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PRESSEKONFERENZ/945: Regierungspressekonferenz vom 23. Februar 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 23. Februar 2015
Regierungspressekonferenz vom 23. Februar 2015

Themen: Personalie, Medienberichte über einen möglichen Export deutscher Rüstungsgüter nach Litauen, Reexport ehemaliger NVA-Schützenpanzer aus Tschechien in den Irak, Erwerb von Marinehubschraubern durch die Bundeswehr, Griechenland, Masern-Ausbruch/Diskussion über Impfpflicht, Grippeimpfung, türkischer Militäreinsatz in Syrien, Ukraine-Krise, Facebook-Auftritt der Bundesregierung, Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen, Anstieg der Fälle von Kirchenasyl, Cyber-Angriff von NSA und GCHQ auf den SIM-Karten-Hersteller Gemalto

Sprecher: StS Seibert, Urban (BMEL), Gerhartz (BMVg), Toschev (BMWi), Maschke (BMG), Schäfer (AA), Jäger (BMF), Müller-Niese (BMI)


Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Urban: Einen schönen guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinen Namen, Jens Urban, haben Sie gehört. Ich bin der neue Sprecher im BMEL. Ich freue mich darauf, Sie persönlich kennenzulernen, nachdem ich als Hörfunkjournalist, Moderator und Redakteur in Nürnberg selbst vier Jahre lang journalistische Erfahrung gesammelt habe. Ich freue mich auf viele interessante Begegnungen, auf einen fairen und intensiven Austausch und natürlich auch darauf, Sie noch der Reihe nach persönlich in einzelnen Gesprächen kennenzulernen. Vielen Dank und auf eine gute Zusammenarbeit!

Vorsitzende Sirleschtov: Auch von uns vielen Dank und herzlich willkommen hier vorne! Sie erhalten auch noch so einen kleinen Starterkit, damit Sie wissen, wer wir sind und all so etwas.

Gerhartz: Ich möchte hier noch einmal kurz auf eine Berichterstattung vom Wochenende eingehen. Der Tenor, Deutschland würde den Nato-Partner Litauen nicht in seinem Bestreben unterstützen, Radpanzer vom Typ Boxer zu erwerben, ist falsch.

Die Presseanfrage, die wir im BMVg bekommen haben, ging in die Richtung, ob die Bundeswehr im Rahmen eines Government-to-Government-Geschäfts eigene Radpanzer aus eigenem Bestand oder aus dem Bestand, hinsichtlich dessen wir gerade noch dabei sind, ihn von der Industrie zu erwerben, an Litauen abgeben könnte. Das war die Anfrage. Sie wissen: Wir befinden uns selbst noch in der Phase der Auslieferung des von uns angemeldeten Boxer-Bestands durch die Industrie und können zum jetzigen Zeitpunkt keine Radpanzer aus dem eigenen Bestand abgeben. Litauen hat aber lediglich ein Interesse an einem Kaufgeschäft geäußert, und zwar nicht an einem Government-to-Government-Deal mit der Bundeswehr. Hier gibt es ein ganz normales Verfahren, und da ist es ja wohl klar, dass jedes Nato-Mitglied, das in Deutschland neues Gerät erwerben will, dies natürlich auch selbstverständlich tun kann. Ein Antrag seitens Litauens liegt jedoch noch nicht vor. Zur zeitlichen Einordnung: Litauen ist bestrebt, diese Panzer ca. ab 2017 bis 2020 geliefert zu bekommen. Wir reden jetzt also auch nicht gerade von heute.

Natürlich sind wir vom Bundesministerium der Verteidigung bereit, alles zu tun, um Litauen bei diesem möglichen Erwerb zu unterstützen. Wir können eine ganze Menge Fachunterstützung geben und natürlich auch bei der Abwicklung dieser Beschaffung tatkräftig helfen. Die Bundeswehr kann aber im Rahmen ihrer Unterstützung für die Nato-Partnerländer und im Rahmen ihrer Nato-Verpflichtungen derzeit auf eigenes Gerät nicht verzichten.

Ich bringe es noch einmal auf den Punkt; mein Fazit ist: Die Behauptung, dass die Bundesregierung ihrem Nato-Verbündeten Litauen diese Systeme verweigert und nicht ausliefern kann, ist schlichtweg falsch.

Frage: Herr Gerhartz, wie lange würde eine Auslieferung denn erfahrungsgemäß dauern, eine Neubeantragung eines solchen Loses eben solcher Boxer-Fahrzeuge?

Wenn ich darf, als Zweites direkt dazu gefragt: Wie sieht es denn mit dem Antrag zum Thema Panzerhaubitze 2000 aus? Handelt es sich hierbei um einen vergleichbaren Vorgang? Gibt es dazu aus Sicht der Bundesregierung eine andere Einschätzung?

Gerhartz: Wir müssen zwei Dinge grundsätzlich voneinander trennen. Wenn wir von einem Verbündeten - hier jetzt eben von Litauen - angefragt werden, dann müssen wir immer schauen, ob wir aus unserem eigenen Bedarf - das läuft dann immer unter diesem Label "Länderabgabe" - etwas abgeben können. Wir haben Litauen in den letzten Jahren zum Beispiel bis zu 300 gepanzerte Transportwagen vom Typ M113, wie sich dieses System nennt, im Wert von mehr als 2 Millionen Euro geliefert. Die geben wir natürlich und selbstverständlich ab, wenn wir sie selbst im eigenen Bedarf nicht benötigen.

Ansonsten gilt: Hat ein Nato-Mitglied einen Bedarf, den wir aber gerade noch nicht einmal ganz für uns selbst gedeckt haben, dann können wir natürlich bei der Beschaffung behilflich sein. Hier ginge es um das System Boxer, bezüglich dessen wir dann über OCCAR gehen, diese Rüstungsmanagement-Agentur, in der Deutschland und die Niederlande Partner sind. Wenn wir Litauen hier als Partner aufnehmen würden, dann kann ich Ihnen hier jetzt keine genaue Zeitvorstellung nennen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das bei den zeitlichen Vorstellungen, die Litauen bisher in seiner Interessensbekundung bekannt gegeben hat, also hinsichtlich einer Auslieferung bis 2020, auch möglich wäre.

Die andere Frage betraf die Panzerhaubitze 2000. Auch hierzu gibt es eine Interessensbekundung vonseiten Litauens, Systeme zu akquirieren. Da gilt genau dasselbe wie das, was ich gerade schon angesprochen habe. Wir müssen schauen: Was ist unser Bedarf? Wo können wir etwas abgeben? Wenn wir es etwas abgeben können, dann tun wir das natürlich. Wenn das aber über unseren Bedarf hinausgeht, dann muss das eben über den Export laufen.

Zusatzfrage: Wann rechnen Sie da mit einer Entscheidung?

Gerhartz: Ich habe ja gerade gesagt, dass wir noch gar keine offizielle Anfrage vorliegen haben, wieder eine Exportanfrage noch eine Voranfrage vonseiten Litauens. Im Moment sondiert man einfach Positionen im Bezug darauf, was möglich wäre und wo wir da helfen können. Die Bundesregierung wird natürlich alles tun, um dem Nato-Verbündeten Litauen zu helfen.

Frage: Kurze Anschlussfrage: Vielleicht können Sie noch einmal sagen, ob es überhaupt für irgendeine Waffengattung Einschränkungen bezüglich der Lieferung an einen Nato-Partner gibt.

Zweitens noch einmal zum Thema Panzerhaubitze 2000: Da soll es eine Regierungsanfrage geben. Ist die bei Ihnen also noch nicht eingegangen?

Gerhartz: Richtig, diese Anfrage vonseiten Litauens ist bei uns noch nicht eingegangen. Auch der litauische Botschafter hat gerade noch einmal bekräftigt, dass man die Anfrage noch gar nicht gestellt habe. Litauen ist EU- und Nato-Mitglied. Wir müssen schauen, was sie benötigen und was dann die konkrete Anfrage sein wird. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, dass wir zurzeit über ein System verfügen, das wir unserem Nato-Verbündeten verweigern würden.

Frage: Herr Seibert, man könnte ja auch ganz einfach sagen: Die gefühlte Bedrohung in Litauen ist größer als in Deutschland, wenn ich jetzt einmal in Richtung Russland blicke. Hat das Kanzleramt eine Meinung zur Lieferung insbesondere der Panzerhaubitze? Das würde ja, vermute ich einmal, von Russland als ein unfreundlicher Akt gewertet werden. Sieht die Kanzlerin also in diesem Fall einen Grund dafür, sich in irgendeiner Form zu positionieren, und zwar durch ein Ja oder ein Nein?

StS Seibert: Ich glaube, das, was der Sprecher des Verteidigungsministeriums gerade gesagt hat, hat er natürlich auch für die ganze Bundesregierung gesagt. Ich will hier nicht auf Einzelfälle eingehen. Aber dass Deutschland der Ertüchtigung und Entwicklung der Streitkräfte seiner Nato-Partner einen hohen Stellenwert beimisst und dass deswegen die Unterstützung aller Nato-Partner selbstverständlich ist, können Sie jetzt auch noch von mir mit dazu nehmen.

Zusatzfrage: Herr Gerhartz, in anderen Fällen - auch, was beispielsweise das "Air Policing" angeht - war die Bundesverteidigungsministerin, wenn ich mich richtig erinnere, relativ schnell und forsch dabei, großzügige Hilfe anzubieten. Das hat ja damals sogar manchem in der Bundesregierung nicht gepasst, als sie das erklärt hat. Hat die Verteidigungsministerin kein Verständnis dafür, dass man Litauen im Moment schneller als der Bundeswehr helfen sollte?

Gerhartz: Wenn Sie jetzt auf die sogenannten "Reassurance"-Maßnahmen und darauf zu sprechen kommen, dass wir uns diesen Maßnahmen, die von der Nato einstimmig beschlossen worden sind, angeschlossen haben: Ich glaube, darüber gab es innerhalb der Bundesregierung überhaupt keinen Dissens zwischen dem BMVg und damit der Bundesverteidigungsministerin und anderen Ressorts der Bundesregierung. Wir haben diese "Reassurance"-Maßnahmen gemeinsam beschlossen. Die baltischen Staaten - das ist ja nicht erst seit gestern so - sagen schon seit Jahren, dass sie noch nicht in der Lage sind, eine eigene "Air-Policing"-Flotte, also eigene Kampfflugzeuge, zu beschaffen. Das hat hauptsächlich finanzielle Gründe. Seit Jahren unterstützen die Nato-Partner und so auch Deutschland - so haben wir es letztes Jahr getan, und so werden wir es auch dieses Jahr wieder tun - unsere baltischen Nato-Verbündeten.

Frage: Herr Gerhartz, mich würde der Bestand der Boxer-Radpanzer der Bundeswehr interessieren. Wie viele davon sind einsatzbereit?

Zweite Frage: Sie sagten, dass an Litauen noch Transportwagen vom Typ M113 geliefert wurden, wenn ich mich richtig erinnern kann. Können Sie sagen, welche militärische Hilfe außerhalb des "Air Policing" - also in Form von Waffen oder Gegenständen - an Litauen und die baltischen Staaten in den letzten zwölf Monaten geliefert wurde?

Gerhartz: Ich kann Ihnen nicht die genaue Zeitlinie nennen und sagen, wann wir diese Transportpanzer M113 geliefert haben. Wir haben natürlich auch noch diverse Kleingeräte und die entsprechenden Ersatzteile mitgeliefert. Zu M113, und das ist die Zahl, die ich gerade konkret genannt habe: Es waren mehr als 300 Systeme.

Der andere Teil Ihrer Frage?

Zusatzfrage: Es ging um den Boxer-Bestand der Bundeswehr. Wie viele davon sind einsatzbereit?

Gerhartz: Zum Lieferstand: In der Beschaffung befinden sich insgesamt 272 Boxer. Davon sind gut 200 an uns ausgeliefert worden. Das heißt, die Lieferung dieses Loses, also dieses Bedarfs in Höhe von 272, werden wir erst nächstes Jahr abschließen, falls die Industrie denn auch pünktlich liefern wird.

Zur derzeitigen Einsatzbereitschaft: Ich habe jetzt keine konkrete Zahl dazu vorliegen, wie viele von diesen ca. 200 Boxern am heutigen Tag einsatzbereit sind. Aber Sie können immer davon ausgehen, dass wir gerade bei neuen Systemen - diese Diskussion hatten wir auch schon in den letzten Wochen hier geführt - immer einen Einsatzbereitschaftsstand von etwa 50 Prozent bis 60 Prozent haben. Aber ich kann Ihnen auch dazu keine konkrete Zahl nennen.

