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PRESSEKONFERENZ/757: Regierungspressekonferenz vom 17. März 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 17. März 2014
Regierungspressekonferenz vom 17. März 2014

Themen: Situation in der Ukraine, Flexibilisierung des Renteneintrittsalters, mögliche Beschaffung von US-Drohnen

Sprecher: StS Seibert, Alemany (BMWi), Chebli (AA), Rülke (BMJV), Daldrup (BMAS), Gerhartz (BMVg)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich möchte aus der Sicht der Bundesregierung einiges zur Situation in der Ukraine sagen. Die Ereignisse dieses Wochenendes haben leider nicht zur Beruhigung der Krise in der Ukraine beigetragen. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung ist weiter in großer Sorge. Die permanenten Versuche, die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine zu verletzten und das Land zu destabilisieren, halten an. Es ist so, wie die Bundeskanzlerin letzte Woche in ihrer Regierungserklärung sagte: In einer Phase großer Unsicherheit in der Ukraine hat sich Russland eben nicht als Partner für Stabilität erwiesen, sondern es nutzt die gegebene Schwäche seines Nachbarlandes aus.

Da ist natürlich zuerst das sogenannte Referendum zu nennen, das gestern auf der Krim durchgeführt wurde. Dieses Referendum widerspricht der Verfassung der Ukraine, und es widerspricht internationalem Recht. Es ist aus unserer Sicht illegal. Deutschland verurteilt die Abhaltung dieser unrechtmäßigen Abstimmung. Wir und unsere europäischen Partner bestreiten nicht nur die Rechtmäßigkeit dieser Abstimmung; wir werden auch ihr Ergebnis nicht anerkennen. Auch wie dieses Referendum durchgeführt wurde, widerspricht ganz offensichtlich den elementaren Anforderungen an faire und freie Abstimmungen.

Ich möchte einige Punkte erwähnen: So sind die Referendumsfragen so einseitig formuliert worden, dass es beispielsweise keine Möglichkeit gab, für den Status quo zu stimmen. Dieses Referendum hat unter dem Eindruck einer massiven Präsenz militärischer und paramilitärischer Kräfte in der Öffentlichkeit stattgefunden. Es hat unter dem Eindruck einer illegalen Präsenz russischer Truppen stattgefunden. Es waren einschneidende Beschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit festzustellen. Es gab eine extrem kurze Frist zwischen der Ausrufung des Referendums und seiner Durchführung. Diese Frist wurde, wie Sie alle wissen, sogar zweimal zusätzlich verkürzt.

Das, was ich Ihnen hier als Einschätzung dieses sogenannten Referendums mitgeteilt habe, entspricht im Übrigen auch im Wesentlichen dem Entwurf eines Gutachtens der Venedig-Kommission des Europarats. Das ist eine sehr renommierte Institution für rechtliche Bewertungen. Es entspricht auch der Einschätzung des OSZE-Vorsitzenden, Herrn Burkhalter, in seiner Erklärung in der vergangenen Woche.

Russland ist in seiner Anerkennung dieses sogenannten Referendums weitgehend isoliert. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte eine Resolution, die die Verfassungs- und Völkerrechtswidrigkeit dieses Referendums verurteilte, 13 Befürworter. China enthielt sich. Russland legte sein Veto ein.

Die Bundeskanzlerin hat diese klare Haltung gestern noch einmal telefonisch dem russischen Präsidenten Putin übermittelt. Sie hat auch den Zwischenfall im Gebiet Cherson verurteilt, bei dem russische Truppen zwischenzeitlich eine Gasumleitungsstation besetzt hatten. Das ist ein Beispiel genau solcher destabilisierender Maßnahmen, von denen ich hier sprach - Maßnahmen, die zur Folge haben, dass sich die Lage in der Süd- und Ostukraine verschlechtert hat.

Noch einmal: Die Bundesregierung und unsere europäischen Partner wünschen uns, dass die Ukraine zur Ruhe kommt und dass die ukrainischen Bürger - gleich, welcher Herkunft, gleich, welcher kulturellen Zuordnung - ein sicheres Leben in einem rechtsstaatlichen System, in einer rechtsstaatlichen Ordnung führen können.

