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PRESSEKONFERENZ/855: Regierungspressekonferenz vom 8. September 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 8. September 2014
Regierungspressekonferenz vom 8. September 2014

Themen: Beschlüsse des Nato-Gipfels, Vorgehen gegen Terrormilizen des "Islamischen Staats", Eckpunkte zum Thema Tarifeinheit, Finanztransaktionssteuer, Haushaltsentwurf 2015, Stärkung öffentlicher und privater Investitionen, Pkw-Maut, Sanktionen gegen Russland

Sprecher: StS Seibert, Flosdorff (BMVg), Chebli (AA), Küchen (BMAS), Malachowski (BMJV), Müller-Niese (BMI), Kothé (BMF), Moosmayer (BMVI)



Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich weiß jetzt nicht, ob die Frage an Herrn Seibert, an das AA oder das BMVg zu richten ist. Mir geht es um Schlussfolgerungen aus den Beschlüssen des Nato-Gipfels in Wales. Da ist zum einen sicherlich die finanzielle Frage, die auch die Verteidigungsministerin gestern Abend im ARD-Interview angesprochen hat.

Zum anderen: Ist schon überschlagsweise absehbar, welche praktischen Folgerungen zum Beispiel für die Very High Readiness Joint Task Force daraus für Deutschland entstehen?

StS Seibert: Ich kann Ihnen zu der zweiten Sache hier sicherlich keine Antwort geben. Es ist beschlossen worden, dass die Reaktionsfähigkeit der Nato durch dieses Mittel auf eine neue Stufe gebracht werden soll. Diese Beschlüsse müssen unter den Experten aller Mitgliedsländer ausgearbeitet werden. Da kann ich Ihnen heute noch nichts Weiterführendes sagen.

Ich denke, zum Verteidigungshaushalt und den einzelnen Beiträgen der Mitgliedsstaaten ist von der Ministerin am Wochenende das Nötige gesagt worden

Flosdorff: Ich kann nur zum Prozedere etwas sagen. Etwas Konkreteres, kann ich Ihnen dazu nicht bieten. Der Zeitplan ist so, dass in den nächsten zwei Monaten innerhalb der Nato die Beschlüsse weiter ausgeplant werden sollen und dass man dann mit Perspektive auf das Verteidigungsministertreffen im Februar mit der Konkretisierung möglichst weit kommt.

Zusatzfrage: Da sich Deutschland an der Nato Response Force ohnehin zurzeit schon beteiligt und die sogenannte Speerspitze aus dieser Nato Response Force generiert werden soll, ist denn dann die Vermutung naheliegend, dass daraus auch eine deutsche Beteiligung an der Very High Readiness Joint Task Force folgt?

Flosdorff: Dazu kann ich Ihnen jetzt noch keine Bestätigung geben, aber die Vermutung ist sicherlich nicht fernliegend. Da sich Deutschland nach Möglichkeit immer in alle Aktivitäten der Nato substanziell einbringt, gehe ich heute davon aus, dass sich Deutschland, wenn man im Rahmen der Koordination zu solchen Verpflichtungen kommt, da nicht entziehen wird, sondern einbringen wird.

Aber da sind wir heute noch nicht. Es gibt die Beschlüsse von letzter Woche, vom letzten Freitag. Die Ausplanungen beginnen jetzt. Das Ziel ist der Februar 2015.

Frage: Noch einmal zum Nato-Gipfel in Wales, aber ein anderes Thema: Herr Seibert, sieht sich Deutschland als Mitglied der, wie es die Amerikaner formulieren, Kernkoalition gegen ISIS? Es gab auf Initiative von Kerry und Hagel ein Treffen mit zehn Mitgliedern insgesamt, bei dem auch Deutschland dabei war. Nach US-Darstellung ist das die "core coalition". Früher nannte man das "Koalition der Willigen". Wie ist da die deutsche Selbstwahrnehmung?

StS Seibert: Der "Islamische Staat", die Vorgänge im Norden des Iraks, die uns alle herausfordern, waren ein natürliches Gipfelthema. Insofern war es auch unser Wunsch, dass das auf dem Nato-Gipfel natürlich besprochen wird. Es ist zu diesem Treffen gekommen. Es sind zehn Nationen zusammengekommen, die miteinander Schritte besprochen haben, die auf Unterstützung derjenigen zielen, die gegen die Terrormilizen des "Islamischen Staates" kämpfen.

Es ist beschlossen worden - das halten wir für sehr sinnvoll -, einen sogenannten Clearing-House-Mechanismus einzurichten. Was bedeutet dieser englische Fachbegriff? Das heißt einfach, dass man miteinander koordiniert, welcher Staat welche Unterstützungsmaßnahmen ergreift. Das kann von humanitären Maßnahmen bis zur Lieferung von militärischen Ausrüstungsgegenständen oder gar Waffen und Munition gehen.

Das alles ist in einem politischen Zusammenhang zu sehen. Denn wir wissen, obwohl ein militärisches Vorgehen gegen den "Islamischen Staat" zurzeit sicherlich notwendig ist, dass es dennoch am Ende eine politische Lösung sein wird, die in dieser Region den Frieden und eine dauerhafte Stabilität bringen kann.

Das alles ist von den Staaten, die sich dieser Frage besonders verbunden und verpflichtet fühlen, miteinander besprochen worden. Ganz klar stand für alle Teilnehmer dieser Runde der politische Prozess in Bagdad und in der Region im Vordergrund. Dieser Prozess muss gestartet werden, damit diesen Terroristen der Nährboden entzogen werden soll.

Das Erste, was man sich da natürlich wünscht und was man auch als Forderung an die irakischen Partner herantragen muss, ist, dass sie eine inklusive und eine handlungsfähige Regierung bilden. Wir hören aus Bagdad, dass damit in Kürze zu rechnen sein könnte. Das wäre ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung.

Zusatzfrage: Meine Frage ist eigentlich: Betrachtet sich Deutschland als Kern dieser Kernkoalition, die die USA ausgerufen haben?

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob Bezeichnungsfragen jetzt so wichtig sind. Besonders würde ich nicht automatisch Bezeichnungen aus anderen zeithistorischen Zusammenhängen für diese Situation jetzt heranziehen. Sie sprachen vorhin von einer Koalition der Willigen und sagten, dass man so etwas so nenne. Ich glaube, man nennt es keineswegs immer eine Koalition der Willigen. Dies ist ein ganz anderer zeithistorischer Zusammenhang.