Was auf jeden Fall noch an Zahlen mitzunehmen wäre, und das zeigt auch unseren hohen Bedarf: Wir haben im Rahmen der diesjährigen Haushaltsaufstellung - diese Initiative kam entsprechend auch vom Parlament - gesagt, dass dieser Bedarf in Höhe von 272 Boxern für die Neuausrichtung der Streitkräfte zu gering ist. Wir haben hier einen Mehrbedarf in Höhe von weiteren 131 Boxern angemeldet, und im Rahmen der Haushaltsaufstellung haben wir jetzt auch schon eine Verpflichtungsermächtigung bekommen. Das heißt, wir werden diesen Bedarf in Höhe von 272 Boxern noch einmal um 131 erhöhen. Dann werden wir den Stand erreichen, dass von unseren sechs Panzerbataillonen, wenn ich hier einmal ins Detail gehen darf, lediglich 75 Prozent ausgestattet sein werden.

Das heißt, selbst wenn wir diesen Bedarf, diese weiteren 131 Boxer zusätzlich bekommen sollten, werden wir nicht umhin kommen können - das ist in der Praxis nicht schön, aber es geht eben nicht anders -, das entsprechende Gerät zu rotieren. Der Fachbegriff - ich möchte ihn eigentlich gar nicht nennen - nennt sich "dynamisches Verfügbarkeitsmanagement", und er ist in der Praxis genauso schlimm, wie er sich anhört. Das heißt, selbst dann würden wir lediglich über 75 Prozent der Ausstattung unserer Bataillone verfügen. Das heißt, wir sind noch weit von einer Vollausstattung entfernt, die wir uns zukünftig einmal wünschen würden.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung denn eine Verfügungsgewalt oder Kontrolle über den Verbleib der Waffen, die an ein Nato-Mitglied geliefert wurden? Darf ein Nato Land, das deutsche Waffen gekauft hat, diese Waffen also weiterverkaufen oder jemandem liefern?

Vorsitzende Sirleschtov: Wer kann diese Frage beantworten?

Gerhartz: Das ist eine Exportfrage.

Toschev: Grundsätzlich gelten für jeden Export von Rüstungsgütern die einschlägigen Vorschriften und insbesondere die politischen Grundsätze. Darin ist auch der Endverbleib niedergelegt; das ist so ganz üblich. Das gilt klar auch für EU- und Nato-Staaten. Die Angabe über den Endverbleib muss sich auf die Angabe beziehen, die dort gemacht wurde. Lediglich bei der Genehmigungserteilung wird zwischen EU-Staaten, Nato-Staaten und Nato-gleichgestellten Staaten, bei denen die Genehmigung grundsätzlich erteilt wird, weil sie eben Bündnispartner sind, und zwischen Drittstaaten differenziert, hinsichtlich der es eben eine sehr zurückhaltende Genehmigungspraxis gibt.

Zusatzfrage: Ehrlich gesagt habe ich das jetzt nicht ganz verstanden. Muss ein Nato-Land so eine Klausel akzeptieren, dass die Waffen, die von Deutschland gekauft wurden, in diesem Land verbleiben, oder nicht?

Toschev: Wenn die Angabe ist, dass das in dem Land verbleibt, dann muss das auch in dem Land verbleiben.

Frage: Herr Toschev, in diesem Zusammenhang würde ich gerne eine Frage zum geplanten Weiterverkauf von T-72-Panzern aus NVA-Beständen stellen, die damals an Tschechien abgegeben worden sind. In Tschechien wird zurzeit darüber diskutiert, diese Fahrzeuge an den Irak zum Kampf gegen den IS zu verkaufen. Gibt es dazu einen Stand? Ist die tschechische Regierung an Sie herangetreten, was diesen Weiterverkauf angeht? Würde die Bundesregierung das unterstützen?

StS Seibert: Wenn ich die Beantwortung übernehmen dürfte: Die Bundesregierung hatte ein großes Interesse daran, dass der IS-Terror wirksam abgewehrt werden kann und dass der Staat Irak auch nachhaltig stabilisiert werden kann. Dabei ist ein entscheidender Faktor die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen des Irak in die Politik des Landes. Der irakische Ministerpräsident Al-Abadi hat diesbezüglich einige wichtige Schritte unternommen, die auch unsere Anerkennung verdienen und unsere Anerkennung haben, also zum Beispiel die Bildung einer inklusiven Regierung.

Bei seinem Besuch in Deutschland Anfang Februar hat Ministerpräsident Al-Abadi erneut den Ausrüstungsbedarf der irakischen Armee für den Kampf gegen IS angesprochen. Er hat um die dringende Unterstützung der Bundesregierung gebeten. Es handelt sich dabei, wie Sie es angesprochen haben, um einen beantragten kommerziellen Reexport von 280 ehemaligen NVA-Schützenpanzer der Gattung BMP-1 aus Tschechien über Bulgarien in den Irak. Diese Panzer wurden von der Bundeswehr aus ehemaligen NVA-Beständen an Tschechien abgegeben. Die Ausfuhr aus Deutschland hat also bereits stattgefunden. Deutschland hat sich aber, wie es in diesen Fällen üblich ist, eine Mitsprache für Reexporte vorbehalten, und deswegen kommt die Sache jetzt zu uns zurück.

Vor dem Hintergrund des notwendigen Kampfes gegen IS sowie vor dem Hintergrund der jetzt inklusiven Neuausrichtung der neuen irakischen Regierung ist die Bundesregierung bereit, diesen Antrag zu prüfen. Sie prüft diesen Antrag derzeit gemäß den geltenden Bestimmungen.

Zusatzfrage: Kann man sagen, innerhalb welches Zeitrahmens so eine Prüfung abgeschlossen sein dürfte? Es eilt ja etwas.

StS Seibert: Ich kann hier keinen Zeitplan nennen. Wir prüfen das. Der Hintergrund der Anfrage, der Kampf gegen den IS-Terror, ist uns dabei sehr wohl bewusst. Es muss aber entsprechend der geltenden rechtlichen Bestimmungen geprüft werden.

Frage: Noch einmal zurück zum Boxer: Herr Gerhartz, ich bin nicht so vertraut mit dem Militär der Litauer. Wissen Sie, ob der Boxer dort für den Einsatz im eigenen Land oder für die litauischen Soldaten im Auslandseinsatz gedacht war?

Zur zweiten Frage: So ein Government-to-Government-Deal, wie Sie das genannt haben, ergibt ja nur Sinn, wenn man die Kapazität übrig hat, etwas abzugeben. Wann kam es denn das letzte Mal vor, dass die Bundeswehr etwas übrig gehabt hätte, das sie hätte abgeben können?

Gerhartz: Noch einmal zu diesem Punkt, wie Litauen dieses Gerät einsetzt: Wir haben bislang nur die Interessenbekundung vorliegen, dass Litauen grundsätzlich seine Landstreitkräfte modernisieren möchte. Bisher ist auch noch nicht mehr passiert. Sie haben diese Transportsysteme vom Typ M113, die wir ihnen damals aus Überbeständen geliefert haben, schon eine ganze Weile in der Nutzung. Wie ich das sehe, wollen sie genau diese Flotte jetzt weiter modernisieren.

Das andere ist, und hier müssen wir immer sauber trennen: Was ist unser Bedarf, und wo kommen da, wie der Fachterminus lautet, Länderabgaben zustande? Wo haben wir Systeme, die wir abgeben können, ohne dass damit unsere eigene Einsatzbereitschaft infrage gestellt wird? Das klassischste Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Waffenlieferung an die Peschmerga.

Frage: Herr Toschev oder Herr Gerhartz, kann es sein, dass sich Litauen jetzt gegenüber der Konkurrenz für einen Kauf von dem Boxer vergleichbaren Produkten interessiert? Das ginge dann, nehme ich einmal an, zulasten deutscher Arbeitsplätze, wenn die deutsche Rüstungsindustrie nicht liefern könnte. Spielt die Existenznot der deutschen Rüstungswirtschaft in Ihren Überlegungen gar keine Rolle? Es gibt ja Konkurrenz.

Toschev: Wir bewegen uns da, glaube ich, im spekulativen Bereich. Herr Gerhartz hat gerade gesagt: Der litauische Botschafter selbst hat dazu Stellung genommen, dass es gar keinen Antrag gibt. Ich kann mich also auch nicht dazu äußern, was wäre, wenn es einen gäbe.

Zusatzfrage: Herr Gerhartz, gibt es denn nach Ihrem militärischen Sachverstand konkurrenzfähige Produkte von befreundeten Rüstungsgüterherstellern, die ein Interesse an dieser Debatte haben könnten?

Gerhartz: "Nice try", Herr Wonka! Ich kann mich da nur wiederholen: Wir haben bisher nur Interessensbekundungen vorliegen. Wir haben noch überhaupt gar keine schriftliche oder formelle Vorabanfrage seitens Litauens vorliegen. Warten wir das doch erst einmal ab.

Frage: Obwohl der litauische Antrag noch nicht gestellt ist: Geht es um eine kostenlose Abgabe und um eine kommerzielle Bestellung dieser Boxer-Panzer?

Gerhartz: Ich glaube, ich habe das vorhin in meinem ersten Statement klargemacht: Litauen denkt nach unseren Kenntnissen darüber nach, bis zu 100 neue Fahrzeuge dieses Systems Boxer zu akquirieren, und das ist natürlich ein Kaufgeschäft.

Frage: Herr Seibert, eine generelle Frage: Was unternimmt die Bundesregierung, die Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeschlossen hat, um zu verhindern, dass deutsche Waffen auf Umwegen an die ukrainische Armee geliefert werden?

StS Seibert: Gut, in diesem ganz anderen Zusammenhang ist ja hier davon gesprochen worden, dass bei deutschen Waffenlieferungen in aller Regel natürlich Endverbleibserklärungen abgegeben werden und dass wir uns, wie ich in dem ganz anderen Fall beschrieben habe, auch eine Mitsprache in Bezug auf mögliche weitere Exporte in Drittländer vorbehalten, die wir dann eben genehmigen oder nicht. Das ist jetzt eine ganz allgemeine Auskunft, und etwas anderes kann ich Ihnen auch zu diesem Fall nicht sagen.

Frage: Herr Seibert, weil Sie die T-72-Panzer aus NVA-Beständen angesprochen haben: Gäbe es prinzipiell Hinderungsgründe für Deutschland, modernstes Panzergerät an den Irak zu liefern, so es eine solche Anfrage gäbe, oder bezieht sich die Genehmigung zum Weiterexport nur auf veraltetes gepanzertes Material?

StS Seibert: Ihre Kenntnis von NVA-Panzern ist sicherlich besser als meine. Ich will nur, damit wir keine Unklarheiten aufkommen lassen, noch einmal sagen: Nach meinen Unterlagen ist das der amphibische Kettenpanzer BMP-1 aus sowjetischer Entwicklung mit einer 73-Milimeter-Kanone und einem Maschinengewehr sowie Platz für eine dreiköpfige Besatzung und acht weitere Soldaten. Ich weiß nicht, ob der noch eine zweite Bezeichnung hat.

Jetzt habe ich Ihre Frage vergessen. - Nein, sie ist mir wieder eingefallen!

Zusatzfrage: Wenn wir das alte Gerät verkaufen, könnten wir auch ohne Skrupel und ohne Bedenken modernstes Gerät verkaufen. Ist das der Stand der Überlegungen?

StS Seibert: Ich spekuliere hier grundsätzlich nicht über Interesse an Waffen oder Waffenabgaben, die gar nicht in Rede stehen. In Rede steht das, was die irakische Regierung gerne zur Ertüchtigung und Modernisierung ihrer Armee hätte, nämlich den Export von 280 ehemaligen NVA-Schützenpanzern, die einstmals von Deutschland aus NVA-Beständen an Tschechien abgegeben wurden. Nur darüber kann ich hier sprechen.

Frage: Ich hätte noch eine Frage an Herrn Gerhartz. Können Sie sich vielleicht zu anderen Nachrichten vom Wochenende äußern, wonach die Bundeswehr Marinehubschrauber erwerben will, die nicht über Nordsee und Ostsee fliegen dürfen?

Gerhartz: Da wir jetzt nicht bei Litauen sind: Ich die Frage gerne übernehmen, aber - -

Vorsitzende Sirleschtov: Wollen Sie?

Gerhartz: Das überlasse ich Ihrer Moderation. Also wechseln wir das Thema und kommen von "Boxer und Litauen" zum sogenannten "Sea Lion", zum Marinehubschrauber. Der "Sea Lion" wird bei der Auslieferung an die Bundeswehr alle geforderten Fähigkeiten haben, die wir benötigen. Das schließt natürlich auch den Einsatz über See und auch den Einsatz als Rettungshubschrauber ein.

Zum jetzigen Zeitpunkt verfügt er in der Version, in der wir ihn jetzt dort stehen haben, also in der Version NH 90, schon über dieselbe Klassifizierung für diese Aufgabe als Rettungshubschrauber über See wie das System, das wir schon seit Jahren bewährt im Einsatz haben, den sogenannten "Sea King". Das reicht uns natürlich noch nicht. Wir wollen bei einem neueren System natürlich noch bessere Standards haben. Jetzt würde er also, wie gesagt, schon für diese Aufgabe ausreichen, aber die Einführung beginnt ja jetzt erst. Wir haben ja noch gar nicht den Vertrag, und wir werden den "Sea Lion" auch erst in ein paar Jahren erhalten. Wir sind uns also ziemlich sicher, dass er auch genau all das können wird, was wir brauchen.

