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PRESSEKONFERENZ/767: Statements von der Kanzlerin und dem kanadischen Premierminister Harper, 27.03. (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Donnerstag, 27. März 2014
Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem kanadischen Premierministers Harper

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)



BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der kanadische Premierminister Stephen Harper heute wieder einmal in Deutschland ist und zu einem offiziellen Besuch hier empfangen werden konnte. Wir hatten uns schon in Den Haag gesehen. Ich freue mich auch, dass sich der Premierminister Zeit genommen hat, nicht nur Berlin zu besuchen, sondern mit einer großen Wirtschaftsdelegation, mit der wir jetzt auch noch ein Mittagessen haben werden, auch München zu besuchen und damit einen Beitrag dazu zu leisten, dass die deutsch-kanadischen Wirtschaftsbeziehungen noch intensiver werden.

Wir haben sehr gute bilaterale Beziehungen. Ich habe Kanada besucht. Wir haben uns auch von deutscher Seite sehr dafür eingesetzt, dass das EU-Kanada-Freihandelsabkommen abgeschlossen werden kann. Ich bin sehr froh, dass die wesentlichen Hürden hierbei ja auch überwunden sind, und ich glaube, das wird einen riesigen Beitrag dazu leisten, dass der Handel mit der EU und damit auch mit Deutschland noch einmal wachsen wird.

Um nur noch einmal zu veranschaulichen, was ein solches Freihandelsabkommen bedeutet: 98,4 Prozent der Zölle im Warenhandel werden mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens beseitigt sein. Die Industriezölle werden innerhalb von sieben Jahren vollständig abgebaut. 94 Prozent der EU-Agrarexporte werden zollfrei gestellt, und Firmen aus der EU werden sich in Zukunft auch an Ausschreibungen auf kommunaler Ebene in Kanada beteiligen können. Das ist also ein gutes Stück, und auf kanadischer Seite gibt es sicherlich ebenso viele Vorteile in Bezug auf den europäischen Markt. Gerade als Rohstoffland ist Kanada für uns natürlich auch ein sehr interessanter Partner.

Wir haben natürlich auch über die Situation innerhalb der Europäischen Union gesprochen und können feststellen, dass uns das Thema der Stabilität des Euro nicht mehr ganz so sehr bewegt, wie es in der Vergangenheit viele Jahre lang der Fall war. Das zeigt: Wir sind innerhalb Europas hinsichtlich dieser Thematik vorangekommen und haben auch unseren politischen Willen unter Beweis gestellt, den Euro zu einer starken Währung zu machen.

Wir haben natürlich auch über die außenpolitischen Fragen gesprochen, wie wir das auch schon in Den Haag als G7-Gruppe getan haben. Unsere Beurteilung der Vorgänge auf der Krim ist gleichermaßen, dass die Annexion zu verurteilen ist, dass sie internationalem Recht widerspricht und dass wir alles dafür tun, dass jetzt in der Ukraine ein freier und demokratischer Prozess zur Vorbereitung der Präsidentschaftswahlen in Gang gesetzt werden muss. Kanada ist ein sehr guter Gesprächspartner für uns, weil Kanada das Land ist, in dem die drittmeisten Ukrainer zuhause sind, und weil deshalb auch eine sehr gute Verbindung zwischen Kanada und der Ukraine existiert.

Wir haben über den Nahost-Friedensprozess und über das iranische Atomprogramm gesprochen, und es gibt eine breite Palette sehr ähnlicher Beurteilungen der Situation. Insofern sage ich, dass dieses Treffen auch einen Beitrag dazu leisten wird, dass unsere Länder noch besser miteinander zusammenarbeiten. Herzlichen Dank für den Besuch und herzlich willkommen!

PM Harper: Merci, Frau Merkel! Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin! Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich Ihnen für den herzlichen Empfang danke, den Sie mir und der kanadischen Delegation heute bereitet haben. Ich erwähnte es ja schon: Dies ist mein fünfter Besuch in Deutschland als Premierminister, und ich bin immer dankbar für Ihre Gastfreundschaft und auch die Gastfreundschaft des deutschen Volkes.

Ich schätze auch immer jede Gelegenheit, einen Meinungsaustausch zu haben - etwas, das wir ja jetzt schon seit mehr als acht Jahren haben, so auch während Ihres bilateralen Besuchs in Ottawa im August 2012. Das war der erste Besuch eines deutschen Bundeskanzlers innerhalb von mehr als zehn Jahren.