Ich habe Ihnen beschrieben, warum es sicherlich sehr sinnvoll war, dass sich die teilnehmenden Staaten an diesem Treffen dazu ausgetauscht haben, und in welche Richtung das gehen soll.

Vielleicht wollen die beiden Kollegen der anderen Häuser noch etwas sagen, denn auch ihre Minister haben sich dazu auf der Pressekonferenz zum Abschluss der Nato-Tagung geäußert.

Chebli: Der Minister hat in den letzten Tagen und Wochen mehrfach gesagt, dass es ein wichtiger Schritt ist, dass wir die Peschmerga mit Waffen beliefern, aber dass es nur ein Teil sein kann.

Er hat gleichzeitig von vier Punkten gesprochen, die beachtet werden müssen, wenn wir im Kampf gegen ISIS überhaupt eine Chance haben wollen. Ob Sie das nun Allianz oder wie auch immer nennen wollen: Jeder Staat, der bereit ist, andere dabei zu unterstützen, dieses Terrorregime zu bekämpfen, sollte willkommen sein und mit dazu beitragen, ISIS zu bekämpfen.

Der Minister hat vier Punkte genannt, die für ihn wichtig sind, um Chancen im Kampf gegen ISIS zu haben. Das wäre erstens eine handlungsfähige Regierung, wie Herr Seibert schon gesagt hat, die inklusiv ist. Heute soll das Parlament im Irak zusammenkommen, um eine Regierung zu bilden.

Der zweite Punkt ist eine Verständigung unter den Staaten, gemeinsam gegen ISIS vorzugehen. Da geht es vor allem um regionale Akteure, die an einem Tisch sitzen sollten und sich dem Kampf gegen ISIS widmen. In den letzten Tagen haben wir da durchaus positive Signale gehört. Die Arabische Liga hat gestern getagt und auch umfassende Maßnahmen beschlossen, wie man ISIS begegnet.

Der dritte Punkt ist eine offensive ideologische Auseinandersetzung, um ISIS den Anstrich ideologischer Legitimität zu entziehen. Hier geht es darum, dass vor allem Muslime sich mit der Frage auseinandersetzen, wie man mit ISIS umgeht, und ihr den ideologischen Nährboden und die Legitimierung, die sie nutzt, im Namen des Islam zu sprechen, zu entziehen. Die Muslime sind also aufgerufen, sich damit auseinanderzusetzen.

Viertens geht es um Maßnahmen, um den Zustrom an Kämpfern und Geld zu stoppen. Da gibt es Initiativen im Rahmen der VN und der G7.

Das ist das, was der Minister dazu in den letzten Wochen gesagt hat und was auf Ihre Frage vielleicht eine Antwort sein könnte.

Zusatzfrage: Um das richtigzustellen: Kerry hat ausdrücklich den Begriff "core coalition" gebraucht. Ich wollte nur wissen, ob dieser Begriff "core coalition" von Deutschland geteilt wird.

StS Seibert: Wenn er bedeutet, dass sich dort diejenigen Staaten, die sich einer Unterstützung derjenigen, die gegen ISIS kämpfen, besonders verpflichtet fühlen, die aber auch humanitär in der Region helfen wollen und es bereits tun und die an einem starken politischen Prozess in Bagdad in Richtung Inklusion und Handlungsfähigkeit der Regierung interessiert sind, dann kann man das vielleicht so nennen.

Wir haben der Sache bisher keinen Namen gegeben. Uns erscheint es wichtiger, dass es da eine sinnvolle Abstimmung der einzelnen Staaten und ihrer Maßnahmen gibt. Denn ich denke, die Fragen, die sich bei diesen Unterstützungsmaßnahmen stellen, sind wahrscheinlich in allen Staaten ziemlich ähnlich. Wir wollen gemeinsame Antworten dafür finden.

Frage: Eine Frage an das BMAS: Stimmt es, dass die Ministerin die Eckpunkte zum Thema Tarifeinheit, die sie schon vor der Sommerpause vorgelegt hat, entschärft hat, und dies insofern, als zwar immer noch drinsteht, dass der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft maßgeblich ist, aber dass nicht mehr drinsteht, was das für das Streikrecht von Mini-Gewerkschaften bedeutet?

Küchen: Ich kann im Vorgriff auf den Entwurf, der im Herbst von unserem Haus vorgelegt wird, hier keine Stellung zu Details nehmen. Da bitte ich um Verständnis.

Zusatzfrage: Eine Frage an das BMI und das BMJV: Stimmt es denn, dass es in Ihren beiden Ministerien verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Eckpunkte in der Form, wie sie vor der Sommerpause vorlagen, gab?

Malachowski: Dazu kann ich zu diesem Zeitpunkt nichts sagen. Wir sind in internen Gesprächen. Da bitte ich um Verständnis.

Müller-Niese: Diesen Äußerungen schließe ich mich an.

Zusatzfrage: In Meseberg hieß es, letzte Woche und diese Woche seien die entscheidenden Wochen für die Gespräche, in denen man auch noch einmal mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern reden wollte. Würden Sie die Einschätzung teilen, dass in diesen Tagen die Entscheidungen gefällt werden?

Küchen: Das möchte ich so konkret auch nicht bestätigen. Ich möchte einfach nur sagen, dass natürlich in unserem Haus mit Hochdruck daran gearbeitet wird, noch im Herbst einen Entwurf vorzulegen. Wie weit die Gespräche jetzt gediehen sind, kann ich von dieser Stelle aus nicht beurteilen und würde ich im Vorgriff auf den noch vorzulegenden Entwurf auch nicht tun.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Frau Kothé, die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute, es gäbe eine neue Finanzquelle, die uns sämtlicher Finanzsorgen entledigen würde, nämlich die Finanztransaktionssteuer mit einem Einnahmevolumen von über 17 Milliarden Euro. Können Sie etwas dazu sagen? Was ist das für ein Gutachten? Wie kommt diese Summe zustande?

Nach meinen Informationen waren bisher immer nur 2 Milliarden im Bundeshaushalt als mögliche Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer eingeplant, und die wurden dann bekanntlich von Jahr zu Jahr verschoben.

Kothé: Der Hintergrund ist folgender: Als sich abgezeichnet hat, dass die Finanztransaktionssteuer nicht in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten realisiert werden kann oder wird, haben wir im Finanzministerium eine Folgenabschätzungsstudie in Auftrag gegeben. Über diese berichtet die "Süddeutsche Zeitung" heute. Untersucht werden soll die Auswirkung der Besteuerung der Finanzinstrumente in den elf Mitgliedsstaaten, die im Wege der verstärkten Zusammenarbeit die Finanztransaktionssteuer einführen wollen.

