Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/761: Bundeskanzlerin Merkel zum Treffen des Europäischen Rats, 21.03.14 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz in Brüssel - Freitag, 21. März 2014
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel zum Treffen des Europäischen Rats (am Donnerstag)

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)



BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich will Ihnen vielleicht zwei Dinge vorweg sagen, nämlich erstens - das ist ja heute auch breit kommentiert worden -, dass es eine Einigung hinsichtlich des einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament gegeben hat. Der Präsident des Parlaments hat dies auch noch einmal gewürdigt. Ich glaube, auch aus meiner Sicht muss gesagt werden, dass dies ein wichtiger Schritt ist, um den wir ja auch lange gerungen haben. Es ist jetzt natürlich ganz wichtig, dass die formelle Annahme der Gesetzestexte noch in dieser Legislaturperiode erfolgt. Dann wird mit der Bankenunion ein weiterer wichtiger Baustein, eine weitere wichtige Säule der Architektur des Euro hinzugefügt worden sein, und das kann gar nicht hoch genug bewertet werden.

Zweitens haben wir heute eine Einigung zur Zinsbesteuerungsrichtlinie erzielt. Der Ministerrat wird die Richtlinie beim nächsten Treffen förmlich annehmen. Auch hierbei liegen fünfzehnjährige Verhandlungen hinter uns, und insofern sollte es dann auch wenigstens noch ein Wort wert sein, dass es gelungen ist, mit der flexibleren Haltung auch vonseiten Luxemburgs jetzt doch diese Einigung zu erzielen, die uns natürlich in der Frage der Steuergerechtigkeit erheblich voranbringen wird.

Wir haben uns dann beim Abendessen mit dem Thema Ukraine befasst und haben im Rahmen der drei Bereiche - des Bereichs der Unterstützung der Ukraine und der Bereiche der Sanktionen - auch Schlussfolgerungen gezogen, die Ihnen sicherlich später auch noch zur Verfügung gestellt werden. Jetzt habe ich den fertigen Teil noch gar nicht vor mir, aber ich kann Ihnen in etwa berichten, was wir besprochen haben:

Erstens: Wir wollen eine OSZE-Mission. Wir werden daran weiterhin arbeiten. Wir sind allerdings bereit, wenn es nicht zu einer solchen OSZE-Mission in der Ukraine kommen sollte, dann auch eine EU-Mission anzustreben. Die Hohe Beauftragte hat dies auch unterstützend zur Kenntnis genommen und gesagt, dass sie alles dafür tun wird, dass dies, wenn gewünscht, auch erreicht werden soll. Ich sage allerdings noch einmal deutlich: Uns wäre es lieber und uns wäre es recht, wenn innerhalb der nächsten Tage eine solche OSZE-Mission für die Ukraine zustande käme. Wir verhandeln jetzt nämlich schon mehrere Tage lang, und es wäre gut, wenn wir dabei zu einem Ergebnis kämen.

Wir wollen die ukrainische Regierung und das ukrainische Volk natürlich in umfassender Weise unterstützen, und deshalb wird morgen Früh auch der politische Teil des Assoziierungsabkommens unterschrieben werden. Die Kommission wird auch eine umfangreiche Aufhebung der Zölle für ukrainische Ausfuhren in die EU vornehmen. Das heißt, es wird dann keine Zölle mehr bei Produkten geben, die aus der Ukraine in die Europäische Union kommen.

Die umfangreichen makroökonomischen Hilfen sollen jetzt sehr schnell zur Verfügung gestellt werden. Sie sind an das IWF-Programm gebunden, aber es gibt auch erhebliche Fortschritte bei den Verhandlungen über das IWF-Programm, sodass ich optimistisch bin, dass das innerhalb kurzer Zeit möglich sein wird.

Wir haben noch einmal deutlich gemacht, dass wir die territoriale Integrität der Ukraine für unabdingbar halten und die Annexion deshalb natürlich verurteilen und für illegal halten. Als Konsequenz daraus haben wir auch beschlossen, dass wir die Kommission bitten, restriktive Maßnahmen wirtschaftlicher und finanzieller Art in Bezug auf die Krim zu überprüfen. Das heißt, dass uns die Kommission in Bezug auf Produkte aus der Krim, wenn es solche gibt - ähnlich dem, wie es das auch im internationalen Bereich gibt -, restriktive Maßnahmen zusammenstellen wird.