Ich schätze unsere Unterhaltungen stets. Heute war das nicht anders. Wir hatten einen Meinungsaustausch zu einer Reihe von Themen wie auch zu den ernsten Entwicklungen, die in den letzten Wochen in der Ukraine stattgefunden haben. Wir sind vereint in der Ansicht, dass die Aktionen von Präsident Putin eine klare und inakzeptable Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine sind. Präsident Putins Aktionen sind auch ein Verstoß gegen Russlands Pflichten gemäß der Charta der Vereinten Nationen und des Abkommens zur Anerkennung der Grenzen der Ukraine.

Wir möchten darauf hinweisen, dass die Wahlen in der Ukraine nur dann anerkannt werden können, wenn die Wahlen unter demokratischen und rechtsstaatlichen Bedingungen stattfinden. Dies sind Werte, die wir als Partner seit langen Jahren gemeinsam vertreten, und das wird auch weiterhin innerhalb der G7, der G20, der Uno, der OSZE und der Nato der Fall sein, um nur einige von den internationalen Organisationen zu nennen

Aber unsere Beziehungen sind noch tiefer; denn es sind familiäre Beziehungen. In Kanada gibt es mehr als 3 Millionen Kanadier mit deutschen Vorfahren. Das sind fast 10 Prozent unserer Bevölkerung. Wie Sie wissen, bin ich heute hier in Deutschland mit Vertretern vieler kanadischer Unternehmen und auch Organisationen, die Hunderttausende von kanadischen Unternehmen vertreten. Sie sind hier, weil Handel Wohlstand schafft, und sie sind hier, weil das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union Chancen schaffen wird, die wir uns noch nicht vorstellen können. Dies ist ein vitales Element der kanadischen Gesellschaft und der kanadischen Wirtschaft

Deutschland ist der achtgrößte Exportmarkt, Vierter, was die Importe nach Kanada angeht, und unser fünftgrößter Dienstleistungshandelspartner. Deutsche Unternehmen haben mehr als 11 Milliarden Dollar in Kanada investiert, und desgleichen haben kanadische Firmen mehr als 7 Milliarden Dollar an direkten Investitionen in Deutschland getätigt. Der Freihandel wird diese Zahlen nur noch ansteigen lassen. Wir haben es damit mit dem ambitioniertesten Ziel in der Vergangenheit zu tun. Wir werden unseren Handelsaustausch in den nächsten Jahren vervielfachen. Wir haben es damit mit einer guten Nachricht für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Kanada zu tun. Jeder Region in Kanada wird von dem Handel Nutzen ziehen, ebenso fast jeder Bereich - Luftfahrt, Maschinenbau, Landwirtschaft, Verbraucherprodukte, Automobile, um nur ein paar zu nennen.

Erlauben Sie mir, zu schließen, indem ich Ihnen, Angela, persönlich für Ihre entschiedenen Bemühungen dafür danke, das Freihandelsabkommen Realität werden zu lassen. Wir haben über die Vorteile und den Nutzen für beide Länder gesprochen. Ich möchte für die deutschen Firmen noch einmal hervorheben, dass, wenn dieses Abkommen in Kraft tritt, deutsche Unternehmen, die sich in Kanada befinden, auch Freihandelszugang zu den NAFTA-Märkten haben werden. Das ist von großem Vorteil. Angela, ich weiß Ihren unermüdlichen Einsatz für dieses Übereinkommen und dafür, dass wir letztendlich auch erfolgreich waren, zu schätzen. Unsere beiden Länder werden dadurch noch stärker werden. Vielen Dank!

Frage: Was die Situation in der Ukraine angeht: Was wird nächste Woche dazu gesagt werden? Sie beide kennen Putin ja schon seit Langem, und sie beide haben beschlossen, ihn aus der G8 auszuschließen. Haben Sie die Hoffnung aufgegeben, dass er zurückkehren wird?

PM Harper: Zunächst einmal glaube ich, wir alle sind uns darüber klar, dass niemand eine militärische Eskalation wünscht. Das hat natürlich die Aufmerksamkeit der Nato erregt, und es hat Diskussionen gegeben. Die Nato hat als Folge des Ganzen einige Schritte ergriffen.