Aus den Ereignissen der letzten Tage folgen für die Bundesregierung drei Konsequenzen: Zunächst einmal, um Eskalationen in der Ost- und Südukraine vorzubeugen, muss schnellstmöglich eine OSZE-Beobachtermission tätig werden. Auch das war ein Bestandteil des gestrigen Telefonats zwischen der Kanzlerin und Staatspräsident Putin und auch Telefonaten mit weiteren Verantwortlichen. Sie hat sich in diesen Telefonaten erneut mit Nachdruck für eine politische Lösung eingesetzt.

Wir wünschen uns zu dem Thema OSZE-Beobachter noch heute einen Beschluss der OSZE. Wir hoffen auf eine breite Zustimmung dazu. Präsident Putin hat diese Initiative gegenüber der Bundeskanzlerin positiv bewertet. Wir setzen darauf, dass sich das auch im russischen Verhalten widerspiegeln wird.

Zweitens. Die fehlenden Fortschritte beim politischen Prozess und bei der Durchführung dieses Referendums erfordern eine deutliche Reaktion der Europäischen Union. Bis zum vergangenen Freitag hatten sich die Bundesregierung, die EU und die USA um die Einrichtung einer Kontaktgruppe bemüht. Leider war die russische Regierung nicht dazu bereit. Auch deswegen wird der heutige Außenministerrat erste gezielte Sanktionen verhängen.

Auch der nächste EU-Russland-Gipfel muss zur Disposition stehen. Weitere Schritte, wenn Russland auf dem Weg zur Annektierung der Krim fortschreitet, müssen ins Auge gefasst werden. Der Europäische Rat, der turnusgemäß am Donnerstag und Freitag stattfindet, wird eine nächste Gelegenheit geben, die Fortentwicklung zu bewerten.

Als dritten Punkt möchte ich die konkrete Unterstützung für die Ukraine nennen. Diese Unterstützung darf nicht länger auf sich warten lassen. Sie muss bei den Bürgern in der Ukraine spürbar ankommen. Unser Appell an den IWF und die EU ist, bei ihren Prüfungen zu schnellen Ergebnissen zu kommen.

Die Bundesregierung wird in ihren diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation der Krise und um die Souveränität der Ukraine nicht nachlassen. Russland muss seine militärischen Aktivitäten in der Ukraine, soweit sie nicht mit Kiew vereinbart sind und nicht den Abkommen mit der Regierung in Kiew entsprechen, beenden. Gedankenspiele in Bezug auf ein Eingreifen in weiteren Teilen der Ukraine sind inakzeptabel und sehr gefährlich.

Frage: Herr Staatssekretär, bei den Konsequenzen, die Sie genannt haben, fehlte der Termin für das G8-Treffen in Sotschi. Ist die Frage noch offen, wie sich die Bundesregierung dazu verhält, oder hatten Sie das jetzt nur vergessen?

StS Seibert: Nein, ich habe es nicht vergessen. Es gilt noch immer das, was die Bundesregierung zusammen mit den G7-Partnern vor einiger Zeit bekannt gegeben hat, nämlich dass die Vorbereitungen auf diesen G8-Gipfel in Sotschi ausgesetzt werden. Wir haben immer gesagt: Ein solcher Gipfel bedarf eines politischen Umfelds. Er bedarf politischer Rahmenbedingungen. Aus heutiger Sicht sind sie nicht gegeben. Aber weitere Entscheidungen sind noch nicht gefallen.

Frage: Herr Seibert, international entsteht der Eindruck, dass sich Deutschland ein bisschen in einem Spagat befindet. Auf der einen Seite bemüht sich Frau Merkel auf europäischer Seite. Auf der anderen Seite schreiben die Medien, dass Wintershall dieses Jahr ein Austauschgeschäft mit Gazprom machen wird. RWE verkauft polnische Konzessionen für die Gasförderung an einen russischen Oligarchen. Meine Frage ist: Wie will Frau Merkel internationale Partner davon überzeugen, dass das, was Deutschland macht, tatsächlich eine europäische Politik ist und keine Vertretung deutscher Interessen?

