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PRESSEKONFERENZ/888: Regierungspressekonferenz vom 12. November 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 12. November 2014
Regierungspressekonferenz vom 12. November 2014

Themen: Kabinettssitzung (Kleinanlegerschutzgesetz, 4. Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung"), Initiative gegen Steuersparmodelle von Großkonzernen, Klimavereinbarung zwischen den USA und China, Beteiligungen des Bundes, Lage in der Ukraine, Übergriff von Israel-Kritikern auf den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Deutschen Bundestag, Ermittlungsverfahren gegen Unterstützer der Terrororganisation "Islamischer Staat", Änderung des Telemediengesetzes, Investitionsschutzabkommen

Sprecher: SRS'in Wirtz, Jäger (BMF), Schäfer (AA), Dimroth (BMI), Toschev (BMWi)



Vors. Szent-Ivanyi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Wirtz: Ein Thema im Kabinett war heute das Kleinanlegerschutzgesetz. Mit diesem Gesetz sollen Verbraucher auf dem sogenannten grauen Kapitalmarkt besser geschützt werden. Das heißt, ganz konkret sollen Anleger nicht das Opfer unseriöser Renditeversprechen werden. Dieser Verbraucherschutz soll zum einen durch bessere Informationen der Verbraucher über bestimmte Anlageprodukte, zum anderen über eine bessere Sanktionsmöglichkeit durch die BaFin gewährleistet werden. Dabei verfolgt der Gesetzentwurf den Ansatz, einerseits den Finanzmarkt zu regulieren, andererseits aber auch die Eigenverantwortung der Verbraucher im Auge zu behalten.

Im Einzelnen sind folgende Punkte beschlossen worden: Erstens wird die Prospektpflicht erweitert und konkretisiert. Das heißt, Erwerber risikobehafteter Vermögensanlagen sind künftig umfassend, vollständig und aktuell über die Seriosität der Anlagen zu informieren. Zudem sind Anleger vor der Anlageentscheidung verpflichtet, die Informationen zur Vermögensanlage sorgfältig zu lesen und das auch mit ihrer Unterschrift zu quittieren. Dann soll es darum gehen, dass die Mindestlaufzeit dieser Anlagen ab dem erstmaligen Erwerb der Vermögensanlage auf zwei Jahre angesetzt wird, damit Anleger zum einen eine gewisse Sicherheit und auch eine Stabilität für ihre Investition erhalten.

Darüber hinaus - ich habe es eben angekündigt - soll die BaFin weitere Befugnisse bekommen. Sie überwacht zum einen die Einhaltung verbraucherschützender Vorschriften, das heißt, sie überwacht Vorschriften, die im Interesse aller Verbraucher liegen - wir bewegen uns in diesem Bereich also im kollektiven Verbraucherschutz. Darüber hinaus wird sie künftig Unternehmen prüfen, die Vermögensanlagen anbieten. Bei Verstößen hat die BaFin darüber hinaus gewisse Sanktionsmöglichkeiten.

Auch in der Werbung für solche Finanzmarktprodukte soll sich einiges ändern. Breit angelegte und aggressive Werbung im Hörfunk oder im Fernsehen ist künftig nicht mehr zulässig. Was die Printmedien anbelangt, so gibt es eine Regelung, die natürlich auch die Pressefreiheit berücksichtigt. Insofern wird Werbung grundsätzlich schon möglich sein, allerdings wird es entsprechende Hinweise auf die nicht unerheblichen Risiken und Nebenwirkungen bestimmter Anlagen geben.

Ein weiteres Thema war heute der 4. Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung", den Bundesminister Steinmeier heute im Kabinett vorgelegt hat und der dann im Kabinett verabschiedet wurde. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich die Überzeugung der Bundesregierung, dass es nicht nur in der Verantwortung der Bundesregierung liegt, in aktuellen Krisen zu schlichten und aktuelle internationale Krisen zu lösen, sondern dass es auch darum geht, Krisen vorzubeugen, also Krisenprävention zu betreiben. Konkret geht es darum, in bestimmten Ländern Unterstützung bei den Themen gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Demokratisierung, Menschenrechte, Aussöhnung und Dialog zu leisten.

