Frage: Plant die Bundesregierung, ein Aufnahmeangebot auch an Kopten aus Ägypten auszusprechen?

Teschke: Dazu ist mir derzeit nichts bekannt. Wir haben allerdings bei den syrischen Flüchtlingen immer von der besonderen Schutzbedürftigkeit gesprochen, also nicht ausschließlich das Kriterium des Christ-Seins festgelegt. Sicherlich werden Christen in Syrien auch verfolgt, aber eben nicht ausschließlich. Insofern möchte ich korrigieren, dass wir explizit gesagt hätten, wir nehmen nur Christen aus Syrien auf. Das stimmt so nicht.

Zusatzfrage: Heißt das auch, dass Sie jetzt keine besonderen Angriffe auf Kopten in Ägypten feststellen? Das wäre ja das Kriterium.

Teschke: Nein, aber wir haben derzeit noch keine Überlegungen dazu angestellt, dass Kopten gezielt Asyl beantragen können.

StS Seibert: Ich glaube, Herr Schäfer hat das für das Auswärtige Amt ja sehr klargemacht: Wir nehmen wahr, dass es Übergriffe gegen koptische Gotteshäuser und gegen Glaubensangehörige der koptischen Kirche gibt, und wir nehmen das mit sehr großer Sorge wahr. Das ist sicherlich auch eines der Kriterien, über die im Kreise der Außenminister gesprochen werden wird und an denen man künftige Beziehungen wird messen müssen. Die ägyptische Regierung muss alles dafür tun und sicherstellen, dass ihre Bürger ihre Religionsfreiheit leben können und dass sie vor genau solchen Übergriffen geschützt sind. Das muss jetzt erst einmal das Ziel sein, hinsichtlich dessen wir versuchen, auch gemeinsam in Europa Einfluss auszuüben.

Frage: Herr Schäfer, ich habe eine Nachfrage zur Transformationspartnerschaft: Inwieweit hat im Rahmen dieser Transformationspartnerschaft die Ertüchtigung ägyptischer Sicherheitskräfte, also nicht nur des Militärs, eine Rolle gespielt?

Schäfer: Ich habe keine Liste vorliegen. Es ist eine sehr lange Liste - die habe ich jetzt leider nicht dabei - all der Projekte, die in Ägypten im Rahmen der Transformationspartnerschaft durchgeführt worden sind. Deshalb sage ich das ausdrücklich unter Vorbehalt. Aber es würde mich sehr wundern, wenn in dieser Liste von Projekten im Rahmen der Transformationspartnerschaft von Projekten die Rede wäre, die sozusagen explizit mit den ägyptischen Sicherheitskräften durchgeführt worden wären. Das werde ich aber direkt im Anschluss an die Regierungspressekonferenz checken.

Ziel der Transformationspartnerschaft war ja insbesondere, die Zivilgesellschaft und den Rechtsstaat zu stärken. Das macht man, indem man mit der Zivilgesellschaft Projekte verwirklicht. Das war von Anfang an, und zwar seit Februar 2011, das Ziel, nämlich einen Beitrag dazu zu leisten, dass das große und wichtige arabische Land Ägypten mit großer Ausstrahlungswirkung auf die ganze Region die Chance erhält, einen Weg zu gehen, der unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und unter der Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen in Richtung von Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie verläuft.

Teschke: Ich darf das vielleicht noch ergänzen: 2012 und 2013 gab es vereinzelte polizeiliche Aufbauhilfsmaßnahmen durch das BKA. 2012 gab es einen Arbeitsbesuch in Sachen Terrorismusbekämpfung sowie eine Diensthundeführerausbildung in Sachsen-Anhalt. 2013 gab es dann eine Reise des Bundeskriminalamtes nach Ägypten. Alle weiteren Schritte sind erst einmal zurückgestellt worden.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium. Wie ernst muss man denn die neuesten Terrorwarnungen nehmen?