Die Ergebnisse dieser Studie sind aber - inzwischen haben sich die Dinge weiterentwickelt, und es wird auf europäischer Ebene weiter verhandelt - nur sehr, sehr beschränkt aussagekräftig. Unterstellt wurde in der Studie, dass alle Finanztransaktionen in den teilnehmenden Ländern besteuert werden. Schon im Mai dieses Jahres hat man sich darauf verständigt, dass man nur schrittweise vorgehen wird und in einer ersten Stufe - das ist der aktuelle Verhandlungsstand - nur Aktien und einige Derivate besteuert werden können.

Daraus ergibt sich, dass das, was an Steuereinnahmen zu erzielen ist, sehr, sehr viel geringer sein wird als in der Studie prognostiziert.

Zusatzfrage: Bleibt es denn bei dem Ziel der Einführung im Jahr 2016?

Sie haben gerade erwähnt, dass im Mai zuletzt darüber gesprochen wurde. Wie ist denn im Moment der Stand der Dinge? Sind es noch elf Länder? Meines Wissens sind es nur noch zehn, die mitmachen wollen.

Kothé: Die Verhandlungen auf Arbeitsebene in Brüssel laufen. Auch bei dem Finanzministertreffen in Mailand wird das Thema wieder auf der Tagesordnung stehen.

Ziel der Bundesregierung ist, das so schnell wie möglich umzusetzen. Sie wissen, das ist ein schwieriges Projekt. Einen konkreten Zeitpunkt kann ich Ihnen im Augenblick nicht nennen.

Frage: Ich möchte zu der Studie nachfragen: Ist das denn ein aktuelles Ergebnis? Ist diese Studie neu? Ist sie Ihnen neu vorgelegt worden? Warum haben die Wissenschaftler bei ihren Berechnungen nicht den aktuellen Stand zugrunde gelegt?

Kothé: Die Studie ist für uns nicht ganz neu, und das untersuchte Szenario ist, wie ich gerade schon gesagt habe, ein früheres Szenario. Solche Studien haben üblicherweise einen gewissen Vorlauf. Daher entsprechen die Aussagen, die unter diesen Annahmen getroffen werden, nicht mehr dem aktuellen Stand der Verhandlungen in Brüssel.

Zusatzfrage: Das heißt, die Studie müsste mindestens ein halbes Jahr alt sein?

Kothé: Ja, genau.

Frage: Plant das Bundesfinanzministerium, jetzt eine neue Studie zu machen - mit Ergebnissen, die dann aussagekräftig sind?

Kothé: Die Studie beschäftigt sich ganz allgemein mit der Folgenabschätzung. Mir ist nicht bekannt, dass wir eine weitere Studie in Auftrag geben.

Zusatzfrage: Sie sagen, die Einnahmen werden deutlich geringer sein, als sie in dieser Studie stehen. Können Sie das beziffern? Bleiben die Einnahmen bei den 2 Milliarden, die bisher im Gespräch waren?

Meine zweite Frage: Wann erwarten Sie denn nun konkret, dass Einnahmen fließen werden?

Kothé: In dem Gutachten kommt man zu zweistelligen Milliardenbeträgen. Die werden wir, wenn man den Stand der Verhandlungen kennt, sicherlich nicht realisieren können. Wir hatten in den Haushaltsberatungen immer eine andere Schätzzahl, die genannten 2 Milliarden.

Welche Steuermehreinnahmen da genau erzielt werden, hängt natürlich von der konkreten Ausgestaltung der Steuer ab. Da wir dazu noch nicht am Ende der Verhandlungen sind, können wir uns dazu im Augenblick auch nicht äußern.

Zusatzfrage: Und der Zeitrahmen?

Kothé: Wie ich eben gesagt habe: So schnell wie möglich. Wenn Sie das auf europäischer Ebene verfolgt haben, wissen Sie: Dieses Projekt ist kein ganz einfaches. Wir arbeiten mit Nachdruck daran. Wir sind sehr interessiert daran, da schnell zu Ergebnissen zu kommen, und hoffen, dass das auch der Fall sein wird.

Zusatzfrage: Woran hängt es denn eigentlich bei den anderen Ländern?

Kothé: Ein großer Punkt ist der Umfang, was im Kern besteuert werden soll, und es gibt viele, viele Detailfragen. Es würde zu weit führen, sie hier alle aufzuzählen.

Frage: Frau Kothé, Sie sagten, es sei eine Folgenabschätzungsstudie gewesen. Ich kenne die Studie leider nicht. Gibt es denn noch weitere Folgen, die sich aus dieser Studie ergeben haben? Gibt es möglicherweise Aussagen dazu, mit welchen Verlagerungen von Finanzgeschäften in andere Länder zu rechnen ist?

Kothé: Verlagerungseffekte sind nach meinen Kenntnisstand auch ein Aspekt dieser Studie. Das ist schon breiter eingelegt. Die ganzen Folgen, die sich durch eine Finanztransaktionssteuer in Deutschland ergeben können, sollten insgesamt abgeschätzt werden.

Zusatzfrage: Was mich interessieren würde, wäre, zu welchen Verlagerungseffekten es denn kommen könnte. Waren sie in diesen 17 Milliarden schon eingerechnet?

Kothé: Das kann ich so genau im Augenblick nicht sagen. Die Einzelheiten dazu müsste ich nachfragen. Das müssten wir bilateral klären. Das ist ja eine etwas umfangreichere Studie. Das können wir vielleicht später klären.

Frage: Zum Bundeshaushalt habe ich eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Es gibt in der öffentlichen Debatte in Richtung der Bundesregierung den dringlichen Rat, die Summe zu erhöhen, die für Investitionen zur Verfügung steht. Kommt dieser Rat bei der Bundesregierung, beim Finanzministerium an?

Gibt es vor dem Hintergrund der sich teilweise verschlechternden Wirtschaftslage die Überlegung, das Nullschuldenziel für den Haushalt 2015 infrage zu stellen?

Kothé: Wir sind am Beginn der Haushaltswoche. Vorab die Bemerkung: Die Bundesregierung hält selbstverständlich an ihren finanzpolitischen Zielen fest. Es gibt keinerlei Absicht, daran Änderungen vorzunehmen. Wir wollen, dass im nächsten Jahr der Haushalt ohne neue Schulden auskommt.

Aber das eine schließt das andere nicht aus. Dass Investitionen gestärkt werden sollen, ist ein großes Thema, das wir sowohl im nationalen Kontext als auch auf europäischer Ebene intensiv vorantreiben.