Soweit mein Bericht aus dem Kabinett.

Jäger: Ich darf Sie in das spannende Feld der Steuerpolitik entführen. Bundesminister Schäuble hat heute eine Initiative auf den Weg gebracht, um in der Diskussion um den Missbrauch von Steuersparmodellen jetzt schnell zu konkreten und wirksamen Maßnahmen zu kommen. Wir müssen jetzt handeln. Das Ziel dieser Initiative ist es, unangemessene steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten für große Konzerne zu begrenzen; denn nicht alles, was rechtlich möglich ist, entspricht auch dem Gebot der Fairness. Manche Praktiken, die wir hier erleben, sind außerdem möglicherweise rechtlich angreifbar. Darauf deuten zumindest die laufenden beihilferechtlichen Untersuchungen der EU-Kommission hin.

Wir brauchen in Europa bessere Regeln, um Fairness und Transparenz zu gewährleisten. Genau deshalb machen wir jetzt konkrete, wirksame und vor allem auch schnell umsetzbare Vorschläge, um Transparenz zu schaffen. Das entspricht der Zielsetzung der G20-Initiative zur Begrenzung unfairer Steuerpraktiken, der BEPS-Initiative, die auch auf deutsche Anregung hin auf den Weg gebracht worden ist. Der Bundesfinanzminister schlägt nun vor, die Arbeiten im Rahmen der BEPS-Initiative massiv zu beschleunigen. Diese Arbeiten sollten ursprünglich bis zum Jahresende 2015 zum Abschluss gebracht werden. So lange dürfen wir nicht warten, Europa muss jetzt schnell handeln.

Der Bundesfinanzminister schlägt deshalb vor, zukünftig Informationen über sogenannte Tax Rulings, also Absprachen zwischen Steuerverwaltungen und Unternehmen, offenzulegen und auf regelmäßiger Basis zwischen den Steuerverwaltungen auszutauschen. Damit knüpfen wir an die guten Erfahrungen an, die wir beim automatischen Informationsaustausch zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung gewonnen haben. Diese Erfahrungen wollen wir jetzt auf die Steuersparmodelle übertragen, die derzeit in der Diskussion stehen.

Der Bundesfinanzminister hat deshalb in einem Schreiben an EU-Steuerkommissar Moscovici entsprechende konkrete Vorschläge unterbreitet. Der Minister regt an, dass die Europäische Kommission kurzfristig die Initiative ergreift, auch Informationen zu den sogenannten Rulings in den Informationsaustausch im Rahmen der Amtshilferichtlinie einzubeziehen. Das klingt jetzt nach einer sehr technischen, ziemlich bürokratischen Angelegenheit. Aber täuschen Sie sich nicht: Eine solche Anpassung der Amtshilferichtlinie hätte direkte und sehr effektive Konsequenzen. Wenn dies gelingt, dann wäre dies ein entscheidender Fortschritt. Damit könnte die Informationslage zwischen den Steuerverwaltungen zeitnah und rechtlich bindend substanziell verbessert werden.

Wir bekennen uns zum Steuerwettbewerb, aber dieser Wettbewerb muss fair und transparent sein. Wir brauchen Klarheit über diese sogenannten Rulings. Es muss Licht ins Dunkel. Absprachen zwischen Steuerverwaltungen und Unternehmen sollten offengelegt werden, und zwar nicht auf zufälliger, sondern auf verpflichtender Basis. - Vielen Dank.

Frage: Herr Jäger, ist es eigentlich Zufall, dass das gerade jetzt kommt, nach den Berichten über Luxemburg, oder steckt System dahinter?

Jäger: Ich will jetzt nicht leugnen, dass es da einen gewissen Gesamtzusammenhang gibt, das ist doch klar. Wir arbeiten schon sehr lange an diesem Thema. Das können Sie schon daran erkennen, dass wir Mitinitiator der BEPS-Initiative sind und in diesem Kontext diese Arbeitsschritte mit angestoßen haben. Aber dass wir jetzt so sehr darauf drängen, das zu beschleunigen und durch die Verankerung in einem europäischen Kontext sehr schnell sehr konkret ausgestaltbar zu machen, hat natürlich auch etwas mit der aktuellen Diskussion zu tun; das ist ja ganz klar.