StS Seibert: Ich glaube, unseren internationalen Partnern ist in den letzten Wochen sehr klar geworden, dass die Bundesregierung da an einem Strang mit den Partnern in Europa und den transatlantischen Partnern zieht. Wir haben nie einen Zweifel daran aufkommen lassen. Ich denke, das wird sich auch heute beim Treffen der Außenminister in Brüssel wieder so niederschlagen. Die Bundeskanzlerin konsultiert ausgiebig mit europäischen Partnern. Sie hat mehrfach mit Präsident Obama telefoniert. Wir berichten ja darüber. Wir sind fest in die Bemühungen Europas und der transatlantischen Gemeinschaft eingebunden, hier zu einer politischen Lösung zu kommen.

Zusatzfrage: Gibt es irgendwelche Gespräche oder Konsultationen zwischen der Bundesregierung und den Energiekonzernen, oder ist die Marktwirtschaft das eine und die Politik das andere?

StS Seibert: Sie wissen, wie die deutsche Wirtschaft strukturiert ist. Dies ist keine Staatswirtschaft; es handelt sich um unternehmerische Entscheidungen. Das politische Handeln der Bundesregierung ist gegenüber der Ukraine und gegenüber der Haltung, die die russische Regierung bedauerlicherweise einnimmt, sehr klar.

Frage: Zu diesem Punkt ganz konkret gefragt. Ich würde gerne vom Wirtschaftsministerium Folgendes wissen: Es geht mir um den Fall RWE, nämlich dass RWE just zu diesem Zeitpunkt eine Explorationstochter an Russland verkauft. Mit Blick auf die Diskussionen über die deutsche Energieabhängigkeit: Hat die Bundesregierung irgendein Instrument, irgendein Handwerkszeug, um einen solchen Deal in irgendeiner Weise zu verzögern, zu verbieten oder zu stoppen? Hat die Bundesregierung den Deal, den RWE da macht, im Moment in der Prüfung? Hat sie eine Meinung dazu, ob es Sinn macht, in diesen Zeiten Energieaktivitäten noch weiter in Richtung Russland zu verlagern, zu verkaufen?

Alemany: Sie sprechen RWE Dea und die Fusionspläne an. Dazu nimmt das Wirtschaftsministerium, wie immer, keine Stellung, weil es sich um unternehmerische Vorgänge handelt. Ihre Sorge, die durch die Frage aufgeworfen wird, dreht sich um die Versorgungssicherheit angesichts der aktuellen Lage. Wir befürchten durch die geplante Fusion keinerlei Einschränkungen der Versorgungssicherheit für Deutschland.

Vielleicht zur Erklärung: RWE Dea ist im Bereich Upstream tätig. Dabei geht es um die Exploration und Produktion von Öl und Gas für den internationalen Weltmarkt, nicht nur für den deutschen Markt. Das war vorher so, und das wird auch künftig so sein.

Zum Ablauf solcher Verfahren: Wie Sie wissen, hat Deutschland über das Kartellrecht bestimmte Rahmenbedingungen, einzuschreiten, wenn das Ganze nicht nach Recht und Ordnung laufen würde, ebenso über das Außenwirtschaftsgesetz, AWG, sollten die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sein. Eine solche Prüfung ist jederzeit möglich. Zunächst müsste aber erst einmal die Fusion offiziell angemeldet werden. Dann würden die Kartellämter prüfen können, zum Beispiel die EU oder die nationalen in Deutschland.

Zusatzfrage: Nur noch einmal, damit ich das richtig verstehe: Es gibt also Möglichkeiten. Sie können aber gegenwärtig noch nicht gezogen werden, weil die Verträge noch nicht unterzeichnet sind. Das heißt, das geht erst ex post. Habe ich das richtig verstanden?

Alemany: Man kann erst etwas prüfen, wenn es etwas zu prüfen gibt, das stimmt.

Zusatzfrage: Sind das im Moment keine Prüfvorgänge für die Regierung? Es gab ja einen anderen Fall, nämlich Wintershall, bei dem es um Gasspeicheraustausch mit Gazprom ging. Ist auch da für die Bundesregierung keinerlei neue Prüfsituation gegeben?

Alemany: Im Fall Wintershall ist die Sache eine andere. Da gab es bereits eine kartellrechtliche Prüfung, die die Fusion erlaubt hat.

