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PRESSEKONFERENZ/839: Regierungspressekonferenz vom 15. August 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 15. August 2014
Regierungspressekonferenz vom 15. August 2014

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Reise nach Lettland, Besuch des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk in Bonn, Kabinettssitzung, 5. Treffen der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften in Lindau), sogenannter Bundestrojaner, Beteiligung ausländischer Investoren an der ukrainischen Transitpipeline, Waffenlieferungen in den Nordirak/Lage im Irak, Presseberichte über Überquerung der russisch-ukrainischen Grenze durch einen russischen Militärkonvoi, Situation der Luftverkehrswirtschaft/Luftverkehrssteuer, Neufassung des Prostitutionsgesetzes, Situation beim Karstadt-Konzern, Europäische Zentralbank

Sprecher: StS Seibert, Dimroth (BMI), Dünow (BMWi), Flosdorff (BMVg), Schäfer (AA), Scholz (BMJV), Strater (BMVI), Kalwey (BMF), Herb (BMFSFJ), Westhoff (BMAS)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich hatte schon am Mittwoch angekündigt, dass die Bundeskanzlerin am Montagnachmittag nach Lettland, nach Riga fliegen wird. Sie wird zunächst das Freiheitsdenkmal besuchen und dann Gespräche mit Ministerpräsidentin Straujuma und Staatspräsident Berzins führen. Am Abend wird es in der lettischen Nationalbibliothek eine Diskussion über die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder geben. Der Flug zurück nach Berlin erfolgt noch am Abend.

Am Dienstag, dem 19. August, besucht die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem Bundesinnenminister am Vormittag, ab 11 Uhr, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk in Bonn. Sie wird dort auch mit Vertretern von Wohlfahrtsverbänden sowie der DLRG und dem Feuerwehrverband zusammentreffen. Sie wissen, dass die Bundeskanzlerin das Ehrenamt hoch schätzt und dass die Förderung des Ehrenamtes dieser Bundesregierung ein besonderes Anliegen ist. Deswegen wird die Kanzlerin dort auch ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger treffen, die sich aktiv bei diesen Organisationen für die Sicherheit ihrer Mitmenschen einsetzen, und sie möchte ihnen für ihre wertvolle Arbeit danken. Es wird einen Rundgang der Kanzlerin und des Innenministers geben. Die Hilfsorganisationen präsentieren sich mit Informationsständen und mit ihren Einsatzgeräten. Danach gibt es ein gemeinsames Mittagessen mit ehrenamtlichen Helfern.

Am Mittwoch tagt, wie üblich, um 9.30 Uhr das Bundeskabinett.

Dann reist die Bundeskanzlerin nach Lindau am Bodensee. Sie nimmt dort an der Eröffnung des 5. Treffens der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften in Lindau teil. Die Kanzlerin ist Mitglied des Ehrensenats der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen. Auch in dieser Eigenschaft reist sie dorthin. Sie wird um 14.30 Uhr bei dem Nobelpreisträgertreffen eine Rede halten. Nach der Eröffnungsveranstaltung gibt es eine Begegnung mit Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen aus 13 Nationen zu einem Gespräch. Themen könnten sein die internationale Attraktivität des Studien- und Wissenschaftsstandortes Deutschland und Perspektiven, die der wissenschaftliche Nachwuchs hierzulande hat.

Am Rande der Eröffnungsveranstaltung ist noch eine kurze Begegnung mit dem Staatspräsidenten von Singapur, Herrn Tony Tan, vorgesehen.

Das sind die öffentlichen Termine.

Frage: Herr Seibert, gerade aus dem Baltikum gibt es angesichts der Ukraine-Krise Forderungen nach einer stärkeren Nato-Truppenpräsenz in Osteuropa. Bleibt die Bundesregierung da bei ihrer ablehnenden Haltung, oder mit welcher Position wird die Kanzlerin am Montag nach Riga reisen?

Zum Zweiten, eher technisch: Hat es eine spezielle Bewandtnis, dass die Kanzlerin Lettland besucht, aber keine zweite baltische Republik, wie das zuletzt durchaus üblich war?

StS Seibert: Zu Letzterem: Das hat keine besondere Bewandtnis. Die Bundeskanzlerin hat seit geraumer Zeit vor, der lettischen Regierung unter der neuen Ministerpräsidentin Straujuma einen Besuch abzustatten. Das war vereinbart. Jetzt klappt es terminlich auf beiden Seiten.

Sie haben recht: Mit Sicherheit wird die Sicherheitslage, insgesamt die Lage des Baltikums, Lettlands, unter dem Einfluss der Ukraine-Krise ein wichtiges Thema bei den Gesprächen sein. Sicherlich wird man auch darüber sprechen, wie das Nato-Bündnis auf diese Krise bisher reagiert hat und möglicherweise in Zukunft noch reagieren wird. Wir stehen ja im Vorfeld eines Nato-Gipfels in Großbritannien. Das sind Themen. Ich will jetzt hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Die Haltungen sind ja hier schon mehrfach bekannt gemacht worden.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMI: Stand Bundestrojaner. Dazu würde ich gerne wissen, ob der neu entwickelte Bundestrojaner bereits zum Einsatz gekommen ist, ja oder nein? Wenn ja, in welchem Umfang, sofern Sie uns dies mitteilen dürfen?

Dimroth: Die Begrifflichkeit "Bundestrojaner" ist nicht die, die wir verwenden, um das an dieser Stelle einmal deutlich klarzumachen. Zu diesem Thema gibt es die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage; darauf stellen Sie vermutlich ab. Daraus ergibt sich, dass die Eigenentwicklung des BKA einsatzbereit, aber noch nicht zum Einsatz gekommen ist.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Gestern hat das ukrainische Parlament den Weg für die Beteiligung von ausländischen Investoren an der Transitpipeline freigemacht und sucht nach solchen Investoren. Wie bewerten Sie diese Maßnahme? Ist das Wirtschaftsministerium bereit, eventuell eine bestimmte Schützenhilfe für die deutschen Unternehmen zu leisten, die Interesse an der Beteiligung zeigen könnten?

Dünow: Den letzten Teil der Frage habe ich, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden.

Zusatz: Werden Sie Gespräche mit deutschen Energieunternehmen führen und ihnen helfen, in diese Pipeline in der Ukraine zu investieren beziehungsweise sie zu modernisieren?

Dünow: Sie spielen auf das Gesetz an, das gestern im ukrainischen Parlament beschlossen worden sein soll. Wir haben die Medienberichte zur Kenntnis genommen, kennen den Gesetzestext aber nicht. Auf die Frage, ob zu erwarten sei, dass vonseiten der Ukraine Gaslieferungen unterbrochen werden könnten, hat Herr Seibert - ich glaube, am letzten Montag - hier Stellung genommen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Zusatz: Es geht nicht um Unterbrechungen, sondern um die Beteiligung der deutschen Energiekonzerne an der Modernisierung dieser Pipeline.

Dünow: Wenn es da Interesse gibt, sind wir jederzeit bereit, Gespräche zu führen und der Ukraine bei der Gestaltung ihrer Energieinfrastruktur zu helfen. Aber mir ist da nichts Konkretes bekannt.

Frage: Ich habe eine Verfahrensfrage an Herrn Seibert: Sollte sich Deutschland dazu entschließen, Waffen an die Kurden zu liefern, wie würde man das dann abwickeln? Würde man das über den Bundessicherheitsrat machen? Könnte das Verteidigungsministerium aus Eigenbeständen, ohne das Gremium einzubeziehen, Waffen abgeben, falls sie überhaupt gebraucht würden? Müsste man das Parlament befragen? Es gibt jetzt unterschiedliche Äußerungen dazu, wie das sein könnte. Ich möchte das jetzt einmal sortiert bekommen.

StS Seibert: Sie haben Ihre Frage im Konjunktiv gestellt, weil solche Entscheidungen tatsächlich noch nicht gefallen sind. Natürlich hängt die Beantwortung Ihrer Frage auch von dem Charakter der Entscheidungen ab, die gefällt werden. Deswegen, so glaube ich, ist es sinnvoll zu diskutieren, wenn konkrete Entscheidungen gefallen sind.

Zunächst einmal ist die Bundesregierung bei der humanitären Hilfe weiter sehr engagiert. Sie wissen, dass sich heute am frühen Morgen vier Transall-Transportflugzeuge aus Schleswig-Holstein in Bewegung gesetzt haben und noch heute Abend in Erbil mit 36 Tonnen Hilfsgütern eintreffen sollen. Darüber hinaus prüfen wir weitergehende Möglichkeiten einer Unterstützung, die dann nicht nur im humanitären Bereich wäre. Aber solche Entscheidungen gibt es nicht. Ich rate sehr dazu, diese Prüfung und das Ergebnis abzuwarten. Die Verteidigungsministerin hat ja gesagt, dass sie natürlich auch immer im Gespräch mit dem Parlament steht.

Zusatz: Aber ungeachtet des Konjunktivs gibt es ja trotzdem Rechtsgrundlagen, wie solche Entscheidungen herbeizuführen sind.

