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PRESSEKONFERENZ/969: Regierungspressekonferenz vom 8. April 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 8. April 2015
Regierungspressekonferenz vom 8. April 2015

Themen: Eröffnung der Hannover Messe, Empfang des indischen Premierministers, Einberufung einer deutsch-australischen Beratergruppe, Griechenland, statistische Erfassung von Demonstrationen/Brandanschlag auf Flüchtlingsheim in Tröglitz, Erwerbsbeteiligung Älterer in Deutschland, Maßnahmen des Auswärtigen Amtes zur Verbesserung des Schutzes deutscher Auslandsvertretungen, Projektgruppe "Wirksam regieren" im Bundeskanzleramt, Bürgerdialog "Gut leben in Deutschland", Justizvollzug in deutschen Gefängnissen, Zahl illegaler Einreisen in die Bundesrepublik, Gedenkfeier anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald, im Rahmen der Energiewende geplante Sonderabgabe auf alte Kohlekraftwerke, Eckpunktepapier nach den Verhandlungen über das iranischen Nuklearprogramm, Konsequenzen aus dem Absturz eines Germanwings-Flugzeugs in Frankreich, Krise im Jemen

Sprecher: SRS'in Wirtz, Chebli (AA), Toschev (BMWi), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Plate (BMI), Westhoff (BMAS), Scholz (BMJV)


Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRSin Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRSin Wirtz: Wir haben normalerweise immer freitags den Ausblick auf die Woche der Kanzlerin. Da die Kanzlerin allerdings schon am Sonntag die Hannover Messe eröffnen wird, möchte ich Ihnen das schon jetzt ankündigen, damit Sie einen gewissen Vorlauf haben.

Die Kanzlerin wird am Sonntag, dem 12. April, gemeinsam mit dem indischen Premierminister Modi die Hannover Messe eröffnen. Hintergrund ist, dass Indien dieses Jahr Partnerland der Hannover Messe ist. Die Eröffnungsveranstaltung wird um 18 Uhr sein. Sowohl der indische Premierminister als auch die deutsche Bundeskanzlerin werden dort eine Rede halten. Dann wird es ein Abendessen mit Wirtschaftsvertretern aus beiden Ländern geben.

Am Montag, dem 13. April, wird die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem indischen Premierminister um 9 Uhr den traditionellen Eröffnungsrundgang über die Hannover Messe machen. Dabei werden sie zunächst den indischen Pavillon eröffnen und einige Stände, wie traditionell üblich, besuchen. Eine gemeinsame Pressebegegnung ist für 11 Uhr geplant.

Danach werden beide an der Eröffnung des Deutsch-Indischen Wirtschaftsforums 2015 der Hannover Messe teilnehmen und auch hier eine Rede halten.

Einen Tag später geht es dann von Hannover nach Berlin. Hier wird der indische Premierminister Modi um 12 Uhr mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Natürlich werden die Gespräche fortgesetzt. Um 13.15 Uhr wird es eine Pressebegegnung im Bundeskanzleramt geben.

Der indische Premierminister wird die Zeit in Berlin auch nutzen, um Wirtschaftsminister Gabriel und Außenminister Steinmeier zu treffen. - So weit schon einmal als Vorgriff auf die kommende Woche.

Dann möchte ich Ihnen noch eine andere Sache mitteilen, und zwar hat die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem australischen Premierminister Tony Abbott eine deutsch-australische Beratergruppe einberufen. Hintergrund dieser Beratergruppe ist die Berlin-Canberra-Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft, die im Januar 2012 zum 60. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen abgeschlossen wurde.

Im Rahmen der Beratergruppe, die jetzt ins Leben gerufen worden ist, werden beide Regierungen Empfehlungen formulieren, um die bilaterale Zusammenarbeit und das gemeinsame Verständnis über wichtige Fragen in der Region Asien/Pazifik zu vertiefen. Die Beratergruppe wird von Staatsministerin im Auswärtigen Amt Frau Professor Maria Böhmer und dem australischen Finanzminister Mathias Cormann geleitet. Ein erstes Treffen der Gruppe findet im Juli 2015 in Berlin statt.

Das war es so weit von meiner Seite.

Frage : Frau Wirtz, gehen wir doch direkt zum Thema Griechenland und zu einer Entwicklung von gestern, die auch auf heute zeigt. Hält es die Bundeskanzlerin für vernünftig, zu sagen, die Griechen seien dumm, wenn sie die Reparationszahlungen mit den aktuellen Diskussionen um weitere Hilfen verknüpfte?