Teschke: Wir haben uns ja vorhin schon gegenüber den Agenturen geäußert. Es gibt natürlich immer wieder solche Hinweise, Herr Gerhard, und wir gehen diesen auch immer wieder nach. Wir sehen aber keine Veränderung der gesamten Sicherheitslage. Es ist bekannt, dass Deutschland genauso wie andere westliche Staaten im Fadenkreuz des dschihadistischen Terrorismus steht. Insofern werden Warnhinweise immer wieder einzeln bewertet. Unsere Schutzmaßnahmen sind auf einem hohen Niveau, aber wir haben derzeit keine Erhöhung dieser Schutzmaßnahmen vorgesehen.

Frage: Zu Ägypten und den Waffenlieferungen: Herr Seibert, ich bin ein wenig irritiert, weil die Kanzlerin gestern gesagt hat, ein Rüstungsstopp sei eine Möglichkeit. Jetzt höre ich gerade, es gebe sowieso keine Waffenlieferungen oder keine Lieferung von Rüstungsgütern. Hat die Kanzlerin gestern vielleicht die gesamte EU gemeint? Vielleicht können Sie mir bitte einmal weiterhelfen.

Darüber hinaus: Was wäre denn an Sanktionen gegenüber Ägypten denkbar?

StS Seibert: Ich glaube, wir tun jetzt gut daran, nicht Einzelmaßnahmen in der Öffentlichkeit zu diskutieren, bevor sie auf europäischer Ebene diskutiert worden sind. Daran werde ich mich auch halten.

Wir haben dargelegt, dass derzeit alle Entscheidungen über Ausfuhranträge für militärisches Material nach Ägypten sozusagen auf Eis gelegt sind, zurückgestellt sind. Wenn ein Antragsteller jetzt auf eine Entscheidung dringt, dann wird diese Entscheidung eine negative sein. Das ist das, was jetzt national in Deutschland hinsichtlich dieses Themas gemacht wird. Aber auch dieses Thema werden wir natürlich europäisch besprechen müssen, und wir werden versuchen, vielleicht auch dabei eine einheitliche Linie mit unseren europäischen Partnern zu haben. Man muss sich nämlich, denke ich, immer klarmachen, dass es den Einfluss Deutschlands allein zwar gibt, aber er darf auch nicht überschätzt werden. Als Europäer haben wir dabei mit Sicherheit eine kräftigere Stimme, und genau deswegen arbeiten wir so.

Teschke: Ich wollte noch einiges zu einem heutigen "Spiegel"-Bericht zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses klarstellen: Die Bundesregierung steht ganz klar zum Schutz von Quellen. Das galt während des Ausschusses so und gilt natürlich auch für den Abschlussbericht. Das bezieht sich immer auf Dokumente und Zeugenaussagen, die "VS-Vertraulich" oder höher eingestuft worden sind. Der Untersuchungsausschuss ist auf das BMI zugekommen. Es ist nicht so, dass das BMI gesagt hat "Wir wollen folgende Änderungen durchführen", sondern der Untersuchungsausschuss hat uns gefragt, ob wir eventuell Probleme hinsichtlich der Freigabe von als "VS-Vertraulich" oder höher eingestuften Dokumenten haben, die in den Abschlussbericht einfließen sollten. Aber wir stehen, wie gesagt, zum Schutz von Quellen, auch wenn diese womöglich in den Medien bereits genannt wurden. Bestimmte Quellen waren in der "Spiegel"-Berichterstattung schon genannt worden, aber die Bundesregierung steht zum Schutz von Quellen. Auch Staatssekretär Fritsche hat das ja in seinen Aussagen im Untersuchungsausschuss immer klargemacht.

Es geht bei unseren Hinweisen in keinster Weise um den wichtigeren Bewertungsteil des Berichts, sondern um den Sachverhaltsteil. Diese Änderungen oder die Änderungsvorschläge, die durch uns erfolgt sind, sind immer im Einvernehmen mit dem Untersuchungsausschuss vorgenommen worden, soweit ich weiß.

Frage: Herr Teschke, können Sie noch einmal darlegen, was genau Ihre Befürchtungen in Bezug auf bestimmte Passagen in diesem Bericht waren?

Teschke: Es geht weniger um Befürchtungen als um die Tatsache an sich, dass die Dokumente eben eingestuft sind und es ganz klare rechtliche Vorgaben gibt, wie man damit umzugehen hat. Wenn es um Berichte geht, in denen nachrichtendienstliche Methodik erwähnt wird, in denen es um Quellen geht, die wir ja schützen wollen und sollen, dann können wir diese Dokumente nicht einfach in einen öffentlichen Bericht einfließen lassen.