StS Seibert: Ja, natürlich gibt es Rechtsgrundlagen. Die Rechtsgrundlagen sind bekannt, nämlich das Grundgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und im politischen Bereich die Politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000 sowie der Gemeinsame Standpunkt aus dem Jahr 2008. Das beschreibt den rechtlichen und den politischen Rahmen, in dem wir uns bewegen. Dieser Rahmen - das haben wir hier am Mittwoch sehr ausführlich miteinander besprochen - gibt der Bundesregierung immer einen Ermessens- und Beurteilungsspielraum. Je nachdem, wie dann bestimmte Entscheidungen im militärischen Bereich ausfallen, beispielsweise was die Beteiligung der Bundeswehr betrifft, ist eine Parlamentsbeteiligung vorgesehen oder auch nicht. Das ist dann nur im Einzelfall sinnvoll miteinander zu besprechen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und auch an das Verteidigungsministerium. Frau von der Leyen sagt jetzt - neben der Frage, ob es nun schon an der Zeit ist, über Waffen zu sprechen -, wir hätten gar nicht die richtigen, die die Kurden bräuchten; denn sie bräuchten zum Beispiel sowjetische Baumodelle, um damit arbeiten zu können. Nun liefern ja die Franzosen Waffen, die möglicherweise noch viel weniger die richtige Herkunft haben. Wer, wenn nicht wir, könnte solche Modelle, solche Wagen, solche Ausrüstungsgegenstände haben und sie dorthin liefern?

Flosdorff: An dieser Stelle gehen Sie von der falschen Prämisse aus. Sie setzen nämlich voraus, dass die Franzosen französische Waffen liefern. Das deckt sich nicht mit den Erkenntnissen, die ich habe. Aber sehen Sie mir bitte nach, dass ich jetzt nicht weiter ins Detail gehen kann. Die anderen Nationen, die über Waffenlieferungen nachdenken, denken nicht unbedingt nur über die Herkunft der Waffen aus den Ländern nach, die sie dann liefern würden.

Zusatzfrage : Kaufen die dann extra Waffen, die für kurdische Kämpfer passen, oder wie kann man sich das vorstellen?

Flosdorff: Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich hier nicht für andere Nationen sprechen kann. Ich will Sie nur vor dem Schluss warnen, dass, wenn sich Nationen bereit erklären, Waffen zu liefern, das unbedingt Waffen aus der Herstellung dieser Nationen sein müssen oder aus der Provenienz, dass deren Streitkräfte diese Waffen benutzen.

Zusatzfrage : Selbst Experten sagen, das Material, um das es jetzt geht, also befestigte Fahrzeuge oder Ähnliches, habe die Bundeswehr nicht gerade reichhaltig übrig. Könnten Sie denn genug Sachen dorthin liefern, wenn es jetzt über das hinausgeht, was offenbar bisher in den Transall-Maschinen ist, nämlich Medikamente und Lebensmittel?

Flosdorff: Ich habe am Mittwoch an dieser Stelle gesagt, dass diese Prüfungen im Bereich der Bundeswehr umfangreich laufen. Materialüberprüfungen, die Frage, ob die in den Beständen sind, in welcher Zahl und wie kurzfristig die verfügbar wären - das alles wird erfasst. Parallel dazu wird auch mit Informationen und über Befragungen abgeglichen, was vor Ort benötigt wird. Es gibt einen weiteren Parallelprozess, nämlich die Abstimmung mit anderen Ländern, anderen Partnern, zum Beispiel heute in Brüssel, was für Hilfslieferungen dort angedacht werden. Das alles muss sinnvollerweise koordiniert sein, damit am Ende ein stimmiges Gesamtbild entsteht.

Ich kann jetzt keine Gattungen ausschließen und auch keine Produkte nennen. Ich weiß, dass Ihnen das am liebsten wäre. Ich habe Ihnen schon am Mittwoch gesagt, dass wir unter Hochdruck prüfen und keine Stunde verlieren. Wir sind froh darüber, dass wir heute die Flugzeuge mit den humanitären Gütern in der Luft haben. Das sind vier Transall, eine fünfte wird im Laufe des Tages noch folgen. Die werden das Material jetzt anlanden. Morgen, spätestens am frühen Samstagmorgen, wird alles in Erbil sein. Dann kehren die Flugzeuge zurück. Wir denken darüber nach, dass bereits Anfang nächster Woche weitere Lieferungen folgen können. Ob, in welchem Umfang und welcher Art dann Ausrüstungsmaterial dabei sein wird, kann ich Ihnen Stand heute Vormittag noch nicht sagen.

Frage : Ich habe zwei Fragen, einmal zur Frage der Prüfung: Sie hatten vorgestern gesagt, es sei eine Sache eher von Tagen als von Wochen, bis diese Prüfungen zu Ende seien. Ich habe das die ganze Zeit so verstanden, dass die Lage so extrem, so bedrohlich ist, dass man so schnell wie möglich mit Lieferungen einsetzen muss. Steht hinter der Tatsache, dass man bislang nicht entschieden hat, eine Einschätzung, dass sich die Lage inzwischen, wenn auch nur graduell, entspannt hat gegenüber dem, was man zum Beispiel am Mittwoch oder am Montag dachte? Oder ist die Gefahrenanalyse für die Menschen, die dort vor dem IS auf der Flucht sind, nach wie vor so dringlich? Ich denke natürlich auch an die Analysen aus den USA, die ja ein bisschen den Eindruck gaben: Es ist nicht ganz so bedrohlich, wie wir ursprünglich dachten. - Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage: Lassen sich irgendwelche Kriterien festhalten, an denen sich entscheiden wird, ob Deutschland letztendlich echte Waffen liefert oder nicht?

Flosdorff: Die Einschätzung der Lage wird von Tag zu Tag beurteilt. Wir alle haben ja in der vergangenen Woche erlebt, was für eine Dynamik das Ganze bekommen hat, in welcher Geschwindigkeit sich die Lage militärisch verändern kann. In der Tat hat sich die Bedrohungslage in den vergangenen zwei Tagen nicht weiter verschärft. Man hat neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie viele Menschen tatsächlich im Sindschar-Gebirge sind und wie viele sich haben retten können. Wir sind froh darüber, dass der Flughafen in Erbil im Moment mit einer relativ niedrigen Gefährdungslage zugänglich ist. Sie sehen, dass wir uns bemühen, jetzt schnell viel Material dorthin zu bringen, und dass wir diese Fenster nutzen. Das heißt nicht, dass wir damit rechnen, dass sich morgen alles verschlechtert und verschärft. Wir müssen das von Tag zu Tag beurteilen und werden dann alle Möglichkeiten nutzen, so viel Material dorthin zu bringen, wie es uns derzeit möglich ist, was zur Verfügung steht, was gebraucht wird, Abstimmungen mit den Partnern und n atürlich auch denjenigen vor Ort, die dann Empfänger sind.

Schäfer: Zusätzlich zu dem, was Herr Flosdorff gesagt hat, dem ich nur zustimmen kann, möchte ich noch Folgendes sagen: Die Lage hat sich in den letzten 48 Stunden in der Tat verändert, weil die internationalen Hilfsmaßnahmen - die Luftangriffe der Amerikaner, die Abwürfe von Lebensmitteln und auch der Einsatz der kurdischen Sicherheitskräfte - dazu beigetragen haben, dass ganz viele von den fliehenden Minderheiten, die sich im Sindschar-Gebirge wiedergefunden hatten, inzwischen jedenfalls nicht mehr in unmittelbarer lebensbedrohlicher Situation in den Bergen sind. Viele von ihnen - das zeigen etwa Berichte unseres Generalkonsulats in Erbil - befinden sich inzwischen in relativer Sicherheit, nämlich auf dem Territorium des kurdischen Teils des Irak. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die politische und militärische Bedrohung, die von ISIS ausgeht, unverändert groß ist. Um die geht es auch, wenn wir uns der Frage zuwenden, in welcher Weise wir diejenigen, die bereit und in der Lage sind, sich gegen ISIS zur Wehr zu setzen, unterstützen wollen.

Daraus ergibt sich aus unserer Sicht ein Dreiklang bei den Hilfsmaßnahmen, die wir einleiten. Herr Flosdorff hat ja sehr eindrucksvoll geschildert, dass es jetzt in einem ersten Schritt darum geht, die Notversorgung der Menschen vor Ort sicherzustellen und dabei auch die kurdischen Behörden zu unterstützen, die damit in mancherlei Hinsicht finanziell, aber auch logistisch überfordert sein könnten.

In einem zweiten Schritt geht es darum, die Menschen, die ihre Heimat durch das Vorrücken von ISIS verloren haben und die sich etwa auf kurdischem Gebiet wiederfinden, mit Unterkünften und irgendeiner Art von Infrastruktur und Logistik zu versorgen, damit sie, solange sie nicht in ihre Heimat zurückkehren können, anständig versorgt werden und leben können.

In einem dritten Schritt geht es dann darum, gemeinsam mit unseren Partnern, etwa unseren europäischen Partnern, zu überlegen, in welcher Weise man die irakischen oder die kurdischen Sicherheitskräfte befähigen kann, auf die Bedrohung durch ISIS militärisch zu reagieren.

Diese drei Stufen gehen wir jetzt an. Nicht zuletzt treffen sich die Außenminister der Europäischen Union ab heute Mittag in Brüssel, um alle diese drei Punkte miteinander zu erörtern, damit daraus ein kohärentes europäisches Ganzes wird, dass jeder Mitgliedstaat das, was er beitragen kann und was er sinnvollerweise beitragen will, weil es vor Ort gebraucht wird, beiträgt, damit der europäische Beitrag in diesen drei Punkten ein nützlicher ist für die Menschen vor Ort und für diejenigen, die sich ISIS zur Wehr setzen.

Zusatz : Ich hatte noch nach den Kriterien für Waffenlieferungen gefragt.

StS Seibert: Grundsätzlich gehen wir restriktiv vor. Wir gehen ganz besonders bei Lieferungen von Rüstungsgegenständen in Krisengebiete restriktiv vor. Wenn Sie jetzt einige Stichworte hören wollen, die eine Rolle dabei spielen, wenn eine Bundesregierung überlegt, ob sie eine Ausnahme von dieser restriktiven Haltung macht, dann sind da die sicherheitspolitischen Überlegungen zu nennen. Dann ist auch die Frage zu nennen, ob eine mögliche Lieferung von Rüstungsgegenständen einen Konflikt verschärfen oder ob sie ihn möglicherweise entschärften helfen könnte. Das ist immer eine wichtige Überlegung. Das sind jetzt grundsätzliche Stichworte, die da immer ins Spiel kommen, Überlegungen, die wir jetzt im Zusammenhang mit dem Nordirak anstellen. Ich denke, das wird sich am ehesten dann erklären lassen, wenn wir wissen, ob es zu solchen Lieferungen kommt, welcher Art die sind und an wen die gehen.