SRSin Wirtz: Die Haltung der Bundesregierung zu der Frage der Reparationszahlungen haben wir hier an dieser Stelle sehr eingehend und vielfältig besprochen. Die Haltung der Bundesregierung zu dieser Frage ist klar, nämlich dass gerade die Frage der Reparationszahlungen im Rahmen der Zwei-plus-vier-Verhandlungen 1990 abgeschlossen worden ist. Gleichwohl ist es so, dass sich die deutsche Bundesregierung zu ihrer moralischen Verantwortung gegenüber Griechenland bekennt. Aber in der rechtlichen Frage sind die Diskussionen abgeschlossen.

Davon unabhängig zu sehen sind sicherlich die Fragen auf europäischer Ebene, um die es jetzt im Zusammenhang mit Griechenland geht, wenn es darum geht, inwieweit von europäischer Seite noch einmal Hilfen für Griechenland geleistet werden. Das sind zwei unterschiedliche Fragen.

Zusatzfrage: Danke, Frau Wirtz. - Es ging in diesem Zusammenhang auch eher um eine andere Frage, nämlich nicht um den Inhalt, der so weit bekannt ist, sondern um die Frage, ob es vernünftig ist, wenn ein Vizekanzler ein anderes Volk als dumm bezeichnet, und ob dies für die Verhandlungen hilfreich ist.

Vielleicht auch gleich die Frage an Frau Chebli: Hat sich die griechische Seite möglicherweise schon darüber beschwert?

SRS'IN WIRTZ: Jedes Regierungsmitglied hat sicherlich seine eigene Diktion. Wenn ich den Vizekanzler richtig verstanden habe und richtig interpretiere, ging es ihm darum, dass man die beiden Fragen auseinanderhält. Insofern kann ich Ihnen nur noch einmal bestätigen, dass das insoweit auch die Haltung der Bundesregierung ist, nämlich dass diese zwei Fragen unabhängig voneinander zu betrachten und zu bewerten sind.

Chebli: Es gab keine Reaktion, Beschwerde oder Ähnliches seitens der griechischen Regierung an das Auswärtige Amt.

Toschev: Ich kann vielleicht ergänzen: Wenn Sie sich die Äußerung anschauen - die sind ja öffentlich verfügbar; das war ja gestern eine Debatte, eine öffentliche Veranstaltung -, dann werden Sie feststellen, dass sich das im Wortlaut nicht auf das - wie Sie sagen - griechische Volk bezog, sondern es ging um die Verknüpfung dieser beiden Debatten, die nichts miteinander zu tun haben, wie Frau Wirtz dies eben geschildert hat. Das ist also eine etwas andere Tonalität.

Zusatzfrage : Ja, Herr Toschev. Aber diese Verknüpfung stellt ja irgendjemand her, also dann die Regierung. Ist es dann klug, die griechische Regierung als dumm zu bezeichnen?

Toschev: Die Bewertung überlasse ich Ihnen. Ich sage nur noch einmal, was genau gesagt wurde, nämlich dass sich diese Äußerung auf die Verknüpfung bezog. Sie bezog sich nicht auf konkrete Personen, sondern auf eine Frage zu den Reparationszahlungen und auf die Verknüpfung, die in dem Zusammenhang - von welcher Seite auch immer - angestellt wird.

Frage : Ich würde zum einen gerne wissen, ob die Bundesregierung angesichts einer Diskussion unter den deutschen Parteien, in denen das Thema Reparationen doch etwas anders behandelt wird als das Thema Zwangsanleihe, vorhat, den Komplex "Zwangsanleihe" und mögliche Zahlungsverpflichtungen noch einmal zu prüfen und sich dem noch einmal eingehender zu nähern, also Berechtigung Rückzahlung einer Zwangsanleihe.

Mich würde zum Zweiten vom Bundesfinanzministerium interessieren: Es gibt ja heute Gespräche der Euro-Arbeitsgruppe Staatssekretäre in Brüssel zum Thema Griechenland. Ich weiß gar nicht, ob das in Brüssel ist oder ob das eine Telefonkonferenz ist. Über was unterhalten sich denn die Herren? Denn ich habe nicht mitbekommen, dass über die Ostertage irgendetwas Neues an Papieren, an Informationen, an Vorschlägen von der Athener Seite gekommen ist. Von daher ist mir ein bisschen rätselhaft, was da das Thema sein kann.

Ich würde zum Dritten gerne vom Auswärtigen Amt wissen, ob man dort Befürchtungen hegt, dass mit dem Besuch von Herrn Tsipras in Moskau, ich sage einmal, größere Gefahren für den einheitlichen Kurs der Europäer in Sachen Wirtschaftssanktionen entstehen könnten, dass Griechenland stärker in Richtung Russland neigen könnte.