Frage: An das Wirtschaftsministerium: Herr Rösler hat gesagt, es wolle den Neuen Markt, der vor zehn Jahren ja quasi von der Börse verschwinden musste, ganz gern wiederbeleben. Ist da etwas dran? Wenn ja, wie könnte das konkret aussehen, was gibt es da schon für Überlegungen?

Schlienkamp: Ich versuche das einmal einzuordnen. Der Ausgangspunkt dieser Überlegungen, dieses Vorschlags ist gewesen: Wie können wir eigentlich die Finanzierungsmöglichkeiten für junge, innovative Technologieunternehmen in Deutschland verbessern? Denn es ist ja bekannt, dass es diesbezüglich in Deutschland durchaus Nachholbedarf gibt.

Das Bundeswirtschaftsministerium selbst steht dazu seit einigen Monaten in einem engen Kontakt mit Vertretern der Deutschen Börse, Unternehmen und des Startup-Verbandes. Auch Bundeswirtschaftsminister Rösler ist sehr eng in diese Überlegungen, in diese Gespräche eingebunden. Ich betone ausdrücklich: Diese Gespräche stehen am Anfang, sie sollen aber jetzt mit weiteren Beteiligten - dazu zählen Unternehmen, Investoren, Analysten - zügig fortgeführt werden. Es soll aber bei den Gesprächen ausdrücklich auch darum gehen, wie Fehlentwicklungen des seinerzeitigen Neuen Marktes möglichst vermieden werden können. Darum geht es.

Es geht also um ein neues Börsensegment. Die Gespräche dazu stehen am Anfang. Die Gespräche laufen und werden mit den weiteren Beteiligten jetzt zügig fortgeführt. Das Thema Neuer Markt und die seinerzeitigen Fehlentwicklungen spielen dabei selbstverständlich eine große Rolle.

Zusatzfrage: Der Zweck von damals bleibt also im Grunde genommen erhalten und man versucht jetzt, wie Sie gesagt haben, die Fehlentwicklungen auszuschließen. Gibt es denn schon einen genauen Zeitplan, zu welchem Zeitpunkt so etwas umgesetzt werden könnte?

Schlienkamp: Nein, es gibt noch keinen genauen Zeitplan - deswegen ja meine Bemerkung, dass die Gespräche am Anfang stehen. Die Gespräche werden in den nächsten Monaten sicherlich auch fortgeführt werden. Wie Sie wissen, ist das eine komplexe Materie, aber wir arbeiten zügig daran. Das Bundeswirtschaftsministerium ist ja nicht der alleinige Player, sondern wir übernehmen in diesem Verfahren eine Art Moderatorenrolle.

Zusatzfrage: Ich nehme an, dazu wie Fehlentwicklungen ausgeschlossen werden könnten, können Sie jetzt noch nichts Konkreteres sagen?

Schlienkamp: Nein, dazu kann ich noch nichts sagen. Das ist sicherlich auch Inhalt der Gespräche, die geführt werden. Für uns ist aber natürlich wichtig, dass genau dieser Punkt auch angesprochen wird.

Frage: Ich hätte entweder von Herrn Kotthaus oder von Herrn Seibert gern gewusst, ob das eine Initiative allein des Wirtschaftsministeriums ist oder ob das auch auf Rückhalt der anderen Teile der Bundesregierung stößt.

Zweite Frage: Es gibt ja von den Startups noch eine Reihe von Forderungen, die für den Bundeshaushalt kostenrelevant wären. Gibt es da eigentlich Gespräche innerhalb der beteiligten Ministerien, ob man den Startups nicht auch mit anderen Mitteln als dem Neuen Markt beziehungsweise der Wiederbelebung des Neuen Marktes helfen kann?

Kotthaus: Aus meiner Perspektive ist das relativ einfach. Natürlich stehen jungen Unternehmen heute schon Möglichkeiten offen, an den Kapitalmarkt zu gehen. Wenn da in der Praxis Bedarf besteht, weitere Erleichterungen vorzunehmen, würden wir dem erst einmal aufgeschlossen gegenüberstehen.