Frage : Herr Flosdorff, Ihre Ministerin hat bei der Verabschiedung der Maschinen gesagt: Natürlich ist das erst der Anfang. - Sie haben das eben ein bisschen skizziert, aber doch gebremst. Aber wenn Ihre Ministerin einen solchen Satz sagt, dann klingt das ja geradezu, als wenn dann noch eine Welle kommen würde. Insofern würde ich Sie bitten, das vielleicht noch ein bisschen auszufüllen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern: Am Mittwoch haben Sie gesagt: Wir prüfen und planen, nichts ist entschieden. - Gestern, am späten Nachmittag kam dann die Meldung über diese Flüge. Offenbar sind die Vorbereitungen im Hintergrund doch schon weiter gediehen, als man aufgrund Ihrer Angaben vermuten könnte.

Flosdorff: Zu dieser Lage lässt sich grundsätzlich Folgendes sagen: Die dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage im Irak zieht sich schon seit einigen Wochen und Monaten hin und hat eine Dynamik. Sowohl die Sicherheitskräfte der irakischen Regierung als auch die Amerikaner haben schon geäußert, dass man sich da auf einen längeren Konflikt einrichtet, dass es weiterhin eine schwierige Situation sein wird, sie sich nicht von heute auf morgen auflösen wird. Genauso richtet sich das Verteidigungsministerium darauf ein, dass weiter Hilfslieferungen nötig sein werden, und plant auch entsprechend die Logistik. Wir versuchen uns dort den Gegebenheiten anzupassen, die sich in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln.

Was die Prüfungen und Planungen angeht, kann ich nur meine Worte von Mittwoch wiederholen. Es geht um vielerlei Fragen, die alle parallel geprüft werden müssen. Was die rechtlichen und politischen Fragen angeht, ist es sicherlich deutlich einfacher. Man kann schneller Hilfslieferungen humanitärer Art dorthin verbringen. Da sind dann vor allem logistische Fragen zu klären, aber auch die Frage der Überflugrechte, der Landerechte, der Sicherheitslage vor Ort: Wie sieht die Situation dort gerade aus? Mit welchem Flugzeug kann man dort landen? Dann stellt sich die Frage, wie viel und in welcher Zeit man etwas dorthin bringen kann.

Wir haben wirklich keine Zeit verstreichen lassen und haben mit den insgesamt fünf Maschinen, die es jetzt schon sind, die heute hinausgehen, schon einmal ein sichtbares Zeichen gesetzt, dass Deutschland schnell Hilfe dorthin zu bringen bereit ist. Das ist auch das, was im Moment dort vor Ort am dringendsten benötigt wird. Wir haben es ja gehört: Die Sicherheitslage hat sich nicht verschärft. Trotzdem sind dort mehrere Hunderttausend Menschen, die normalerweise nicht dort vor Ort leben. Diese brauchen ganz dringend Decken, Sanitätsmaterial und Lebensmittel.

Schäfer: Nicht nur die militärische Lage vor Ort ist sehr volatil, sondern auch die politische Lage. Das gibt mir die Gelegenheit, im Namen des Außenministers ausdrücklich zu begrüßen, dass der bisherige Ministerpräsident des Irak, Herr Maliki, gestern Abend die Entscheidung verkündet hat, dass er die politische Hängepartie, die in Aussicht stand, indem er sich weigert, sich den Fakten zu beugen und sein Amt des Ministerpräsidenten aufzugeben, nunmehr beendet hat und sich bereit zeigt, eine Einheitsregierung unter Führung eines anderen schiitischen Politikers, Herrn Al-Abadi, nicht mehr im Weg zu stehen. Auch das ist ein Schritt in Bagdad, der in die richtige Richtung geht.

Wir haben jetzt begründeten Anlass zu der Hoffnung, dass es bereits in den nächsten Tagen zu einer von uns seit Wochen und Monaten geforderten Einheitsregierung kommt, und zwar als Folge der Wahlen, die im Frühjahr im Irak stattgefunden haben. Wenn das der Fall ist, dann ist das die politische Grundlage dafür, dass eine neue Einheitsregierung mit vereinten und verstärkten Kräften ihrerseits in der Lage ist, der militärischen Bedrohung durch ISIS Paroli zu bieten.

Gerade weil die militärische und die politische Lage so volatil ist, ist es wohl nicht recht möglich, Ihnen schon jetzt im Voraus zu sagen, was genau wie und wohin geliefert wird. Dazu ist die Lage einfach viel zu unübersichtlich. Wir wissen doch überhaupt gar nicht, in welcher Weise sich das militärische Schicksal auf den Schlachtfeldern weiterentwickelt. Wir wissen überhaupt nicht, welche taktischen oder strategischen Entscheidungen ISIS beim Vorrücken innerhalb des Irak trifft. All das hat Auswirkungen auf die politische Lage. All das hat Auswirkungen auf die Zahl der Flüchtlinge oder auf die Bewegungen, die die Flüchtlinge auf der Flucht aus Sorge und Angst vor ISIS vornehmen müssen.

Sie können aber aus dem, was wir Ihnen hier vorgetragen haben, gewiss sein, dass die Bundesregierung die Logistik bereithält, um operativ, abgestimmt und auch mit den Partnern verzahnt die Hilfe zu leisten, die die Menschen vor Ort brauchen.

Frage : Herr Seibert, am Mittwoch hat die Bundesregierung hier erklärt, dass man bei der Frage der Lieferung unterhalb der Schwelle von Waffenlieferungen alles prüfe. Ich glaube, das waren die Worte von Herrn Flosdorff. Ich erinnere mich an das Interview im "heute journal" am Mittwochabend und an das Interview mit der Bundesverteidigungsministerin heute in der "Bild"-Zeitung. Jetzt wird offensichtlich die Lieferung von Waffen erwogen, wie Sie es gerade auch bestätigt haben. Was ist eigentlich seit Mittwochvormittag passiert? Warum hat sich diese Haltung geändert? War die Position, die Herr Flosdorff hier geäußert hat, eine abgestimmte Position innerhalb der Bundesregierung? Ist das jetzt eine abgestimmte Position innerhalb der Bundesregierung? Von der Kanzlerin selbst gibt es dazu ja keine eindeutige Äußerung. Können Sie uns vielleicht einmal an dem Entscheidungsprozess der vergangenen zwei Tage teilhaben lassen?

StS Seibert: Ich kann Ihnen versichern, dass die Kanzlerin, der Bundesaußenminister, die Verteidigungsministerin und auch der Entwicklungsminister, also die Ressorts, die jetzt im Wesentlichen mit diesem Thema befasst sind, in sehr enger Abstimmung miteinander vorgehen und dass das, was im Namen der Bundesregierung, in deutschem Namen getan wird, etwas ist, hinter dem alle Mitglieder des Kabinetts stehen.

In dem heutigen Interview hat die Bundesverteidigungsministerin wörtlich gesagt:

"Wir prüfen derzeit, was wir an weiteren militärischen
Ausrüstungsgegenständen schicken können."

Ich glaube, das ist genau auf die Dinge bezogen, die wir am Mittwoch hier erwähnt haben. Sie hat dann auf die Frage: "Was passiert aber, wenn der Vormarsch der ISIS im Nordirak weitergeht?" gesagt:

Dann müssen wir mit den anderen Ländern weitere Entscheidungen fällen. Generell gilt: Wenn sich ein Völkermord nur mit deutschen Waffen verhindern lässt, dann müssen wir helfen".

Geprüft wird derzeit, ob weitere militärische Ausrüstungsgegenstände benötigt werden und ob wir die, die benötigt werden, liefern können. Zu den weiteren Planungen kann sicherlich Herr Flosdorff zum gegebenen Zeitpunkt noch mehr sagen.

Aber um noch einmal zum Anfang zurückzukommen: Die Bundesregierung handelt zum Thema Nordirak aus einem Guss, jeder in der Verantwortung, die sein Ministerium hat.

Zusatzfrage : Dann gilt also die Aussage: "Jetzt prüft man konkret unterhalb der Schwelle tödlicher Waffen"? Das, was der Bundesaußenminister am Mittwochabend im "heute journal" gesagt hat, nämlich die Möglichkeit zu erwägen - so habe jedenfalls ich das verstanden -, Waffen im Sinne von Dingen, die schießen können, zu liefern, ist eine vage Äußerung, die sich möglicherweise auf eine veränderte Lage in der Zukunft bezieht, aber nicht auf die Lage jetzt. Habe ich das jetzt richtig verstanden?

Flosdorff: Es gab jetzt viele Interviews, beispielsweise von Montag, oder Äußerungen in der Presse, angefangen bei der Pressekonferenz mit dem britischen Verteidigungsminister, bei der diese Frage schon eine Rolle gespielt hat. Es geht immer darum, zwei Dinge zu trennen: Das eine ist das, was im Moment geprüft wird, nämlich wie die Lage im Irak im Augenblick ist und was andere Nationen im Augenblick zur Verfügung stellen oder bereit sind, zur Verfügung zu stellen. Das andere ist das, was im Augenblick von Deutschland - ich habe schon am Mittwoch gesagt, wie die Uhr für die notleidenden Menschen dort tickt - kurzfristig zur Verfügung gestellt und geliefert werden kann.