Wir haben dann gesagt, dass wir angesichts der Tatsache, dass ja keine Kontaktgruppe zustande gekommen ist und wir hierbei überhaupt nicht vorangekommen sind, und angesichts der sonstigen Umstände innerhalb der sogenannten Stufe Zwei der Sanktionen - Visaaberkennungen und Konteneinfrierungen - die Liste erweitern werden. Die Namen, die auf dieser Liste stehen werden, werden Ihnen morgen mitgeteilt werden; die kann ich jetzt noch nicht veröffentlichen. Aber es sind Namen von Personen aus denselben Gruppen, die wir auch schon in dem ersten Schritt benannt hatten.

Wir haben noch einmal klargemacht, dass wir, wenn es zu weiteren Eskalationen im Hinblick auf die Ukraine kommen sollte, dann natürlich auch bereit sein werden, die Stufe Drei zu beginnen. Das sind dann die sogenannten wirtschaftlichen Sanktionen. Wir haben die Kommission heute darum gebeten, dass sie hinsichtlich solcher möglichen wirtschaftlichen Sanktionen in einem breiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten auch vorbereitende Arbeiten aufnimmt.

Darüber hinaus haben wir gesagt, dass der nächste EU-Russland-Gipfel nicht stattfinden soll und dass analog auch bilaterale Gipfel in der nächsten Zukunft nicht stattfinden sollten. Das würde und wird sich in Deutschland auch auf die deutsch-russischen Konsultationen auswirken.

Wir haben dann noch einmal deutlich gemacht, dass wir Moldawien und Georgien nicht vergessen und dass sie auch weiterhin unsere Unterstützung und unsere höchste Aufmerksamkeit haben. Wenn man nämlich die dortigen Ereignisse verfolgt und auch hört, was in diesen Ländern an Ereignissen stattfindet, dann ist diese Unterstützung, glaube ich, von allergrößter Bedeutung.

Das war im Großen und Ganzen das, was wir heute Abend diskutiert haben und worauf wir uns auch einstimmig geeinigt haben, wie das bei uns im Rat notwendig ist. Wir haben auch gezeigt, dass der Rat geschlossen ist und auch entschieden ist, die weitere Entwicklung energisch, entschlossen und gemeinsam zu begleiten.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wird diese Stufe Drei der Wirtschaftssanktionen nur in Kraft treten, wenn sich Moskau daran macht, weitere Gebiete zu annektieren, oder kann das auch passieren, wenn diese OSZE-Mission nicht zustande kommt oder die politischen Gesprächen nicht weiter vorankommen? Gibt es dann auch eine Möglichkeit von Wirtschaftssanktionen, oder bezieht sich das generell nur auf die Annexion weiterer Gebiete?

BK'in Merkel: Die vollendete Annexion wäre dann schon ein abschließender Schritt; so weit sind wir nicht. Aber das bezieht sich jetzt nicht zum Beispiel auf das Scheitern der OSZE-Mission oder auf das Nicht-Zustandekommen einer Kontaktgruppe; das hatten wir ganz eindeutig unter die Frage nach der Stufe Zwei eingeordnet.

Frage: Könnten Sie das mit der dritten Stufe vielleicht doch noch ein bisschen konkreter sagen? Ganz habe ich das noch nicht verstanden. Beim letzten Gipfel hatten Sie gesagt, es gehe ausschließlich um weitere Maßnahmen in der Ostukraine. Gab es darüber denn eine Diskussion? Gibt es andere Mitgliedstaaten, die der Meinung sind, dass man vielleicht schon etwas früher zur dritten Stufe übergehen sollte?

Könnten Sie vielleicht noch ein bisschen erläutern, wie man sich so eine EU-Mission vorzustellen hätte? Könnte die denn überhaupt auf der Krim eingesetzt werden?