Zusatzfrage: Ist denn die Tatsache, dass der deutsche Finanzminister diese Vorschläge unterbreitet, vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass man dem Kommissionspräsidenten oder der Kommission nicht zutraut, selbst mit solchen Vorschlägen voranzugehen?

Jäger: Die Europäische Kommission ist im Augenblick damit befasst, beihilferechtlich aufzuklären, ob das, was sich unter anderem in Luxemburg zugetragen hat, in Übereinstimmung mit europäischem Recht ist. Das, was wir hier vorschlagen, sehen wir in Ergänzung dazu.

Frage : Frau Wirtz, sieht die Bundesregierung in der Diskussion über Luxemburg und die Person Juncker einen Schaden für den Kommissionspräsidenten, oder wie beurteilt die Bundesregierung die Diskussion, die im Moment beziehungsweise schon seit Tagen oder Wochen läuft?

SRS'in Wirtz: Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass die Europäische Kommission gewisse Verfahren beziehungsweise Vorfälle untersuchen will. Die Kommission hat sich vorgenommen, das zu tun, auch in Bezug auf Luxemburg. Die Bundesregierung hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Herr Juncker diese Aufgabe, die er als Kommissionspräsident hat, verantwortungsvoll und gewissenhaft ausführt und dass die Kommission auch ganz gewissenhaft diese Untersuchungen durchführen wird.

Zusatzfrage: Ich habe Sie jetzt nicht falsch verstanden, dass die Bundesregierung keine Anhaltspunkte dafür hat, dass er seine Arbeit verantwortungsvoll ausfüllt?

SRS'in Wirtz: Okay, ich habe das "nicht" vergessen. Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr Juncker seiner Aufgabe nicht nachkommt.

Frage: Herr Jäger, lässt sich in irgendeiner Weise beziffern, welcher Schaden dem deutschen Fiskus durch solche Tax Rulings in Luxemburg und anderen Ländern entsteht? Welche anderen EU-Länder außer Luxemburg haben Sie da mit im Visier? Gibt es vielleicht auch in Deutschland vergleichbare Praktiken?

Jäger: Zu Ihrer ersten Frage: Ein solcher Schaden lässt sich nicht ohne Weiteres beziffern.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben jetzt nicht einzelne Länder im Auge, sondern wir wünschen uns einen allgemeinen, für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlichen Ansatz.

Sie spielen in Ihrer dritten Frage vermutlich auf das Instrument der verbindlichen Auskunft im deutschen Steuerrecht an. Wir sind der Auffassung, dass solche Auskünfte bei uns eine andere rechtliche Qualität haben als die Tax Rulings, um die es im Augenblick in der öffentlichen Diskussion geht. Einzelheiten wird man sich dann aber im Zuge einer solchen rechtlichen Diskussion in den europäischen Gremien sicherlich noch einmal anschauen können und müssen.

Frage : Frau Wirtz, das, was Sie eben gesagt haben, nämlich dass Sie keinerlei Anhaltspunkte dafür haben, dass Juncker seiner Aufgabe nicht nachkomme - das ist ja eine doppelte Verneinung -, klang nicht absolut positiv. Könnten Sie das auch positiv formulieren? "Die Bundesregierung..." -

SRS'in Wirtz: - hat das Vertrauen in Herrn Juncker beziehungsweise hat das Vertrauen in die Kommission, dass diese Vorgänge aufgeklärt werden. Es gibt, wie gesagt, auch keinen Grund dafür, Herrn Juncker als Kommissionspräsident diese Aufgabe nicht zuzutrauen. Die Bundesregierung hat Vertrauen in Herrn Juncker.

Zusatzfrage: Sind Sie denn der Meinung oder ist die Bundesregierung der Meinung, dass Herr Juncker bislang genug an Erklärungen dazu geliefert hat? Im Grunde genommen ist er seit ein paar Tagen ja mehr oder minder abgetaucht, was dieses Thema betrifft. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Herr Juncker noch etwas mehr zu den ganzen Vorwürfen und Vorgängen sagen sollte?