Die Ministerin hat bereits vor zwei Tagen betont, dass das, was dort gebraucht wird, vor allem Fabrikate sind, die die Bundeswehr nicht kurzfristig oder mittelfristig zur Verfügung stellen kann, sondern dass das andere Waffen sind. Die Sicherheitslage muss von Tag zu Tag bewertet werden. Wir alle wissen nicht, was noch passieren kann. Wir alle haben erlebt, was für eine Dynamik das Ganze bekommt und mit welcher Brutalität der IS dort vorgeht. Man darf alles nicht immer nur punktuell betrachten, sondern muss die Aussagen auch im Zusammenhang sehen.

Zusatzfrage : Dann würde ich die Frage doch gerne noch einmal an Herrn Schäfer richten: Wenn es jetzt um die Prüfung dessen geht, was Sie sich jetzt alles überlegen und was in den nächsten Tagen und Wochen passieren muss, prüfen Sie dann unterhalb der Schwelle letaler Waffen?

Schäfer: Ich versuche, es einmal plakativ zu formulieren, und würde Ihnen sagen: Die Bundesregierung tut das, was politisch zweckmäßig ist, was sie für politisch richtig hält und was gleichzeitig rechtlich machbar ist. Wir schließen nichts aus. Wir schauen, was nötig ist, und wir tun, was wir tun können. Das tun wir in Abstimmung mit unseren Partnern. Ich glaube und hoffe, dass das eine Antwort auf Ihre Frage ist.

Frage : Herr Flosdorff, können Sie mir bitte kurz erklären, was unter einem Waffensystem zu verstehen ist? Ich als Laie verstehe darunter irgendetwas Komplexes. Ist eine Pistole oder ein Gewehr auch schon ein Waffensystem?

Die andere Frage geht an das Innenministerium oder zuständigkeitshalber vielleicht auch an das Auswärtige Amt, weil es das finanziert: Das THW ist vor Ort, auch mit einem Büro in Erbil. Ich hätte gerne gewusst, inwieweit das THW in diese ganze Aktion eingespannt ist beziehungsweise warum jetzt die Bundeswehr tätig werden musste und warum man das, was da heute Morgen abgeflogen ist, nicht über diesen, wie ich jetzt einmal sage, THW-Kanal hat laufen lassen.

Flosdorff: Pistolen und Gewehre sind definitiv Waffen. Es gibt Abgrenzungen. Die Linie, die wir gezogen hatten, war, dass das, was derzeit geprüft wird, alles unterhalb der Schwelle von letalen Waffen - das heißt, von Angriffswaffen, die tödlich sein können - liegt. Dabei geht es zum Beispiel um nicht-militärische Ausrüstung wie Schutzwesten, Helme, Nachtsichtgeräte, die ans Auge gehoben werden, oder um militärische Fahrzeuge wie zum Beispiel einen "Unimog", der auch schnell und leicht bedient werden kann. Dass das nachgefragt wird, was nachgefragt wird, hat auch folgenden Hintergrund: Es wird ja schnell gebraucht und es muss schnell genutzt werden, ohne dass weitere Nachschulungen oder ein besonderes Training an diesen Systemen notwendig ist. Das muss vielmehr alles sofort eingesetzt werden, wenn es irgendeinen Sinn haben soll. Da dort sicherlich keine Situation herrscht, in der man in eine Ausbildung hineingeht, wie man es in anderen Ländern macht, um die Lage dort mittelfristig zu stabilisieren, geht es hier um kurzfristige Entlastung und kurzfristigen Schutz der Menschen vor Ort.

Was jetzt die genauen Definitionen von Waffen angeht: Es gibt Definitionen. Jetzt würde ich leider nur einmal zum Wirtschaftsministerium herüberschauen, das das alles im Rahmen der Rüstungsexporte federführend definiert und verwaltet. Aber ich glaube, wir verstehen uns jetzt auch nicht miss, sondern das ist relativ klar.

Dimroth: Ich glaube, die zweite Frage lässt sich recht leicht beantworten: Das THW verfügt nicht über solche Transportkapazitäten, wie sie jetzt zum Einsatz gebracht wurden, um solche großen Mengen von Hilfsgütern von Deutschland aus in Drittstaaten zu transportieren. Das ist der schlichte sachliche Grund.

Schäfer: Das heißt aber natürlich nicht, dass das Technische Hilfswerk in Erbil nicht an der richtigen Stelle wäre. Im Rahmen der drei Punkte, die ich gerade darzustellen versucht habe - Notversorgung, dann Hilfe bei der Unterbringung zumindest für einen mittelfristigen Zeitraum und drittens alles Weitere -, ist das Technische Hilfswerk beim zweiten Punkt natürlich genau der richtige Adressat. Wir haben hervorragende Erfahrungen mit der Arbeit des Technischen Hilfswerks gesammelt, etwa bei der Wasserversorgung von Flüchtlingen in Jordanien. An vielen Orten der Welt ist das Technische Hilfswerk geradezu unentbehrlich für uns, um Flüchtlingen und Menschen, die in Not geraten sind, dabei zu helfen, wieder so etwas Ähnliches wie eine öffentliche Infrastruktur in Gang zu bekommen. Das, was wir zurzeit in Erbil und anderen Teilen der kurdischen Gebiete beobachten, nämlich dass dort eine unzählige Menschenmenge an Flüchtlingen aufgetaucht ist und Hilfe braucht, macht die Hilfe des Technischen Hilfswerks geradezu erforderlich. Das geschieht dann in bewährter Weise in Abstimmung mit den internationalen Partnern, mit dem UNHCR, mit ECHO und mit den Vereinten Nationen. Das Technische Hilfswerk hat da eigene Kontakte. Wir haben die natürlich auch. Wir werden uns darum bemühen - das wird ganz bestimmt auch klappen -, dass das Technische Hilfswerk seine Expertise bei der Wasserversorgung, bei der Stromversorgung und bei der Errichtung von nicht nur behelfsmäßigen Unterkünften zum Einsatz bringen kann.

Frage : Herr Flosdorff, könnten Sie noch einmal sagen, was denn die inhaltliche Begründung für diese Abgrenzung in Bezug auf nicht letale Waffen ist? Geht es dabei auch um die ethische Frage, dass man sagt "Wir wollen diese Grenze jetzt einfach ziehen"? Sie haben jetzt eben auf die Ausbildung rekurriert. Ich meine, an einer Handfeuerwaffe kann man jemanden ja relativ schnell ausbilden, und einen "Unimog" kann man vielleicht auch nicht so ohne Weiteres fahren. Würden Sie dazu noch einmal etwas sagen?

Dann hätte ich noch eine kleine Frage an Herrn Schäfer: Wer sind denn im Moment eigentlich die Ansprechpartner der Bundesregierung im Irak? Sie haben eben selbst gesagt, in Bagdad sei das alles sehr volatil, es werde gerade eine neue Regierung gebildet und man wisse nicht, bis wann, von wem usw. Sind das jetzt sozusagen in erster Linie die Kurden, deren Gebiet ja nicht als eigener Staat anerkannt ist, sondern die im Grunde eine Regionalregierung haben? Sprechen Sie in erster Linie mit denen, oder mit wem laufen da die Kontakte?

Flosdorff: Herr Riecker, zu Beginn: Warum wir was liefern, bestimmt sich auf mehreren Ebenen. Ich habe eben noch einmal darum gebeten, das nicht punktuell zu betrachten. Das eine ist die Frage, ob uns das, was dort vom Bedarfsträger in erster Linie gebraucht, hier irgendwie kurzfristig zur Verfügung steht. Dann gibt es politische und rechtliche Restriktionen, die wir einfach auch zu beachten haben. Das geschieht alles vor dem Hintergrund, dass schnell etwas gebraucht wird. Dann gibt es noch etwas Weiteres: Das ist das, was andere Partner bereits liefern oder zu liefern bereit sind. Es wird heute sicherlich auch noch einmal ein Thema in der Abstimmung mit anderen Ländern sein, die andere Ausrüstungsgegenstände zu liefern bereit sind, was die liefern und was wir liefern können. Danach bestimmt sich, was wir liefern wollen.

Zusatzfrage : Spielen ethische Überlegungen in diesem Zusammenhang keine Rolle, also dass man sagt "Nicht tödliche Waffen sind einfach besser als tödliche Waffen"?

Flosdorff: Die ethischen Überlegungen spielen schon vor dem Hintergrund eine Rolle, dass wir diese Grundlinie überhaupt aufgestellt haben, dass man sich sicherlich nicht leichttut und dass man das immer restriktiv handhabt, und zwar vor dem Hintergrund, dass mit Waffen viel Leid zugefügt werden kann und man sich überlegen muss, ob man, wie der Kollege es eben auch ausgedrückt hat, an dieser Stelle Menschen damit retten kann und eine Situation lindern kann oder ob das eine Handlung ist, mit der man vielleicht mittelfristig mehr Leid verursacht. Das ist immer schwer einzuschätzen. Das ist ein Dilemma, das man nie auflösen kann. In dem bewegt man sich in dem Bereich, in dem wir uns heute befinden. Ich glaube, es haben auch alle die ganze Woche über gespürt, dass es sich niemand einfach damit macht. Aber ich kann Ihnen das jetzt nicht auflösen und bitte einfach darum, das nicht punktuell zu betrachten oder es hier einfach in Schwarz-Weiß-Kategorien einzusortieren, sondern auch darauf zu vertrauen, dass wir das alles im Auge haben.