BK'in Merkel: Es geht jetzt nicht um die Krim, sondern bei dieser Frage einer EU-Mission geht es um die Frage der Ost- und Südukraine. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir von Russlands die Erlaubnis bekommen, eine EU-Mission auf der Krim zu machen. Das erscheint mir unrealistisch, aber man kann ja einmal nachfragen.

Ich will allerdings noch einmal vorneweg sagen, dass ich weiterhin die Bemühungen unternehmen würde, eine OSZE-Mission hinzubekommen; das hätte Vorteile.

Ich will dann noch bezüglich der EU-Mission deutlich machen: Alle EU-Missionen, die wir haben, laden auch immer dritte Staaten, die nicht zur Europäischen Union gehören, dazu ein, daran teilzunehmen. Man könnte sich hierbei also auch eine Beteiligung von Staaten im europäischen Umfeld - zum Beispiel von Norwegen, der Türkei oder Ähnlichem - vorstellen, die dann auch dazu eingeladen werden würden, bei einer solchen EU-Mission mitzumachen.

Die erste Priorität ist also die OSZE-Mission. Sollten wir erkennen - wir verhandeln ja jetzt im Grunde seit Sonntag über eine OSZE-Mission -, dass das innerhalb der nächsten Tage nichts wird, dann wird es die Vorbereitung einer EU-Mission geben, und zwar, wie das bei allen EU-Missionen der Fall ist, auch inklusive möglicher dritter Länder.

Ich habe die Schlussfolgerungen von vor 14 Tagen jetzt nicht vor mir liegen. Aber eine Richtung der Stufe Drei ist genau auf die gleiche Situation ausgerichtet, hinsichtlich der wir das vor 14 Tagen gesagt haben. Wir haben auch damals die Ostukraine nicht namentlich erwähnt, aber wir haben gesagt: Wenn es zu weiteren Destabilisierungen kommt - "über die Krim hinaus" kann man dann denken -, dann wird diese Stufe Drei eingeleitet. An der Einleitung hat sich also nichts geändert. Jetzt ist eigentlich nur hinzugekommen, dass wir die Kommission darum bitten, sich auch darüber Gedanken zu machen, welche solcher möglichen Wirtschaftsmaßnahmen stattfinden könnten, und dass außerdem auch die Mitgliedstaaten (zum Handeln) aufgefordert werden, weil die Kommission zum Beispiel im Fall von Rüstungsexporten ja keinerlei Kompetenz hat, sondern das eine reine Kompetenz der Mitgliedstaaten ist.

Frage: Habe ich es richtig verstanden, dass die neuen Namen auf der Liste auch aus der gleichen Gruppe stammen? Heißt das "keine Oligarchen und keine Firmen"? Die USA haben diesen Schritt ja heute unternommen. Warum kommt der von der EU nicht? Was hat Sie daran gehindert, nicht auch Firmen und Oligarchen auf die Liste aufzunehmen, obwohl die vielleicht mehr direkten Druck auf Herrn Putin ausüben könnten? Wie viele Namen haben Sie zu der Liste hinzugefügt?

BK'in Merkel: Ich möchte jetzt zu den Namen gar nichts außer dem sagen, was ich schon gesagt habe. Es gibt einen Unterschied: Wir sind in Europa daran gebunden, dass auch immer ein Bezug zur Krim erkennbar ist, also zu dem Gegenstand, wegen dem wir die Sanktionen machen. Das ist eine andere Rechtssituation als in den Vereinigten Staaten von Amerika. Aber ich will die Namen und auch die Zahl jetzt nicht kommentieren. Das werden Sie alles morgen erfahren.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe zwei Fragen, zum einen auch zu der dritten Stufe. Es hat im Vorfeld des Gipfels Anmerkungen von einigen Regierungen gegeben, die sich gegenüber bestimmten Wirtschaftssanktionen skeptisch gezeigt haben. Wurde beim Abendessen auch darüber geredet, dass unterschiedliche EU-Länder unterschiedliche Interessen haben?

Die zweite Frage: Ist diskutiert worden, die Wahlen vom 25. Mai vielleicht vorzuziehen, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass bis Ende Mai vielleicht Fakten auch in anderen Gebieten der Ukraine geschaffen werden könnten?