Zusatzfrage: In den Haushaltsplänen für die kommenden Jahre stehen Summen von 26, 27 Milliarden für Investitionen. Werden Sie darüber wesentlich hinausgehen wollen, also nicht nur um 0,2 Prozent oder so etwas?

Kothé: Wir wollen insgesamt natürlich die Investitionen stärken. Das geschieht ja auch. Damit meine ich nicht nur die öffentlichen Investitionen. Ein ganz wichtiger Faktor - darauf hat Minister Schäuble schon öfter hingewiesen - ist, auch private Investitionen zu stärken. Die Spielräume im Haushalt sollen vorrangig für zusätzliche Investitionen genutzt werden.

Zusatzfrage: Aber keine höheren Zahlen als die dort genannten Ziffern sind im Augenblick im Gespräch, in der Überlegung?

Kothé: Das ist der Haushaltsentwurf, wie er jetzt ins Parlament geht. Ich kann Ihnen nicht sagen, an welchen Stellen sich im parlamentarischen Verfahren noch Änderungen ergeben werden, sondern nur die Zielrichtung. Das habe ich gerade eben versucht darzustellen.

Frage: Dazu eine Lernfrage, Frau Kothé: Nach den aktuellen Regeln werden verteidigungsinvestive Ausgaben auch bei den Investitionen mitgerechnet. Militärische Investitionen galten bislang nicht als Investitionen. Das ist jetzt aber geändert worden. Beeinflusst das in irgendeiner Form die Planungen für die Investitionen insgesamt?

Kothé: Da bin ich jetzt überfragt. Das müsste ich Ihnen nachliefern. Ich weiß nicht, inwiefern neu geregelt worden ist, was zu den Investitionen gehört.

Frage: Frau Kothé, es gibt Berichte, dass Herr Schäuble mit seinem französischen Amtskollegen über ein Investitionspaket berät. Können Sie solche Gespräche bestätigen? Was heißt das eigentlich für die ganze Debatte? Bisher waren Deutschland und Frankreich gerade beim Thema Investitionen ja nicht immer unbedingt einer Meinung.

Dann habe ich noch eine Nachfrage an Herrn Seibert: Wie sieht das eigentlich die Kanzlerin? Es gibt ja Forderungen aus dem In- und Ausland, dass Deutschland seine Investitionen erhöhen muss. Wie verfolgt die Kanzlerin diese Debatte? Wird sie sich möglicherweise doch irgendwann erweichen lassen und ihr Haushaltsziel angesichts einer deutlich bröckelnden Infrastruktur aufgeben?

Kothé: "Investitionspaket" ist, glaube ich, nicht der richtige Terminus. Deutschland und Frankreich arbeiten zusammen an einem gemeinsamen Diskussionspapier für den informellen Ecofin-Rat in Mailand am Wochenende.

Ich hatte Ihnen gerade eben versucht zu erläutern, dass wir an verschiedenen Stellen daran arbeiten, wie man Investitionen stärken kann, national und international. Das ist ein wichtiges Thema auf europäischer Ebene. Hierzu wird Finanzminister Schäuble mit seinem französischen Amtskollegen einen Diskussionsvorschlag machen. In dem Papier geht es darum, wie man die Investitionen im Euroraum stärken kann. Auch hier gibt es wieder den Aspekt, wie man private Investitionen stärken kann, auch im Bereich Infrastruktur.

Es geht insgesamt darum, das Potenzial privater Investitionen stärker auszuschöpfen. Auf mehr Details dieses Papiers kann ich jetzt leider nicht eingehen. Wie gesagt, das Papier ist an die Finanzminister adressiert, die sich am Wochenende treffen.

StS Seibert: Sie hatten nach der Haltung der Bundeskanzlerin zu den Haushaltszielen gefragt. Ich kann Ihnen das bestätigen, was Frau Kothé gerade gesagt hat: Die Bundeskanzlerin, die ganze Bundesregierung hält an dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2015 fest. Das wäre also erstmals seit Jahrzehnten ein Haushalt, der ohne neue Verschuldung auskommt. Wir tun das, weil wir darin eine große vertrauensbildende Maßnahme sehen. Das ist ein Vertrauen, das sich letztlich auch auf die Investitionsstimmung positiv auswirkt.

Wir tun es, weil wir darin die beste Maßnahme sehen, die wir im Interesse junger und jüngerer Generationen ergreifen können: endlich Schluss zu machen mit Jahrzehnten der immer steigenden Neuverschuldung und einzusteigen in eine solidere Haushaltsführung.

Ich würde bei dieser Gelegenheit gerne sagen, dass wir auch in den vergangenen Jahren den Haushalt konsolidiert haben, aber wir haben ihn wachstumsfreundlich konsolidiert. Das heißt, wir haben immer auch Investitionen vorgenommen, Investitionen in Zukunftsbereichen gefördert, wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Verkehr, Forschung. Da sind die Ausgaben in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen. Auch das kommt unserem Wohlstand, unserem Wirtschaftsstandort zugute. Auf diesem Kurs wird jetzt intensiv weitergearbeitet.

Frage: Herr Seibert, das gilt aber nicht nur für den Haushalt 2015, sondern auch für die Folgehaushalte? Ich frage das, nachdem ich schon jetzt verschiedene Äußerungen gehört habe, wer in der Regierung mehr Geld möchte.

StS Seibert: Ich habe jetzt über den Haushalt 2015 gesprochen, aber auch die mittelfristige Haushaltsplanung steht. Wir bekennen uns zu ihr, aber sie ist eine Planung. Natürlich wird man immer sehen müssen, wie die Dinge laufen, aber zu dieser Planung stehen wir.

Frage: Ich würde gern zwei Fragen zur Pkw-Maut stellen. Die Debatte darum hat am Wochenende kräftig an Schärfe gewonnen. Frau Moosmayer, wenn ich Ihren Minister heute auf dem Gillamoos richtig verstanden habe, bleibt er dabei; er wird keinerlei Änderungen an seinem Konzept vornehmen wollen. Ich hätte gern gewusst, warum er das macht. Auch der CSU-Vorsitzende hat sich vergangene Woche dafür offen gezeigt, dass möglicherweise nicht auf allen Straßen die Pkw-Maut erhoben werden müsste.

Frau Kothé, warum hat das BMF eigentlich eine eigene Expertise zur Pkw-Maut erstellen lassen? Vergangene Woche hieß es ja noch, wir haben keine Zahlen, weil uns bisher keine Gesetzesvorlage vorliegt. Ich hätte gern gewusst, warum man das gemacht hat und ob diese Stellungnahme möglicherweise auch schon in der vergangenen Woche im Ministergespräch eine Rolle gespielt hat.