SRS'IN WIRTZ: Zu der Frage Zwangsanleihen und Reparationszahlungen: Ich möchte noch einmal ganz klar darauf hinweisen, dass sich Deutschland natürlich seinen moralischen Verpflichtungen gegenüber Griechenland stellt und anerkennt - das hat der Bundespräsident auf seiner Reise im vergangenen Jahr eindrücklich getan -, dass die Kriegsgräuel, die in den Jahren 1941 bis 1944 unter deutscher Besatzung in Griechenland erfolgten, eine moralische Verantwortung für Deutschland darstellen. In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Maßnahmen und Projekte, die sich beispielsweise in Form des Zukunftsfonds oder des Deutsch-Griechischen Jugendwerkes auch diesen Fragen und dieser Verantwortung stellen.

Aber in der Frage der Reparationen gibt es jetzt keinen neuen Stand, der sich über die Ostertage in irgendeiner Weise verändert haben könnte. Wir haben ja auch schon vor Ostern gesagt, dass die Zwangsanleihen Teil dieser Reparationszahlungen sind, für die die Bundesregierung der Auffassung ist, dass diese Frage juristisch mit den Zwei-plus-vier-Verträgen abgeschlossen ist.

Von Tiesenhausen-Cave: Zu Ihrer Frage an mich: Es ist in der Tat richtig, dass heute und morgen ein Treffen sehr hoher Beamter in der sogenannten Euro-Arbeitsgruppe in Brüssel stattfindet. Das ist ein ganz normales Arbeitstreffen, das es immer im Vorfeld des sogenannten Ecofin-Ministerrates gibt. Es stehen viele Punkte auf der Tagesordnung. Es geht unter anderem um die wirtschaftliche Lage in der EU. Es geht um die Anhebung des Wachstumspotenzials. Es geht um die Kapitalmarktunion. Es geht um das BEPS-Projekt. Sie sehen: Es geht um einen breiten Strauß an Themen.

Was die Verhandlungen der drei Institutionen mit Griechenland um diese Reformliste angeht, haben Sie recht, dass es da in der Tat keinen formellen neuen Stand gibt. Diese Verhandlungen laufen. Wir warten weiterhin darauf, dass Griechenland mit den drei Institutionen diese Reformliste abstimmt.

Chebli: Zu der Frage, die Sie mir gestellt haben: Herr Tsipras und andere Regierungsvertreter haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie die Zukunft ihres Landes, die Lösung der Schuldenkrise oder auch die Bearbeitung von Themen auf der internationalen Agenda innerhalb der EU sehen. Darauf vertrauen wir. Hier nehmen wir die griechische Regierung auch beim Wort. Es gibt wichtige Fragen, die das aktuelle Verhältnis der Griechen zur EU, zur Nato, mit Russland angehen und die eine gemeinsame, geschlossene Haltung aller EU- und Nato-Mitglieder einschließen. Diese Positionen hat Griechenland bisher alle mitgetragen.

Was die Sanktionsfrage angeht: Zuletzt hat sich der Europäische Rat, wie Sie wissen, am 19. und 20. März mit Zustimmung aller Staats- und Regierungschefs dieser Frage gewidmet und die Frage der Sanktionen an die vollständige Umsetzung von Minsk geknüpft. Auch hier hat Griechenland diesen Beschluss mitgetragen.

Also: Es gibt für uns bisher keinen Anlass, konkret davon auszugehen, dass sich die Position der Griechen ändert. Jedenfalls ist das de facto noch nicht passiert. Alles, was bisher im Zusammenhang mit der Sanktionsfrage beschlossen wurde, wurde von den Griechen mitgetragen. Wir hoffen, dass das auch weiterhin der Fall ist.

Frage: Frau Wirtz, ich habe noch eine Frage zu der Bewertung der Moskau-Reise von Herrn Tsipras. Heute oder, besser gesagt, gestern gab es Wortmeldungen, zum Beispiel von Herrn Brok, die diese Reise als Drohgebärde werteten. Wie bewertet man diese Reise seitens der Bundesregierung? Sieht man die auch als Drohgebärde oder als einen ganz normalen Antrittsbesuch?

Die zweite Frage - das ist eine Wissensfrage an das Finanzministerium -: Wie wäre es jetzt, wenn Herr Putin und Herr Tsipras doch übereinkommen, dass eine finanzielle Hilfe fließen würde? Wäre das eigentlich eine Verletzung von Regeln der Eurozone? Denn das ist ja dann wahrscheinlich die Frage.