Frage: Herr Seibert, konkret zur Krim, weil Sie sagten: Wir werden das Ergebnis nicht anerkennen. - Meine Frage: Ist damit beispielsweise gemeint, dass kein deutsches Regierungsmitglied die Krim besuchen wird? Ist damit konkret gemeint - zweite Frage -, dass Frau Merkel Herrn Putin so lange nicht persönlich begegnen wird, bis diese Krim-Sache im Sinne des Völkerrechts und im Sinne der Meinung der Bundesregierung wieder rückabgewickelt wurde?

StS Seibert: Ich glaube, das ist ganz leicht zu verstehen. Wenn wir - im Übrigen auch die EU und die internationalen Partner - sagen: "Wir werden diese illegale Abstimmung nicht anerkennen", dann heißt das, dass wir sie nicht anerkennen und dass sich für uns nichts an der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine geändert hat, außer dass sie ein Angriff gegen dieselbe ist.

Zusatzfrage: Ist ein Besuch deutscher Regierungsmitglieder auf der Krim denkbar? Ist eine persönliche Begegnung zwischen Frau Merkel und Herrn Putin denkbar, oder verbietet sich das nach diesen Vorgehensweisen der Russen?

StS Seibert: Ich habe hier derzeit keine Besuchspläne deutscher Regierungsmitglieder auf der Krim zu vermelden. Die Bundeskanzlerin hat gestern mit Herrn Putin telefoniert. Das ist mit Sicherheit schon das vierte oder fünfte Telefonat innerhalb relativ kurzer Zeit. Sie sehen: Man ist trotz aller unterschiedlicher Grundauffassung über das, was gestern auf der Krim passiert ist, weiterhin im Gespräch.

Frage: Herr Seibert, wie sieht es mit den deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Leipzig aus? Laufen dazu noch die Vorbereitungen? Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen, ob sie stattfinden oder nicht?

StS Seibert: Dazu kann ich Ihnen keinen Termin nennen. Aber es ist so, wie ich auch in der vergangenen Woche auf solche Fragen gesagt habe: Wir werden uns zum gegebenen Zeitpunkt zur Abhaltung dieser Konsultationen äußern.

Zusatzfrage: Solche Treffen werden ja immer vorbereitet. Dazu finden Gespräche auf Fachebene statt. Laufen diese Vorbereitungen im Moment?

StS Seibert: Wir äußern uns zum gegebenen Zeitpunkt zur Abhaltung dieser Konsultationen.

Zusatzfrage: Ich habe nicht nach den Konsultationen gefragt, sondern nach den Vorbereitungen. Das sind zwei verschiedene Dinge. Bei G8 hat man auch gesagt: Wir stoppen jetzt die Vorbereitungen. - Gehe ich richtig in der Annahme, dass die Vorbereitungen im Moment noch laufen?

StS Seibert: Ich bin im Moment nicht über den Stand der Vorbereitungen informiert. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden uns zum gegebenen Zeitpunkt äußern, ob es zu diesen Konsultationen kommt.

Frage: Ursprünglich wurde damals in Brüssel ein dreistufiges Verfahren beschlossen. Wie ist denn der Zeitrahmen für die Zündung der dritten Stufe? Wann würde das erfolgen, und wovon hängt es eigentlich ab, dass dies geschieht?

Die zweite Frage dazu: Wäre dann im Rahmen der dritten Stufe auch klar, ob dieser G8-Gipfel vielleicht in London stattfindet, vielleicht nur noch als G7-Gipfel? Wann wird das entschieden?

StS Seibert: Das, was die Außenminister heute in Brüssel miteinander beraten und beschließen werden, sind Maßnahmen der sogenannten zweiten Stufe. Wir sollten jetzt einmal abwarten, was heute genau bekannt gegeben wird.

Die dritte Stufe ist eine andere Stufe. Sie ist mit anderen Bedingungen versehen worden. Über diese ist heute hier noch nicht zu spekulieren. Es gilt aber das, was der Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs dazu auch in seinen Schlussfolgerungen schriftlich niedergelegt hat.

Zusatzfrage: Könnten Sie einmal ganz kurz sagen, was die Bedingungen für die dritte Stufe waren?