Moosmayer: Der Minister hat schon am Wochenende klargemacht, dass sein Konzept europarechtskonform und grundgesetzkonform ist, dass er keine Notwendigkeit sieht, an dem Grundkonzept viel zu ändern. Er hat aber auch gesagt, dass er gesprächsbereit ist, in den Details dieses Konzept weiterzuentwickeln. Das haben wir auch in den letzten Wochen bereits gesagt.

Wir besprechen es ja mit allen, die daran beteiligt sind, und bereiten jetzt auf Grundlage dieses Konzepts den Gesetzentwurf vor. Das hat er heute wiederholt. Insofern ist das konstant mit dem, was wir bisher die ganze Zeit gesagt haben.

Kothé: Wir arbeiten gemeinsam - darauf haben wir immer hingewiesen - mit dem BMVI oder innerhalb der Bundesregierung daran, die Vorgaben des Koalitionsvertrags in Sachen Maut umzusetzen. Dazu gab es eine Reihe von Gesprächen, nachdem der Verkehrsminister dieses Eckpunktepapier vorgelegt hat.

Anfang August gab es seitens des Ministeriums die Bitte, eine Stellungnahme abzugeben. Das haben wir getan. Dieses Papier wurde gestern offenbar in der Presse zitiert. Das ist nichts, was dem aktuellen Stand der Gespräche entspricht, sondern bezieht sich offenbar auf den Anfang der Gespräche.

Zusatzfrage: Können Sie mir vielleicht etwas konkreter sagen, worauf sich die Zweifel des Ministeriums an diesen Nettoeinnahmen in Höhe von 600 Milliarden Euro eigentlich begründen?

Kothé: Zu dem Inhalt des Papiers: Wir haben gesagt, dass wir die einzelnen Aspekte aus unserem Haus prüfen, die wichtig sind. Dazu gehört natürlich die Einnahmeseite. Ich habe gerade gesagt: Dieses Papier war Ergebnis einer ersten, vorläufigen Prüfung nach dem damaligen Stand. Genaue, konkrete Zahlen dazu gibt es nach wie vor nicht und kann ich Ihnen jetzt auch nicht liefern.

Zusatzfrage: Wenn ich noch eine zweite Nachfrage stellen darf: Frau Kothé, seit dem Wochenende steht der Vorwurf des bayerischen Ministerpräsidenten im Raum, der Bundesfinanzminister wolle die Pkw-Maut gar nicht. Wie antwortet der Bundesfinanzminister auf diesen Vorwurf?

Kothé: Das hatte ich einleitend gerade irgendwie zu sagen versucht: Das Finanzministerium arbeitet gemeinsam mit dem BMVI an der Umsetzung des Koalitionsvertrags.

Frage: Ich stelle noch einmal eine Verständnisfrage, Frau Kothé, weil Sie gerade sagten, das seien Prüfungen auf der Grundlage von damals gewesen. Ich hatte es nicht so verstanden, dass sich an dem Konzept schon etwas geändert hat. Oder ist mir das entgangen?

Kothé: "An dem Konzept" habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Diese Stellungnahme, die jetzt offenbar zitiert wird, war eine vorläufige Stellungnahme von Anfang August.

Frage: Frau Kothé, es ging um eine vorläufige Stellungnahme von Anfang August, die Sie dann offenbar sehr früh abgegeben haben. War das dann aus Ihrer Sicht übereilt und zu früh? Warum haben dann überhaupt Menschen daran gesessen, so ein Konzept zu erarbeiten?

Frau Moosmayer, in vielen Ländern gibt es im Umfeld der CDU herbe Kritik an diesem Konzept - das haben Sie und Ihr Minister sicherlich auch wahrgenommen -, auch, was die Frage der Europarechtskonformität angeht, die von vielen verneint wird. Ist Ihr Minister an dieser Stelle beratungsresistent? Nimmt er diese Kritik nicht auf, nicht wahr, oder wie kommt er immer zu dem gleichen Schluss, das sei europarechtskonform? Die Frage scheint ja nicht so einfach zu beantworten zu sein, zumal er sie ja gar nicht entscheiden muss.

Moosmayer: Zunächst einmal ist es ja einfach normal, dass man, wenn man ein Konzept vorstellt, noch nicht alle Details hat. Das heißt, man bespricht diese Konzepte im Grundsatz mit den Partnern, mit denen man den Gesetzentwurf nachher auch besprechen wird. Das sind normale Vorgänge.

Wir haben auch immer gesagt: Wir haben uns am 7. Juli dazu geäußert, wie wir uns das in groben Zügen vorstellen. Das Konzept wurde vorgestellt. Jetzt wird daran gearbeitet, dieses Konzept in einen Gesetzentwurf umzuwandeln beziehungsweise einen Gesetzentwurf zu entwickeln, der auf diesem Konzept fußt. Das heißt aber nicht, dass schon alles da gewesen wäre. Wenn schon alles da gewesen wäre, dann wäre das ja schon damals ein Gesetzentwurf gewesen.

Das heißt, Details werden jetzt ausgearbeitet. Dabei werden die Eingaben, die jetzt eingehen, natürlich in die Gespräche einfließen. Das heißt, von Beratungsresistenz kann gar keine Rede sein. Aber dieses Konzept ist das, was wir vorgestellt haben. Wie das dann im Detail ausgearbeitet werden wird, bleibt abzuwarten. Wir werden den Gesetzentwurf dann in Kürze vorstellen, und darin werden alle Angaben oder Beiträge berücksichtigt sein, die jetzt in die laufenden Gespräche eingeflossen sind.

Kothé: Ich hatte ja gerade schon gesagt: Nachdem - das hat die Kollegin ja auch gerade gesagt - die Eckpunkte vorgelegt worden waren, haben Gespräche zwischen den Ministerien begonnen, oder auch zügig danach. In diesem Kontext sind wir auch um eine schriftliche Stellungnahme gebeten worden, und die haben wir abgegeben. Von daher war da nichts voreilig. Es ist aber auch ein durchaus übliches Verfahren, dass sich die Ressorts schriftlich austauschen.

Zusatzfrage: Frau Kothé, Sie sagen, das sei sozusagen eine angeforderte Stellungnahme auf der Grundlage dieses Konzepts von Herrn Dobrindt. An dem Konzept hat sich, wie gesagt wurde, ja bisher nichts geändert, zumindest nicht erkennbar. Die Grundlage bleibt die gleiche. Stimmt denn auch bis heute noch die Stellungnahme Ihres Ministeriums dazu, oder ist die Stellungnahme überholt?