Man muss nur zwei Sachen bedenken: Es hat in der Vergangenheit schon den Versuch der Börse gegeben, neue Marktsegmente zu öffnen. Diese sind bis jetzt am Markt aber nicht wirklich geflogen. Aber natürlich kann die Deutsche Börse prinzipiell immer neue Marktsegmente einrichten.

Aus unserer Perspektive muss man vor den Erfahrungen um das Jahr 2000 mit dem Neuen Markt - der Kollege hat darauf hingewiesen - natürlich genau gucken, was die regulatorischen Anforderungen sind. Ich glaube, da haben wir alle unsere Lektion mehr als reichlich gelernt. Deswegen wird es sicherlich ein ganz wichtiger Aspekt sein - wie Sie gerade auch betont haben -, dass man diese Möglichkeiten für junge Unternehmen in einer sauberen Waage mit den Anforderungen hält, was Anleger und Ähnliches mehr betrifft. Ich glaube, wir alle haben unsere Lektion da gelernt.

Schlienkamp: Es ist ja auch so, dass es Gespräche mit der Börse gegeben hat. Dieser erste Vorschlag ist dort sicherlich durchaus positiv aufgenommen worden. Die Details werden jetzt aber in den weiteren Gesprächen geklärt.

Zusatzfrage: Ist die Frage, ob es weitere Möglichkeiten gibt - steuerlicher Art etwa -, jungen IT- oder Biotech-Firmen zu helfen, erneut auf die Tagesordnung zwischen den beiden Ministerien gekommen?

Schlienkamp: Ich glaube, das ist ganz aktuell kein Gegenstand. Minister Rösler hat vielmehr vorgeschlagen, dass wir dieses Börsensegment schaffen beziehungsweise dass wir darüber sprechen. Ich glaube, darauf konzentrieren wir uns jetzt erst einmal. Andere Dinge stehen im Augenblick nicht aktuell auf der Tagesordnung.

Frage: Herr Schlienkamp, soll das wirklich unter dem Begriff "Neuer Markt" laufen, der ja eher negativ besetzt ist?

Zweite Frage: Es heißt immer, es sei bekannt, dass es hier Nachholbedarf gibt, was die Finanzierung von Startups angeht. Ich lese das bis jetzt aber nur von Herrn Nöll, also vom Verband, der hinter diesen Startups steckt; bei Banken und bei Investoren habe ich diese Forderung noch nicht gesehen. Kann man irgendwie beziffern, wie groß dieser Bedarf, den Startups an der Stelle haben, überhaupt ist?

Schlienkamp: Fangen wir einmal mit der zweiten Frage an: Wenn Sie sich international umschauen, dann werden Sie feststellen - zum Beispiel auch mit Blick auf die USA und Wagniskapital -, dass es hier in Deutschland natürlich Nachholbedarf gibt. Ich kann Ihnen jetzt aber keine genaue Zahl nennen.

Zu der ersten Frage: Ich habe ja ausdrücklich von einem neuen Börsensegment gesprochen und habe darauf hingewiesen, dass es bei den Gesprächen selbstverständlich darauf ankommt, bestimmte Fehlentwicklungen, die es seinerzeit beim Neuen Markt gegeben hat, ins Auge fassen. Deswegen sprechen wir von einem neuen Börsensegment - wie immer man das Ding dann nennt. Insofern müssen wir, glaube ich, erst einmal die Gespräche abwarten.

Frage: Herr Seibert, in Ingolstadt gibt es eine Geiselnahme mit mehreren Geiseln. Hat sich an den Reiseplänen der Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang etwas geändert?

StS Seibert: Erstens bin ich - das muss ich wirklich sagen - nicht für die Wahlkampf-Reisegestaltung und -planung der Bundeskanzlerin zuständig, deswegen kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten.

Zweitens weiß ich im Moment nicht, was der neueste Stand in Ingolstadt ist. Da bin ich nicht der richtige Ansprechpartner.