SRS'IN WIRTZ: Ich denke, als deutsche Regierungssprecherin steht es mir nicht an, die Reisepläne anderer Regierungschefs hier zu kommentieren.

Von Tiesenhausen-Cave: Das ist eine sehr hypothetische Frage. Soweit ich weiß, steht das nicht auf der Tagesordnung. Es ist natürlich überhaupt nichts Besonderes, wenn sich ein Staat Geld bei anderen leiht. Das ist das internationale Finanzsystem. Das ist Ihnen, glaube ich, auch bekannt.

Zusatzfrage: Das heißt, wenn Griechenland jetzt Geld aus Russland bekäme, wäre das aus der Sicht des Finanzministeriums im Grunde genommen ein normaler Vorgang?

Von Tiesenhausen-Cave: Das ist eine hypothetische Frage, die sich im Moment nicht stellt. Insofern werde ich das jetzt nicht bewerten.

Frage: Frau Wirtz, Stichwort "Zwangsanleihe": Sehe ich das richtig, dass für die Bundesregierung der Fall der Zwangsanleihe mit der Überweisung der 115 Millionen D-Mark im Jahr 1960 abschließend, ein für allemal geregelt ist?

Weil Sie noch den Besuch von Herrn Gauck im letzten Jahr in Athen angesprochen haben: Der Bundespräsident sagte bei seinem Aufenthalt seinerzeit, dass er sich auch mehr Generosität vorstelle bei der Frage, wie man jenseits des moralischen Schuldbekenntnisses mit der historischen Hinterlassenschaft umgeht. Können Sie mir einmal sagen, was die Bundesregierung seit dieser Zeit unternommen hat, um etwas mehr Generosität gegenüber Griechenland zu zeigen?

SRS'IN WIRTZ: Zunächst einmal möchte ich das ausführen, was wir hier schon mehrfach erörtert haben: Die Frage der Reparationszahlungen ist für die Bundesregierung insofern abgeschlossen, als die Zwei-plus-vier-Verträge, die 1990 abgeschlossen worden sind, eine in dieser Hinsicht abschließende Regelung für Deutschland getroffen haben. In der Charta von Paris, die im November 1990 unterschrieben worden ist, sind ausdrücklich die Regelungen im Zwei-plus-vier-Vertrag begrüßt worden. Das ist auch von den Vertragsstaaten der KSZE, also auch von Griechenland, so vorgenommen worden. Insofern ist diese Frage aus juristischer Sicht für die Bundesregierung abgeschlossen. Das ist das, was wir auch hier immer wieder wiederholen und was die Rechtsauffassung der Bundesregierung zu dieser Frage ist.

Die zweite Frage betraf die Reise des Bundespräsidenten im vergangenen Jahr. Damals hat er sich ganz eindrücklich zu der Verantwortung Deutschlands in der Besatzungszeit bekannt. Er hat auch die moralische Verpflichtung Deutschlands deutlich gemacht. In der Folge sind im Auswärtigen Amt und auch im Familienministerium Bemühungen zum einen um einen Zukunftsfonds und zum anderen um ein Jugendwerk erfolgt. Das sind durchaus Schritte, um auch die historische, moralische Verantwortung wahrzunehmen und auf diese Art und Weise auch zu einer Aussöhnung mit dem griechischen Volk zu kommen.

Frage: Frau Wirtz, Sie haben gerade begründet, dass die Reparationen und die Zwangsanleihen mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag abgeschlossen seien. Nun habe ich gelernt, dass das mit einem Friedensvertrag abgeschlossen worden sei. Aber die Bundesregierung, wenn ich es richtig verstehe, sieht den Zwei-plus-vier-Vertrag nicht als Friedensvertrag, richtig?

SRS'IN WIRTZ: Wir haben hier auch darüber schon sehr oft gesprochen. Es steht jetzt nicht zur Debatte, wie die Zwei-plus-vier-Verträge kategorisiert oder interpretiert werden.

Zusatz: Aber das war die Frage.

SRS'IN WIRTZ: Ja. Aber das steht im Moment nicht zur Debatte, sondern die Frage, die im Raum steht, ist, ob die Reparationszahlungen noch in irgendeiner Weise offen oder zu diskutieren sind. Dazu habe ich Ihnen gerade die Auffassung der Bundesregierung dargelegt. Diese Rechtsauffassung der Bundesregierung beruht auf den Zwei-plus-vier-Verträgen. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Zusatz: Aber die konkrete Frage war: Sieht die Bundesregierung den Zwei-plus-vier-Vertrag als Friedensvertrag?