Kothé: Wie ich eben gesagt habe, war das eine vorläufige Stellungnahme. Wir sind seitdem weiter im Gespräch und prüfen die Dinge. Aus unserer Sicht war das eine vorläufige Stellungnahme.

Zusatzfrage: Die sich jetzt überholt hat? Ist die jetzt nichtig?

Kothé: Das habe ich nicht gesagt.

Frage: Herr Seibert, ich bin jetzt nach den Debatten, die es darüber in den Parteigremien gibt, ganz verunsichert. Steht die Bundeskanzlerin denn zu dem Mautkonzept, das Herr Dobrindt vorgelegt hat, oder steht sie nicht dazu?

StS Seibert: Ich fasse es vielleicht noch einmal zusammen: Der Koalitionsvertrag gilt, und an dessen Umsetzung arbeiten alle Ressorts. Der zuständige Minister hat ein Konzept vorgelegt. Darüber wird jetzt miteinander gesprochen. Es ist übrigens völlig normal, dass in diesem Stadium des Austausches auch Fragen auftauchen und Fragen beantwortet werden müssen. Das verläuft insofern alles wie geplant. Das geschieht in einem guten, konstruktiven Geist; denn alle in der Bundesregierung wollen eine gute Lösung.

Frage: Ich habe auch noch eine Frage zum Thema Maut an das Innenministerium und an das Verkehrsministerium. Medienberichten zufolge ist in einem Schreiben von Ihnen die Mautlücke zwischen den Fahrzeugen von 3,5 Tonnen bis 7,5 Tonnen thematisiert worden. Trifft das zu? Gibt es ein derartiges Schreiben?

Die Frage an das Verkehrsministerium lautet: Ist möglicherweise ein Gedankenwandel absehbar? Bisher wurde diese Mautlücke ja nicht weiter thematisiert beziehungsweise sie wurde als gegeben hingenommen.

Müller-Niese: Zum einen möchte ich noch einmal klarstellen, dass es sich nicht um eine Stellungnahme zu einem konkreten Gesetzentwurf handelt, sondern wir sind ebenfalls nach einer Stellungnahme zu dem Informationspapier des BMVI gebeten worden. Die wurde dann Anfang August - wahrscheinlich war das ein ähnlicher zeitlicher Rahmen wie beim BMF - an das BMVI übermittelt. Das ist nur, wie gesagt, eine vorläufige Stellungnahme. Darin sind verschiedene Punkte aufgeführt, nämlich verfassungsrechtliche Kompetenzbefugnisse für finanz- und verfassungsrechtliche Aspekte und - den sprechen Sie wahrscheinlich an - der Gleichheitsgrundsatz. Das wurde dem BMVI zugestellt. Das ist ein schriftlicher Austausch mit den Kollegen des Verkehrsministeriums.

Moosmayer: Lassen Sie mich noch einmal ganz kurz ein bisschen ausholen: Wir haben am Anfang der Diskussion festgestellt, dass wir eine marode Infrastruktur haben. Der Minister hat Lösungsvorschläge auf den Tisch gelegt. Es geht um den 5-Punkte-Plan, 5 Millionen Euro mehr innerhalb der Wahlperiode auszugeben, ÖPP auszubauen, unter anderem eben die Nutzerfinanzierung bezüglich der Straßen stärker auszubauen, die Lkw-Maut auszuweiten und eben eine Infrastrukturabgabe für Pkws einzuführen, die dann darin resultiert, dass auch die, die momentan noch nichts zu diesen Infrastrukturkosten beitragen, dazu beitragen. Wir haben auf Grundlage unserer Überlegungen errechnet, dass das ungefähr 2,5 Milliarden Euro innerhalb einer Wahlperiode einbringt. Jetzt kann man natürlich sagen: Das brauchen wir nicht, das machen wir nicht. - Wir haben gesagt: Das ist nicht gerade wenig, das wollen wir auch gerne haben, damit können wir das eine oder andere Schlagloch stopfen.

Jetzt ist das Konzept da. Wir haben uns natürlich innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens zu bewegen. Es gibt eine EU-Richtlinie, die EU-Vignettenrichtlinie, die eben besagt, dass Fahrzeuge von 3,5 Tonnen bis 7,5 Tonnen als Lkw einzustufen sind. Die können also nicht in diese Infrastrukturabgabe aufgenommen werden. Sie müssten sonst wie Lkw bemautet werden; das heißt, mit Onboard-Units, elektronischer Erfassung usw. Deshalb haben wir darauf verzichtet und gesagt, dass diese Infrastrukturabgabe nur für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen gelten wird.

Frage: Frau Moosmayer, Herr Dobrindt hat sich ja sehr viel und lange Zeit gelassen, bis er sein Konzept am 7. Juli vorgestellt hat. Seit dem Moment vor einem Jahr, als er in den Koalitionsverhandlungen gesagt hat, das sei alles ganz einfach, ist doch sehr viel Zeit verstrichen.

Nach so langer Zeit der Überlegung und des Nachdenkens über ein gutes Konzept überrascht ja doch die Menge und Fülle an durchaus auch sehr harten Stellungnahmen aus den einzelnen Häusern, die ja sehr tiefgehend, sehr tiefgreifend sind, bis hin zur Frage, ob das Konzept grundgesetzwidrig oder verfassungsgemäß ist und ob damit nicht vielleicht doch Europarecht gebrochen werden könnte. Ist das in Ihrem Haus nicht geprüft worden, sind diese Punkte bei Ihnen nie aufgefallen, oder wie kann man sich erklären, dass andere Häuser zu so eklatant anderen Bewertungen kommen?

Moosmayer: Erst einmal haben wir das natürlich geprüft und wir sind dabei auch sehr sorgfältig vorgegangen, deswegen hat das auch seine Zeit gebraucht. Wir haben immer gesagt: Wir stellen das im Sommer, vor der Sommerpause vor. Das hat der Minister auch gemacht, das Konzept ist also, wie angekündigt, gekommen. Jetzt geht es ganz normal weiter, jetzt bauen wir auf diesen Konzept auf und entwickeln einen Gesetzesvorschlag. Der wird, wie ebenfalls angekündigt, noch dieses Jahr kommen. Da werden die Details dann weiter vertieft werden, da fließen auch die Stellungnahmen und Beiträge der Gesprächspartner ein. Daraus wird dann ein Gesetzentwurf, der die Details beinhaltet und die Fragen, die Sie jetzt haben, beantworten wird.