Schäfer: Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Riecker: In einer solchen extremen Notsituationen spricht man mit denen, mit denen man sprechen kann, weil sie handlungswillig und handlungsfähig sind. Das ist zurzeit wegen der bedauerlichen politischen Hängepartie in Bagdad nun einmal die Regierung der sozusagen föderale Region Kurdistan-Irak, angeführt durch ihren Präsidenten Masud Barzani. Die haben sich ISIS zur Wehr gesetzt. Die haben unter Zurückstellung eigener Interessen und unter Inkaufnahme von allergrößten Problemen ihre Grenzen für die Flüchtlinge, für die religiösen Minderheiten, für die Jesiden, für die Christen und für viele andere aufgemacht, die aus anderen Teilen des Irak auf der Flucht vor ISIS bei ihnen um Hilfe nachgesucht haben. Deshalb ist es in erster Linie dieser Teil des Irak - angeführt durch die kurdische Regierung in Erbil -, dem wir Hilfe zukommen lassen. Das ist auch der Grund dafür, weshalb unsere humanitären Hilfsleistungen zurzeit in erster Linie an die regionale Regierung in Erbil gehen. Dort liegt das Problem, und deshalb sprechen wir auch in allererster Linie mit der Regierung, die von Präsident Barzani angeführt wird.

Das schließt doch aber überhaupt gar nicht aus, dass wir auch mit anderen Spielern in der Region sprechen. Dass sich die irakische Regierung zurzeit sozusagen erst sortieren muss, aber doch potenziell ein ganz entscheidender Gesprächspartner für die internationale Gemeinschaft bei der Bewältigung dieser Probleme ist, liegt auf der Hand und ist völlig selbstverständlich. Wir unterhalten in Erbil ein Generalkonsulat, das sozusagen die täglichen Kontakte mit der Regierung des föderalen Teils der Kurden innerhalb des Irak pflegt. Wir unterhalten in Bagdad eine Botschaft, die, wie Sie wissen, seit vielen Jahren und auch unter extrem schwierigen Sicherheitsbedingungen operiert, die aber letztlich nie verlassen worden ist. Unser Botschafter spricht selbstverständlich auch mit den amtierenden Vertretern der irakischen Regierung, und das werden wir fortsetzen. Je mehr und je schneller die irakische Zentralregierung handlungswillig und handlungsfähig ist, und zwar politisch wie militärisch, umso mehr wird sie unser privilegierter Ansprechpartner werden.

StS Seibert: Wenn ich einen kurzen Zusatz machen darf: Wir sprechen natürlich auch mit den internationalen Hilfsorganisationen, den UN-Organisationen, die vor Ort aufgestellt sind und die wir unterstützen, weil das der effektivste Weg ist, um direkt zu den Menschen zu kommen. UNICEF und das Welternährungsprogramm sind da zu nennen.

Frage : Herr Schäfer, können Sie uns etwas über die Reise des Außenministers in den Irak an diesem Wochenende sagen?

Zweitens: Können Flüchtlinge im Irak beim deutschen Generalkonsulat um Schutz, Asyl oder Ähnliches in Deutschland bitten, oder müssen sie dafür erst mit dem Boot über das Mittelmeer kommen, bevor sie in Europa Schutz bekommen?

Schäfer: Ich fange mit Ihrer letzten Frage an: Der Kollege aus dem Innenministerium oder vielleicht der Kollege aus dem Justizministerium sind darüber sicherlich besser informiert als ich, aber ich erlaube mir trotzdem die Bemerkung, dass politisches Asyl nach den Regeln des deutschen Verfassungsrechtes nur auf deutschem Hoheitsgebiet erbeten werden kann. Das ist ausdrücklich keine deutsche Auslandsvertretung. So etwas wie diplomatisches Asyl gibt es aus deutscher völkerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Rechtsauffassung nicht. Wir kümmern uns um alle Menschen, die in Not geraten sind, und zwar im Geleitzug unserer Partner. Das schließt aber nicht ein, dass die bei uns auf dem Gelände der Botschaft oder eines Generalkonsulats Zuflucht finden würden.

Zu Ihrer ersten Frage: Reisepläne des Außenministers werden bekannt gegeben, wenn sie bekannt gegeben werden. Ich habe Ihnen dazu nichts zu sagen.

Zusatzfrage : Er hat sie gerade in Brüssel bekannt gegeben, aber ohne Details zu nennen. Deshalb frage ich, ob Sie irgendwelche Details kennen.

Schäfer: Dann sind Sie besser unterrichtet als ich. Dann müsste ich mir genau anschauen, was er dort gesagt hat, um in der Lage zu sein, das zu bestätigen, was er dort gesagt hat. Ich weiß es nicht.

Frage: Inzwischen haben sich einige Verständnisfragen aufgedrängt, Herr Flosdorff, weil Sie eben von fünf "Transall"-Maschinen sprachen. Am Anfang sagten Sie, vier seien gestartet. Können Sie das kurz aufklären?

Meine eigentliche Frage betrifft aber Meldungen, wonach die Bundeswehr auch prüfe, vielleicht Hubschrauber für eine mögliche Evakuierungsaktion aus dem Gebirge einzusetzen. Wenn sich die Lage so entspannt hat, wie Sie es eben beschrieben haben, sind diese Option und diese Prüfung dann insgesamt auch vom Tisch?

Noch etwas dazu - ich glaube, Herr Schäfer hatte das erwähnt -, dass das THW vor Ort an der richtigen Stelle sei: Heißt das, dass das THW jetzt nur die Flüchtlinge in Erbil versorgt, oder fährt das THW dann auch ins Gebirge, um die dort noch verbliebenen Flüchtlinge ebenfalls zu beliefern?

Flosdorff: Heute Morgen ist eine Serie von vier Flugzeugen gestartet. Eine fünfte Maschine mit Frachtmaterial ist später gekommen, stand auch zur Verfügung und ist hinterher gestartet. Die machen eine Zwischenlandung in der Türkei, und von dort wird das dann in Portionen nach Erbil herübergebracht. Die Fracht dieser heute insgesamt fünf Maschinen wird dann auch bis zum frühen Morgen des Samstags in Erbil eintreffen.

Zur zweiten Frage: Es ist richtig, dass in den vergangenen Tagen kurzzeitig, als die Lage sehr unübersichtlich war und als nicht richtig klar war, wie viele Menschen dort noch im Gebirge sind, einmal geprüft worden ist - das war eine dieser vielen Prüfungen, die wir Anfang der Woche angestrengt haben -, ob auch die Bundeswehr möglicherweise Hubschrauber zur Verfügung stellen kann, um die Evakuierung dieser Menschen durch andere Nationen dort zu unterstützen. Nachdem sich sozusagen durch Erkundungen anderer Nationen herausgestellt hat, dass sich die Lage dort insoweit entspannt hat, als das Gros der Menschen bereits herausgefunden hat oder es dort auch durchaus sichere Korridore gibt, hat man diese Prüfung wieder beendet.

Schäfer: Ich kann, wenn Sie mögen, vielleicht noch etwas zum Chaos beitragen und Ihnen sagen, dass der Weg über die Bundeswehr ja ganz hervorragend ist, weil er unheimlich schnell und unheimlich operativ ist, aber nicht notwendigerweise der einzige ist. Wir planen zurzeit gemeinsam mit Hilfsorganisationen und auch darüber hinaus, Material, das vor Ort gebraucht wird, etwa mit Charter-Maschinen in den Irak zu bringen. Ich habe Ihnen dazu nichts Konkretes anzukündigen, aber sage es, damit Sie sozusagen wissen: Der Transportweg über die Bundeswehr ist nicht der einzige, über den Deutschland und die Bundesregierung Hilfsmaterial vor Ort bringen können.

Zusatzfrage: Wo wird das THW eingesetzt? Bleibt es nur vor Ort in Erbil und hilft dort?

Schäfer: Ich glaube, es ist so ähnlich wie bei vielen anderen Antworten, die Sie vielleicht unbefriedigend finden: Das hängt ja davon ab, was die lokalen Behörden hinsichtlich dessen entscheiden, wo und in welcher Weise sie mehr als behelfsmäßige Unterkünfte für die Menschen in Not einrichten wollen. Das hängt davon ab, wo diese Flüchtlinge überhaupt aufschlagen. Das wiederum hängt von der sich sehr dynamisch entwickelnden politischen und militärischen Lage ab; das ist schwer vorhersehbar. Glücklicherweise sind das alles Leute, die dort beim THW und anderen Hilfsorganisationen am Werk sind, die unglaublich flexibel sind und die in bewundernswerter Weise in der Lage sind, sich an die Bedingungen anzupassen, die ihnen von außen vorgegeben werden. Wo die jetzt genau zum Einsatz kommen, wird dann entschieden, wenn sich so eine Lage präsentiert.

Dimroth: Grundsätzlich zu Ihrer konkreten Frage: Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Allerdings würde ich doch gerne noch deutlich machen, dass das THW, wie Sie wissen, ja auch zu einem großen Teil aus Freiwilligenstrukturen besteht und dass deswegen neben den eben genannten Kriterien für die Entscheidung des jeweils konkreten Einsatzortes nicht zuletzt auch die Sicherheitslage natürlich eine ganz große Rolle spielt, weil wir unter Fürsorgegesichtspunkten natürlich sehr sorgfältig schauen müssen, wo wir Kolleginnen und Kollegen des THW unter diesem Gesichtspunkt zum Einsatz bringen können.

Frage: Meine Frage betrifft den innenpolitischen Aspekt der Sache. Der Vorsitzende des Innenausschusses hatte vorgeschlagen, Sympathiewerbung für ISIS und Terrororganisationen im Ausland wie in 129b generell unter Strafe zu stellen. Wie findet der Innenminister diese Idee? Wie findet der Justizminister diese Idee? Wird er sie aufgreifen?