SRS'IN WIRTZ: Die Bundesregierung sieht den Zwei-plus-vier-Vertrag als Zwei-plus-vier-Vertrag an, mit dem die Fragen der Reparationen abschließend geregelt sind.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium. Es geht um Tröglitz und die statistische Erfassung von Demonstrationen, die es gegen Flüchtlingsheime gibt. Wenn ich das richtig verstanden habe, werden die Demonstrationen erfasst, wenn die zum Beispiel von der NPD oder von anderen Unterstützerorganisationen kommen, aber zum Beispiel solche Demonstrationen wie die von Pegida nicht. Können Sie sagen, warum das so ist, warum das nicht erfasst wird? Können Sie einen Zusammenhang herstellen zwischen der Häufigkeit solcher Demonstrationen auch aus dem rechtspopulistischen Lager und Übergriffen auf Flüchtlingsheime?

Plate: Vielen Dank für die Frage. - Ich glaube, es ist sinnvoll, wenn ich zunächst unabhängig von Ihrer Frage, bevor ich natürlich noch auf die Frage komme, ein paar erläuternde Bemerkungen zum Thema statistische Erfassung mache.

Grundsätzlich muss man zunächst einmal die statistische Erfassung von Straftaten unterscheiden. Das geschieht einerseits im polizeilichen Bereich in Gestalt der Polizeilichen Kriminalstatistik, andererseits im justiziellen Bereich in Form von Verfahren, die zum Abschluss gekommen sind.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik wird beim Bundeskriminalamt auf Bitten des Bundesinnenministeriums auf der Basis von Länderdaten erstellt. Klar ist, dass die Zuständigkeit für die Polizeiarbeit, jedenfalls im wesentlichsten Teil, bei den Ländern liegt und man dies deswegen von dort sammeln muss. Das bezieht sich, um schon jetzt einmal ein bisschen zu der Frage zu kommen, auf die Frage: Wie viele Straftaten gibt es im Zusammenhang mit Demonstrationsgeschehen? Da findet eine Erfassung auch im Rahmen der Polizeilichen Kriminalstatistik und im Rahmen der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität statt.

Jetzt hatten Sie aber, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nach der statistischen Erfassung von Versammlungen im Allgemeinen gefragt, unabhängig von der Frage, ob dort Straftaten geschehen oder nicht.

Das Versammlungsrecht ist seit, ich glaube, der ersten Föderalismusreform in der Zuständigkeit der Länder. Auch die Zuständigkeit für die - etwas untechnisch gesprochen - Betreuung in der Versammlung, das heißt für Sicherheitsfragen rund um die Versammlung, liegt auch bei den Ländern.

Nun ist es so, dass das Bundesinnenministerium anlässlich von mehreren parlamentarischen Anfragen anlassbezogen solche Daten zusammengetragen hat: Was hat es für Demonstrationen gegeben? Der relativ selektive Blickwinkel, den Sie geschildert haben, ist der konkreten parlamentarischen Anfrage geschuldet, auf die geantwortet wurde.

Es ist nicht zutreffend, um dies vielleicht noch als Abschlusssatz zu sagen, dass Demonstrationen, die von der NPD oder meinetwegen noch drei weiteren Institutionen oder Organisationen ins Leben gerufen werden, sowie strukturell erfasst werden und dass andere nicht erfasst werden. So kann man das nicht sagen. Die jeweiligen Länder erfassen die Demonstrationen, die bei ihnen stattfinden. Wenn es entsprechende Anfragen gibt, sind diese Informationen vom Bundesinnenministerium jeweils passend zu der Anfrage zusammengetragen worden.

Zusatzfrage: Wenn ich da noch einmal nachfragen darf: Können Sie denn einen Zusammenhang feststellen zwischen Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime, von der Häufigkeit der Demonstrationen, von den Regionen, in denen das stattfindet, und den Übergriffen, die es dann gibt?

Plate: Grundsätzlich ist es so, dass es bei Versammlungen mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Teilnehmern immer auch Straftaten gibt. Man wird immer eine Korrelation von einer Zunahme an Versammlungen zu einer Zunahme an Straftaten bekommen, ganz grundsätzlich. Wenn es mehr Versammlungen zu einem Thema gibt, dann wird es auch immer mehr Straftaten geben. Insofern: Eine solche zumindest lose Korrelation kann man in jedem Fall feststellen.

Was man ferner feststellen kann, ist, dass sowohl die Zahl der Demonstrationen - das heißt rechtstechnisch gesprochen: Versammlungen - rund um das Thema Flüchtlinge im Laufe des vergangenen Jahres zum Jahresende hin erheblich zugenommen hat und dass auch die Zahl der Straftaten erheblich zugenommen hat.