Zusatzfrage: Herr Seibert, Sie haben gelobt, dass sich alle Mitglieder der Bundesregierung konstruktiv darum bemühen, eine Lösung zu finden. Herr Seehofer ist ja nun nicht Teil der Bundesregierung. Ist er sozusagen aus diesem Konstruktivitätsappell oder -bemühen ausgenommen, wenn er sagt, wenn das nicht bald komme, sei die Schonzeit vorbei? Wie stellen Sie sich persönlich ein Ende der Schonzeit vor?

StS Seibert: Ich beantworte hier keine parteipolitischen Fragen, aber für die Bundesregierung und alle sie tragenden Parteien gilt, dass wir konstruktiv daran arbeiten, das, was wir uns im Koalitionsvertrag gemeinsam vorgenommen haben, auch umzusetzen. Dem dient der Prozess des Austauschs und des Miteinanderredens, der derzeit zwischen den Häusern und dem Verkehrsministerium im Gang ist.

Frage: Frau Kothé, Sie haben vorhin gesagt, in der vorläufigen Prüfung aus Ihrem Haus gebe es gar keine konkreten Zahlen. Nun wird in der Öffentlichkeit ja eine konkrete Zahl kolportiert, nämlich dass das Ganze möglicherweise ein Nullsummenspiel ist. Wie bekomme ich diese beiden Aussagen zusammen?

Kothé: Da habe ich mich dann vielleicht nicht konkret genug ausgedrückt. Ich habe gesagt: Es gibt noch keine offiziellen Zahlen von uns.

Zusatzfrage: Sie haben wörtlich gesagt: Genaue Zahlen gibt es nach wie vor nicht.

Kothé: Es gibt keine offiziellen Zahlen und das ist eine vorläufige Stellungnahme gewesen. Von daher kann ich Ihnen im Augenblick nicht mit einer Zahl aus unserem Hause dienen beziehungsweise würde sie auch nicht nennen, weil wir noch in einem vorläufigen Stadium, in internen Absprachen sind.

Zusatzfrage: Aber dann verstehe ich Sie richtig, dass in dieser vorläufigen Prüfung diese Zahl sehr wohl enthalten ist, dass es sie also gibt?

Kothé: Ich habe gesagt: Es gibt eine vorläufige Stellungnahme. Zu den Inhalten dieser Stellungnahme habe ich bisher nichts gesagt.

Zusatzfrage: Frau Moosmayer, Sie haben einmal gesagt, dieser Gesetzentwurf käme in Kürze, und dann haben Sie wieder gesagt, er käme bis Ende des Jahres. Nach meinem Zeitempfinden ist "in Kürze" nicht "bis Ende des Jahres". Können Sie das ein bisschen präzisieren?

Moosmayer: Gern. Ich kann es einfach wiederholen - das war auch nicht ganz sauber formuliert von mir -: Der Minister hat immer gesagt, dass er das Konzept vor der Sommerpause vorstellt und dass das Gesetz noch dieses Jahr kommen soll. Das heißt, der Gesetzentwurf wird in Kürze vorgestellt, und dann soll das Gesetz noch dieses Jahr kommen.

Ich habe auch noch einen Nachtrag zu der Debatte, die wir jetzt haben: Das Gesamtproblem, das wir erkannt haben, ist, dass wir mehr Geld für unsere Infrastruktur brauchen, und zwar aus verschiedenen Gründen: Das Netz wächst, die Kosten wachsen und wir brauchen mehr Geld dafür. Dass wir eine Debatte darüber haben, wie wir das als Gesellschaft machen, ist gut. Dass wir das, was wir hier vorhaben, debattieren, ist auch deswegen wichtig, weil es ein Systemwandel ist. Wir haben bisher ein System gehabt, in dem man die Straßen aus dem allgemeinen Haushalt finanziert. Das wollen wir auch weiterhin machen, wir wollen aber eben auch die Nutzer stärker daran beteiligen. Dass darüber heftig debattiert wird, finde ich eigentlich auch naheliegend.

Frage: Frau Moosmayer, Sie wollen ja nicht wirklich alle Nutzer, sondern vor allen Dingen ausländische Nutzer daran beteiligen, so wie es aussieht. Das ist ja der Punkt, warum es nicht europarechtskonform ist. Gibt es vielleicht schon Überlegungen, das zu öffnen und zu sagen: Okay, wenn wir wirklich mehr Geld in der Kasse haben wollen, müssen wir tatsächlich von allen Nutzern mehr Geld verlangen, also die Maut geringer machen und alle mit einbinden. Das wäre zwar nicht mehr koalitionsvertragskonform, aber vielleicht ein praktikabler, einfacher Weg, der Ihnen viele Probleme ersparen würde.

Zweite Frage: Es gab ja den angeblichen Kompromiss, dass Kreis- und Landstraßen ausgenommen sein sollen. Inwieweit ist Ihr Konzept eigentlich darauf aufgebaut, dass genau das aber passieren muss? Was passiert also mit Ihrem Konzept, wenn diese beiden Straßenarten plötzlich aus dem Konzept herausfallen? Wie verändert sich dann sozusagen die Statik Ihres Konzepts?

Moosmayer: Zu Ihrer ersten Frage: Es geht nicht darum, Ausländer zur Kasse zu bitten, sondern es geht darum, die Fahrzeuge, die hier durchfahren und sich bisher eben noch nicht an den Kosten beteiligen, an den Kosten zu beteiligen - ganz unabhängig von der Nationalität. Es geht darum, dass Kfz, die hier in Deutschland angemeldet sind, eben schon über die Kfz-Steuer ihren Beitrag leisten, und die, die hier durchfahren, das bislang eben noch nicht tun. Das wird mit der Vignette eben geändert. Die Vignette zahlen erst einmal alle, von daher ist das auch nicht europarechtswidrig; denn diese Vignette werden wir alle zahlen, nur werden die Inländer an anderer Stelle entlastet.

Zu Ihrer zweiten Frage: Das Konzept sah im Juli zunächst vor, dass wir alle Straßen bemauten, hauptsächlich um Ausweichverkehre durch die Orte zu vermeiden; denn Deutschland hat ja - anders als andere Länder - ein sehr dichtes Netz an sehr gut ausgebauten Straßen und nicht so eine klare Hierarchie, wie es sie zum Beispiel in den Alpenländern gibt. Dieses Konzept ist im Juli vorgestellt worden - es ist, wie es ist. Was darauf jetzt aufgebaut, ist der Gesetzentwurf, und was den betrifft, muss jetzt eben abgewartet werden, wie sich das in den Gesprächen konkretisiert.