Ich möchte noch einmal wiederholen, was ich gestern schon zum Thema G8 gesagt habe: Ich spreche nicht für Deutschland, aber ich glaube, die meisten von uns sind der Auffassung und waren es immer schon, dass das russische Volk - besonders die jüngere Generation - langfristig gesehen unsere Werte teilt. Sie wollen Partner sein, die wir ja eines Tages haben werden, und wollen, dass es gemeinsame Interessen und gemeinsame Werte im internationalen Raum gibt. Die Schwierigkeit hinsichtlich unserer Bemühungen, Herrn Putin zu einem Partner zu machen, besteht natürlich einfach darin, dass er kein Partner sein möchte. Er möchte ein Rivale sein. Das ist einfach die Realität, der wir ins Auge schauen müssen. Ich persönlich - ich kann nur für Kanada sprechen - sehe keinen Weg, wie Herr Putin zum Tisch zurückkehren kann, wenn Russland nicht einen grundlegenden Kurswechsel einleitet, was seine Einstellung zur Welt angeht, der die Werte und das Verhalten dieses Regimes ändert.

Für unsere Alliierten ist klar: Wir wollen keine militärische Konfrontation. Das ist aber natürlich auch ein Diskussionspunkt zwischen den Nato-Partnern. Insbesondere, was unsere osteuropäischen Partner angeht, aber auch, was die Alliierten im Allgemeinen angeht, werden wir die entsprechenden Maßnahmen und die Konsultationen innerhalb der Nato weiterbetreiben, um die Situation innerhalb der Ukraine zu verbessern.

Was die G8 angeht: Meines Erachtens ist es so, dass die junge Generation in Russland die gleichen Dinge wie wir will. Sie hat die gleichen Werte wie wir und wie auch unsere anderen Partner in der G7. Leider ist es aber so, dass Herr Putin diese Werte nicht teilt. Trotz unserer Anstrengungen, aus ihm einen Partner zu machen, hat sich Herr Putin immer weiter als Rivale der westlichen Welt gesehen. Er hat damit eine Rivalität statt einer Partnerschaft entstehen lassen. Das ist leider so, aber das ist die Wirklichkeit. Für mich ist es schwierig, mir vorzustellen, wie Russland an den Tisch der G8 zurückkommen soll, wenn dort nicht eine grundlegende Richtungsänderung stattfindet.

BK'in Merkel: Zuerst zu der Nato-Frage: Das ist aus meiner Sicht ganz klar. Wir haben gesagt: Wir stehen als Deutsche dazu, dass das Nato-Statut im umfassenden Sinne erfüllt wird. Das heißt, es gibt den Artikel 5. Das ist der Beistandsartikel. Alle Mitgliedstaaten der Nato und insbesondere auch unsere Partner in Osteuropa und im Baltikum haben diesen Anspruch. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist Teil unserer Gemeinschaft. Deshalb wird Deutschland ein Teil dieser Gemeinschaft sein.

Was den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland anbelangt, so habe ich deutlich gemacht, dass wir nicht auf eine militärische Lösung setzen. Weil wir aber nicht auf eine militärische Lösung setzen, müssen wir auch entschieden in unseren sonstigen Handlungen sein. Deshalb ist es zu einer ersten Stufe und einer zweiten Stufe von Sanktionen gekommen. Wir haben alle gemeinsam sehr deutlich gemacht, auch bei dem G7-Treffen, dass es zu Wirtschaftssanktionen kommen wird, wenn die Deeskalation nicht eingeleitet wird, sondern die Dinge im Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine weiter eskalieren.

Zweitens, was die G8 und die G7 anbelangt: Ich habe deutlich gemacht, dass wir die G8 nur durchführen können, wenn es ein bestimmtes Umfeld gibt. Zu diesem Umfeld gehört auch ein gemeinsames Verständnis von internationalem Recht und unseren Wertvorstellungen. Solange dieses Umfeld nicht gegeben ist, existiert die G8 als Format gar nicht und schon gar nicht als konkreter Gipfel. Das haben wir mit unserer Entschließung zum Ausdruck gebracht, die wir in Den Haag gefunden haben. Das war eine sehr einheitliche und gemeinsame Diskussion.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die erste Frage bezieht sich - Sie hatten es gerade noch einmal angesprochen - auf die Sanktionen: Gibt es eine klare Definition dessen, ab wann die Sanktionsstufe Drei eingeführt wird?