Frage: Eine Frage an das Gesundheitsministerium, die im Moment möglicherweise auch viele Eltern bewegt - Sie dachten es sich sicher, das Thema Masern und die Frage nach der Impfpflicht -: Müssen Eltern in Deutschland jetzt mit einer Impfpflicht rechnen? Wie steht das Ministerium zu den sogenannten Masernpartys, zu denen Eltern ihre Kinder absichtlich schicken, damit diese immunisiert werden oder sich mit Masern anstecken?

Maschke: Vielen Dank für Ihre Frage. Es ist natürlich so, dass wir jetzt eine Kraftanstrengung brauchen. Wir nehmen die aktuelle Lage sehr ernst, deshalb werden wir auch mit dem Präventionsgesetz Maßnahmen ergreifen, um die Beratung und Aufklärung zu verbessern. Das ist einmal der Nachweis über die Impfberatung beim Kita-Eintritt, und das Zweite ist die Beratung und Überprüfung des Impfstatus bei Gesundheitsüberprüfungen für Kinder, für Jugendliche und auch für Erwachsene. Wenn das nicht hilft, wird man über Maßnahmen sprechen müssen.

Der Minister hat sich dazu am Wochenende geäußert, auch zu dem Ausbruch in Berlin. Ich kann Ihnen das gerne einmal vorlesen:

"Der Masernausbruch in Berlin zeigt, wie wichtig ein guter Impfschutz ist. Ich rate dringend dazu, den eigenen Impfstatus überprüfen zu lassen und die empfohlenen Impfungen nachzuholen. Die empfohlenen Impfungen sind sicher und werden von der Krankenkasse bezahlt. Die irrationale Angstmacherei mancher Impfgegner ist verantwortungslos. Wer seinem Kind den Impfschutz verweigert, gefährdet nicht nur das eigene Kind, sondern auch andere - das kann zu schweren Gesundheitsschäden führen."

Zusatzfrage: Danke, das hat eine weitere Frage aufgerufen und eine nicht beantwortet, nämlich die Frage nach den Masernpartys. Wie stehen Sie dazu?

Zweitens. Sie sagen: "Wenn das nicht hilft, wird man über Maßnahmen sprechen müssen." Können Sie das bitte etwas konkretisieren? An welchen Zeitrahmen wird da gedacht? Könnte dann tatsächlich bei bestimmten Krankheiten eine Pflicht kommen?

Maschke: Zu der ersten Frage zu den Masernpartys: Es ist natürlich so, dass das nicht unterstützt werden sollte und dass das Ministerium das nicht wünscht.

Zu der zweiten Frage kann ich mich nur wiederholen: Wenn die Maßnahmen, die wir angedacht haben, nicht greifen, dann muss man über weitere sprechen. Aber dazu kann ich jetzt noch nichts sagen.

Frage: Ich habe zum Thema Impfen noch eine Anschlussfrage, allerdings nicht zu den Masern, sondern zur Grippe: Wissen Sie, wie viele Impfdosen und Medikamente gegen Grippe momentan in Deutschland für den Fall einer Pandemie vorgehalten werden?

Anschließend daran: Wie viele Medikamente mit dem Tamiflu-Wirkstoff mussten in den letzten Jahren vernichtet werden, weil sie nicht gebraucht wurden und ihre Haltbarkeit abgelaufen ist? Welchen Wert hatten diese Medikamente?

Drittens: Wann wird der Nationale Pandemieplan fertig überarbeitet?

Maschke : Zu Ihrer ersten und zweiten Frage: Die genauen Zahl müsste ich Ihnen nachreichen, dazu kann ich Ihnen jetzt nichts sagen. Ich werde mir das notieren.

Zu Ihrer dritten Frage: Da kann ich Ihnen leider noch kein Datum nennen, das ist gerade noch in Bearbeitung.

Frage: Frau Maschke, ich habe noch nicht ganz verstanden, worin die Position des Bundesministers in Sachen Impfpflicht nun genau besteht. Hält er die Argumente der Impfgegner, die sagen, das sei ja mit dem Grundgesetz - Unverletzlichkeit der Persönlichkeit - nicht vereinbar, für so manifest, dass er sagt: Eine Impfpflicht kommt in Deutschland nicht infrage?

Maschke: Ich kann mich da nur wiederholen: Wir setzen jetzt erst einmal auf eine Impfberatung vor Kita-Eintritt und eine Beratung und Überprüfung des Impfstatus bei Gesundheitsuntersuchungen. Das soll im Präventionsgesetz geregelt werden. Was wir tun können, wenn das nicht hilft, muss dann noch einmal gesondert besprochen werden.

Frage: Herr Oberst, in der Nacht zum Sonntag sind mehrere hundert türkische Eliteeinheiten in Syrien einmarschiert und haben dort das Mausoleum, die Grabstätte von Suleiman Shah geräumt und gesichert. Das ist seit 1921 türkisches Hoheitsgebiet, 2 Hektar groß - verhandelt mit Frankreich. Gibt es im Verteidigungsministerium irgendwelche Pläne, wie man dieses Gebiet schützt? Die Türkei ist ja der zweitgrößte Nato-Partner, glaube ich.

Gerhartz: Ich glaube, diese Frage gebe ich erst einmal an das Auswärtige Amt ab.

Schäfer: Danke für die Frage. Wir haben das, was dort passiert ist, gestern und vorgestern sehr aufmerksam über die Medien verfolgt. Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich dabei zunächst einmal um einen bilateralen Vorgang zwischen der Türkei und Syrien. Sie wissen sicherlich, dass das, was Sie gerade Ihrer Frage vorangestellt haben, nämlich den völkerrechtlichen Status dieser Exklave, zwischen den beiden Ländern streitig ist. Da gibt es aus Sicht der Bundesregierung jetzt keinen Grund, hier deutlich Position zu beziehen. Sie können sich aber denken und vorstellen, dass die Bundesregierung mit ihrem Nato-Partner Türkei in dieser Angelegenheit in einem engen Austausch steht.

Die Frage, die Sie eigentlich gestellt haben - Nato-Territorium, Verteidigung etc. -, stellt sich nicht, jedenfalls zurzeit nicht - schlicht und ergreifend deshalb, weil es nach meiner Kenntnis überhaupt keine Bemühungen oder Anstrengungen der türkischen Regierung gibt, dieses Thema in irgendeiner Weise im Nato-Kreis aufzunehmen.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium: Können Sie bestätigen, dass die Liste der griechischen Reformvorschläge jetzt schon eingegangen ist? Sollte das der Fall sein, gibt es eventuell sogar schon eine erste Reaktion?

Jäger: Ich habe die Meldung in den Agenturen gesehen, dass die Liste wohl in Brüssel angekommen sein soll. Das kann ich nicht bestätigen; denn ich kann nicht für die Troika, also für die drei Institutionen, sprechen.

Damit ist aber auch schon gesagt, wie das weitere Verfahren sein wird: Die Institutionen, wie wir das jetzt nennen, werden sich diese Liste zunächst anschauen - so ist es am Freitag vereinbart worden - und ihrer Einschätzung dazu abgeben. Auf dieser Basis wird es dann morgen einen Austausch der Eurogruppe auf Ministerebene geben. Nach jetziger Planung wird das in Form einer Telefonkonferenz stattfinden. In diesem Format wird man sich dann darüber verständigen, ob die Liste als ausreichend eingeschätzt wird. Wenn das so ist, dann kann all das beginnen, was am Freitag in Brüssel verabredet wurde. Dann würde man den Schritt einer Verlängerung des laufenden Programms um vier Monate gehen.

Frage: Herr Schäuble hat uns schon sehr genau über Kalender, Schaltjahre und Daten aufgeklärt. Bezog sich diese Deadline "28. Februar, Mitternacht, over" auf die Einigung, die inzwischen in Brüssel erreicht wurde, oder bezieht sie sich auf alles - einschließlich parlamentarischer Verfahren wie zum Beispiel der Zustimmung des Bundestags?

Jäger: Es ist rechtlich so, dass das laufende Programm, das ja schon bis Ende Februar verlängert wurde, wenn es bis Ende Februar - das heißt, vor dem 28. Februar um 24 Uhr - nicht zu einer weiteren Verlängerung kommt, auslaufen und damit enden wird.

Zusatzfrage: Heißt das, es steht darin, dass so eine Verlängerung nur während der Laufzeit des Programms erfolgen kann und nicht zum Beispiel, nachdem die Uhr angehalten wurde und man dann rückwirkend beschlossen hat, es doch zu verlängern?

Jäger: Wenn das Programm ausgelaufen ist, dann ist es erloschen. Dann müsste man über ein neues Programm verhandeln.

Frage: Herr Jäger, noch einmal zum Brief aus der letzten Woche: Herr Tsipras soll den Brief mit Herrn Juncker in Brüssel erarbeitet haben. Herr Tsipras soll achtzehnmal mit Herrn Juncker telefoniert haben, teilweise stundenlang. Wie oft haben Herr Junker und Herr Schäuble in der letzten Woche miteinander telefoniert?

Jäger: Ich werde hier nicht, wie wir es sonst auch nicht tun, darüber Auskunft geben, wann und wie oft Herr Schäuble mit Herrn Juncker spricht, sei es am Telefon oder von Auge zu Auge. Lassen Sie es dabei bewenden, dass Herr Schäuble selbstverständlich in einem regelmäßigen Austausch mit Herrn Juncker steht.

Zusatzfrage: War der Bundesregierung denn klar, dass dieser Brief eher oder größtenteils in Brüssel als in Athen erstellt worden ist?

Jäger: Das ist gar nicht relevant; denn Absender des Briefs ist die griechische Regierung in Athen. Das ist ein Brief der griechischen Regierung, den wir wiederum für uns bewertet haben. Damit ist alles gesagt, was man zu diesem Brief sagen kann.

Frage: Herr Jäger, wann und in welcher Weise wird der Bundesfinanzminister denn den Bundestag über das Ergebnis von Freitagabend informieren?

Jäger: Der Bundesfinanzminister hat den Bundestag schon informiert. Es gab eine erste Unterrichtung der Ausschussvorsitzenden und der Fraktionsspitzen am Samstag in der Früh. Es gab auch, wenn ich es richtig sehe, schon am Freitag ein erstes Telefongespräch. Das heißt, wir sind ohnehin schon im engen Austausch mit dem Bundestag. Der Deutsche Bundestag wurde auch im Vorfeld des Treffens am Freitag unterrichtet. Der Minister wird den Bundestag heute erneut unterrichten. Insofern sind wir, glaube ich, was die Unterrichtungspflichten angeht, voll im Programm. Wir haben natürlich ein großes Interesse daran, dass der Bundestag umfassend und zeitnah über all diese Zusammenhänge von uns informiert wird.

Zusatzfrage: Werden bei dieser heutigen Unterrichtung die Fraktionsvorsitzenden informiert, oder wie passiert das?

Jäger: Er wird sich heute mit den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden zusammensetzen. Das ist aber ein laufender Prozess. Es gibt hier sehr viele Gespräche, im informellen Bereich wie auf dem Feld der formellen Unterrichtung.

Frage: Herr Jäger, letzte Woche hat das Bundesfinanzministerium vor der Institution Stellung bezogen. Wieso gibt es diesmal diese Zurückhaltung vom Bundesfinanzministerium?

Zweitens: Ich höre von etlichen Abgeordneten des Regierungslagers, die sagen, vor dem 28. werde es kaum zu einer Entscheidung des Bundestags kommen. Wenn Griechenland oder die griechische Regierung diesmal fristgerecht die Vorschläge präsentieren, der Deutsche Bundestag dann nicht bis zum 28. eine Entscheidung treffen wird und Sie jetzt sagen "Am 28. um 12 Uhr nachts ist alles vorbei", dann ist Deutschland eigentlich der Schuldige!

Jäger: Ich kann zur ersten Frage nur sagen: Wir können natürlich nur Dinge kommentieren, die uns vorliegen. Im Augenblick liegt uns die Liste noch nicht vor. Insofern kann ich sie auch nicht kommentieren.

Zur zweiten Frage: Das kann ich so nicht stehen lassen. Wir haben von Anfang an sehr deutlich gemacht, dass das Programm nicht nur Ende Februar ausläuft, sondern dass es auch, und das gilt nicht nur für Deutschland, für eine Reihe von Mitgliedstaaten der Eurozone die Notwendigkeit gibt, die nationalen Parlamente zu befassen. Dafür braucht es Zeit. Insofern ist es jetzt nicht in Ordnung, hier Verantwortung hin- oder herzuschieben. Ich sage Ihnen: Wir werden den Deutschen Bundestag rechtzeitig befassen, und es gibt hier überhaupt keine Zwangsläufigkeit im Bezug darauf, dass das nicht gelingen sollte. Wir sind hier also nach wie vor in einem Bereich, in dem eine erfolgreiche Verlängerung des Programms möglich ist. Das ist überhaupt nicht ausgeschlossen. Das hängt allerdings natürlich davon ab, ob die Liste morgen den Ansprüchen der drei Institutionen und der Minister der Eurogruppe genügen wird.