SRS'in Wirtz: Die Bundesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass es ein geregeltes Verfahren in der europäischen Kommission gibt, um bestimmte Vorgänge aufzuklären. Dieses Verfahren der Kommission läuft, insofern gibt es für die Bundesregierung keinen Grund, jetzt ungeduldig zu werden und darauf zu drängen, dass jetzt mehr passiert oder schneller etwas passiert.

Frage: Frau Wirtz, ich würde gerne die Haltung der Bundesregierung und speziell der Kanzlerin zu den Klimavereinbarungen zwischen den USA und China wissen. Sieht man das als Quantensprung, als historischen Schritt, wie es bezeichnet worden ist?

SRS'in Wirtz: Die Bundesumweltministerin hat sich dazu ja schon geäußert. Für die Bundesregierung insgesamt und auch für die Bundeskanzlerin kann ich das, was dort an Abkommen oder Übereinkommen getroffen worden ist, absolut begrüßen. Es kann als ein positives Signal gewertet werden, ganz besonders natürlich mit Blick auf die Klimaverhandlungen, die nächstes Jahr in Paris stattfinden werden. Die EU - wir haben darüber gesprochen - hat sich ja auch selbst auf dem Europäischen Rat am 23. und 24. Oktober in Brüssel zu Klimazielen verabredet. Insofern ist das im Kontext der Vorbereitung auf Paris als durchaus sehr positiv zu sehen.

Frage: Frau Wirtz, noch einmal zum Kabinett: Mit Stand von gestern hieß es, dass dort auch das Thema der Beteiligungen des Bundes zumindest auf der Tagesordnung stehe. Können Sie vielleicht sagen, inwieweit das beraten wurde, und können Sie vielleicht auch etwas zu den Inhalten sagen? Plant die Bundesregierung, sich von Anteilen an Post, Telekom und Bahn zu trennen?

SRS'in Wirtz: Sie spielen auf den Bericht des Bundesfinanzministeriums mit dem Titel "Verringerung von Beteiligungen des Bundes - Fortschreibung 2014" an. Dieser Bericht war heute nicht Gegenstand im Kabinett. Es gab gestern ja schon Berichterstattung darüber, die auch über die Agenturen lief. Es ist so, dass sich das Kabinett routinemäßig im Zwei-Jahres-Rhythmus mit diesem Bericht auseinandersetzt. Jetzt gab es in diesem Zusammenhang noch einmal Abstimmungsbedarf in Bezug auf bestimmte redaktionelle Fragen. Aber ganz grundsätzlich - und ich denke, das ist das Wichtigste - kann ich hier für die Bundesregierung insgesamt sagen, dass es konkrete Privatisierungsabsichten in Bezug auf die Deutsche Telekom, die Deutsche Post oder die Deutsche Post nicht gibt.

Frage: Können Sie grundsätzlich noch einmal etwas zu dem Charakter dieses Berichtes sagen? Ist das so etwas wie ein ordnungspolitisches Wunschkonzert ohne Einfluss auf konkretes politisches Handeln, oder beschreibt der Bericht vielleicht die mittel- und langfristigen Perspektiven für die Beteiligungen?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen, wie gesagt, nur sagen, dass das ein Bericht ist, der alle zwei Jahre vorgelegt wird. Herr Jäger kann Ihnen aber sicherlich noch Weiteres dazu nachtragen.

Jäger: Dieser Bericht ist ein bewährtes und langgedientes Instrument der Privatisierungspolitik des Bundes. Im Rahmen dieser Politik ist festgeschrieben, dass es eine wichtige Voraussetzung für jedwede Privatisierung ist, dass kein wichtiges Bundesinteresse an einer solchen Beteiligung mehr besteht. Das muss in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Das tut dieser Bericht, der dann regierungsintern vorgelegt wird. Das haben wir in diesem Jahr getan. Wir werden jetzt an der einen Stelle redaktionell etwas nachbessern, damit deutlich wird, dass es da nicht zu Meinungsverschiedenheiten kommen kann. Ansonsten, denke ich, ist das aber keine große Sache. Wir werden das tun und wir werden den Bericht dann erneut dem Kabinett vorlegen.