Zweite Frage: Wie sehen Sie Interviews wie das gestrige des Siemens-Chef Kaeser bei Präsident Putin? Was ist Ihre Auffassung dazu, wenn sich ein deutscher Wirtschaftsführer in Moskau derart outet?

BK'in Merkel: Ich habe bereits gestern zu dem Besuch von Herrn Kaeser Stellung genommen, und ansonsten will ich das nicht kommentieren.

Zweitens, was die dritte Stufe der Sanktionen anbelangt: Ich glaube, das ist klar definiert. Ich hoffe, dass wir gar nicht dahin kommen müssen. Aber wenn es zu weiteren Eskalationen kommen wird, dann werden wir handeln, und wir werden auch in Europa einheitlich handeln. Auch das haben wir nicht nur aufgeschrieben, sondern ich bin davon überzeugt, dass das auch so sein wird.

Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass insbesondere der Präsident des BDI und auch andere Wirtschaftsverantwortliche gesagt haben, dass auch wirtschaftliche Tätigkeit ein bestimmtes Umfeld braucht - ein Stück Verlässlichkeit in Bezug auf bestimmte Rahmenbedingungen - und dass deshalb unser politischer Weg hier durchaus auch Unterstützung findet.

Frage: Meine Frage hat zwei Teile.

Erstens. Wie viel wirtschaftlichen Schmerz werden Europa und Nordamerika akzeptieren, wenn mehr Sanktionen erforderlich sind? Ich habe gestern mit Deutschen gesprochen, die gesagt haben, sie möchten jeden Schmerz vermeiden. Einige Umfragen weisen das auch nach

Zweitens. Wir hören auch sehr viel über amerikanische Öl- und Gasverkäufe nach Europa, die es geben könnte, wenn sich diese Krise fortsetzt. Erwägt Deutschland, kanadisches Öl und Gas zu kaufen? Europa vergisst manchmal, dass Kanada ja auch ein großer Energielieferant ist; es geht dabei ja nicht nur um die Vereinigten Staaten.

BK'in Merkel: Wir sind uns, glaube ich, über die verschiedenen Rohstoffquellen auf der Welt schon im Klaren. Zum Handel mit Rohstoffen gehört natürlich auch immer eine bestimmte Infrastruktur. Die ist im Augenblick an vielen Stellen noch nicht so da, wie wir das brauchen könnten. Angesichts dessen, wie die Diskussionen in Europa insgesamt verlaufen, glaube ich aber, dass es wegen der Ereignisse durchaus eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben wird. Wir haben zum Teil - das betrifft gar nicht so sehr Deutschland, sondern eher andere EU-Länder - eine sehr hohe Abhängigkeit von Rohstofflieferungen aus Russland, was Gas und Öl anbelangt. Deutschland ist, was das Erdgas anbelangt, nur zu 35 Prozent abhängig von russischem Erdgas; wir haben sehr viel norwegisches und britisches Erdgas. Insofern ist die Abhängigkeit bei uns noch längst nicht die höchste in Europa. Es geht hier aber auch um langfristige Orientierungen.

Ich sage noch einmal: Wir müssen auf bestimmte Verhaltensweisen reagieren. Das haben wir durch gemeinsame Beschlüsse in der Europäischen Union gezeigt, und ich bin ganz zuversichtlich, dass wir auch in weiteren Schritten gemeinsame Beschlüsse finden würden - obwohl es mir lieber wäre, wir müssten solche weiteren Schritte gar nicht gehen. Deshalb versuchen wir ja durchaus auch, auf der einen Seite durch Gespräche und auf der anderen Seite durch die Ankündigung dessen, was wir tun werden, dafür zu werben, dass es zu einem Weg kommt, auf dem die Ukraine ihre eigenen politischen Entscheidungen treffen kann. Da geht es ja nicht darum, dass die alle gegen Russland gerichtet sein müssen, sondern darum, dass die Ukraine einfach als selbstständiges Land in der Lage ist, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, eine faire Wahl durchzuführen, einen Präsidenten zu wählen, später Parlamentswahlen durchzuführen und Handel und Wandel zu treiben, mit wem auch immer sie das auf ihre Art und Weise möchte. Das ist eine ganz normale und einfache Forderung