Dimroth: Ganz grundsätzlich möchte ich dazu sagen: Es gibt ja derzeit zu diesem Themenbereich und zu dem angesprochenen innenpolitischen Aspekt der Lage eine Reihe von Vorschlägen und eine Reihe von Themen, die hier zum Teil auch schon diskutiert wurden. Hier wurde dazu auch schon Stellung genommen, insbesondere zu Maßnahmen, die möglicherweise dazu dienen könnten, die Ausreise oder auch eine Wiedereinreise zu verhindern oder zu beschränken. Dazu gibt es eine Beschlusslage der Innenministerkonferenz - der Innenminister des Bundes und der A- und B-geführten Innenminister der Länder -, die einen weitreichenden Prüfauftrag erteilt habt, sodass Einverständnis darüber besteht, dass Prüfbedarf besteht. Es gibt Vorschläge in Bezug auf das Aufenthaltsgesetz, was die Regelungen zur Abschiebung anbetrifft. Auch da ist es so, dass eine Diskussionsgrundlage sozusagen aus dem Innenministerium heraus initiiert wurde, indem nämlich ein Gesetzentwurf in der Ressortabstimmung ist, der unter anderem genau diesen Teilaspekt in den Blick nimmt, nämlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Abschiebungen i n Deutschland stattfinden können und dürfen. Der Entwurf sieht insoweit eine systemische Neufassung des Abschiebungsrechts vor, als er die starren Regelungen der derzeitigen Rechtslage auflöst, um zu einer noch einzelfallgerechteren Lösung zu kommen, in der letztlich das öffentliche Abschiebeinteresse und das private Bleibeinteresse gegeneinander abzuwägen sind. Das sage ich nur deswegen, weil auch das alles Dinge sind, die in dem von Ihnen angesprochenen Themenkomplex derzeit zur Diskussion stehen und weil jeden Tag sozusagen neue Dinge in diesen Diskussionsraum eindringen. Dazu zählt das von Ihnen Genannte.

Ganz grundsätzlich ist es so, dass innerhalb der Bundesregierung das Justizministerium für Fragen des Strafgesetzbuches zuständig ist. Wir werden darüber intern zu reden haben und uns eine Meinung bilden. Ganz grundsätzlich ist es selbstverständlich so, dass das Bundesministerium des Inneren jedwede Forderung unterstützt, die einen Effekt bringen kann, um dieser Gefahr Herr zu werden, die verfassungs- und verfahrensrechtlich machbar ist und die mehrheitsfähig ist.

Bezüglich der konkreten Frage möchte ich, wie gesagt, zum einen auf die Zuständigkeit des BMJV verweisen, aber auch darauf, dass wir uns dazu intern in Gesprächen sicherlich noch eine Meinung bilden müssen.

Scholz: Ich kann zunächst nur das ergänzen, was wir hier auch schon letzte Woche gesagt haben: Das deutsche Strafrecht sieht ja schon eine Reihe an Straftatbeständen vor, die hierfür in Betracht kommen. Das sind 89a, die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, oder auch die Bildung einer terroristischen Vereinigung. Diese Straftaten werden verfolgt, und dafür sind in erster Linie die Staatsanwaltschaften der Länder zuständig, in besonderen Fällen auch der Generalbundesanwalt. Es laufen auch Ermittlungsverfahren. Konkrete Zahlen kann ich Ihnen derzeit nicht nennen.

Zu dem konkreten Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch ist, kann ich Ihnen leider zum jetzigen Zeitpunkt auch nichts sagen. Der Minister befindet sich noch im Urlaub. Ich konnte über diese Frage nicht mit ihm sprechen. Von daher gilt es, abzuwarten.

Zusatzfrage: Bis der Urlaub des Ministers zu Ende ist oder bis wann?

Scholz: Das wird man dann sehen.

Frage : Herr Flosdorff, ich habe jetzt langsam so ein bisschen das Problem, bei den vielen verschiedenen Formulierungen noch hinterherzukommen. Ich würde gerne von Ihnen wissen, wo diese Formulierung der "non-lethal weapon" im Kontext des BMVg herkommt. Ich kenne das sonst nur aus der Polizeidiskussion im weiteren Sinne, nämlich als Taser und ähnliche Waffen.

Dann würde ich gerne noch etwas zum Verständnis wissen wollen: Die Ministerin hat in dem "Bild"-Interview "wenn deutsche Waffen notwendig sein sollten" gesagt. Sie haben aber eben wieder betont, dass es eigentlich um Waffen östlicher oder noch weiter westlicher Bauart gehen würde. Können Sie einfach einmal erklären, ob es noch NVA-Restbestände gibt, bezüglich derer Sie jetzt prüfen, ob man die noch nutzen kann? Wie sieht das aus?

Flosdorff: Die gibt es nicht. Damit sind Waffen gemeint, über die wir verfügen.

Vorsitzende Sirleschtov: Herr Schäfer, würden Sie dazu etwas sagen wollen?

Schäfer: Nein, nicht dazu. Ich würde gerne, da ich jetzt weiß, was der Minister in Brüssel gesagt hat, etwas dazu sagen, wenn das auf Interesse stößt. In der Tat, Herr Jordans, plant der Außenminister über das Wochenende eine Reise in den Irak. Das Ziel dieser Reise liegt auf der Hand, nämlich sich vor Ort unmittelbar ein Bild von der Lage zu verschaffen und im direkten Gespräch mit den politischen Verantwortungsträgern im Land zu eruieren, was an deutscher und an europäischer Hilfsleistung gewünscht wird und zweckmäßig wäre. Es geht natürlich auch darum, sich sozusagen mit eigenen Augen ein Bild über die Notlage zu verschaffen, in der sich in und um Erbil herum sowie in den kurdischen Gebieten ganz viele Menschen befinden, und zu schauen, in welcher Weise die örtlichen Behörden bereits tätig gewesen sind, auch dies wiederum mit dem Ziel, zu schauen, ob es vielleicht - wir haben jetzt über das THW gesprochen - auch einen Bedarf nach anderen deutschen Hilfsorganisationen gibt, dem schnell und effizient von deutschen Hilfsorganisationen Rechnung getragen werden könnte.

Frage : Ich muss auch noch einmal zu dem Unterschied zwischen tödlichen und nicht tödlichen Waffen zurückkommen, weil ich das nicht ganz verstanden habe. Das eine betrifft Waffen aus früherer sowjetischer oder heutiger russischer Produktion. Das andere, das ich in Ihren früheren Ausführungen noch nicht verstanden habe, ist, inwieweit das eine ethische oder politische Kategorie ist und wie die eigentlich eingeführt wurde. Es wurde nämlich, wie wir uns erinnern können, in der Vergangenheit natürlich beispielsweise auch über die Exporte unbewaffneter Panzerfahrzeuge gestritten, weil man mit unbewaffneten Fahrzeugen natürlich bewaffnete Truppen, Waffen usw. transportieren kann, die man ohne diese Fahrzeuge nicht transportieren könnte. Also ist der Einsatz von Transportfahrzeuge im weiteren Sinne natürlich auch ein Einsatz von Waffen. Insofern frage ich mich, ob die Unterscheidung, die Sie jetzt einführen, nicht sozusagen eine politische Unterscheidung ist, die Sie jetzt wegen der deutschen innenpolitischen Debatte vornehmen. Das ist sozusagen die Frage an Sie und vielleicht auch an den Regierungssprecher.

An den Regierungssprecher will ich auch noch einmal eine Frage stellen. All diese Fragen, die wir hier stellen, drehen sich meines Erachtens um den Punkt, ob wir uns an einem Wendepunkt in der deutschen Außenpolitik befinden oder nicht, also ob sich sozusagen an der Regierungspolitik der Bundesrepublik Deutschland gerade etwas Entscheidendes verändert. Diese Frage würde ich Sie jetzt auch noch einmal zu beantworten bitten. Ist es so, dass wir irgendwie auf Sicht fahren, dass es eigentlich so wie immer ist, dass es eine Krise gibt und dass wir auf die Krise reagieren, oder haben wir es hier mit einer Krise zu tun, die einen völlig neuen Ansatz nötig macht, den es in den vergangenen Jahren und vielleicht auch in den vergangenen Jahrzehnten der deutschen Außenpolitik so nicht gegeben hat?

StS Seibert: Ich habe es auch am Mittwoch schon zu sagen versucht: Die täglichen Gedanken, die uns in dieser Krise beschäftigt und die sich die Ministerien und auch die Bundeskanzlerin machen, sind nicht auf die außenpolitischen Debatten und Leitartikel gerichtet und auch nicht auf die zeitgeschichtliche Einordnung, wenn Sie mir das nachsehen. Wir versuchen, auf eine Entwicklung, die sehr schnell gekommen ist und die eine fast nie gesehene Brutalität des Umgangs mit Menschen, mit Frauen und Kindern, an den Tag gelegt hat, zu reagieren. Wir tun das natürlich auf der Basis der Grundsätze, die wir in der Außenpolitik und auch grundsätzlich beim Export von Rüstungsgegenständen haben. Diese Grundsätze bestehen, und ihre Gültigkeit haben wir hier ja auch bekräftigt. Aber wir haben auch gesagt: Es gibt immer einen Ermessensspielraum, und es gibt immer die Möglichkeit, innerhalb der Grundsätze auch auf besondere Entwicklungen zu reagieren. Das ist das, was ich dazu sagen kann. Die Einordnung mögen wirklich andere übernehmen. Wir versuchen, im Interesse der Menschen, die dort in höchster Not sind und gerettet werden müssen, das zu tun, was Deutschland tun kann. Wir versuchen das so mit unseren Partnern in Europa und transatlantisch abzusprechen, dass daraus ein sinnvolles Zusammenwirken wird, von dem die Menschen an Ort und Stelle im Nordirak etwas haben.