Zusatz: Abgesehen von den Inhalten, da wir diese Inhalte und die Bewertung der Institutionen auch noch nicht kennen: Das, was Sie vorhin gesagt haben, erscheint so, als ob die Zeit überhaupt nicht dafür ausreichen wird, dass der Deutsche Bundestag bis zum 28. Februar eine Entscheidung treffen wird.

Jäger: Nein, das habe ich nicht gesagt; da hätten Sie mich völlig falsch verstanden. Zum einen halte ich noch einmal ausdrücklich fest, dass das in der Verantwortung des Deutschen Bundestags liegt. Das ist nicht die Aufgabe der Regierung. Wir werden unseren Antrag im Deutschen Bundestag rechtzeitig stellen, und ich sehe keinen Grund oder keinen Ausschlussgrund dafür, dass es nicht gelingen sollte, dieses Programm in dieser Woche zu verlängern. Aber noch einmal: Das liegt in der vorrangigen Verantwortung und ist die vorrangige Aufgabe des Deutschen Bundestags. Das hängt - das ist der zweite Punkt, den man immer wieder machen muss - natürlich von der Qualität der aus Athen übersandten Liste ab.

Frage: Aber gerade Herr Michelbach meinte in einer Sendung, dass die Zeit nicht ausreiche, um das Programm zu überprüfen, und dass die Entscheidung des Bundestages daher erst im März fallen sollte. Wie ist das genau, weiß Herr Michelbach nicht, was er sagt und worum es geht? Liegt er total daneben, oder gibt es doch eine rechtliche Möglichkeit, diese Entscheidung auch im März herbeizuführen?

Jäger: Ich kann selbstverständlich nicht für Herrn Michelbach sprechen. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Bundesregierung wird ihren Antrag rechtzeitig auf den Weg bringen.

Frage: Herr Jäger, auf der griechischen Liste soll auch die Bekämpfung des Zigarettenschmuggels stehen. Meine Frage: Wie viel an Steuereinnahmen geht der Bundesrepublik durch den Zigarettenschmuggel derzeit geschätzt - ich weiß, darüber gibt es Zahlen - durch die Lappen?

Zweite Frage: Wieso beschließt die Bundesregierung nicht, den Zigarettenschmuggel zu beenden, um mehr Geld für den eigenen Haushalt zur Verfügung zu haben?

Jäger: Ich kann Ihnen an dieser Stelle nicht sagen, ob auf der griechischen Liste davon die Rede ist, den Zigarettenschmuggel zu beschränken.

Zusatzfrage: Wie viele Millionen oder Milliarden gehen der Bundesrepublik Deutschland durch Zigarettenschmuggel derzeit durch die Lappen? Wieso beschließt die Regierung - möglicherweise anders als die griechische Regierung - keine grundlegende Korrektur dieses Missstandes?

Jäger: Der Versuch ist sehr elegant; das anerkenne ich. Dennoch bleibt es dabei: Wir warten ab und werden sehen, was die griechische Regierung uns vorlegen wird. Auf dieser Basis werden zuerst die drei Institutionen und dann wir urteilen.

Frage: Noch einmal kurz zur Information des Bundestags: Es ist ja gut, dass schon informiert wird. Aber spannend ist eben die Bewertung der Liste, an der ja noch gearbeitet wird und die Sie noch nicht kennen, durch den Minister. Wann wird Herr Schäuble den Bundestag denn in welcher Runde und in welchem Format darüber informieren?

Jäger: Darüber, wie der Bundesfinanzminister die Qualität der Liste aus Athen einschätzt, kann er erst morgen nach Beendigung der Telefonkonferenz der Eurogruppe auf Ministerebene unterrichten; denn diese Telefonkonferenz auf Ministerebene hat ja eben den Zweck, sich ein gemeinsames Urteil zu bilden. Wenn die Minister gemeinsam zu einem solchen Urteil gekommen sein werden, dann wird der Bundesfinanzminister auf dieser Grundlage dem Bundestag hierüber unterrichten.

Frage: Herr Jäger, letzte Woche hatten wir ja gerade klare Kriterien der Eurogruppe erfahren, wie ein Brief aus Athen aussehen müsse. Jetzt soll diese Reformliste eingehen und den Anforderungen genügen. Wie sehen denn diese Anforderungen aus? Wie detailliert soll dieses Programm der griechischen Regierung denn sein?

Jäger: Das sind jetzt, glaube ich, zwei unterschiedliche Dinge. Vergangene Woche wurden am Montag bei der Sitzung der Eurogruppe fünf Kriterien formuliert, denen ein Antrag aus Griechenland zu genügen hat. Es wurde dann aus welchen Gründen auch immer am Freitag eine gemeinsame Erklärung der Eurogruppe verabschiedet. Diese Erklärung enthält diese fünf Bedingungen auf Punkt und Komma. Diesem Rahmen, im Rahmen des laufenden Programms seine Verpflichtungen zu erfüllen, hat sich Griechenland verpflichtet. Griechenland hat sich im Rahmen dieser Erklärung dazu verpflichtet, mit der Troika, die jetzt "Institutionen" genannt wird, zusammenzuarbeiten. Griechenland hat zugesagt, alle Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern zu erfüllen. Griechenland hat ebenfalls zugesagt, keine bereits umgesetzten Reformmaßnahmen zurückzunehmen und keine einseitigen Maßnahmen zu verhängen. Es ist vereinbart worden, dass es - wie schon bislang im Programm vorgesehen - eine Überprüfung durch die Institutionen geben wird, und zwar zum Abschluss des Programms. Wenn diese Überprüfung positiv ausfallen wird, dann wird es zu einer Auszahlung der vorgesehenen Programmmittel kommen können.

Jetzt sind wir in einer Situation, in der Griechenland im Programm ist. Wir haben immer gesagt: Wenn dieser Fall gegeben ist, dass Griechenland im Programm ist, dann gibt es natürlich Flexibilitäten. Dann können wir darüber reden, welche Reformmaßnahmen den gesetzten Haushaltszielen und Fiskalzielen entsprechen und wie wir das umsetzen. Wir sehen da durchaus einige Freiheiten aufseiten der griechischen Regierung, aber innerhalb des durch das Programm gesetzten Rahmens.

Worum wir die griechische Regierung jetzt gebeten haben, ist letztlich, das zu konkretisieren, was Herr Varoufakis auch schon im Vorfeld angedeutet hat. Er sagte damals: "Wir werden 70 Prozent der Maßnahmen des Programms umsetzen und würden gerne 30 Prozent selbst ausgestalten." Das, was wir jetzt von der griechischen Regierung in einem ersten Schritt erfahren möchten, ist sozusagen, wie dieses Gesamtbild ausschauen wird. Wir erwarten eine erste Liste mit Reformvorhaben. Das ist nicht die abschließende Liste. Die wird dann bis Ende April gemeinsam erarbeitet werden. Aber wir denken doch, dass eine erste Liste kohärent und plausibel sein muss.

Frage: Herr Jäger, was den Bundestag betrifft: Heißt das, selbst wenn es Freitag werden würde, was die Abstimmung betrifft, würde das noch ausreichen, um das Programm zu verlängern?

Zur zweiten, ganz kurzen Frage, die ich habe: Man hört, das griechische Programm habe ein Volumen von gut 7 Milliarden Euro, die man mehr in die Kasse bekommen möchte. Entspräche das in etwa dem, was auch Sie sich von diesem Programm versprechen? Sie haben ja auch Zahlen über den griechischen Haushalt vorliegen.

Jäger: Die zweite Frage habe ich jetzt nicht richtig verstanden.

Zusatzfrage: Das Hilfsprogramm, so ist zu lesen, also die Maßnahmen, die die griechische Regierung erfüllen möchte, habe ein Volumen von gut 7 Milliarden Euro, die man dadurch zusätzlich in die Kasse bekommen möchte. Die Frage ist, ob das aus deutscher Sicht ausreichen würde.

Jäger: Das kann ich nicht einschätzen, denn ich habe im Augenblick keinen Überblick über die Liquiditätssituation der griechischen Regierung.

In der Tat richtig ist: Wenn das Programm nach erfolgreicher Überprüfung durch die drei Institutionen abgeschlossen werden würde, dann würden Griechenland Programmmittel zur Verfügung stehen, und es würde auch zur Auszahlung noch zurückgehaltener SMP-Mittel kommen. Zusätzlich, nehme ich an, würde dann auch der IWF die von ihm in Aussicht gestellten Mittel Griechenland zugänglich machen. Vom Volumen her stehen Programmmittel in Höhe von 1,8 Milliarden Euro aus. Die SMP-Mittel betragen rund 1,9 Milliarden Euro. Über die IWF-Mittel kann ich jetzt hier nichts sagen; das wäre Aufgabe des IWF. Aber unser Eindruck ist: Wenn man all das aufaddiert, dann kommt man auf eine Summe von rund 7 Milliarden Euro, was aber - das füge ich ausdrücklich noch einmal hinzu - voraussetzt, dass das laufende Programm durch Griechenland erfolgreich abgeschlossen wird, dass dieser Abschluss von den drei Institutionen festgestellt wird und dass sich die Minister in der Eurogruppe damit befassen.

Zusatzfrage: Reicht das Donnerstag oder Freitag noch?

Jäger. Ja. Wenn der Bundestag bis Freitag einer Verlängerung zustimmen wird, dann werden wir es möglich machen, noch rechtzeitig vor dem Auslaufen der Frist eine Verlängerung auf den Weg zu bringen.

Frage: Herr Jäger, ich habe zwei Fragen. Vielleicht können Sie uns eine Zeitvorstellung davon geben, was passieren würde, wenn dieses Programm jetzt auslaufen würde und man ein neues Programm beschließen müsste. Kann das innerhalb einer Woche, eines halben Monats oder eines Jahres passieren? Da gibt es ja auch Fristen. Wäre das Ihrer Meinung nach also sehr viel mittel- oder langfristiger?

Das Zweite: Ist das Finanzministerium angesichts der Berichte, dass Griechen offenbar erhebliche Mittel von ihren Bankkonten abziehen, eigentlich besorgt, dass unabhängig von der Diskussion, die jetzt läuft, das griechische Bankensystem vielleicht schon deswegen zusammenbrechen wird, weil einfach keine Liquidität mehr vorhanden ist?

Jäger: Zur zweiten Frage will ich mich hier nicht äußern.

Die erste Frage habe ich jetzt vergessen, weil ich mich so intensiv mit der zweiten beschäftigt habe.

Zusatzfrage: Wie lange würde es dauern, ein neues Programm aufzusetzen?

Jäger: Es ist keine Kleinigkeit, ein neues Programm aufzusetzen, denn wir würden dann von einem dritten Hilfsprogramm reden. Die Erfahrung zeigt, dass so etwas sehr leicht einige Wochen, wenn nicht gar Monate in Anspruch nehmen kann.

Frage: Herr Jäger, Sie sprachen von den gesetzten Haushalts- und Fiskalzielen, die jetzt mit Blick auf die Bedingungen erfüllen werden müssten. Heißt das, wir reden jetzt über den Austausch von Maßnahmen, aber nicht etwa über Dinge wie einen veränderten Primärüberschuss im griechischen Haushalt?

Jäger: Nein, das tun wir ausdrücklich nicht. Wenn Sie sich die Passage zum Primärüberschuss in der Erklärung anschauen, dann wird von der Eurogruppe anerkannt, dass wir im Jahr 2015 eine besondere Situation haben; das ist richtig. Das ergibt sich unter anderem aus den Entwicklungen der vergangenen Wochen, die sich in dieser Feststellung abbilden. Es wird aber ausdrücklich auf die Erklärung der Eurogruppe vom November 2012 hingewiesen, die exakt diese Zielvorgaben setzt.

Frage: Herr Seibert, ich hatte vorhin schon erwähnt, dass es letzte Woche auf Chefebene zu vielen Telefonaten zwischen Herrn Tsipras, Herrn Juncker, Herr Hollande und auch Frau Merkel kam. Glaubt die Kanzlerin, dass die griechische Krise noch auf Finanzministerebene gelöst werden kann?

StS Seibert: Ich glaube, gerade die letzten Tage haben doch auch gezeigt, dass es absolut möglich ist, in der Eurogruppe der Finanzminister Einigungen zu erzielen. Das ist geschehen. Jetzt gibt es einen klaren Zeitplan in Bezug darauf, wie weiter vorgegangen werden soll. Es ist richtig, dass die Institutionen, die wir früher "Troika" nannten, ihre Beurteilung vornehmen werden und dass sich dann die Eurogruppe auf Ebene der Finanzminister äußern wird. Das ist alles völlig in Ordnung, was nicht heißt, dass es nicht zusätzlich auch immer wieder Kontakte zum Beispiel zwischen der Bundeskanzlerin und Herrn Tsipras gibt, also auch Kontakte auf Ebene der Staats- und Regierungschefs.