StS Seibert: Ich suche die Formulierung für Sie. Vielleicht geben Sie mir etwas Zeit, sie zu finden. - Ich greife jetzt einmal auf die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin von der vergangenen Woche zurück, die natürlich in jedem Punkt noch gültig ist. Sie sagte, nachdem sie die ersten beiden Stufen möglicher Maßnahmen beschrieben hat, zu dem dritten Schritt:

"Für den Fall, dass Russland die Lage in der Ukraine weiter destabilisiert - auch in der Ostukraine sehen wir besorgniserregende Entwicklungen -, haben die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen am 6. März eine dritte Stufe von Maßnahmen vereinbart, die wir bereit wären, zu ergreifen. Sie könnten in vielfältiger Weise die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland betreffen."

Frage: Ich habe eine Frage zu der Stufe zwei: Ist in diesem Zusammenhang auch geplant oder im Gespräch, Sanktionen gegen russische Energiemanager zu verhängen?

Chebli: Herr Seibert hat schon darauf hingewiesen, dass es heute ein Außenministertreffen in Brüssel gibt, bei dem es darum geht, die genauen Sanktionen zu bestimmen und auch über die Liste der Personen zu beraten. Ich würde Sie bitten abzuwarten. Sie werden im Laufe des Tages erfahren, wem genau welche Sanktionen auferlegt werden. Dazu können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts sagen.

Zusatzfrage: Gibt es dazu Gedankenspiele?

Chebli: Ich kann Ihnen nichts über Gedankenspiele sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass heute in Brüssel darüber beraten wird, wie die Sanktionsliste genau aussehen soll.

Zusatzfrage: Sollte es solche Sanktionen gegen Energiemanager geben, sehen Sie darin einen Widerspruch zu einem möglichen Verkauf von RWE Dea? Denn Sie haben ja eben auch den freien Markt zitiert.

Chebli: Ich kann nur das wiederholen, was ich Ihnen gerade schon gesagt habe. Ich beteilige mich nicht gerne an Was-wäre-wenn-Fragen. Warten Sie ab! Dann werden Sie sehen, welche Personen auf dieser Liste stehen werden.

Frage: Herr Seibert, ich möchte gern etwas zu den OSZE-Beobachtern nachfragen. Was wäre das genaue Ziel dieser Beobachtermission, wenn sie denn kommt? Wo würden die Beobachter dann eingesetzt, auch auf der Krim, in der Ostukraine oder wo auch immer? Was genau bedeutet die positive Bewertung von Putin aus dem Gespräch mit der Kanzlerin? Wir haben da ja unsere Erfahrungen. Heißt das, Putin hat dem definitiv zugestimmt oder nicht?

StS Seibert: Um mit dem Schluss anzufangen: Deswegen habe ich hinzugefügt, dass er das positiv aufgenommen hat. Wir hoffen, dass sich das dann auch in der russischen Haltung ganz konkret widerspiegelt.

Die OSZE-Beobachtermission ist gedacht, um der Eskalation, der Destabilisierung, die wir jetzt leider an verschiedenen Brennpunkten in der Ost- und Südukraine feststellen müssen, entgegenzuwirken und ihr vorzubeugen. Das heißt, sie ist für die Ost- und Südukraine gedacht.

Zusatzfrage: Nachfrage: Muss Russland dem förmlich zustimmen - es ist ja OSZE-Mitglied -, oder ist das unabhängig davon?

StS Seibert: Deswegen hoffen wir ja, dass Russland das dann auch in Taten umsetzt, was uns gestern als eine positive Aufnahme dieser Initiative durch Präsident Putin erschien.

Frage: Ich wollte noch einmal zu zwei angesprochenen Punkten konkreter nachfragen.

Erstens. Ist die Bundesregierung daran beteiligt, Vorbereitungen für einen G7-Gipfel voranzutreiben?

Zweitens. Der Osteuropabeauftragter der Bundesregierung, Herr Erler, hat mir heute Morgen im Deutschlandfunk den Eindruck vermittelt, dass das Zeitfenster bis zur möglichen Inkraftsetzung einer dritten Sanktionsstufe etwa bis Freitag zu sehen sei, nämlich dann, wenn die Duma einen Beschluss zur Annexion Russlands trifft. Das hieße, dass beim Gipfel an sich noch nicht die Zeit für eine weitere Verschärfung von Sanktionen wäre. Ist dieses Verständnis etwas zu offensiv oder entspricht es irgendwo der gegenwärtigen Lage?