Sie haben auch nach den Lasten gefragt. Die Frage ist dann doch immer: Was für eine Last ist es, wenn ich kein berechenbares Umfeld habe? Auch das ist ja eine Last. Insofern geht es nicht nur um konkrete Auswirkungen von Sanktionen; denn Sanktionen werden immer auch beide Seiten treffen können. Ich sage aber auch: Russland braucht den Handel und den Wandel. Ich habe im Deutschen Bundestag erklärt, dass wir heute international alle verflochten sind, und wer eine gedeihliche, vernünftige Entwicklung seines Landes haben möchte - das gilt für Deutschland, das gilt aber auch für Russland -, der muss auf Offenheit, auf freien Handel, auf Einhaltung der internationalen Verträge setzen; dann wird das am besten funktionieren. Deshalb kann auch Russland viel verlieren. Insofern bin ich da ganz gelassen.

Frage: Eine Frage an den Premierminister, anknüpfend an die Energiefrage - die Bundeskanzlerin hat eben schon etwas dazu gesagt -: Ist Kanada denn bereit, wie die USA beziehungsweise wie der US-Präsident das gesagt hat, die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, damit Kanada für Europa auch ein Energieversorger in Gas und Öl wird?

PM Harper: (auf Englisch) Unabhängig von dieser Krise mit Russland und der Ukraine wollen wir natürlich unsere Energieexporte auf jeden Fall diversifizieren. Wir haben enorme Energieressourcen in unserem Land und wir sind ein großer Produzent jeder Art von Energie. Im Moment verkaufen wir nur auf dem nordamerikanischen Kontinent. Ich glaube, Fragen der Diversifizierung, besonders im Hinblick auf die Ukraine und Russland, sind langfristiger zu sehen.

Ich möchte noch ein paar Punkte zu der vorhergehenden Diskussion hinzufügen. Wir verstehen sehr gut, dass weitere Sanktionen besonders aufseiten Europas auch bedeutende wirtschaftliche Risiken bergen. Ich sagte daher auch neulich bei den G7 noch: Wir sollten da sehr vorsichtig vorgehen. Man darf aber zwei Dinge nicht vergessen: Erstens ist auch die russische Wirtschaft sehr fragil. Zweitens: Selbst, wenn man das Ganze nur mittelfristig betrachtet, darf man nicht vergessen, dass, wenn eine bedeutende Macht bereit ist, militärische Kraft einzusetzen, um grundlegende Konzepte seiner Grenzen und des internationalen Rechts zu verletzen, das Risiko für die Weltwirtschaft sehr schwerwiegend ist - auch langfristig. Das verstehen wir alle sehr gut.

(auf Französisch) Unabhängig von der Situation mit Russland und der Ukraine ist unser Wunsch, dass wir unsere Energieexporte diversifizieren wollen. Derzeit können wir sagen: Wir sind fast die größten Rohstoffinhaber der Welt. Wir haben in Kanada sehr viele Rohstoffe, die wir auf den amerikanischen Kontinent exportieren, aber diese Frage ist völlig unabhängig von der Frage der Lage in Russland und der Ukraine. Das ist jetzt eine kurzfristig angelegte Krise.

Um noch einen Kommentar zu den Sanktionen abzugeben: Wir kennen natürlich das Risiko, das die europäischen Volkswirtschaften eingehen würden, wenn diese Sanktionen gestartet würden. Wir sind bereit, sehr vorsichtig auf dem Weg der Sanktionen voranzugehen. Auf der anderen Seite muss man aber auch anerkennen, dass es Risiken für die Volkswirtschaften gibt. Es ist auch ein Risiko, wenn eine Mittelmacht die fundamentalen Regeln des internationalen Rechts, des Völkerrechts bricht, indem sie die eigenen Grenzen verschiebt. Wir kennen ja die Geschichte und die Risiken, die damit einhergehen, und wir wissen auch, dass allein die russische Wirtschaft sehr fragil ist. Man muss also anerkennen, dass es auf beiden Seiten ein Risiko gibt.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 27. März 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/03/2014-03-27-merkel-harper.html;jsessionid=26E620B1C36A2BA30886E880D8E8A44D.s1t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2014