Zusatzfrage: Nachbessern heißt, Sie wollen konkret an der Passage nachbessern, die sich auf die Deutsche Bahn bezieht?

Jäger: Wir werden uns noch einmal anschauen, wo es innerhalb des Ressortkreises noch Nachbesserungsbedarf oder Fragen gab - sprechen wir einmal lieber von Fragen. Das werden wir mit den Kollegen in den Ressorts diskutieren, und dann werden wir sicherlich Formulierungen finden, die für alle akzeptabel sind. Auf dieser Basis werden wir den Bericht dann erneut dem Kabinett vorlegen. In der Sache - das will ich noch einmal hinzufügen - hat sich Frau Wirtz dazu eben aber geäußert. Wir sprechen hier also wirklich von Textredaktion.

Frage: Zur Lage in der Ukraine und dem Telefonat der Kanzlerin mit Herrn Poroschenko: Ist da auch eine Bewertung gefallen im Zusammenhang mit möglichen Überlegungen, den Vertrag von Minsk zu kündigen, nachdem er aus Sicht der ukrainischen Regierung offensichtlich ohnehin relativ wertlos ist?

Zweite Frage: In Kiewer Berichterstattung über das Telefonat heißt es, Herr Poroschenko habe Russland für die zunehmenden Spannungen im Krisengebiet verantwortlich gemacht. Schließt sich die Bundesregierung dieser Einschätzung an?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal zu dem Telefonat der Kanzlerin mit dem ukrainischen Präsidenten: Es ist so, dass in dem Gespräch selbstverständlich noch einmal Beobachtungen zu der aktuellen Lage an der Grenze ausgetauscht wurden. Beide Seiten sehen die Entwicklungen nach wie vor mit Sorge, zumal von einem wirklichen Waffenstillstand nicht die Rede sein kann.

Ganz konkret zu Ihrer Frage: Beide stimmten darüber überein, dass die Minsker Vereinbarungen nach wie vor die richtige Grundlage sind, um auf schnellstmögliche Weise eine stabile Lage an der Grenze herzustellen und auch insgesamt die Stabilität der Ukraine wiederherzustellen. Das ist also nicht in Zweifel gezogen worden.

Zusatzfrage: Poroschenko sagt, verantwortlich für die Stabilität sei Moskau. Das ist ja der Grundtenor, der da immer durchschwebt. Würde sich die Bundesregierung dem ganz konkret im Moment anschließen?

SRS'in Wirtz: Die Bundesregierung hat immer wieder deutlich gemacht - auch hier bei verschiedenen Gelegenheiten - und hat immer wieder an den russischen Präsidenten appelliert, dass er seine Einflussmöglichkeiten auf die Separatisten nutzen sollte, um zu einer Deeskalation der Situation vor Ort beizutragen.

Frage: Frau Wirtz, sehen Sie aufgrund der jüngsten Entwicklungen eine Eskalation der Situation? Ist die Situation so, wie sie früher war, oder hat sich die Situation aus Sicht der deutschen Bundesregierung verschlechtert?

SRS'in Wirtz: Die Situation ist nicht da, wo sie wünschenswert wäre beziehungsweise sie ist nicht da, wie das die Parteien in den Vereinbarungen von Minsk niedergelegt haben. Das ist nach wie vor ein Prozess. Man kann mitnichten behaupten, dass man an dem Ziel einer stabilen Ukraine und eines Friedens zwischen den beteiligten Kräften wäre.

Zusatzfrage: Gab oder gibt es irgendwelchen Planungen, was einen Telefonkontakt zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Putin angeht, um die Lage zu erörtern?

SRS'in Wirtz: Wie Sie vielleicht wissen, ist die Bundeskanzlerin derzeit auf dem Flug nach Neuseeland und Australien. Insofern gibt es derzeit keine konkreten Pläne für irgendwelche Telefonkontakte. Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass im Rahmen des G20-Gipfels bilaterale Kontakte gesucht und gefunden werden. Es gibt aber im Moment keine konkreten Vorstellungen, wer mit wem spricht.