BK'in Merkel: Es gab keinerlei Diskussion über den Wahltermin oder irgendwelches Vorziehen. Das ist im Übrigen eine souveräne Entscheidung der ukrainischen Regierung und nicht unsere Angelegenheit.

Zweitens ist klar - angefangen mit der regionalen Lage bis hin zu den unterschiedlichen Verflechtungen -, dass die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich betroffen sind. Man braucht ja nur auf die Landkarte zu schauen, um zu sehen, dass Großbritannien vielleicht mehr mit Finanzen zu tun hat und andere Länder direkt vom Gasexport abhängig sind. Darüber ist gesprochen worden. Aber wir haben uns auf einen gemeinsamen Ansatz geeinigt und gesagt: Das Wichtige ist doch, dass wir uns dazu entschließen, die Kommission zu bitten, darüber nachzudenken, und auch als Mitgliedstaaten darüber nachzudenken, in welchem Bereich solche Maßnahmen im Rahmen der Stufe Drei stattfinden könnten.

Frage: Können Sie vielleicht erklären, warum man morgen nur den politischen Teil des Assoziierungsabkommens unterschreiben will, nicht das gesamte Dokument? Liegt das vielleicht daran, dass man jetzt mit der Übergangsregierung zu tun hat, oder daran, dass man vielleicht nicht auf Konfrontationskurs mit Russland gehen will?

Wie wird das eigentlich praktisch geschehen? Wird man morgen also den einen Teil unterschreiben, und irgendwann werden dann - auch bei einem Gipfel - Unterschriften unter dem zweiten Teil stehen? Wie kann man sich das vorstellen?

Zum Wirtschaftlichen: Wann könnte das sein?

BK'in Merkel: Es ist der Wunsch der ukrainischen Regierung gewesen, den politischen Teil schnellstmöglich zu unterschreiben, und diesem Wunsch sind wir nachgekommen. Wir sagen dann in unserem Text, dass wir uns auch weiterhin verpflichtet fühlen, den zweiten Teil auch dann, wenn es gewünscht wird, zu unterzeichnen.

Man muss bei dem zweiten Teil, der ein reiner Handelsteil ist, natürlich die Implikationen mit im Auge haben, die er in Bezug auf die ukrainisch-russischen Handelsströme hat. Ich glaube, es gibt Gründe dafür, dass die ukrainische Regierung hierfür vielleicht einige vorbereitende Arbeiten treffen muss. Aber wir respektieren den Wunsch. Wir wollen ja nicht, dass die Ukraine durch eine Unterzeichnung ökonomisch geschwächt wird, sondern wir wollen, dass die Ukraine durch eine Unterzeichnung ökonomisch gestärkt wird. Den Stärkungsteil hat die Kommission freiwillig einseitig angeboten, und wir unterstützen das, nämlich dass Waren aus der Ukraine jetzt sehr schnell ohne Zölle in die Europäische Union eingeführt werden können, was natürlich eine Stärkung für die ukrainische Wirtschaft ist, wenn sie in die Europäische Union exportieren will. Ich glaube, damit haben wir einen sehr guten Kompromiss gefunden, und deshalb haben wir uns nach dem Wunsch der ukrainischen Regierung gerichtet.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, es sollte auch eine grundsätzliche Diskussion über die zukünftigen Beziehungen oder die Zukunft der strategischen Partnerschaft mit Russland geben. Hat die stattgefunden? Können Sie dazu vielleicht etwas sagen?

Die zweite Frage: Wurde denn auch über diplomatische Initiativen in den nächsten Tagen geredet? Vielleicht könnten Sie sich auch dazu äußern.

BK'in Merkel: Wir haben in dem Text deutlich gemacht, dass wir uns weiterhin im Rahmen eines Dialogs engagieren wollen, der auch multilaterale Mechanismen enthält, an denen die Ukraine und Russland beteiligt sind, und dass wir dies auch mit aller Intensität fortsetzen wollen. Hier gibt es also eine Kontinuität, und die soll auch weiterhin bestehen bleiben. Das wird auch in einem Extra-Punkt dieser Schlussfolgerungen deutlich gemacht.