Etwas davon zu trennen ist die Frage, ob die Zahl der Straftaten gegen Asylbewerberheime, die natürlich wiederum nicht unbedingt mit Demonstrationen im Zusammenhang stehen müssen, zugenommen hat. Diese Zahl hat auch zugenommen. Es ist nicht wissenschaftlich untersucht, woran diese Zunahme lag.

Wir gehen davon aus, dass es, jedenfalls mit der erheblich intensiveren Thematisierung des ganzen Themenfeldes Asyl und allem, was drum herum stattgefunden hat, auch zu einer Politisierung und zu einer Emotionalisierung verschiedener gesellschaftlicher Schichten gekommen ist. Das hat ganz sicher auch mit dazu beigetragen, dass auch die Zahl von Straftaten in diesem Bereich über das Jahr hinweg zugenommen hat.

Man kann doch relativ deutlich sehen: Je präsenter das Thema gewesen ist, desto mehr Demonstrationen und desto mehr Straftaten im Rahmen von Demonstrationen, aber auch mehr Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte hat es gegeben. Die Zahl hat es in Kleinen Anfragen gegeben, jeweils bezogen auf die Quartale eins, zwei, drei und vier des Jahres 2014. Viele Kolleginnen und Kollegen von Ihnen haben schon danach gefragt. Das kann ich bei Interesse gerne über den Verteiler zur Verfügung stellen. Das kann ich auch vortragen. Ich glaube, das sind viermal zwischen 10 und 16 Seiten. Das ist ganz interessant zu beobachten.

Sie hatten als Letztes noch nach regionalen Korrelationen gefragt. Mit anderen Worten: Ist das letztlich etwas, was sich komplett bundeseinheitlich entwickelt hat, oder ist das etwas, was regionale Schwerpunkte gehabt hat? Auch dazu gibt es keine wissenschaftliche Untersuchung. Aber wenn man sich über die Zahlen beugt, stellt man schnell fest, dass die Realität wie so oft ein bisschen komplexer ist, als viele Personen, die sich zu dem Thema öffentlich äußern, es vielleicht gerne sehen würden.

Das ist kein reines Ostphänomen, wenn Sie zum Beispiel darauf anspielen. Das ist etwas, was Sie sowohl im Osten als auch im Westen, im Süden und im Norden der Republik beobachten können und konnten. Nichtsdestotrotz gibt es schon regionale Schwerpunkte. Die liegen auch etwas überdurchschnittlich im Osten. Aber es ist eine viel zu starke Vereinfachung, zu sagen: Das ist ein reines Ostproblem. - Einer solchen Auffassung würde sich das Bundesinnenministerium nicht anschließen.

Frage: Herr Plate, vor ein paar Wochen haben Sie die Zahl von zwölf rechtsextremen Gefährdern in Deutschland genannt. Ist das vielleicht gerade im Hinblick auf Tröglitz eine Unterschätzung gewesen?

Plate: Ich sehe das nicht als Unterschätzung an. Es stimmt: Die Zahl zwölf hatte ich Ihnen nach meiner Erinnerung genannt, und zwar auf der Basis von Material, das ich in der damaligen Regierungspressekonferenz dabeihatte. Aber rechtsextreme Gefährder sind eine sehr spezielle Kategorie. Ich habe die Definition seinerzeit genannt, kann sie aber aus dem Kopf gerade nicht mehr wiederholen. Das heißt aber nicht, dass es nicht mehr als zwölf Personen in Deutschland geben kann, die potenziell rechtsextreme Straftaten begehen.

Rechtsextreme Gefährder sind solche, die bei den Sicherheitsbehörden schon vorher ziemlich präzise auf dem Schirm waren, um das vielleicht etwas umgangssprachlich auszudrücken, und zwar nach ganz bestimmten gerasterten Kriterien. Wenn Sie dies noch einmal dargelegt haben wollen - ich habe es das letzte Mal vorgetragen -, kann ich es gerne noch nachreichen. Ich habe es heute nicht dabei. Das steht aber sicher auch im Protokoll. Die Zahl zwölf, die ich vorgetragen habe, ist lediglich die Zahl, die genau diese Kriterien erfüllt. Damit sollte aber weder damals noch heute gesagt werden, dass es nach der Auffassung des Bundesinnenministeriums in der gesamten Bundesrepublik nur zwölf Personen gibt, die potenziell eine rechtsextreme Straftat begehen.