StS Seibert: Ich will hier keine Zeitpläne verkünden. Zunächst einmal haben wir heute den Rat der Außenminister, der nach unserer Auffassung Sanktionen der zweiten Stufe berät und beschließen wird. Dann habe ich gesagt, dass am Donnerstag und Freitag die europäischen Staats- und Regierungschefs wieder zum Rat in Brüssel zusammenkommen und dass das selbstverständlich in dieser hoch angespannten Lage, in der wir uns befinden, eine Gelegenheit ist, gemeinsam eine Einschätzung der Lage vorzunehmen und über weitere Schritte nachzudenken.

Zusatzfrage: Ist die Bundesregierung an Vorbereitungen in Sachen G7 beteiligt?

StS Seibert: Ich habe dazu, glaube ich, die Antwort schon gegeben. Wir haben die Vorbereitungen für G8 unterbrochen und ausgesetzt. Das ist im Einvernehmen mit unseren Partnern im G7 geschehen. Es gibt noch keine weiteren Entscheidungen.

Frage: Eine ähnliche Nachfrage bezüglich der Frage des Kollegen Riecker hinsichtlich der Vorbereitungen der deutsch-russischen Konsultationen. Wenn Sie gegenwärtig nicht sagen können, wie der Stand dort ist, könnten Sie uns das vielleicht nachliefern?

StS Seibert: Das will ich gerne tun.

Frage: Ich wollte zwei Fragen stellen. Die Volksabstimmung auf der Krim könnte ein Beispiel für andere europäische Regionen sein. Befürchten Sie eine solche Situation zum Beispiel in Katalonien?

Die zweite Frage: Der Chef der Regionalregierung von Katalonien will dieses Jahr ein Referendum über die Loslösung von Spanien abhalten. Die spanische Regierung will alles daran setzen, das Referendum zu verhindern. Was wäre die Haltung der Bundesregierung, wenn diese Volksabstimmung stattfinden würde?

StS Seibert: Ich beantworte keine hypothetischen Fragen. Ich will grundsätzlich sagen: Das, was ich hier gesagt habe, betrifft das sogenannte Referendum auf der Krim, von dessen Illegalität wir fest überzeugt sind, weil es gegen internationales Recht und insbesondere auch gegen die ukrainische Verfassung verstößt. Ich ziehe hier keine Parallelen zur Situation in anderen Ländern. Aber jede Abstimmung wird natürlich an diesen Punkten gemessen werden müssen, ob sie der Verfassung des Landes entspricht.

Frage: Herr Seibert, hat die Kanzlerin eigentlich noch Vertrauen in Präsident Putin? Vor zwei Wochen hat es ja schon einmal von Ihnen eine Aussage gegeben, er habe den Vorschlag einer Kontaktgruppe angenommen - ich erinnere mich nicht mehr ganz genau an die Formulierung -, es hieß wohl nicht, er habe den Vorschlag positiv aufgenommen. Jetzt sagen Sie, er habe etwas positiv aufgenommen. Wie groß ist das Vertrauen der Kanzlerin darin, dass er das tut, was er sagt?

StS Seibert: Präsident Putin ist der Staatschef Russlands. Da wir weiterhin, wie ich versucht habe darzulegen, nicht nachlassen, eine diplomatische Lösung unterstützen zu wollen, da wir nicht in unseren Bemühungen nachlassen, auf einen politischen Weg der Verständigung zu kommen, ist er der logische und richtige Ansprechpartner für die Bundesregierung.

Zusatz: Das beantwortet jetzt nicht unbedingt meine Frage.

StS Seibert: Irgendwie schon.

Frage: Eine Frage zu der ersten Konsequenz, die Sie genannt haben, Herr Seibert, nämlich eine schnellstmögliche OSZE-Beobachtermission. Bis wann müsste das denn passiert sein, damit Sie sagen "Jetzt ist es einmal ein Zeichen aus Moskau, mit dem wir zufrieden sind"?

StS Seibert: Ich habe ja gesagt, dass wir noch heute hoffen, dass die OSZE einen entsprechenden Entschluss fassen wird und dass dieser entsprechende Entschluss auch sehr breite Zustimmung in dem OSZE-Gremium finden wird.

Zusatz: Wo Russland dazu gehört, wo Russland also auch zustimmen müsste.

StS Seibert: Wir hoffen auf eine sehr breite Unterstützung für diese Initiative. Richtig.