Ansonsten haben wir uns mit den Dingen, wie ich sie Ihnen jetzt dargestellt habe, beschäftigt, nämlich mit der Situation, wie sie nach der Annexion der Krim besteht. Mittelfristige und langfristige strategische Diskussionen haben wir heute Abend nicht geführt. Wir waren mit dem ausgelastet, was wir jetzt zu tun haben.

Frage: Ich habe zwei Fragen, wenn Sie gestatten. Können Sie mir erst einmal etwas erklären? Auf der einen Seite verlangen Sie von den Russen, dass sie sich an dieser Kontaktgruppe beteiligen, aber wenn sie das nicht machen, dann sagen Sie alle anderen Termine auch ab. Sie wollen ja dann keine Gipfel mehr mit denen machen, weder bilaterale Gipfel noch EU-Russland-Gipfel. Ich vermag die Logik irgendwie nicht so ganz zu erkennen, aber vielleicht können Sie mir das ja erklären.

Die zweite Frage, was die Beobachtermission angeht: Die EU ist ja Partei in dieser Geschichte. Ist denn auch einmal überlegt worden, ob man vielleicht jemand anderes - vielleicht ein neutrales Gremium - dazu bringen könnte, so eine Beobachtermission auf die Beine zu stellen?

BK'in Merkel: Wir haben ja mit der OSZE begonnen, und ich habe deshalb heute Abend auch wieder gesagt, dass ich die OSZE-Mission besser fände. Aber uns ist nichts Neutrales eingefallen, bei dem Russland dann nicht Ja sagen müsste. Wenn bei der OSZE keine Einigung zustande kommt, dann ist die Chance, dass bei der UN eine Einigung zustande kommt, nicht viel größer. Insofern ist dann der Ausweg, eine EU-Mission zu machen, um überhaupt eine objektive Beobachtung der Vorgänge hinzubekommen. Aber das ist nicht das von mir gewünschte Vorgehen, sondern ich hätte gern eine Mission, die auch zusammen mit Russland unternommen wird.

Aber wir haben das, wenn ich daran erinnern darf, bei der Kontaktgruppe erlebt: Wir haben tagelang darüber diskutiert, bis sich dann am Freitag vor dem sogenannten Krim-Referendum Außenminister Kerry und Außenminister Lawrow sechseinhalb Stunden lang getroffen haben, um anschließend den Satz von dem russischen Außenminister zu hören, dass die Kontaktgruppe für Russland erledigt sei. Wenn wir jetzt ein ähnliches Verfahren bei der OSZE-Mission erleben, also dass dann irgendwann gesagt wird, für Russland sei diese Frage erledigt, dann müssen wir ja überlegen, was wir dann tun können. Dies ist jetzt sozusagen die Festlegung dessen, was wir in diesem Falle täten.

Zweitens: Ich glaube, dass wir zwischen Gesprächen unterscheiden müssen, die sich in der Sache um die Ukraine und um die Situation mit Russland drehen. Wir arbeiten ja auch dafür, dass zwischen Russland und der Ukraine Gespräche stattfinden. Ich selbst habe Kontakt nach Russland gesucht und werde es auch weiterhin tun, genauso wie der deutsche Außenminister.

Eine andere Sache ist die Frage, und das habe ich heute auch im Deutschen Bundestag gesagt, ob man zu einem umfassenden G8-Gipfel oder zu umfassenden deutsch-russischen Regierungskonsultationen zusammentrifft, bei denen man sich von der Kulturzusammenarbeit bis hin zum Bereich der Familien und des Jugendaustausches Gedanken macht. Dazu braucht man eine bestimmte Atmosphäre. Angesichts der Dinge, wie sie jetzt vorgefallen sind, ist diese Atmosphäre nach meiner Auffassung im Augenblick nicht gegeben. Wir müssen uns erst einmal darauf konzentrieren, diesen unglaublichen Vertrauensverlust (zu kompensieren). Ich meine: Es handelt sich um die erste einseitige Verletzung der territorialen Integrität seit Jahrzehnten, auch unter Verletzung der Mechanismen, die wir aufgebaut haben, zum Beispiel die der OSZE. Deshalb ist ja gesagt worden: Der nächste EU-Russland-Gipfel wird abgesagt - analog auch die demnächst anberaumten bilateralen Gipfel im großen Umfang -, und dann muss man weitersehen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie werden Sie denn morgen mit dem ukrainischen Premierminister über die Arbeit der ukrainischen Regierung reden? Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie damit? Wie viel Druck, glauben Sie, werden Sie machen müssen, um zum Beispiel zu erreichen, dass die russischen Ukrainer besser eingebunden werden? Ist der konkrete Wunsch, dass die auch stärker in der Regierung vertreten sein werden?