Frage: Herr Seibert, der eigentlich für Donnerstag geplante Koalitionsausschuss ist ja wieder abgesagt worden. Liegt das daran, dass sich die Koalition in den wesentlichen Dingen so einig ist, dass es nicht nötig ist zu debattieren, oder ist es umgekehrt so, dass man in Dingen wie der Maut so weit auseinander ist, dass es besser ist, wenn man nicht im großen Kreis darüber spricht?

StS Seibert: Ich gebe hier ja keine Termine von Koalitionsgipfeln bekannt --

Zusatz: Den habe ich ja schon selber genannt.

StS Seibert: Richtig. Deswegen gebe ich aber auch keine Gründe bekannt, warum manche Termine, von denen Sie ausgegangen sind, dann so nicht umgesetzt werden. Wenn Sie aber davon ausgehen, dass die Koalition seit Beginn dieses Jahres sehr intensiv und sehr gut und eng zusammenarbeitet und schon eine Menge umgesetzt hat, dann ist das auf jeden Fall zutreffend.

Zusatzfrage: Können Sie denn sagen, ob die Kanzlerin grundsätzlich die Institution des Koalitionsausschusses für sinnvoll hält?

StS Seibert: Es wird sicherlich immer wieder Besprechungen auf der Ebene der Spitzen der Koalitionsparteien und auch im weiteren Rahmen geben. Ich kann Ihnen die nächste hier aber nicht ankündigen.

Zusatzfrage: Können Sie zumindest, damit ich es nicht falsch schreibe, sagen, ob der Koalitionsausschuss schon getagt hat? Er hat, glaube ich, schon einmal getagt, stimmt das?

StS Seibert: Aus dem Gedächtnis habe ich keinen Überblick, aber es gibt keinen Mangel an intensivem Austausch zwischen den Parteien - und auch den Parteivorsitzenden -, die diese Koalition tragen.

Frage: Herr Seibert, zum Thema Sanktionen gegen Russland: Wie beeindruckt ist die Bundesregierung von der russischen Drohung, Gegensanktionen zu verhängen, die zum Beispiel die Überflugrechte für europäische Airlines betreffen könnten?

Zweite Frage: Heute oder morgen sollen ja die neuen europäischen Sanktionen verkündet werden. Werden die auch unbedingt verhängt, oder kann man davon ausgehen, dass diese Sanktionen doch nicht verhängt werden, wenn zum Beispiel heute Nacht in der Ostukraine der Frieden ausbricht?

StS Seibert: Zunächst einmal möchte ich mich hier nicht zu Aussagen der russischen Regierung äußern, was sie möglicherweise hypothetisch in einem bestimmten Fall alles täte.

In Sachen Sanktionen wissen Sie, dass der Europäische Rat am 30. August einen Beschluss gefasst hat, einen Auftrag zu einem Paket von zusätzlichen Sanktionen erteilt hat, und dass sich am 5. September, also am Freitagabend, der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel auf die Umsetzung dieses Auftrags des Europäischen Rates geeinigt hat. Jetzt befinden wir uns in dem Prozess der Formalisierung dieser Einigung; das heißt, es gibt ein schriftliches Umlaufverfahren, wie das so schön heißt. Wenn dieses Verfahren abgeschlossen ist - was jetzt noch nicht der Fall ist -, wird darüber informiert, was die Sanktionen sind und wann sie in Kraft treten.

Ganz kurz noch ein Satz: Sie sagen "wenn morgen der Frieden ausbricht". Wir alle wünschen uns, dass der Frieden ausbricht, aber wir wissen auch - und Sie wissen es sowieso -, dass das natürlich nicht so einfach ist. Ich möchte nur daran erinnern, dass es eben nicht nur diesen einen Punkt des Waffenstillstands gibt. Es gibt eine lange Liste von Punkten, auf die man sich in diesem Protokoll geeinigt hat und die umgesetzt werden müssen. Das ist nicht nur der Waffenstillstand - so sehr wir uns einen wirklich von allen Seiten vollkommen eingehaltenen Waffenstillstand auch wünschen. Da gibt es Fragen der Überwachung durch die OSZE, des Austauschs von Gefangenen und Geiseln, der Überwachung der Grenzen, des Beginns eines Dialoges usw. Das ist also sehr viel mehr als nur die Einhaltung des Waffenstillstands.

Ich sage aber auch: Es wäre schon viel gewonnen, wenn er wirklich komplett eingehalten würde. Die Bundeskanzlerin hat ja - das kann ich bei dieser Gelegenheit sagen - gestern am Abend noch einmal mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Poroschenko telefoniert. Da war der Waffenstillstand zentraler Gegenstand des Gesprächs. Herr Poroschenko hat sich angesichts vereinzelter Kampfhandlungen in Donezk und in Mariupol doch besorgt gezeigt. Beide, die Kanzlerin und Herr Poroschenko, waren der Ansicht, dass jetzt rasch die OSZE vor Ort die Einhaltung dieses Waffenstillstands beobachten muss.

Zusatzfrage: Nur damit ich es richtig verstehe: Das heißt also, wenn das Umlaufverfahren abgeschlossen ist, werden die zusätzlichen Sanktionen auf jeden Fall verhängt?

StS Seibert: Es ist noch nicht abgeschlossen, aber so funktioniert das. Wir müssen jetzt warten, wie das Umlaufverfahren ausgeht. Wir haben aber auch immer gesagt - und das war ja auch Gegenstand von vielen Fragen der Presse auf dem Nato-Gipfel -: Es gibt nach einer möglichen Verhängung von Sanktionen immer auch die Möglichkeit zu beobachten, wie sich die Dinge entwickeln und ob die wesentlichen Punkte der Vereinbarung umgesetzt werden. Dann gibt es auch immer die Möglichkeit, Sanktionen, die schon verhängt worden sind, wieder zu suspendieren.

Vors. Welty: Frau Kothé hat noch einen Nachtrag.

Kothé: Der Kollege, der danach gefragt hat, ist zwar nicht mehr da, aber ich habe in der Tat einen Nachtrag zu der Frage nach den Militärausgaben: Es ist richtig, im Rahmen der Gesamtrevision der VGR, der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, werden jetzt Ausgaben für Waffensysteme anders behandelt und bei den Investitionen berücksichtigt, genauso wie öffentliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben jetzt als investive Ausgaben verbucht werden.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 8. September 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/09/2014-09-08-regpk.html;jsessionid=2DC22B3B8B60477948AFF072C795B194.s4t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2014