Frage: Zur Ukraine: Frau Wirtz, gestern hat die Bundeskanzlerin ein bisschen überraschend gesagt, dass über eine Verschärfung der Sanktionen derzeit nicht nachgedacht werde. Wenn ich mich recht entsinne, war zu Beginn der Woche eher die Tonlage, dass eine Verschärfung der Sanktionen durchaus eine Option wäre. Ich glaube sogar, dass das der Regierungssprecher hier an dieser Stelle so gesagt hat. Hat sich nach Ansicht der Bundesregierung die Lage in der Ostukraine wieder verbessert oder warum droht man erst mit Sanktionen und sagt dann "Na ja, eigentlich ist das momentan doch kein Thema"?

SRS'in Wirtz: Ich würde hier keine neue Bewertung der Situation sehen. Ich glaube, dazu ist es wichtig, zum einen zwischen Wirtschaftssanktionen oder Sanktionen einerseits und den Listungen andererseits zu unterscheiden. Die Kanzlerin hat gestern in ihrem Statement noch einmal deutlich gemacht, dass sie nicht ausschließt, dass es möglicherweise weitere Listungen geben könnte. Sie hat auch nicht gesagt, dass sie Wirtschaftssanktionen komplett ausschließt, sondern es ist im Moment nur nicht im Gespräch, dass es weitere Wirtschaftssanktionen gibt. Insofern glaube ich nicht, dass es eine unterschiedliche Wertung zwischen dem Beginn der Woche und dem heutigen Tage gibt.

Frage: Ich habe noch eine Verständnisfrage. Ende Juni gab es ein Telefonat zwischen der Kanzlerin, Herrn Putin, Herrn Hollande und Herrn Poroschenko, in dem von einem Mechanismus die Rede war, um den Waffenstilland und die Grenzsicherung zu überprüfen. Ist dieser Mechanismus inzwischen etabliert oder ist das ein Plan? Ich kann mir darunter nichts weiter vorstellen.

Herr Schäfer, vielleicht mögen Sie schon einen Ausblick auf das EU-Außenministertreffen geben und was bezüglich der Ukraine auf der Tagesordnung stehen könnte.

Schäfer: Vielleicht erlauben Sie mir zunächst, noch zwei Sätze zu den Vereinbarungen von Minsk zu sagen.

Die Vereinbarungen von Minsk sind alles andere als optimal und schon gar nicht perfekt. Aber diese Vereinbarungen sind das, was wir zurzeit haben. Die Vereinbarungen vom 5. und vom 19. September dieses Jahres haben einen Vorteil gegenüber allem anderen, was besprochen, erörtert, diskutiert, beraten wurde oder sonstwie in der Landschaft gewesen ist. Unter den 12 Punkten der Minsker Vereinbarungen vom 5. September stehen drei Unterschriften, nämlich die der Regierung in Kiew, die der Regierung in Moskau und die von Vertretern von Separatisten. Das heißt, es ist mindestens zu dem Zeitpunkt der Unterschrift der politische Wille aller drei Unterzeichner gewesen, genau diesen Plan zu verfolgen, auf diese Art und Weise zur Entspannung beizutragen und die Situation irgendwie in eine Fahrtrichtung zu bekommen, bei der wir, wie jetzt wieder, nicht immer wieder darüber reden, ob es eine Eskalation gibt und wohin diese führt oder wir gar Gefahr laufen, dass es erneut zu einer heißen militärischen Auseinandersetzung kommt.

Diese Minsker Vereinbarungen sind in einigen Punkten nicht umgesetzt. Der Außenminister hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass es nicht reicht, diese Vereinbarungen zu unterzeichnen, sondern dass es über einen längeren Zeitraum - mindestens mehrere Monate, wenn nicht gar Jahre - des politischen Willens der Unterzeichner bedarf, diese Vereinbarungen tatsächlich in die Tat umzusetzen, um eine Lösung für die schwierige Lage in der Ostukraine zu erreichen.