BK'in Merkel: Ich habe heute schon im Rahmen des EVP-Gipfels mit dem ukrainischen Premierminister gesprochen, und ich habe auch seine Rede verfolgt, die er - ich glaube, vorgestern - in der Ukraine gehalten hat. Dabei hat er sich ganz klar an die russischen Bürger in der Ukraine gewandt und gesagt, dass sich die Regierung für sie genauso verantwortlich fühlt. Er hat sehr deutlich gemacht, dass er auch für die Einhaltung aller Prinzipien ist. Er hat mir heute auch noch einmal deutlich gemacht, dass er absolut verurteilt, was da zum Beispiel durch Swoboda bei dem Fernsehsender passiert ist.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass einer der Unterschiede zwischen Sanktionen der Europäischen Union und denen der USA die rechtliche Grundlage sei und dass die EU rechtliche Grundlagen habe, die einfach darauf abzielten, dass man sich eben besonders auf diejenigen konzentrieren müsse, die etwas mit der Integrität der Ukraine zu tun haben. Wir wissen aber, dass Herr Iwanow am 25. und 26. mit Putin und anderen zusammengesessen hat und an dieser Entscheidung teilhatte. Keiner dieser Leute ist zu irgendeinem Zeitpunkt auf diesen Listen gewesen, die wir gesehen haben. Warum ist es nicht so, dass die EU dann sozusagen diejenigen ins Fadenkreuz nimmt, die ja etwas mit dieser Entscheidung zu tun hatten? Ich meine sicherlich nicht Putin, aber Iwanow; der ist ja auf der amerikanische Liste. Wie kann es sein, dass das russische Parlamentsabgeordnete und vielleicht sogar Journalisten betrifft, die auf einer Sanktionsliste stehen, aber nicht jemanden wie Timoschenko?

BK'in Merkel: Würden Sie mir noch verraten, für welche Zeitung Sie arbeiten?

Zusatz: Vom "Daily Telegraph".

BK'in Merkel: Ich kann Ihnen Ihre Frage jetzt nicht beantworten, weil ich Ihnen auch nicht die Namen nenne. Ich weiß nicht, was Sie gesehen haben. Ich halte mich an das, was wir heute Abend verabredet haben, nämlich dass die Namen morgen veröffentlicht werden.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Ihnen eine ganz einfache Frage stellen und auf das zurückkommen, was Sie eingangs zur OSZE-Mission gesagt haben, die Sie anstreben. Das kann man nach allem, was vorgefallen ist, als ein weiteres und vielleicht letztes Angebot zum Gespräch an Präsident Putin interpretieren. Nun sind Sie einer der ganz wenigen Menschen auf diesem Planeten, die mit Putin in den vergangenen acht Tagen auch persönlich gesprochen haben. Wären Sie bereit, uns zu sagen, für wie groß Sie die Chance halten, dass der russische Präsident diesen Schritt, der jetzt offenbar notwendig ist, auf Europa zugehen könnte?

BK'in Merkel: Das kann ich schwerlich sagen. Als ich das erste Mal mit ihm darüber gesprochen habe, waren wir übereinstimmend - das kann man ja auch den nach dem Telefonat abgegebenen Verlautbarungen entnehmen - der Meinung, dass das eine gute Idee ist. Ich halte das weiterhin für eine gute Idee, und jetzt muss man schauen.

StS Seibert: Dann danke ich Ihnen. Schönen Abend noch!

BK'in Merkel: Oder gute Nacht, wie immer Sie es wollen; oder guten Morgen!

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 21. März 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/03/2014-03-21-pk-merkel.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2014