Zusatzfrage: Wann wird die Kanzlerin denn eingreifen?

StS Seibert: Es gibt gar keinen Grund für die Bundeskanzlerin, einzugreifen, weil wir in der Eurogruppe der Finanzminister am Freitagabend eine Einigung mit Griechenland erzielt haben. Die muss nun abgearbeitet werden. Da erwarten wir - vielleicht ist sie ja auch gerade eingetroffen - die griechische Liste, die konkret das umsetzt, was in der Vereinbarung stand. Das wird dann zu beurteilen sein. Es gibt keinen Grund für die Bundeskanzlerin, einzugreifen. Sie steht aber natürlich in dieser Phase in engem und auch stetigem Kontakt mit dem Finanzminister.

Frage: Die griechische Regierung hat seit gestern einen neuen Begriff eingeführt, der wahrscheinlich weitreichende Folgen haben könnte, nämlich den Begriff der innenpolitischen Maßnahmen. Darunter versteht sie, dass Maßnahmen wie zum Beispiel die Regelung der faulen Kredite in Griechenland oder die Wiedereinstellung von entlassenen Staatsangestellten etc. nicht in dem Bereich der Troika oder der Institutionen operiert, sondern dass das ausschließlich ihre eigene Angelegenheit ist. Wird so eine Begriffsbestimmung akzeptiert?

Jäger: Ich kann dazu nur sagen, dass das natürlich so nicht möglich ist; denn die griechische Regierung hat sich im Rahmen der Erklärung dazu verpflichtet, Reformen nicht zurückzunehmen, keine einseitigen Schritte zu ergreifen und alles, was sie tut, eng mit den drei Institutionen abzustimmen. Wenn man einen neuen Begriff münzt - in diesem Fall, wenn ich es richtig verstanden habe, "innenpolitische Maßnahmen" -, was wäre dann der Gegenbegriff, etwa "außenpolitische Maßnahmen", die mit der Troika abzustimmen sind? Das scheint mir nicht ganz plausibel zu sein. Ich will mich hier gar nicht auf definitorische Debatten einlassen.

Wir haben eine Erklärung vom vergangenen Freitag, die sehr klar feststellt, dass sich Griechenland weiterhin im Programm befindet und dass die drei Institutionen bis zum Abschluss des Programms ihre Rolle wie bisher wahrnehmen werden. In diesem Rahmen wird sich das Ganze in den nächsten Tagen und Wochen bis zum hoffentlich erfolgreichen Abschluss des Programms bewegen.

Ich darf noch eines ergänzen: Ich habe hier eben in den Tickern gesehen, dass die Europäische Kommission die Behauptung zurückgewiesen hat, dass eine Liste aus Athen eingetroffen sei.

Frage: Herr Jäger, befürchten Sie nicht, dass es in anderen Euroländern schiefgehen könnte, also dass nicht alle Parlamente rechtzeitig abstimmen können? Kümmert sich jemand darum, dass das alles bis zur Deadline klappt?

Jäger: Nein, jedes Euroland steht hierbei selbst in der Verantwortung. Aber es gibt auch überhaupt keinen Grund, hieran irgendwelche Zweifel zu hegen. Jeder der beteiligten Eurostaaten weiß um diese Verantwortung und wird ihr gerecht werden.

Frage: Herr Jäger, gehen Sie davon aus, dass die morgige Telefonkonferenz, an der Herr Schäuble teilnehmen wird, so rechtzeitig zu Ende sein wird, dass er dann die Fraktionen darüber informieren kann?

Jäger: Das kann ich im Augenblick noch nicht abschließend sagen, aber einiges deutet darauf hin, dass die Telefonkonferenz erst am Nachmittag stattfinden könnte. Dann würde es, was die Termine angeht, möglicherweise zu einer Kollision mit den Fraktionssitzungen kommen. Dann wird man sehen müssen, wie man damit umgeht. Aber solange wir noch keine offizielle Einladung zur Telefonkonferenz haben, ist es zu früh, darüber irgendwelche Aussagen zu treffen.

Frage: In der letzten Ausgabe des "Spiegel" steht ein Artikel zum Thema Reparationen. Es gibt darin einen interessanten Gedanken, nämlich dass diese Frage juristisch letztinstanzlich noch nicht entschieden ist, weil kein hohes Gericht oder höchstes Gericht darüber befunden hat. Was ist die Meinung der Bundesregierung? Ist diese Frage auch juristisch abschließend erledigt, oder gibt es sozusagen eine Lücke, die noch zu füllen wäre?

Jäger: Ich kann dazu nur sagen: Für die Bundesregierung ist diese Frage rechtlich wie politisch abgeschlossen. Aber ich ergänze: Für das Geld sind wir zuständig, für das Völkerrecht das Auswärtige Amt. Ich weiß nicht, ob der Kollege vom AA das noch ergänzen möchte.

Schäfer: Ich glaube, das, was Herr Jäger gesagt hat, ist völlig zutreffend: Aus Sicht der Bundesregierung ist dieser Vorgang juristisch wie politisch abgeschlossen.

Frage: Weil Sie die Auszahlung der ausstehenden Mittel angesprochen haben: Würde die aber erst nach Abschluss der Prüfung erfolgen, also im April, den Sie auch als Datum genannt hatten?

Jäger: Nein. Bis April ist Griechenland aufgefordert, eine detaillierte Liste mit Reformen vorzulegen. Das heißt, bis April muss abschließend das ausgearbeitet sein, was uns jetzt in einem ersten Entwurf vorgelegt wird. Das Programm selbst muss dann bis Ende Juni abgeschlossen sein. Wenn die griechische Regierung es vorher abschließen sollte und die Troika zu der Auffassung kommen sollte, dass das Programm erfolgreich abgeschlossen worden ist, dann könnte ausbezahlt werden. Aber es ist gut möglich, dass diese Auszahlung dann erst - immer einen erfolgreichen Abschluss des Programms vorausgesetzt - Ende Juni oder Anfang Juli stattfinden wird.

Frage: Auch noch einmal zu der Untersuchung der Troika: Derzeit prüft die Troika doch schon die Umsetzung der Reformen. Ist das dann damit hinfällig, geschieht das parallel, oder wie läuft das?

Jäger: Nein, wir sind weiter in dem Prozess, in dem wir auch schon im Dezember waren, als die Institutionen - damals noch Troika genannt - geprüft haben und eben gesagt haben: Wir können zu diesem Zeitpunkt nicht feststellen, dass das Programm abschlussfähig ist. Deswegen wurde das Programm verlängert. Jetzt haben wir es noch einmal um vier Monate verlängert. Das heißt, dieser Prozess, der aus dem vergangenen Jahr herübereicht, ist noch nicht abgeschlossen, muss aber erfolgreich abgeschlossen werden, wenn es zu einer Auszahlung der Programmmittel kommen soll.

Frage: Herr Jäger, eine Verständnisfrage: Wird die endgültige Liste, die im April vorgelegt werden soll, dann auch noch einmal von den Finanzministern geprüft, muss die noch einmal durch den Bundestag? Wie wird also vorgebaut, damit in dieser Liste nicht eventuell Sachen stehen, die dann doch nicht passen?

Jäger: Nein, das muss nicht geschehen, denn wir haben jetzt die Liste mit ersten Maßnahmen. Auf deren Grundlage werden dann die Minister empfehlen, eine Verlängerung in Angriff zu nehmen. Wenn diese Verlängerung erteilt ist, dann ist das Programm verlängert. Aber das bedeutet ja nichts anderes, als dass dann im Rahmen des Programmes die drei Institutionen Maßnahme für Maßnahme prüfen werden - so wie sie es auch im vergangenen Jahr getan haben -, ob ein erfolgreicher Abschluss des Programms und der einzelnen Maßnahmen gelungen ist. Wenn die drei Institution dann zu der Auffassung kommen, dass der Abschluss nicht gelungen ist, dann können diese Programmmittel nicht ausbezahlt werden.

Frage: War das auch früher so vorgesehen, dass die Gelder erst nach dem erfolgreichen Abschluss des Programmes fließen werden, oder gibt es jetzt sozusagen eine verschärfte Variation der Haltung gegenüber Griechenland, gegenüber der neuen Regierung?

Jäger: Nein, das ist überhaupt keine Verschärfung. Wir bewegen uns in dem Rahmen, in dem wir auch im Dezember schon waren. Es gab bisher im Programm Abschnitte, zu denen Programmittel ausgezahlt wurden. Es steht jetzt noch eine allerletzte Tranche von 1,8 Milliarden Euro aus. Die Auszahlung dieser letzten Tranche ist gebunden an die Feststellung der Troika, dass das Programm erfolgreich abgeschlossen ist. Insofern: Überhaupt keine Veränderung zu früher. Wir sind nach wie vor im gleichen Programm, es gelten exakt die gleichen Spielregeln.

Frage: Herr Schäfer, eine Frage zum Fall der ukrainischen Pilotin Sawtschenko: Setzt sich die Bundesregierung, nachdem letzte Woche auch deutsche Ärzte in Russland waren, für die Freilassung der Pilotin ein? Haben Sie eigentlich auch Sorge, dass sie vielleicht ein bisschen instrumentalisiert werden könnte, weil die russische Seite sagt: Die deutschen Ärzte waren da, der Frau geht es gut, keine Probleme?

Schäfer: Danke für die Frage. In der Tat ist in einigen ukrainischen und auch russischen Medien bereits über diesen Fall berichtet worden, ohne dass dabei immer auch bei uns im Auswärtigen Amt nachgefragt worden ist. Deshalb nutze ich die Gelegenheit einfach einmal, um zu erzählen, was da passiert ist.

In der Nacht vom 11. auf 12. Februar, also in der Nacht von Minsk, in der es zu den Minsker Vereinbarungen gekommen ist, hat der deutsche Außenminister mit dem russischen Präsidenten auch über den Fall der ukrainischen Pilotin Sawtschenko gesprochen, die sich seit einigen Monaten - seit langen Monaten - in russischer Untersuchungshaft befindet und seit mehr als zwei Monaten im Hungerstreik ist. Das Ergebnis des Gespräches war, dass der deutsche Außenminister vom russischen Präsidenten die Zusage erhalten hat, dass sich deutsche Ärzte im Wege einer ausschließlich humanitär und nicht politisch gemeinten Aktion über den Gesundheitszustand von Frau Sawtschenko einen Überblick verschaffen können sollten. Das hat der russische Präsident zugesagt. Der Besuch durch - ich glaube, zwei - deutsche Ärzte ist dann einige Tage später, am Sonntag, dem 15. Februar, erfolgt.

Alles Weitere - insbesondere das, was aus russischen Regierungs- oder Strafvollzugskreisen über die Ergebnisse einer solchen Untersuchung verlautbart ist - kann ich in keiner Weise bestätigen. Es hat in der Tat Gespräche zwischen den Entsandten deutschen Ärzten und den Ärzten des russischen Strafvollzuges gegeben. Über diese Gespräche, an denen übrigens - jedenfalls zum Teil - auch die betroffene Person, Nadja Sawtschenko, teilgenommen hat, ist absolutes Stillschweigen vereinbart worden. Deshalb kann ich es an dieser Stelle nur bedauern, dass diese Vereinbarung von russischer Seite nicht eingehalten worden ist. Ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen: Es handelte sich hierbei um eine humanitäre Maßnahme.

Zu Ihrer eigentlichen Frage, Herr Braun: Ja, wir würden uns sehr freuen, wenn nicht nur dieser humanitäre Fall, sondern auch dieser politische und juristische Fall Sawtschenko möglichst bald einer guten Lösung zugeführt wäre. Am besten wäre es in der Tat, wenn es zu einer Freilassung von Frau Sawtschenko kommen würde. Dafür setzen wir uns natürlich auch ein.

Zusatzfrage: Weil Sie sagen, das sei eine humanitäre Maßnahme: Heißt das, die deutschen Ärzte haben dann auch Medizin, Ratschläge oder irgendwas anderes - Infusionen - mitgebracht, weil Frau Sawtschenko im Hungerstreik ist?

Schäfer: Ich wiederhole noch einmal: Diese humanitäre Maßnahme ist der Versuch, sich vonseiten deutscher Experten ein Verständnis vom Gesundheitszustand von Frau Sawtschenko zu verschaffen, der uns angesichts der Dauer des von ihr durchgeführten Hungerstreiks natürlich in ernste Sorge versetzt.

Vorsitzende Sirleschtov: Ich würde an dem Punkt gerne Herrn Seibert die Möglichkeit geben, zum Thema Ukraine/Ostukraine ein paar zusammenfassende Informationen zu geben. - Bitte schön.