Die Minsker Vereinbarungen sind an mehreren Stellen unvollendet, zum Teil sind auch ihre Regelungen bewusst missachtet worden. Das gilt insbesondere für die vor Kurzem durchgeführten sogenannten Wahlen oder Abstimmungen in Donezk und Lugansk. Es war in dem Punkt 9 der Minsker Vereinbarungen ausdrücklich verabredet, dass das im Einklang mit dem ukrainischen Recht geschieht. Das ist nicht passiert. Das liegt eindeutig in der Verantwortung der Separatisten, die diese Vereinbarungen unterzeichnet haben und die sich nicht daran gehalten haben.

Nun zu Ihrer Frage, was den Außenministerrat angeht.

In der Tat ist die Ukraine-Krise weiter virulent. Deshalb ist sie zu Recht von Frau Mogherini, der Hohen Beauftragten, auf die Tagesordnung des Außenministerrats gesetzt worden. Auch bei den langen und intensiven Gesprächen, die der Außenminister unter anderem vorgestern Abend bei einem Abendessen in der Villa Borsig mit Frau Mogherini geführt hat, stand das Thema der Ukraine natürlich ganz oben auf der Tagesordnung. Es soll jetzt einmal den Beratungen der Außenminister vorbehalten bleiben, was an Entscheidungen getroffen wird. Frau Wirtz hat ja die Haltung der Bundesregierung dazu schon dargestellt und insbesondere unsere Erwartungen an die Unterzeichner der Minsker Vereinbarungen sowie unsere Erwartungen an die Regierung in Moskau bekräftigt.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Wirtz zu einem Vorgang im Bundestag, der momentan für Schlagzeilen sorgt. Offenbar ist der Fraktionschef der Linken von zwei Israel-Kritikern auf der Suche nach einer Erklärung für die Absage einer Veranstaltung durch die Gänge des Bundestages gejagt worden. Wie bewertet die Bundesregierung eigentlich die Tatsache, dass Abgeordnete der Linken zwei Personen für einen Vortrag einladen, die die israelische Siedlungspolitik in die Nähe von Nazi-Praktiken rücken?

SRS'in Wirtz: Ich denke, die Bundesregierung - und auch ich als Regierungssprecherin - ist jetzt nicht dazu berufen, Vorgänge zu kommentieren oder zu kritisieren, die im Bundestag ablaufen oder die von Bundestagsabgeordneten gemacht werden.

Ich kann als Regierungssprecherin für die Bundesregierung nur die Haltung der Bundesregierung zu Israel betonen. Diese Haltung, die wir hier oft genug bekräftigt haben, besteht darin, dass wir unverbrüchlich zu Israel stehen und das Existenzrecht von Israel anerkennen. Das ist die Haltung der Bundesregierung. Auf einzelne Punkte, die im Bundestag, im Parlament ablaufen, werde ich nicht eingehen.

Frage : Herr Dimroth, eine Frage im Zusammenhang mit den heutigen Festnahmen in Nordrhein-Westfalen, was das Milieu der Dschihadisten und der IS-Unterstützer angeht. Haben Sie einen Überblick über derzeit laufenden Ermittlungsverfahren beim Generalbundesanwalt einerseits und bei den Ermittlungsbehörden der Länder andererseits, was IS-Unterstützer angeht?

Dimroth: Ganz grundsätzlich hat sich der Bundesinnenminister heute schon hier im Rahmen der Pressekonferenz zu dem Gesetzentwurf Anti-Doping-Gesetz auch zu diesem Themenkomplex geäußert.

Zu den von Ihnen erfragten Zahlen: Sie haben richtigerweise selbst auf die Verfahrenshoheit des GBA respektive der Justizbehörden hingewiesen, sodass dort diese Frage richtig verortet wäre. Ich habe solche Zahlen nicht.

Frage : Eine Frage an Wirtschafts- und Innenministerium. Die Kanzlerin hatte gestern bei einer DEHOGA-Veranstaltung versprochen, dass dieses Gesetz, bei dem es darum geht, dass die WLAN-Netze in Deutschland offener werden, in den nächsten Wochen kommen werde. Das steht ja auch im Koalitionsvertrag. Können Sie vielleicht sagen, wann genau dieses Gesetz kommen soll und woran es eigentlich hakt? Gestern drückte sich die Kanzlerin mit den Worten aus, dass sie gerne Vollzug gemeldet hätte, aber das bislang leider nicht möglich ist. Wo hakt es?