Flosdorff: Ich verzweifele auch langsam. Sehen Sie es mir nach - ich versuche es noch einmal -, dass ich das nicht so richtig klarmachen kann. Natürlich werden im Irak letale und nicht letale militärische Ausrüstungsgegenstände benötigt. Dann sind es Gewehre, vor allem schwere Waffen und panzerbrechende Waffen, die dort benötigt werden. Es gibt andere Nationen, die bereits dabei sind, die bereits geliefert haben und die sich bereit erklärt haben - das weiß auch jeder, weil das öffentlich erklärt worden ist -, dorthin Waffen zu liefern. Jede Nation muss in das eigene Portfolio hineinschauen und sagen: Was ist tatsächlich verfügbar? Was kann man vielleicht beschaffen? Jede Nation hat die eigenen politischen und rechtlichen Restriktionen, mit denen sie umgehen muss. Wir stimmen uns mit den anderen Nationen ab. Wir schauen, wie wir möglichst schnell und pragmatisch was dorthin liefern können - auch angesichts der Lage und im Konzert dessen, was die anderen Nationen dort dazu beitragen - und was vor Ort gebraucht wird. Deswegen haben wir Anfang der Woche definiert, was wir schnell zur Verfügung stellen können, und zwar im Rahmen der Restriktionen, die wir beachten müssen. Schnell verfügbar und vorhanden ist - das ist das Allererste - das Militärische, das dort gebraucht wird. Da ist die Schnittmenge am größten beim militärischen Material, das vielleicht von anderen Nationen nicht geliefert wird, das dort den defensiven Schutz für diejenigen, die sich dort IS entgegenstemmen, verbessert und das die Sicherheitslage vor Ort auch irgendwie zu verbessern geeignet ist. Das ist das, was mit "nicht letalem militärischem Gerät" und dieser Definition irgendwie verbunden ist. Das ist auch der Sinnzusammenhang, in den das bitte zu stellen ist.

Zusatzfrage : Ich versuche es noch ein letztes Mal. Es geht doch darum: Sie prüfen, was die brauchen. Das Ergebnis dieser Prüfung kann sein: Das, was die brauchen, haben wir nicht. Die brauchen panzerbrechende Waffen. Die haben wir nicht. Deswegen liefern wir sie ihnen nicht, weil wir sie ihnen nicht liefern können.

Sie sagen aber immer: Wir prüfen unterhalb der Schwelle tödlicher Waffen. Da frage ich mich: Ist das eine politische Kategorie, dass Sie sagen "Wir prüfen nicht, was wir haben, und stellen fest, dass wir keine tödlichen Waffen haben, die wir denen liefern können, sondern wir prüfen gar nicht erst, ob wir ihnen tödliche Waffen liefern können, sondern die Schwelle unterhalb derer wir prüfen, ist nicht tödliche Waffen"?

Flosdorff: Wenn Sie so wollen, ist das die tatsächliche Kategorie dessen, was wir im Augenblick prüfen, Herr Siebert. Das machen wir aber nicht im luftleeren Raum, sondern weil wir wissen, dass andere Nationen bereits liefern und weil wir wissen, was dort tatsächlich gebraucht wird.

Zusatzfrage : Mein Verdacht ist: Es ist eine politische Argumentation und Sie verstecken sich hinter einer technischen. Das ist die Frage. Sie sagen "Wir prüfen unterhalb der Schwelle tödlicher Waffen".

Flosdorff: Dann versuche ich es andersherum: Es ist im Moment nicht in erster Linie der Moment dafür. Es gibt sicherlich wichtige Grundsatzdiskussionen, die gerne geführt werden müssen und geführt werden sollen, wo wir auch bereit sind, diese zu führen. Aber angesichts der Not und der dynamischen Lage, die es dort gibt, gibt es auch das Momentum, dass wir gucken, dass wir möglichst schnell (Hilfe leisten). Deswegen sind heute Nacht Flugzeuge beladen worden, und es ist sogar noch ein anderes Flugzeug, das gestern Abend noch gar nicht bekannt war, beladen worden, um das herunterzubekommen, was man schnell dorthin bekommen kann und was die Not der Menschen lindert.

Es ist jetzt vielleicht nicht die Zeit, den rechtlichen Rahmen anders zu definieren, sondern wir sollten die Spielräume nutzen, die wir haben. Der politische, rechtliche Spielraum ist einfach am größten, auch das, was dem Bedarf vor Ort am besten entspricht, sowie das, was im Konzert dessen, was die anderen Nationen vor dem Hintergrund des Bedarfs im Nordirak zu liefern bereit sind, Sinn macht. Wir prüfen jetzt ganz intensiv und hoffen, Anfang nächster Woche weitere Hilfstransporte hinunterbringen zu können.

Frage: Ein paar kleine technische Fragen. Herr Flosdorff, können Sie die Route näher erläutern, die die Flugzeuge nehmen? Wo landen sie zwischen?

Zweitens. Ist Ihnen bekannt, ob in irgendeinem Nato-Staat immer noch Kalaschnikows in Lizenz gebaut werden?

Herr Schäfer, Sie sprachen von Charterflügen. Denken Sie dabei an die Antonows, die in Leipzig stationiert sind und die als einziges Flugzeug in der Lage sind, Hubschrauber zu transportieren?

Schäfer: Ich sprach von Charterflügen, die vom Auswärtigen Amt in Partnerschaft mit Hilfsorganisationen gechartert werden, nicht um Hubschrauber, sondern um Hilfsmaterial hinunterzubringen. Deshalb sind wir auf die großen Antonows für diese Art von Hilfsleistungen nicht angewiesen, sondern es geht um auf dem freien Markt verfügbare Charterkapazitäten, um diese Dinge hinunterzubringen.

Was die Antonows in Leipzig angeht, würde ich Sie bitten, sich an Herrn Flosdorff zu wenden. Das betrifft Verträge, die das Verteidigungsministerium oder die Bundeswehr geschlossen hat, und dazu kann ich nichts sagen.

Flosdorff: Mir ist nicht bekannt, in welchen Nato-Staaten eventuell Kalaschnikows noch in Lizenz gebaut werden. Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Das ist auch nicht das Kerngebiet des Verteidigungsministeriums.

Zur Frage der Flugrouten: Zwischenlandung und Tankstopps sind in Burgas in Bulgarien und Incirlik in der Türkei.

Zusatzfrage : Also nur zwei Landungen?

Flosdorff: Ich kann Ihnen nicht sagen, ob alle Flugzeuge wirklich dort landen. Wir planen eine durchhaltefähige Route, die auf längere Zeit angelegt ist. Mit diesen Stützpunkten sind Überflugrechte und Landegenehmigungen vereinbart worden, sodass wir dort aufstützen können. Je mehr Fracht man in die Maschinen packt, desto weniger Treibstoff kann man an Bord nehmen und desto mehr Zwischenstopps braucht man zum Auftanken.

Frage : Herr Schäfer, eine Frage zur Reise des Bundesaußenministers in den Irak. Wird er nur nach Erbil oder auch nach Bagdad reisen und sich dort mit Herrn al-Abadi treffen?

Schäfer: Das werden wir sehen.

Zusatzfrage : Also nur Erbil?

Schäfer: Ich habe gesagt, was ich gesagt habe. Ich möchte Ihnen noch nicht die genaue Reiseroute bekanntgeben.

Frage: Es gibt Berichte über russische Truppentransporte, die illegal über die Grenze in die Ukraine gefahren sein sollen. Das wurde dementiert. Wie ist der Wissensstand der Bundesregierung? Gibt es vielleicht oder gab es vor Kurzem direkte Kontakte auf Außenministerebene beziehungsweise Gespräche mit der russischen Regierung oder sind solche geplant?

StS Seibert: Die Bundesregierung kennt die Presseberichte über einen russischen Militärkonvoi, der die russisch-ukrainische Grenze überquert haben soll. Wir haben dazu keine eigenen Erkenntnisse. Wir haben aber sofort aufgrund dieser Meldungen die russische Seite um Aufklärung gebeten.

Ganz klar ist: Sollte sich diese Meldung als zutreffend herausstellen, wäre Russland dringend aufgefordert, diese Fahrzeuge alsbald über seine Grenze zurückzuholen und aus der Ukraine zu entfernen. Ohnehin besteht die Forderung weiterhin fort, dass Russland alles dafür tun muss, um über die russisch-ukrainische Grenze einen Nachschub der Separatisten in der Ostukraine zu unterbinden. Diese Forderung erheben wir seit langer Zeit und sie ist noch nicht befriedigend gelöst.

Schäfer: Ich kann für das Auswärtige Amt ergänzen, dass Herr Steinmeier heute Morgen vor seiner Reise nach Brüssel mit dem russischen Außenminister telefoniert hat. Dabei sind zahlreiche Punkte zur Sprache gekommen. Dazu gehört - das ist jetzt ein anderer - der humanitäre Hilfskonvoi, der von russischer Seite auf den Weg gebracht ist, von dem wir jetzt wissen, dass die Vereinbarungen zwischen der ukrainischen und der russischen Seite unter Beteiligung des Internationalen Roten Kreuzes in Umsetzung befindlich sind, weil die ukrainischen Grenzschutz- und Zollbehörden die Gelegenheit bekommen, zu inspizieren, was tatsächlich auf diesen Lkw ist. Dazu gehören ferner ganz praktische Fragen im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in der Ostukraine: über die Kontaktgruppe Kontakte zu Separatisten, aber auch der Punkt, den Sie in Ihrer Frage angesprochen haben.

Sie haben vielleicht schon über die Agenturen gesehen, dass die russische Seite bestreitet, dass das jedenfalls in der Weise geschehen sei, wie das von britischen Journalisten beobachtet und berichtet worden ist.

Frage : Ich möchte gerne vom Verkehrs- und vom Wirtschaftsministerium wissen, ob die deutsche Luftverkehrsbranche im Moment in einer so schwierigen Lage ist, dass sie Hilfen, Unterstützungen oder Entlastungen braucht.