Zusatzfrage: Man könnte das im Zusammenhang mit der Sicherheit der Bundeskanzlerin natürlich trotzdem fragen - da könnten Sie dann vielleicht tatsächlich eine Antwort geben -: Würde es auch heute Nachmittag noch eine Geiselnahme in Ingolstadt geben, müsste eine Kanzlerin dann aus Sicherheitsgründen ihren Besuch dort verschieben?

StS Seibert: Das ist sehr hypothetisch gefragt. Ehrlich gesagt: Grundsätzlich gilt, dass, wenn die Bundeskanzlerin reist - auch, wenn sie als Parteivorsitzende reist -, für ihre Sicherheit das Nötige getan ist.

Frage: Ich hätte ganz gern beim Auswärtigen Amt noch einmal zur Deutschen Botschaft im Jemen nachgefragt: Hat sie wieder aufgemacht - soweit ich weiß, bestand die Schließung ja bis gestern -, oder ist die Schließung verlängert worden?

Schäfer: Die Botschaft im Jemen, in der Hauptstadt Sanaa, ist seit dem gestrigen Sonntag, dem 18. August, wieder geöffnet. Die Botschaft war auf Veranlassung des Außenministers vom 4. August bis zum 17. August geschlossen. Die Sicherheitslage im Jemen wurde in enger Abstimmung mit unseren Partnern, die ähnliche Entscheidungen getroffen hatten, regelmäßig und intensiv überprüft und unser Sicherheitsdispositiv an die Lage angepasst.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen keine weiteren Details sagen, außer dass ich in der Tat bestätigen kann - wie eingangs gesagt -, dass die Botschaft wieder voll funktionsfähig ist.

Frage: Eine Frage an Herrn Schäfer: Stichwort Iran, Nukleargespräche. Es gibt seitens des Iran das Angebot, die Nukleargespräche auf Außenministerebene zu führen. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Schäfer: Zunächst einmal kann ich Ihnen sagen, Herr Towfigh Nia, dass Außenminister Westerwelle vor einigen Tagen - ich glaube, es war am Freitag - seinem neuen iranischen Amtskollegen zur Übernahme des neuen und sehr verantwortungsvollen Amtes gratuliert hat. Das ist in einem Telefongespräch geschehen, das die beiden in konstruktiver Atmosphäre geführt haben. In diesem Gespräch hat der Außenminister seiner Vorstellung Ausdruck verliehen, dass das jetzt ein geeignetes Fenster der Gelegenheiten ist, das aus unserer Sicht sehr große und sehr schwierige Problem des iranischen Nuklearprogramms konkret, und zwar im Wege von Verhandlungen, anzugehen.

Aber die Verhandlungen führt nicht die Bundesregierung allein mit dem Iran, sondern die Verhandlungen führen die E3+3, also die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschland, im Auftrage des Sicherheitsrats und der internationalen Staatengemeinschaft mit dem Iran. Deshalb möchte und kann ich auf Ihre konkrete Frage nicht antworten. Es ist völlig selbstverständlich, dass solche Initiativen oder Entscheidungen zunächst im Kreise unserer Partner besprochen werden, bevor wir mit öffentlichen Äußerungen auf solche Vorschläge reagieren.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Herr Schlienkamp, am Wochenende berichtete der "Focus", dass die Bundesregierung im Streit mit Frankreich um das Kältemittel, das Daimler einsetzt, einen Brief an die EU-Kommission geschrieben hat. Können Sie diesen Brief bestätigen und ein bisschen zum Inhalt sagen?

Schlienkamp: Da müsste ich an die Kollegen des BMVBS verweisen, weil sie die Zuständigkeit für dieses Thema haben.

Strater: Nur formell: Der Brief ist kein Brief des Ministers an die EU-Kommission, so wie das heute in einigen Zeitungen zu lesen war, sondern es ist eine Mitteilung der Bundesregierung an die Kommission, eine fachliche Stellungnahme, die über das Wirtschaftsministerium nach Brüssel geschickt wird. Das ist der ganz formale Weg, den es immer nimmt, wenn es um ein Vertragsverletzungsverfahren geht, beziehungsweise hier sind wir ja noch in der Phase des Pilotverfahrens zu diesem Vertragsverletzungsverfahren.