StS Seibert: Ja, vielleicht darf ich Ihnen bei dieser Gelegenheit die Einschätzung der Lage in der Ostukraine durch die Bundesregierung nach diesem Wochenende kurz zu Gehör bringen.

Wenn man das Gesamtbild seit dem Minsker Treffen der Staats- und Regierungschefs betrachtet, dann muss man sagen: Die Umsetzung des Vereinbarten ist unbefriedigend. Wir haben nun auch in den letzten Tagen Entwicklungen, die zum Teil positiv sind, zum Teil leider aber auch wieder negativ. Es ist positiv, dass es eine Verabredung über einen Abzugsplan für schwere Waffen gegeben hat. Es ist positiv, dass ein Gefangenenaustausch am Samstag stattgefunden hat. Das sind natürlich erste wichtige Schritte bei der Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk. Entscheidend ist aber, dass es zu einer umfassenden Waffenruhe kommt. Es ist für die Bundesregierung besorgniserregend, dass von einer solchen umfassenden Waffenruhe derzeit wirklich noch nicht die Rede sein kann; denn solch eine Waffenruhe ist die Voraussetzung dafür, dass der Abzug schwerer Waffen begonnen werden kann, und sie ist auch die Voraussetzung für die Überwachung durch die OSZE-Beobachter.

In diesem Zusammenhang erinnern wir Russland an die sehr gewichtigen Verpflichtungen, die es mit seinem Ja, mit seiner Unterstützung der UN-Resolution 2202 in der vergangenen Woche eingegangen ist, und fordern es erneut dringend auf, seinen Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen.

Das sind sicherlich die Themen, die auch morgen beim Treffen der Außenminister im Normandie-Format im Mittelpunkt stehen werden.

Ich will noch ein letztes Wort sagen: Wir haben in Charkiw bei einer friedlichen Demonstration zur Erinnerung an die Ereignisse auf dem Maidan einen Anschlag erlebt, der zwei Menschen das Leben gekostet hat. Dieser Versuch, Unruhe und Spaltung in einer Stadt, die derzeit noch nicht von solcher Atmosphäre ergriffen ist, herbeizuführen, ist natürlich von der Bundesregierung scharf zu verurteilen. Also: Strenge Verurteilung dieses Anschlags durch die Bundesregierung.

Frage: Herr Schäfer, noch einmal zum Fall Sawtschenko: Von der russischen Seite sind ja bereits Informationen über ihren Gesundheitszustand gegeben worden. Inwieweit stimmen diese Informationen eigentlich? Inwieweit ist das Außenministerium in Kenntnis darüber gesetzt, wie es Nadja Sawtschenko geht? Wie frei können die deutschen Ärzte da agieren?

Noch eine kurze Frage: Es ist auch ein Filmregisseur aus der Krim, Oleg Senzow, in russischer Haft. Ging es bei dem Gespräch, das Sie geschildert haben, auch um ihn, oder nur um Nadja Sawtschenko?

Schäfer: Der humanitäre Besuch der deutschen Ärzte galt Nadja Sawtschenko.

Ein deutscher Arzt - jeder Arzt - ist an seinen Eid des Hippokrates gebunden, der das Wohl seines Patienten im Auge hat. Das gilt selbstverständlich auch für die deutschen Ärzte, die Frau Sawtschenko untersucht haben. Ich bin hier aber nicht in einer Position - so sehr Sie das interessieren mag -, etwas über die Beobachtung der Ärzte zum Gesundheitszustand von Frau Sawtschenko zu sagen - einfach deshalb, weil ich nur noch einmal wiederholen kann, dass darüber Stillschweigen vereinbart worden ist. Ich kann aber noch einmal sagen, dass wir es für unbefriedigend halten, dass sich die russische Seite an diese Vereinbarung nicht gehalten hat, insbesondere Anmerkungen gemacht hat zu angeblichen Äußerungen, die nach der Untersuchung im Kreise mit russischen Ärzten gemacht worden sind. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir angesichts der fortgeschrittenen Dauer des Hungerstreiks in der Untersuchungshaft in der Tat Sorgen über das körperliche Wohlbefinden und den Gesundheitszustand von Frau Sawtschenko machen. Das ist in der Tat so.

Über den zweiten Fall, den Sie angesprochen haben, kann ich nichts Konkretes sagen.

Zusatzfrage: Sind weitere Untersuchungen durch die deutschen Ärzte geplant?

Schäfer: Auch dazu kann ich Ihnen zurzeit nichts sagen.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie sagen, es sei besorgniserregend, dass die Waffenruhe nicht umgesetzt wurde: Hat sich die Bundesregierung denn ein Zeitlimit gesetzt, bis wann gerade Russland - weil Sie das angesprochen haben - seine Verpflichtungen erfüllt haben müsste, bevor man wieder über neue Sanktionen redet? Denn es ist ja einer der Vorwürfe, die auch an die Bundesregierung und Frankreich gemacht wurden, dass das, was jetzt vereinbart wurde, immer noch zu unverbindlich ist.

Gibt es Erkenntnisse in der Bundesregierung, dass die ukrainischen Berichte stimmen, dass sich prorussische Separatisten mit Panzerverbänden in Richtung Mariupol bewegen?

StS Seibert: Für Letzteres kann ich hier keine eigenen Erkenntnisse der Bundesregierung vortragen.

Zum Ersteren: Ich habe gesagt, dass es uns mit Sorge erfüllt, dass es noch keine umfassende Waffenruhe gibt. Es gibt ja nach allem, was wir hören, in einigen Orten eine Waffenruhe, aber es gibt eben noch keine umfassende, und es gibt da sehr bedeutende Ausnahmen. Das ist das, was uns mit Sorge erfüllt. Ich kann Ihre Frage vielleicht am besten mit dem Satz beantworten, den die Bundeskanzlerin, glaube ich, in Paris - auch Seite an Seite mit François Hollande - gesagt hat: Es ist jeder Mühe wert, gegen weiteres Blutvergießen anzuarbeiten, und das werden wir auch weiterhin tun. Zeitpläne möchte ich hier nicht äußern.

Zusatzfrage: Die ukrainische Regierung hat ja bekanntgegeben, dass sie wegen dieser Entwicklung an einigen Orten in der Ostukraine den Rückzug ihrer schweren Waffen im Moment unterbricht. Wie bewertet die Bundesregierung diese Äußerungen?

StS Seibert: Ich hatte ja gesagt: Es wäre jetzt richtig und auch der Logik von Minsk entsprechend, wenn der Rückzug schwerer Waffen beginnen könnte, aber - ganz klar - dafür ist eine Waffenruhe - eine umfassende Waffenruhe - eine Voraussetzung. Diese Voraussetzung ist - und das erfüllt uns mit Sorge - derzeit noch nicht an allen Orten gegeben.

Frage: Herr Seibert, Sie hatten eben offenbar auch ein bisschen versucht, eine entsprechende Äußerung zu vermeiden, dennoch muss ich nachfragen: Wer trägt denn aus Sicht der Bundesregierung Verantwortung dafür, dass es eben nicht zu dieser Waffenruhe gekommen ist? Sie haben eben die Verantwortung Russlands angesprochen, aber konkret: Wer ist gerade der Störenfried, wenn es um diese Waffenruhe geht?

StS Seibert: Ich habe die Verantwortung Russlands in dem Sinne angesprochen, dass wir erwarten, dass Russland seinen erheblichen Einfluss auf die Separatisten geltend macht, damit es zu einer solchen Waffenruhe kommen kann - und zwar an allen Orten.

Frage: Ich habe noch eine kurze Frage zu dem Fall Sawtschenko: Warum ist das eigentlich Stillschweigen vereinbart worden, was ist das Motiv dahinter?

Schäfer: Wenn man ausdrücklich vereinbart, etwas aus humanitären Gründen zu machen, dann ist es, finde ich, weder überraschend noch ungewöhnlich, sondern im Gegenteil geradezu geboten, dass man über den Gesundheitszustand einer sich in einer außerordentlich schwierigen Lage befindlichen Person sozusagen nicht die ganze Weltöffentlichkeit informiert. Das scheint mir einigermaßen plausibel zu sein. Jeder von Ihnen - - ich jedenfalls fände es auch nicht gut, wenn andere Leute ohne meine ausdrückliche Zustimmung in aller Öffentlichkeit über meinen Gesundheitszustand sprechen würden. Das finde ich relativ normal.

Wo ich gerade das Privileg habe, dass mein Mikrofon an ist, vielleicht nur noch in Ergänzung zu all dem, was Herr Seibert gesagt hat, mit Blick auf das morgige Außenminister-Treffen: Die vier Staaten des Normandie-Formats haben am 12. Februar in ihrer Erklärung darauf hingewiesen und vereinbart, dass sie den Prozess der Umsetzung der 13 Punkte vom 12. Februar, die sich ja wiederum die 12 Punkte vom 5. September in Minsk beziehen, überwachen wollten. Dieses Außenministertreffen, zu dem jetzt dankenswerterweise der französische Außenminister für morgen Mittag eingeladen hat, dient genau dem Ziel, diese großen Schwierigkeiten und auch den holprigen Weg, den Herr Seibert gerade beschrieben und bewertet hat, zum Anlass zu nehmen, noch einmal politischen Druck auf diejenigen auszuüben, die Verantwortung dafür tragen, dass es bereits Verstöße insbesondere gegen den ersten Punkt von Minsk vom 12. Februar, nämlich umfassenden Waffenstillstand, gegeben hat.

Immerhin - auch das hat Herr Seibert ja bereits gesagt - können wir feststellen - und begrüßen das auch -, dass es eine Einigung zwischen den Separatisten und den Ukrainern, der ukrainischen Regierung oder dem ukrainischen Militär, über den Abzugsplan gegeben hat. Das war Punkt 2 der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar. Da muss jetzt sozusagen einfach nur der Moment gefunden werden, an dem irgendwie hinreichendes Vertrauen auf beiden Seiten vorhanden ist, um in einem gegenseitigen überprüfbaren Verfahren unter Beteiligung der OSZE tatsächlich die Waffen zurückzuziehen. Auch diesem Ziel dienen die morgigen Gespräche in Paris. Da wird natürlich auch noch einmal mit besonderem Nachdruck auf den russischen Außenminister geschaut werden.

Frage: Herr Seibert, Sie betonten den Einfluss der Russen auf die Separatisten. Welchen Einfluss hat denn Deutschland auf die ukrainische Armee?

StS Seibert: Deutschland hat eine enge Zusammenarbeit mit der ukrainischen Regierung, die die demokratisch gewählte Regierung ihres Landes ist.

Zusatzfrage: Zu Charkiw sagten Sie gerade, dass die Stadt noch nicht eingenommen sei. Ahnen Sie da etwas?

StS Seibert: Von "noch nicht eingenommen" habe ich nicht gesprochen. Aus unserer Sicht ist der Anschlag in Charkiw der Versuch, eine Atmosphäre zu erzeugen oder Spaltungstendenzen zu erzeugen, die dort bisher nicht zu beobachten sind und von denen wir hoffen, dass sie dort auch nicht zu beobachten sein werden.

Frage: Herr Schäfer, Herr Seibert hat ja gerade gewissermaßen Verständnis geäußert, dass die Ukraine sich weigert, die schweren Waffen abzuziehen. Aber inwiefern kann dieses Thema morgen die Gespräche der Außenminister erschweren?

Schäfer: Die Gespräche der Außenminister sind sowieso schwierig, weil die Lage schwierig ist. Aber immerhin sind wir in einer Situation - so wie sie Herr Seibert auch beschrieben hat -, in der über das Wochenende immerhin dreierlei geschehen ist:

Erstens. Es ist zu einem nicht umfassenden - so wie das die Minsker Vereinbarungen vorsehen -, aber immerhin zu einem substanziellen Gefangenenaustausch gekommen.

Zweitens. Es hat eine Vereinbarung zwischen den handelnden Konfliktparteien dieser militärischen Auseinandersetzung über den Rückzug schwerer Waffen entsprechend den Vereinbarungen von Minsk gegeben.

Drittens. Die OSZE ist immer mehr und immer besser in der Lage - auch mit der Unterstützung der Regierungen des Normandie-Formats -, Zugang zu den militärischen Hotspots zu bekommen, sodass das Lagebild, das wir über die Verletzungen des Waffenstillstands haben, immer dichter wird und damit auch politische Einschätzungen leichter macht, wer denn für die Verletzung dieses Waffenstillstandes tatsächlich die Verantwortung trägt. Aber das alles ist alles andere als gefestigt, das alles wackelt. Gerade deshalb ist es so wichtig, diesen ganzen Prozess politisch einzuheben. Deshalb auch die Entscheidung der Regierungen und der Außenminister, sich morgen zu treffen, um genau diese Punkte anzusprechen und im besten Falle auch voranzubringen.