Vielleicht haben Sie das Ganze ja verfolgt. Die Pressemitteilung über die Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität kommt einmal jährlich im Frühjahr heraus. Das war letztes Jahr am 29. April. In Kürze wird es wieder sein, ohne dass ich Ihnen schon heute das genaue Datum sagen kann. Da werden Sie sehen, dass das Bundesinnenministerium auch mit Zuwächsen in diesem Bereich stets sehr transparent umgegangen ist, und das wird auch weiter so sein.

SRS'IN WIRTZ: Vielleicht darf ich noch einen Punkt dazu ergänzen. Herr Plate hat ausgeführt, was die Hintergründe und die Fakten dieser Taten sind. Ich möchte noch einmal für die Bundesregierung betonen, dass es für Rechtsextremismus in Deutschland keinen Platz gibt und dass die Bundesregierung solche Taten, wie sie in der Nacht zum Samstag in Tröglitz geschehen sind, auf das Schärfste verurteilt.

Zusatzfrage: Herr Plate, sind diese Vorkommnisse in Tröglitz rechtsextreme Gefährdungen?

Plate: Die Ermittlungen laufen in der Zuständigkeit des Landes Sachsen-Anhalt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich glaube, es gebietet der Respekt einerseits vor den Vorkommnissen und den Menschen, die davon betroffen waren, und andererseits vor den Sicherheitsbehörden des Landes Sachsen-Anhalt, dass den Ergebnissen in den Ermittlungen nicht vorgegriffen werden sollte.

Es ist nicht ganz fernliegend, dass die Tat dem politisch motivierten und dort auch dem rechtspolitisch motivierten Spektrum zuzuordnen ist. Wir verfolgen das natürlich mit sehr großer Aufmerksamkeit.

Das Bundeskriminalamt ist als Zentralstelle - das heißt unter Informationsgesichtspunkten - sehr eng in die Tätigkeiten eingebunden. Das Bundeskriminalamt hat auch eine eigene Auswertung der Äußerungen durchgeführt, die im öffentlich zugänglichen Internet zu dieser Tat aus - ich möchte sagen - interessierten Kreisen stattgefunden haben. Es hat die Erkenntnisse, die es daraus gewonnen hat, in die Ermittlungen eingespeist.

Der Fall wird auch im GETZ, dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum, an dem Bund und Länder beteiligt sind, ausgewertet werden. Sicherlich erst dann wird eine abschließende und seriöse Antwort auf diese Frage möglich sein.

Zusatzfrage: Wenn Leute aufgrund der Ereignisse verhaftet werden oder wenn gegen diese ermittelt wird, kommen die denn in die Statistik dazu? Zählen die dann zu den neuen rechtsextremen Gefährdern?

Plate: Das kann ich Ihnen aufgrund der Tatsache, dass ich die Definition der Kategorie, zu der ich zwölf Personen genannt habe, jetzt nicht dabeihabe, nicht ganz genau sagen. Das ist aber auch ohnehin eine hypothetische Frage, weil wir nicht wissen, was für Personen aus welchen Motiven diese Tat begangen haben. Davon wird die Einordnung sicher abhängen.

Frage: Herr Plate, unabhängig davon, dass wir noch nicht wissen, wer diese Tat jetzt verübt hat, wissen wir ja, dass Straftaten gegen Asylbewerberheime zugenommen haben. Ich vermute, das ist ja eher eine Ländersache. Ich frage Sie jetzt trotzdem einmal: Gibt es denn Anlass dafür, geplante Asylbewerberunterkünfte stärker zu schützen, als bisher geplant war? Haben Sie darüber Erkenntnisse? Befinden Sie sich darüber im Austausch mit den Polizeien der Länder? Wird da möglicherweise stärker bestreift, oder warten wir möglicherweise auf den nächsten Anschlag und sagen dann wieder "Die Bundesregierung distanziert sich natürlich"? Müssen wir nicht auch einen stärkeren Schutz dieser Unterkünfte vermitteln?