Ich würde von diesen beiden Ministerien und vom Finanzministerium gerne wissen, ob eine Abschaffung oder Verminderung der Luftverkehrssteuer ein probates, angemessenes Mittel ist, um der Branche etwas mehr Luft zu geben.

Strater: Zum Thema Luftverkehrssteuer ist Ihnen die Auffassung der Verkehrspolitiker zu dem Thema ja bekannt. Wenn Sie sich erinnern, ist in den Koalitionsverhandlungen die Abschaffung der Luftverkehrssteuer auch diskutiert worden. Die Große Koalition hat sich aber damals entschieden, dass ein vorrangiges Ziel besteht, einen ausgeglichenen Haushalt herbeizuführen. Deshalb wurden diese Forderungen nicht in den Koalitionsvertrag übernommen.

Wenn Sie mich fragen, was die Position des Ministers dazu ist: Wichtig ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft unter dem Einfluss der Luftverkehrssteuer weiter wie bisher sehr genau beobachtet wird. Ich kann Ihnen jetzt kein Lagebild der Luftverkehrswirtschaft insgesamt in Zahlen nennen; das müssen Sie bei den Unternehmen selbst erfragen.

Wichtig ist auch noch, was heute in einem Pressebericht zu lesen war, dass ein Luftverkehrskonzept von der Bundesregierung gefordert wird. Das verfolgen wir natürlich auch, weil in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden ist, im Laufe der Legislaturperiode ein Luftverkehrskonzept zu erstellen. Wir sind dabei, und das hat natürlich die Luftverkehrswirtschaft insgesamt im Blick, nicht nur die Airlines, sondern natürlich auch die Flughäfen. Wir sind hier auch schon mit den Verbänden und den Ländern im Gespräch, und Ressortgespräche werden Anfang September geführt. Es wird bei uns im Haus eine Lenkungsgruppe geben, also ein festes Gremium, das sich mit diesen Fragen befasst. Das BMVI hat auch ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Wettbewerbssituation der Luftverkehrswirtschaft im nationalen und internationalen Kontext analysieren wird.

All das - die Belastungen, auch die Entwicklungen der Wirtschaft - wird Berücksichtigung finden und das wird in dieses Luftverkehrskonzept einfließen. Es fokussiert sich jetzt nicht in erster Linie auf die Luftverkehrssteuer, sondern insgesamt auf die Rahmenbedingungen - ich habe einige genannt -, auch für die Flughäfen, wo die Frage der Betriebszeiten und einiges mehr zu berücksichtigen ist.

Dünow: Ich kann dem, was der Kollege aus dem BMVI gesagt hat, in der Substanz nicht viel Neues hinzufügen. Wenn ein Luftverkehrskonzept federführend im BMVI erarbeitet wird, werden wir uns natürlich intensiv daran beteiligen. Ansonsten ist bekannt, was im Koalitionsvertrag steht und was nicht.

Vorsitzende Sirleschtov: Wenn Sie uns vielleicht etwas zum Geld sagen möchten.

Kalwey: Sehr gerne. - Herr Dünow hat gerade auch noch einmal etwas zum Koalitionsvertrag gesagt. Es gibt aus unserer Sicht keinen neuen Stand. Wir haben 2013 in Deutschland mit über 200 Millionen Fluggästen trotz der Luftverkehrssteuer einen neuen Rekord erreicht. Die Luftverkehrssteuer ist seit mehr als zwei Jahren in Kraft. Die Umsetzung und auch die Verwaltung der Luftverkehrssteuer wurden ohne größere Schwierigkeiten bewerkstelligt. Aus unserer Sicht wird durch die Luftverkehrssteuer der Luftverkehr angemessen in die Mobilitätsbesteuerung einbezogen. Deswegen gibt es derzeit keine Überlegungen, an der Luftverkehrssteuer etwas zu ändern.

Zusatzfrage : Nachfrage an die beiden Ministerien Verkehr und Wirtschaft. Sind Verkehrs- und Bundeswirtschaftsministerium abgehoben vom Koalitionsvertrag der Meinung, dass die Luftverkehrssteuer abgeschafft werden sollte?

Strater: Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, die wirtschaftliche Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft unter dem Einfluss der Luftverkehrssteuer weiter sehr genau zu beobachten. Das ist unsere Auffassung.

Dünow: Das wünschen wir uns als BMWi natürlich auch, und wir wünschen uns immer die Einhaltung des Koalitionsvertrags.

Frage: Eine Frage an die Sprecherin des Familienministeriums. Welche Punkte sind nach dem gestrigen Treffen, wo es um die Neufassung des Prostitutionsgesetzes ging, neben dem Mindestalter noch strittig? Wie wird es bei den Gesprächen weitergehen?

Herb: Es gibt drei Punkte, wo man noch nicht zu einer endgültigen Einigung gekommen ist: das Mindestalter, Fragen wie die Kondompflicht sowie verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen. Es wird bald ein erneutes Treffen stattfinden, wo man dann noch einmal darüber sprechen wird.

Zusatzfrage: Die Strafandrohung für Freier von Zwangsprostituierten?

Herb: Wir regeln im Bundesfamilienministerium die legale Prostitution. Der Punkt, den Sie gerade angesprochen haben, also die Freierbestrafung, liegt beim Kollegen des Justizministeriums.

Scholz: Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass der Schutz von Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution zentrales rechtspolitisches Anliegen der Bundesregierung ist und im Koalitionsvertrag verschiedene Vorhaben zur Verbesserung des Schutzes von Frauen vereinbart sind. Neben den angesprochenen Punkten von eben ist dort auch vorgesehen, dass gegen diejenigen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen, vorgegangen werden soll. Wir sind derzeit gemeinsam mit den Kollegen vom BMFSFJ in sehr konstruktiven Gesprächen gemäß dem Koalitionsvertrag, wie diese Vorgaben umzusetzen sind. Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen zu Details und Zeitplänen keine Angaben machen kann.

Frage : Ich würde gerne das Wirtschafts- und Arbeitsministerium fragen, ob man sich bei Ihnen im Hause Sorgen über die jüngste Entwicklung beim Karstadt-Konzern macht und ob man gegebenenfalls von Ihrer Seite aus das Gespräch sucht, nachdem nun ein neuerlicher Eigentümerwechsel ansteht und damit relativ viele Arbeitsplätze verbunden sind.

Westhoff: Es ist nicht so, dass wir über das hinaus, was allgemein in den letzten 48 Stunden bekannt worden ist, schon eigene Erkenntnisse hätten. Es sind zum Teil ja sehr neue Meldungen aus New York und Wien, die heute über den Übergang des Unternehmens an den Investor Benko berichtet haben. Im Moment sehen wir keinen konkreten Anlass, aber auch keinen Ansatzpunkt für ein operatives Handeln des BMAS oder auch der Bundesagentur für Arbeit. Das heißt aber nicht, dass wir die Lage nicht ganz sensibel, aufmerksam und auch durchaus mit Besorgnis verfolgen. Das tun wir, das tut die Bundesagentur für Arbeit.

Das Unternehmen muss jetzt sicherlich in sichereres und ruhigeres Fahrwasser. Einer Äußerung von Herrn Benko ist zu entnehmen, dass das auch sein Ziel ist. Das Unternehmen braucht Perspektiven. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr lange ihren Beitrag dazu durchaus geleistet haben, Karstadt voranzubringen und genau in ruhigeres Fahrwasser zu bringen, brauchen Sicherheit, Perspektiven. Insofern kann unser Appell an den neuen Investor im Moment nur sein, die Arbeitnehmer an den weiteren Sondierungen und Planungen intensiv zu beteiligen. Wir wissen, dass es am Donnerstag kommender Woche, also am 21. August, eine Aufsichtsratssitzung geben soll, wo man gegebenenfalls schon weitersehen wird. Wichtig ist, dass die Interessen der Arbeitnehmer bei allen Entscheidungen, die jetzt anstehen, einbezogen werden.

Vorsitzende Sirleschtov: Herr Dünow, möchten Sie dem noch etwas hinzufügen?

Dünow: Nein. Ich fürchte, das kann ich nicht.

Frage: Herr Westhoff, betrachtet es das Ministerium eigentlich als Fehler, dem jetzt gescheiterten Investor Berggruen damals mit dem Weg geebnet zu haben, durchaus auch die damalige Ministerin ganz persönlich?

Westhoff: Die Entscheidung, dass damals Herr Berggruen das Unternehmen übernommen hat, war keine politische Entscheidung. Das haben andere Gremien - und zwar im Unternehmen und die damit befassten - selbstständig entschieden. Wir bewerten das nicht im Nachhinein. Das ist nicht unser Punkt, das ist nicht unsere Aufgabe.

Frage : Eine Frage an das Bundesfinanzministerium, und zwar ob die Bundesregierung gemeinsam mit Frankreich dafür arbeiten wird, dass die EZB einen Kurs verfolgt, der den Ländern die hohe Defizite haben, ein besseres Sanieren erlaubt. Ist die Bundesregierung möglicherweise auch darüber besorgt, dass Frankreich trotz mehrfacher Verschiebungen ein Abbau seines Defizits einfach nicht gelingen will?

Kalwey: Herr Heller, zu Ihrer Frage nach der EZB: Sie wissen, dass die EZB ein eindeutiges Mandat hat. Die EZB ist unabhängig in der Geldpolitik. Mehr will ich dazu auch gar nicht sagen.

Auch bezüglich Frankreich kann nur auf das hinweisen, was der Minister wiederholt geäußert hat, nämlich dass Frankreich seine Verpflichtungen kennt. Dem habe ich an dieser Stelle nicht mehr hinzuzufügen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 15. August 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/08/2014-08-15-regpk.html;jsessionid=F82924F870E699253B762A5EA16A93BE.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2014