Frage: Herr Schäfer, Entschuldigung, dass ich zu dieser Frage zurückkehre: Habe ich Sie richtig verstanden, dass das Stillschweigen über den Gesundheitszustand von Nadja Sawtschenko auf ihre Bitte hin erfolgt ist? Oder war das die Bitte der russischen Seite.

Schäfer: Nein. Das war eine Vereinbarung zwischen den deutschen und den russischen Ärzten, Stillschweigen über die Ergebnisse der Untersuchung durch die deutschen Ärzte zu bewahren.

Frage: Herr Seibert, Sie haben Russland aufgefordert, seinen Einfluss geltend zu machen. Diese Aufforderung erheben sie, glaube ich, seit Beginn des Konfliktes in der Ostukraine. Wann hat das mal ein Ende, oder wann kommen Sie zu der Erkenntnis, dass Russland möglicherweise gar kein Interesse daran hat, seinen Einfluss geltend zu machen? Was kann Deutschland dem dann außer Wirtschaftssanktionen noch entgegensetzen?

StS Seibert: Sie haben Recht, das habe ich hier schon mehrfach gesagt, und ich glaube, das hat auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes hier schon mehrfach gesagt. Warum tun wir das immer wieder? Weil leider auch die Notwendigkeit dafür besteht. Wir haben in Minsk ein Übereinkommen erreicht, in dem sich die vier Länder Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich politisch hinter eine Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom September gestellt haben. Wir haben jetzt eine UN-Sicherheitsratsresolution, in der sich auch Russland hinter diese Vereinbarungen gestellt hat und sich im Übrigen zur territorialen Unversehrtheit der Ukraine gestellt hat. Das heißt, wir haben einiges, woran wir Russland mit Fug und Recht erinnern können und erinnern werden.

Schäfer: Vielleicht kann ich für den Außenminister nur noch einen Satz aus einem Interview in einer großen deutschen Tageszeitung von heute ergänzen. Da ist die Frage gestellt worden: "Nach all den Finten und falschen Versprechungen: Trauen Sie Ihren russischen Gesprächspartnern überhaupt noch?" - Das ist ja auch Ihre Frage gewesen. Der Außenminister antwortet darauf:

"Niemand bestreitet, dass viel Vertrauen verloren gegangen ist, ich am wenigsten. Darum geht es längst nicht mehr. Verhandlungen bei verlorenem Vertrauen sind schwer, langwierig und sehen nicht schön aus. Und schneidige Alternativen werden ja täglich vorgeschlagen. Aber was so schneidig aussieht, kann uns schnell zu einer noch größeren Ausweitung der Krise und noch höheren Opferzahlen führen. Auch das müssen wir im Auge haben."

Frage: Eine kurze Nachfrage an Herrn Schäfer, weil Sie die OSZE erwähnt haben: Können Sie sagen, ob die OSZE auch in dem Bereich Mariupol - das scheint ja der zu sein, der den Ukrainern am meisten Sorgen macht - zum Einsatz kommt, oder gibt es da besondere Probleme für die Beobachter?

Schäfer: Sie erinnern sich, dass die Staats- und Regierungschefs - ich glaube, es war letzte Woche - miteinander telefoniert haben und dabei auch konkrete Vereinbarungen über die Ermöglichung eines Zugangs der OSZE Hotspots, an denen der Waffenstillstand noch nicht umfassend eingehalten wird, getroffen haben. Soweit ich informiert bin, ist es gelungen, an den meisten der von der OSZE, aber dann auch von den Regierungen des Normandie-Formates identifizierten Konfliktgebieten für die OSZE Zugang zu erreichen. Das ist leider noch nicht für alle der Fall. Ich muss Sie allerdings bitten, konkrete Fragen über den Zugang der OSZE an die OSZE selbst zu richten; da können wir schlecht für die OSZE sprechen.

Frage: Herr Schäfer, ich möchte Sie noch zu zwei Abgeordneten der Partei DIE LINKE fragen, die humanitäre Hilfe in besetzte Gebiete der Ostukraine gebracht haben und illegal die russisch-ukrainische Grenze überquert haben. Soweit ich weiß, hat sich die ukrainische Botschaft beim Auswärtigen Amt beschwert. Wie kann und wie wird das Außenministerium darauf reagieren?

StS Seibert: Ich kann bestätigen, dass es in der Tat, ich glaube, eine Verbalnote der ukrainischen Botschaft gegeben hat, die an das Auswärtige Amt gerichtet worden ist. Soweit ich weiß, ist da noch keine Antwort erfolgt. Das wird sicherlich in der gebotenen Weise geschehen. Ansonsten spricht der Vorgang für sich selber. Der Respekt vor dem Deutschen Bundestag und seinen Abgeordneten gebietet es, glaube ich, dass ich das, was da geschehen ist, jetzt nicht weiter im Detail kommentiere.

Sie sagen, es habe dabei einen illegalen Grenzübertritt gegeben: Das wiederum ist eine Sache, die ich weder dementieren noch bestätigen kann. Ich weiß schlicht und ergreifend nicht, ob - ich habe ein Foto gesehen, aber wo dieses Foto geschossen wurde, vermag ich nicht zu sagen -, wie, wann, in welcher Weise und mit Kontrolle durch wen es da zu Grenzübertritten gekommen ist. Das müssten Sie am besten diejenigen fragen, die sich auf diesem Foto befinden. Dazu gehören dann, glaube ich, auch die beiden Abgeordneten des Deutschen Bundestags.

Frage: Herr Seibert, ich hätte noch eine Frage zu dem am vergangenen Freitag gestarteten Facebook-Auftritt der Bundesregierung: Sie wollen, schreiben Sie, sehr intensiv mit den Bürgern in Kontakt kommen und sich austauschen. Das geschieht nun durchaus sehr kritisch und teils hämisch. Haben Sie mit solchen Kommentaren gerechnet? Werden Sie weiter auf solche Fragen antworten?

Zweitens. Das ist ja sicherlich sehr arbeitsintensiv. Haben Sie Ihre Internetredaktion aufgestockt?

Drittens. Zum Beispiel in Landesregierungen gab es bei Facebook Probleme mit dem Datenschutz, sodass man gesagt hat: Wir antworten offiziell überhaupt gar nicht, weil wir diese Datenschutzprobleme als zu groß einschätzen. Spielt das bei Ihnen überhaupt keine Rolle?

StS Seibert: Das sind viele Fragen auf einmal. Ich fange einfach einmal damit an - weil ich nicht weiß, ob es jeder mitbekommen hat -: In der Tat bietet die Bundesregierung seit Freitagnachmittag eine Facebook-Seite an. Wir möchten tatsächlich auf dieser Facebook-Seite die Bürgerinnen und Bürger über die Arbeit der Bundesregierung informieren. Wir wollen durchaus auch mit ihnen ins Gespräch kommen. Aus unserer Sicht ist das an diesem ersten Wochenende schon einmal ganz gut gelungen. Bis heute Vormittag haben 25.000 Nutzer auf "Gefällt mir" geklickt. Wir haben über eine halbe Millionen Menschen erreicht. Die Gesamtzahl der Interaktionen - das ist also genau das, was Sie ansprechen; der Bürger spricht zu uns - auf dieser Facebook-Seite, also der Kommentare, Likes und Shares, beläuft sich auf 73.000. Damit sind wir zumindest nach einem Wochenende schon sehr zufrieden.

Wir kennen ja das Netz, und wir kennen die Gepflogenheiten im Netz ja auch aus anderen Seiten und digitalen Auftritten, die wir schon länger anbieten. Deswegen kann man sich jetzt nicht darüber wundern, dass es auch Kommentare gibt, die sich im Ton etwas rauer anhören, manche vergreifen sich auch im Ton - aber das ist ja nicht vollkommen unüblich. Ganz sicher können wir - zumindest nach diesem Wochenende - feststellen: Es ist eine große Mehrheit von sehr ernsthaften, sehr seriösen, sehr sachlichen Rückmeldungen, die wir bekommen hat, und die werden wir im Rahmen dessen, was wir irgendwie handhaben können, auch weiter bearbeiten.

Wir haben dazu im Bundespresseamt natürlich ein paar Umstrukturierungen vorgenommen, damit wir auch Kolleginnen und Kollegen haben, die sich darum - und das ist relativ zeitintensiv - kümmern können. Das wird aber nicht von dem übrigen Internetauftritt der Bundesregierung, also was wir auf bundesregierung.de und bundeskanzlerin.de anbieten, abgehen, sondern das sind Umstrukturierungen. Dass wir jetzt auf Facebook sind, geht auch in keiner Weise auf Kosten anderer Kommunikationskanäle, die wir betreiben; vielmehr ist das ein zusätzliches Angebot, das einfach der Tatsache Rechnung trägt, dass, ich glaube, 28 Millionen Deutsche in der einen oder anderen Form über Facebook erreichbar sind und wir es für richtig halten, das tatsächlich auch zu nutzen.

Das Thema Datenschutz nehmen wir natürlich ernst. Wir haben uns in dieser Hinsicht auch juristisch beraten lassen. Es gibt ja viele andere - auch Ressorts und Ministerien der Bundesregierung -, die bereits auf Facebook aktiv sind. Wenn man auf Facebook aktiv wird, dann heißt das nicht automatisch, dass man sich mit allen Einzelheiten des Geschäfts und der Datenschutzpraxis des Unternehmens einverstanden erklärt. Nichtsdestotrotz: In der juristischen Abwägung hielten wir das für machbar und für vertretbar, und das tun wir.

Zusatzfrage: Erstens. Können Sie sagen, wie viele Mitarbeiter konkret mit dieser Facebook-Seite beschäftigt sind?

Zweitens. Haben Sie einen Überblick darüber, welche Ministerien noch nicht auf Facebook vertreten sind?

StS Seibert: Den hätte ich, aber ich habe ihn nicht im Kopf.

Grundsätzlich: Das wird sich sicherlich auch einspielen müssen. Ich glaube, da werde ich nach einem Vierteljahr über die Zahl der Kollegen und Kolleginnen, die damit beschäftigt sind, besser Auskunft geben können; denn wir müssen natürlich auch einmal schauen, wie das Ganze funktioniert und welche Intensität die Dialogfunktion auf Facebook hat. An diesem ersten Wochenende war, wie gesagt, eine Menge los. Wenn es so bleibt - wunderbar. Dann werden wir zu reagieren wissen.

Frage: Haben Sie jetzt schon gesagt, wie viele Leute da arbeiten?

StS Seibert: Ja, in der vorherigen Frage habe ich das beantwortet.

Zusatzfrage: Können Sie noch einmal sagen, was die genau machen? Ich meine, da können doch nicht vier, fünf Leute an einer Facebook-Seite sitzen, oder?

StS Seibert: Ich dachte bisher immer, dass Sie ganz kenntnisreich über das Leben im Netz seien. Ich gehe davon auch weiterhin aus, -

Zusatz: Ja, ich schaffe es alleine.

StS Seibert: - und deswegen wissen Sie, dass, wenn man innerhalb eines Wochenendes Tausende von Kommentaren bekommt, wenn man zig Inhalte hochlädt, dass das vermutlich nicht alles eine Person machen kann. Wie sich das dann personell einpendelt, darüber gebe ich gerne Auskunft, wenn wir ein paar erste Erfahrungen über ein Wochenende hinaus gesammelt haben.

Zusatzfrage: Was werden Sie denn auf Facebook teilen, was Sie uns hier nicht mitteilen?

StS Seibert: Grundsätzlich teile ich Ihnen weiterhin gerne alles mit, was Sie in der Regierungspressekonferenz von mir wissen wollen; daran hat sich nichts geändert. Ich wiederhole noch einmal: Der Auftritt der Bundesregierung auf Facebook geht nicht auf Kosten von irgendetwas, sondern ist etwas Zusätzliches. Aber wenn Sie sich anschauen, was wir da an Inhalten ins Netz gestellt haben, dann sehen Sie, dass das zum Teil Dinge sind, die ich hier nicht mitteilen kann. Ich kann hier keine Bilder vom Empfang der Bundeskanzlerin im Vatikan abspielen, das ist mir technisch nicht möglich. Ich berichte aber gerne weiterhin inhaltlich.

Frage: Herr Seibert, Sie haben es gerade schon erwähnt: Dieses ganze Vorhaben ist ja ein bisschen komplexer und sicherlich auch sehr umfangreich. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie das Ganze nicht zu Hause auf der grünen Wiese entworfen haben, sondern zusammen mit einer professionellen Agentur usw. Das wird ja auch ein bisschen Geld gekostet haben. Nachdem die Regierungs-App alles in allem 300.000 Euro gekostet hat, wenn ich richtig informiert bin, würde mich dann doch einmal interessieren, was denn jetzt sozusagen das Social-Media-Konzept in diesem Bereich gekostet hat und wie viel Geld Sie dort veranschlagen.