Frage: Ich weiß nicht, an wen sich meine Frage richtet; vielleicht an das Wirtschaftsministerium. Es gibt Anzeichen, dass Wladimir Putin beziehungsweise die russische Regierung Geld umparkt, zum Beispiel amerikanische Staatsanleihen. Hat die Bundesregierung auch solche Erkenntnisse?

Die zweite Frage, die dahinter steckt: Welchen Sinn macht es eigentlich, jemandem anzudrohen, dass man sein Konto einfriert, dann aber ein, zwei Wochen zu warten und zu hoffen, dass in der Zeit nichts passiert? Erwarten Sie wirklich, dass man noch Geld erwischt, wenn heute Stufe zwei beschlossen wird, die ja dann Kontoeinfrierungen beinhaltet?

Alemany: Für das Wirtschaftsministerium kann ich sagen, dass mir keine Anzeichen vorliegen, dass die Investitionen in irgendwelche Richtungen gehen.

Zusatzfrage: Prüfen Sie das?

Alemany: Ich glaube, dafür wären wir nicht zuständig. Ich kann es Ihnen derzeit nicht sagen.

Chebli: Vielleicht noch ganz kurz dazu: Es geht doch darum, dass wir heute in Brüssel zeigen, dass das, was Russland macht, nicht einfach so tolerierbar und hinnehmbar ist. Es geht darum, eine klare und verantwortungsvolle Reaktion auf das zu liefern, was Russland im Rahmen des Referendums in der Krim vollzogen hat, auf diesen völkerrechtswidrigen Akt. Klar ist aber auch - Herr Seibert hat es gesagt -, dass es, wenn es keine weiteren deeskalierenden Schritte seitens Russlands gibt, eine dritte Stufe von Sanktionen geben wird. Darauf hat auch der Minister klar hingewiesen. Da gibt es auch nichts um den heißen Brei herumzureden: Die Sanktionen, die dann kommen würden, würden natürlich beide Seiten treffen.

Hier geht es darum, mit einer sehr gefährlichen Situation verantwortungsvoll umzugehen. Das gilt auch für die Frage in Sachen Russland, die ihr Kollege vorhin gestellt hat. Ich finde es nicht so witzig, dass wir jetzt darüber reden, ob man Putin noch vertrauen kann oder nicht. Es ist wichtig, dass wir mit Russland sprechen, um mit ihm aus dieser größten Katastrophe oder einer großen Katastrophe in Europa heraus auf einen Weg hin zu Diplomatie und hin zu einer Lösung der Krise zu kommen. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen mit diesem Mann reden.

Frage: Meine Frage geht wahrscheinlich an das Justizministerium: Gelten die Bewohner ab heute weiterhin als ukrainische Staatsbürger, oder gelten sie, wenn sie russische Pässe bekommen, dann als russische Staatsbürger oder gar als staatenlos? Wenn dort zum Beispiel von russischen Behörden Eheschließungen oder Geburten registriert werden, sind die dann auch hier wirksam? Wenn es Visaerleichterungen für ukrainische Staatsbürger gibt, gelten die dann auch für die Krim-Bewohner? Wie wird das also praktisch gehandhabt?

Rülke: Da muss ich mich hilfesuchend an das AA wenden. Ich kann das aus dem Stegreif nicht beantworten, tut mir leid. All das, was ich liefern kann, würde ich Ihnen nachliefern.

Vorsitzender Leifert: Kann das Auswärtige Amt dazu beitragen?

Chebli: Herr Seibert hat es ja schon gesagt: Für uns ist dieser Akt völkerrechtswidrig. Die Krim gehört nach wie vor zur Ukraine, und wir behandeln, soweit ich weiß - ich müsste mich da noch einmal mit den Referenten und Experten im Hause zurückkoppeln -, alle, die in der Krim leben, wie Ukrainer. Da gelten also alle Rechte, die für Ukrainer auch gelten. Ansonsten würde ich es nachliefern.

Frage: An das Arbeitsministerium: Sieht Ihre Ministerin Bedarf für eine gesetzliche Regelung zur leichteren und flexibleren Beschäftigung von Rentnern, laufen da gesetzliche Vorbereitungen, oder bestreitet die Bundesarbeitsministerin einen Handlungsbedarf?