Ich bestätige Ihnen, dass es diese Mitteilung gibt. Wir haben sie in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht. Die Frist lief ja heute aus. Die EU-Kommission hatte uns ja um eine detaillierte Stellungnahme gebeten. Wir haben sie hier abgegeben.

Darin sind die Dinge beschrieben, die auch schon in den vergangenen Wochen bekannt geworden sind, nämlich dass wir dieses Vorgehen von Daimler, eine erweiterte Typgenehmigung zu beantragen und diese auch vom Kraftfahrtbundesamt zugelassen zu bekommen, für rechtmäßig halten. Das haben wir der Kommission noch einmal mitgeteilt und es auch entsprechend begründet.

Zur Risikobewertung haben wir geschrieben, dass diese noch läuft. Es gab ja in der vergangenen Woche schon den Zwischenbericht des Kraftfahrtbundesamtes an die Kommission.

Das heißt, wir haben hier noch einmal dezidiert die Position der Bundesregierung dargestellt. Es wird jetzt seitens der Kommission noch einmal Fachgespräche zu dieser Stellungnahme auf Fachebene geben. Dann wird die Kommission zu entscheiden haben, wie sie weiter in diesem Verfahren vorgehen möchte.

Frage: Wo wir schon beim Thema EU sind, eine Frage an Herrn Seibert: Die Bundeskanzlerin hat in der vergangenen Woche ja angedeutet oder angekündigt, dass es nach der Bundestagswahl auch eine Debatte über die Rückverlagerung von Kompetenzen von europäischer auf nationale Ebene geben sollte. Ich wollte Sie nur fragen, ob die Gedanken da etwas konkreter geworden sind, auf welche Felder sich das beziehen könnte - Energiepolitik, Umweltpolitik oder ähnliche Bereiche?

StS Seibert: Ich rufe noch einmal in Erinnerung, in welchem Zusammenhang die Bundeskanzlerin das gesagt hat. Sie ist sinngemäß gefragt worden, ob mehr Europa nicht nur durch institutionelle Veränderungen und mehr Kompetenzen in Brüssel stattfinden könne.

Sie hat ihrer Meinung - und auch nicht zum ersten Mal - Ausdruck gegeben, dass mehr Europa auch heißen kann, dass man auf der intergouvernementalen Ebene harmonischer, abgestimmter und verbindlicher zusammenarbeitet, dass also auch das durchaus mehr Europa geben kann.

In dem Zusammenhang hat sie gesagt, dass es immer auch sinnvoll sei zu überprüfen, ob Kompetenzen, die jetzt in Brüssel sind, in Brüssel sein müssen oder ob sie in der Regelungstiefe wie bisher in Brüssel sein müssen oder man daran etwas ändert.

Das ist keine neue Haltung. Das ist etwas, was man bei kommenden europäischen Gesprächen, also bei kommenden Europäischen Räten, miteinander besprechen kann. Andere Länder haben ja ähnliche Gedanken vorgebracht. Dazu gibt es jetzt keine konkreten Überlegungen. Es richtet sich auf kein spezielles Arbeits- oder Sachgebiet.

Frage: War nach dem, was Sie jetzt sagen, Herr Seibert, die Interpretation des britischen Premierministers falsch, der diese Aussage der Kanzlerin als ein Zugehen auf die britische Position und einen Ausdruck einer neuen Seelenverwandtschaft zwischen der Bundeskanzlerin und der britischen EU-Politik gewertet hat?

StS Seibert: Ich will hier britische Interpretationen nicht bewerten. Klar ist, dass die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung ganz entschieden weiter dafür eintreten, dass wir uns mit mehr Europa der Krise und ihrer Ursachen annehmen. Wir haben vor, verbindliche Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und der europäischen Ebene zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Das ist die Priorität, auf die nach deutscher Auffassung europäische Anstrengungen ausgerichtet sein sollten. Darüber wird ganz konkret ab Herbst weiter beraten. Deutsche und französische Vorschläge dazu liegen ja vor. Dabei würde übrigens auch die Rolle der europäischen Ebene gestärkt. Also ich kann jetzt nur für die Bundesregierung sprechen und nicht europäische Reaktionen bewerten.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 19. August 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-19-regpk.html;jsessionid=DC8F6D779939DD51E5805CB2B6440508.s1t1
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2013