StS Seibert: Auch darüber werde ich gerne Auskunft geben, wenn wir eine Weile unterwegs gewesen sind. Ich will noch einmal ganz grundsätzlich sagen: Über die Arbeit der Bundesregierung informieren ist der Daseinszweck des Bundespresseamtes. Deswegen ist es auch richtig, wenn das Bundespresseamt dafür Geld ausgibt, und es ist auch richtig, wenn das Bundespresseamt versucht, auf den wesentlichen Kanälen zu informieren, die die Bevölkerung auch nutzt. Heutzutage ist das auch Facebook, deswegen haben wir diesen Schritt gemacht. Wir haben ihn nicht übertrieben früh gemacht, aber wir haben ihn gemacht.

Zusatzfrage: Könnten Sie das auch quantifizieren?

StS Seibert: Genau, dafür - für die Kommunikation - bekommen wir Haushaltsmittel, und die nutzen wir. Darüber gebe ich gerne einmal zu einem anderen Zeitpunkt - wenn wir auch genauer einschätzen können, wie sich das finanziell auswirkt - Informationen.

Zusatzfrage: Aber das Konzept müssten Sie ja eigentlich im Vorhinein bereits gehabt haben, das muss also jemand für Sie erstellt haben und es wird im Vorhinein Geld gekostet haben. Insofern wäre ich dankbar, wenn Sie mir diese Information nachliefern könnten.

StS Seibert: Was ich Ihnen sagen kann ist, dass für die Erstellung eines umfassenden Gesamtkonzepts für die Kommunikation der Bundesregierung in den sozialen Medien tatsächlich nicht nur die Kompetenzen innerhalb des Hauses, sondern auch die Beratung durch externe in Anspruch genommen wurde. Dieser Prozess dauert noch an.

Frage: Herr Seibert, Sie haben Probleme mit dem Datenschutz auf Facebook angesprochen. Welche Probleme hat die Bundesregierung denn damit?

StS Seibert: Nein, ich habe gesagt, dass wir dem Datenschutz-Thema selbstverständlich sehr bewusst gegenüberstehen und uns juristisch beraten lassen haben. Ich glaube, das ist auch richtig. In der Abwägung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass der Betrieb einer Facebook-Seite für die Bundesregierung datenschutzrechtlich vertretbar ist.

Zusatzfrage: Aber haben Sie auch Gefahren gesehen?

StS Seibert: Wichtig ist der Bundesregierung, dass sämtliche Inhalte der Seite offen sind. Niemand muss ein Facebook-Konto anlegen, um auf die Informationen zugreifen zu können.

Zwei weitere Erwähnungen: Als Seitenbetreiber bei Facebook kommen wir, die Bundesregierung, zwar mit statistischen Auswertungen in Berührung, aber nicht mit personenbezogenen Einzelangaben über natürliche Personen. Außerdem erfolgt die Verarbeitung der Nutzerdaten bei Facebook ja aufgrund eines eigenen vertraglichen Verhältnisses, das der Nutzer und Facebook miteinander haben und das der Nutzer mit seiner Registrierung bei Facebook eingegangen ist. Das ist also nichts, wovon die Bundesregierung in irgendeiner Weise Nutznießer oder Beteiligter ist. Das ist die rechtliche Beurteilung.

Frage: Noch ein innenpolitisches Thema. Es geht um den Anbau von Genpflanzen. Es gab zuletzt unterschiedliche Meldung, ob Umwelt- und Landwirtschaftsministerium dazu eine bundesweite oder eine länderspezifische Regelung wollen.

Urban: Vielen Dank für Ihre Frage. - Das Ziel ist klar: Das BMEL und Bundesminister Schmidt wollen ein flächendeckendes und bundesweites Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen auf unseren Feldern umsetzen. Bundesminister Schmidt hat den Gesetzentwurf für ein Bundesgesetz zum flächendeckenden Verbot auf den Weg gebracht.

Sie wissen, die Opt-out-Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates werden voraussichtlich in Kürze in Kraft treten. Ziel des nun schon sehr frühzeitig in die Abstimmung gegebenen Entwurfs ist es, aufbauend auf der EU-Regelung rasch einen nationalen bundesweiten Gesetzentwurf zu verabschieden, der dem flächendeckenden und bundesweiten Anbauverbot gerecht werden kann.

Wichtig ist der Punkt - das ist auch im Moment die Diskussion, wenn ich sie richtig verfolge -, dass zur rechtssicheren Ausgestaltung dieses Gesetzes - das ist die juristische Erwägung im BMEL - der vorgelegte Vorschlag von Bundesminister Schmidt die wirksamste Methode ist, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, nämlich diesem bundesweiten Anbauverbot gerecht zu werden. Minister Schmidt hat das in die Abstimmung gegeben, und die Abstimmungsprozesse mit den Ressorts laufen. Da sie, wie Sie der Diskussion entnehmen können, ein einheitliches Ziel haben, nämlich dem gentechnisch veränderten Anbauverbot gerecht zu werden, werden wir uns über die Umsetzungswege letztendlich im Abstimmungsprozess einigen.

Frage: Herr Schäfer, Entschuldigung, aber ich habe mich schon vor einer Stunde gemeldet; das muss untergegangen sein. Ich möchte Sie noch einmal zum Thema Türkei etwas fragen; mir fehlt da ein bisschen die Substanz in Ihrer Antwort. Sie haben so schnell abgebrochen und ich konnte nicht nachhaken. Ist es normal, dass ein Nato-Partner einfach in ein anderes Land "einreitet", ohne sich abzusprechen? Das ist meine erste Frage.

Meine zweite Frage: ISIS nähert sich diesem Gebiet. Können Sie uns vielleicht einen größeren Einblick geben, wie das Auswärtige Amt grundsätzlich bei diesem Krisengespräch vorgegangen ist und was die Themen und die Inhalte waren?

Schäfer: Wenn Sie mir sagen, welches Krisengespräch Sie meinen, kann ich das beantworten.

Zusatzfrage: Ich habe Sie vorhin so verstanden, dass Sie ein Krisengespräch geführt haben. Sie haben gesagt, dass die Türkei nicht mit der Nato zusammenarbeiten möchte, und dann war das vom Tisch.

Schäfer: Ich glaube, da haben Sie mich total missverstanden. Ich müsste mich jetzt selber mit meiner Antwort auf Ihre Frage zitieren. Ich habe Ihnen gesagt: Ich kann zurzeit nicht erkennen, dass das ein Thema für die Nato ist, und zwar einfach deshalb, weil unser Nato-Partner Türkei das zu keinem Thema gemacht hat, soweit ich das erkennen kann. Bei dieser Aussage bleibt es.

Auf Ihre erste Frage möchte ich nur in Ergänzung dessen, was ich vor einer Stunde gesagt habe, sagen, dass wir die großen Sorgen unseres Nato-Partners Türkei angesichts des Bürgerkriegs in Syrien, auch des Verhaltens der syrischen Regierung, aber auch der verschiedenen militärischen Gruppierungen - dschihadistischen, islamistischen Bewegungen wie ISIS - absolut nachvollziehen können. Wir arbeiten in verschiedenen Formaten mit unseren türkischen Freunden zusammen, unter anderem in der Freundesgruppe des syrischen Volkes. Es ist für die Bundesregierung nicht neu, sondern eigentlich seit Jahren bekannt, dass die türkische Regierung in großer Sorge über ihre Exklave gewesen ist, die voll umfassend von syrischem Staatsgebiet umgeben ist und immer in Sorge darüber gewesen ist, dass es dort zu Angriffen oder Verletzungen dieses türkischen Hoheitsgebieten kommen könnte. Ansonsten enthalte ich mich einer weiteren Kommentierung.

Frage: Ich habe zwei kurze Fragen. Meine erste richtet sich an Sie, Herr Jäger, zum Kirchenasyl. Es gibt neue Zahlen, nach denen die Zahl der Menschen, die dort Unterkunft suchen, enorm gestiegen ist. Ändern diese Zahlen Ihre bisherige Haltung angesichts der Not?

Die zweite Frage an Sie, Herr Seibert, zum morgigen Koalitionsausschuss. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen? Warum beginnt das Treffen eigentlich erst um 21 Uhr?

Jäger: Ich unterstelle, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Der Bundesfinanzminister war einmal Innenminister, aber er ist es nicht mehr. Deshalb würde ich Frage gerne an die Kollegin vom BMI geben.

Müller-Niese: Das kann ich gerne übernehmen. Es gibt eine längere Diskussion über das Thema Kirchenasyl. Ausgangspunkt waren ja interne Äußerungen von Minister de Maizière bei den Kirchen. Ansonsten stehen wir dazu.

Es ist so: Es gibt das Kirchenasyl. Es ging in dieser Diskussion, die Minister de Maizière angestoßen hat, auch nicht um das Kirchenasyl an sich, sondern um das Ausmaß des Kirchenasyls.

Zusatzfrage: Die neuen Zahlen?

Müller-Niese: Die Zahlen, die heute über den Ticker liefen?

Zusatz: Ja.

Müller-Niese: Das zeigt das Ausmaß des Kirchenasyls. Korrekt.

Zusatzfrage: Aber Sie könnten ja jetzt sagen: Wenn die Not so groß ist, nehmen wir vielleicht einen Teil unserer Kritik zurück und versuchen, eher mit den Kirchen - -

Müller-Niese: Die Aussage von Minister de Maizière - das war das Interview im Deutschlandfunk - war: Es gibt das Kirchenasyl. Es gibt auf der anderen Seite Rechtsprechung in abgeschlossenen Asylverfahren. Er hat gesagt: Das ist ein Instrument, das nicht ausgeweitet sein sollte. Er hat das Ausmaß kritisiert, aber nicht das Kirchenasyl an sich.

StS Seibert: Ich kann meine Antwort kurz machen: Zum morgigen Koalitionstreffen verweise ich Sie an die Parteien. Informationen darüber wird es anschließend auch von Parteien geben, sofern es welche gibt.

Frage: Zum dem letzten Thema ganz kurz und es geht auch ganz schnell: Sie, Herr Toschev, oder Ihr Ministerium erwarten sicher einen Durchbruch, was die Stromtrassen angeht, oder?

Toschev: Sie fragen mich das jetzt wirklich? Ich verweise auf die Parteien.

Frage: Frau Müller-Niese, hat man im Innenministerium mitbekommen, dass der größte SIM-Kartenhersteller infiltriert worden ist?

Müller-Niese: Sie meinen die Berichterstattung zur Entschlüsselung von SIM-Karten, die möglicherweise die Firma Gemalto betreffen?

Zusatzfrage: Was bedeutet das für das Innenministerium?

Müller-Niese: Das hat man natürlich auch im Innenministerium mitbekommen. Ich kann Ihnen hier gerne etwas zur Betroffenheit der Bundesverwaltung sagen, wenn Sie Interesse haben.

Vorsitzende Sirleschtov: Was ist Ihre Frage?

Müller-Niese: Was ist Ihre Frage? Ob wir das mitbekommen haben?

Zusatzfrage: Die Reaktion des Innenministeriums auf diese Infiltrierung.

Müller-Niese: Man hat den Sachverhalt den Medien entnommen.

Zusatzfrage: Was nimmt das Innenministerium jetzt daraus mit?

Müller-Niese: Das ist ja jetzt eine andere Frage. Ich kann Ihnen sagen: Es ist bekannt, das Mobilfunktelefonie mit einem gewissen Aufwand abgehört werden kann - auch im Bundesministerium des Innern - und daher für die Übertragung von sensiblen Informationen in der Bundesverwaltung nicht geeignet ist, sofern keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Der Umfang des Zugangs von Nachrichtendiensten zu Verschlüsselungscodes von SIM-Karten stellt zwar eine neue Qualität der Arbeit von Nachrichtendiensten dar, jedoch untermauert er nur die Befürchtungen zur Sicherheit der normalen Mobilfunkkommunikation.

Jetzt zur Bundesverwaltung: Um derartigen Risiken zu begegnen, werden für sensible Kommunikation seit Jahren zugelassene BSI-Kommunikationsgeräte genutzt, mit denen sicher verschlüsselt kommuniziert werden kann. Die Sicherheit dieser Geräte ist nach hier vorliegender Kenntnis durch den genannten Angriff nicht beeinträchtigt. Der Einsatz und die Entwicklung von sicherer, moderner Kommunikationstechnik für die Bundesverwaltung wird daher auch vor dem Hintergrund der Snowden-Enthüllungen weiter vorangetrieben.

Dann kann ich noch etwas zum Unternehmen Gemalto sagen: Im Umfeld der hoheitlichen Dokumente werden keine Chips des Unternehmens Gemalto verwendet. Ein ähnlicher Angriff auf die verwendeten Chips und ihre Schlüssel ist nicht möglich, da die Beschlüsselung der Chips durch die Bundesdruckerei erfolgt. Die Zertifizierung der verwendeten Chips umfasst außerdem auch die Begutachtung der Entwicklungsumgebung vor Ort beim Hersteller.

Montag, 23. Februar 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 23. Februar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/02/2015-02-23-regpk.html;jsessionid=CECB7BA9F6914B7FEEE98F32E68AB250.s1t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2015

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