Daldrup: Ich nehme an, Sie zielen auf die Einlassungen aus der CDU/CSU-Fraktion ab, die wir heute lesen konnten. Konkret geplant ist dazu derzeit in unserem Haus nichts. Dass wir aber die Notwendigkeit sehen, flexiblere Übergänge in der Rente zuzulassen, hat auch die Ministerin in der Vergangenheit schon geäußert.

Zusatzfrage: Da Sie die Frage nach dem Bedarf an flexibleren Übergängen vom Erwerbsleben in die Rente und auch wieder aus der Rente in den Arbeitsmarkt bejahen: Können Sie netterweise einmal den Zeitplan benennen? Wann erklärt die Bundesarbeitsministerin, dass dazu gehandelt werden soll, und wann ist mit einem entsprechenden Gesetz zu rechnen?

Daldrup: Nein, es gibt dazu gar keinen konkreten Zeitplan, deswegen kann ich Ihnen leider auch keinen solchen Zeitplan mitteilen. Wie gesagt, die Ministerin hat sich dazu geäußert, dass sie da auch Handlungsbedarf sieht. Sie wissen aber auch, was bei uns derzeit alles auf der Agenda steht; wir sind derzeit dabei, das Rentenpaket und den Mindestlohn umzusetzen. Was die Fragen, die Sie ansprechen, angeht, kann ich jetzt keinen konkreten Zeitplan nennen.

Frage: Herr Gerhartz, ich habe eine Frage anlässlich der Berichterstattung über die mögliche Beschaffung von amerikanischen unbemannten Fluggeräten - es gibt ja alle paar Wochen oder alle paar Monate entsprechende Meldungen - : In der Beantwortung der Anfrage, die Sie am Sonntag veröffentlicht haben, ist noch einmal davon die Rede, dass diese amerikanischen Drohnen als "Übergangslösung" beschafft werden sollen. Könnten Sie einmal skizzieren, um welchen Übergang und um welches mögliche Einsatzspektrum es bei diesen Geräten geht?

Gerhartz: Gerne. Zunächst noch einmal vorweggenommen: Wenn wir über Drohnen reden, ist es auch immer noch einmal wichtig, vorher umfassend über die Präambel - das ist letztlich ja auch im Koalitionsvertrag verankert - einer möglichen Beschaffung von bewaffneten Drohnen zu diskutieren. Wie Sie wissen, ist diese Diskussion noch nicht abgeschlossen. Wenn eine Beschaffung erfolgen sollte, dann wäre es natürlich gut, wenn diese Diskussion in einen Konsens führen würde. Aber in dieser Diskussion stehen wir gerade, daher gibt es jetzt auch noch keine konkreten Entscheidungen und kann es auch keine konkreten Entscheidungen zur etwaigen Beschaffung geben.

Bei der Überbrückungslösung müssen wir bedenken, was wir im Moment in Afghanistan im Einsatz haben, nämlich den Heron 1, der dort als Aufklärungsdrohne eingesetzt wird. Der Vertrag über diesen Einsatz ist bis zum April 2015 verlängert worden. Das heißt: Will die Bundeswehr keine Fähigkeitslücke bei der Aufklärung hinnehmen - und das kann sie, denke ich, nicht; denn das ist ja existenziell wichtig für den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten -, dann benötigen wir eine Lösung, die ab April 2015 greift. Das ist dann die Überbrückungslösung. Wie die letztlich aussieht, ist gerade in der Diskussion beziehungsweise muss auch unter dem Aspekt, den ich vorangestellt habe und der auch im Koalitionsvertrag verankert ist, gesehen werden. Der Predator ist bei den amerikanischen Streitkräften als eine mögliche Option unter anderen angefragt worden, und zwar als unbewaffnetes System.

Zusatzfrage: Wenn diese Drohne jetzt zu Aufklärungszwecken eingesetzt wird: Ist die Frage der eingesetzten Aufklärungstechnik mit dieser Anfrage verbunden, oder ist das noch einmal eine gesonderte Frage?

Gerhartz: Grundsätzlich ist das Fähigkeitsspektrum mit dem des Heron 1 vergleichbar - aber natürlich ausgebaut, mit einer besseren Sensorik etc. - , den wir gerade in Afghanistan im Einsatz haben.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 17. März 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/03/2014-03-17-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2014