Toschev: Danke für die Frage. - Mir sind die Äußerungen im Einzelnen nicht bekannt, aber es hakt nirgendwo, wie in Ihrer Frage unterstellt. Es ist richtig - das ist auch im Koalitionsvertrag so niedergeschrieben -, dass im Wege einer Änderung des Telemediengesetzes für die Anbieter von WLAN-Netzen Rechtssicherheit geschaffen werden soll. Wir hatten hier den Punkt schon mehrfach ausgeführt. Es gibt momentan Fragen der Rechtssicherheit, wenn sich Nutzer in solche Netze einloggen und wie gegebenenfalls mit den heruntergeladenen Inhalten umgegangen wird.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird dazu einen Gesetzentwurf vorlegen. Die Abstimmung dauert allerdings noch an, sodass ich Ihnen momentan noch keinen konkreten Termin nennen kann.

Zusatzfrage: Der Zeitrahmen von einigen Wochen ist richtig?

Toschev: Das kommt auf den weiteren Abstimmungsprozess an. Wir arbeiten daran.

Zusatzfrage: Wenn ich es richtig verstanden habe, liegt das beim Innenministerium. Können Sie ganz kurz sagen, was genau eigentlich die Bedenken des Innenministeriums sind?

Dimroth: Dem, was der Kollege des Wirtschaftsministeriums gerade ausgeführt hat, ist auch von meiner Seite aus eigentlich nichts hinzuzufügen. Es laufen dazu Gespräche. Ich sehe auch nicht, dass es sozusagen hakt, sondern man ist in einem konstruktiven Prozess, den ich auch dadurch nicht stören möchte, dass man jetzt Teile davon öffentlich austrägt. Mein Kenntnisstand ist, dass das sehr konstruktive Beratungen sind und wir tatsächlich zeitnah ein Ergebnis produzieren werden.

Toschev: Noch einmal zur Ergänzung: Es sind durchaus komplexe rechtliche Fragen - zum Beispiel Haftungsfragen -, die dahinter stehen und die geklärt werden müssen. Wir arbeiten daran.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium, was Sie in Ihrem Haus nach dem aktuellen Stand zu Investitionsschutzabkommen bezogen auf TTIP und CETA sagen. Das war nach meiner Beobachtung eine Ablehnung, die sich jetzt ein bisschen aufgeweicht hat, wenn ich die Zitate des Ministers aus Brüssel richtig gelesen habe. Wie ist die Haltung zum Investitionsschutz? - Danke!

Toschev: Der Minister hat am Montag die EU-Handelskommissarin Malmström hier in Berlin zum Gespräch getroffen, und es gab danach ein gemeinsames Pressestatement, was auch verfügbar ist. Er hat dort die Position, die er bisher hatte, bekräftigt und wiederholt dargelegt, dass es nach Auffassung der Bundesregierung solcher besonderen Regelungen zwischen Staaten mit belastbaren Rechtsordnungen nicht bedarf und dass wir bezüglich TTIP noch in einem Verhandlungsprozess sind, den die Kommission führt, wo sie ein Konsultationsverfahren bezüglich des Investitionsschutzes eingeleitet und auch abgeschlossen hat. Die Kommissarin hat gesagt, dass mehrere tausend Stellungnahmen eingegangen seien, die jetzt ausgewertet werden, und dass wir bei CETA ein Verhandlungsergebnis haben. Der Minister hat in dem Zusammenhang gesagt, dass er denkt, dass es nicht realistisch ist, dass es komplett keinerlei Regelungen dazu geben wird. Die Kommissarin hat auf der anderen Seite betont, dass im Rahmen des "legal scrubbing", also dieser Rechtsförmlichkeitsprüfung, noch einmal geschaut wird, was an Anliegen der Mitgliedstaaten eingebracht werden kann. Beide haben ihre Bereitschaft betont, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Ich empfehle, sich noch einmal den Wortlaut der Statements, der auf der Internetseite verfügbar ist, genau anzuhören.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 12. November 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/11/2014-11-12-regpk.html;jsessionid=D6198B43C11F4B1E52263038E01826D0.s1t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2014