Plate: Grundsätzlich ist es so, wie Sie schon vermutet haben: Der Schutz der jeweiligen Asylbewerberunterkünfte obliegt der jeweiligen Landespolizei. Nichtsdestotrotz kann ich auch vonseiten des Bundesinnenministeriums ein paar allgemeine Dinge zu Ihrer Frage sagen: Es ist einfach so, dass sich eine Pauschalierung im Rahmen einer Antwort auf Ihre Frage verbietet. Warum das so ist? Das ist deswegen so, weil der Schutz von besonders gefährdeten Einrichtungen - sei es in der Zuständigkeit des Bundes oder auch der Länder - immer auf Grundlage einer differenzierten Lagebewertung vorgenommen wird. Sozusagen etwas in Umgangssprache übersetzte: Die Polizeien und, soweit erforderlich und sinnvoll, die Nachrichtendienste tauschen sich darüber aus, wie sich eine auf eine Einrichtung bezogene, bestimmte Gefährdungslage darstellt. Der Schutz erfolgt der Lage angepasst. Das heißt, noch etwas vereinfacht gesagt: Wenn eine besondere Gefährdung vorliegt, dann gibt es auch einen besonderen Schutz. Wenn nicht, dann nicht.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium: Herr Westhoff, wie beurteilt die Ministerin die Tatsache, dass der Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Älteren nach den Zahlen der BA nun offenbar zum Erliegen gekommen ist?

Westhoff: (Beginn ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) Das ist eine punktuelle Entwicklung, die erwartbar war, die nicht überraschen kann und die auch kein Geheimnis ist. Die BA weist ja regelmäßig, sehr ausführlich und aktuell aus, wie die Erwerbsbeteiligung in einzelnen Alterskohorten zunimmt und sich entwickelt. Wir hatten dabei in den letzten Jahren einen deutlichen und massiven Zuwachs von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter von 60 bis 65 Jahren zu verzeichnen. Wir haben auch in anderen, jüngeren Alterskohorten einen massiven Zuwachs zu verzeichnen; das ist ja kein Geheimnis. Dass die Rente mit 63 dabei punktuell und vorübergehend eine gewisse Delle produziert, war völlig erwartbar. Das wächst sich aber nach hinten heraus auch wieder aus. Denn es ist ja bekannt, dass die Rente mit 63 streng genommen gar keine Rente mit 63 ist, sondern eine abschlagsfreie Rente nach 45 Arbeitsjahren beziehungsweise Versicherungsjahren.

Zuruf: (akustisch unverständlich)

Westhoff: Ja, gut, aber sie wird umgangssprachlich so genannt, und wir haben uns dem nie verschlossen. - Aber spätestens ab dem nächsten Jahr wird man schon frühestens nach 45 Jahren mit 63 Jahren und zwei Monaten in Rente gehen können, im Jahr darauf dann mit 63 Jahren und vier Monaten; das vergisst man in der aktuellen Diskussion vielleicht oft.

Das heißt, es gibt parallel zum Anstieg des Rentenzugangsalters auf 67 Jahre auch einen Anstieg des Zugangsalters in diese Rente von 63 auf 65 Jahre. Das heißt, langfristig besteht weiterhin die Entwicklung, dass längeres Arbeiten normal wird. Wir sind weiterhin auf dem Weg in eine Gesellschaft des längeren Arbeitens. Niemand hat die Rente mit 67 infrage gestellt. Insofern ist die aktuelle Entwicklung, die sich jetzt für das letzte Jahr zeigt, eine, die vorübergehender Natur ist und die den Grundtrend in keiner Weise infrage stellt.

Frage : Herr Westhoff, weil es in diesen Zusammenhang passt: Ein Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Herr Alt, hat sich im Zusammenhang mit Maßnahmen für Langzeitarbeitslose dafür ausgesprochen, dass Jobcenter Arbeitslosen dabei helfen, sich in Vereinen, Kirchengemeinden oder Wohltätigkeitsorganisationen zu engagieren. Unterstützt Ihr Ministerium diesen Vorstoß?

Westhoff: Langzeitarbeitslose? Sie müssen mir jetzt hinsichtlich der Forderung noch einmal helfen. Herr Alt hat gestern ein Interview gegeben und war heute bei Ihnen im dpa-Interview, und darüber habe ich alles Mögliche gelesen. Können Sie diese Forderung einfach noch einmal ganz kurz wiederholen?

Zusatz: Die Forderung ist, dass Jobcenter Langzeitarbeitslose dabei unterstützen, sich in Kirchen oder Wohltätigkeitsorganisationen zu engagieren, damit sie einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.

Westhoff: Grundsätzlich ist es so - nur für das Protokoll -, dass die BA und die Jobcenter selbst eine große Handlungsfreiheit in Bezug auf die Maßnahmen haben, durch die sie Langzeitarbeitslose wieder an den Arbeitsmarkt und dann eine Beschäftigung heranführen. Grundsätzlich ist das allererste Ziel, sie in Arbeit zu vermitteln. Auf dem Weg dahin kann es aber gerade bei der Gruppe von Langzeitarbeitslosen, die sich jetzt in der Betreuung und Beratung befinden, sinnvoll sein, sie überhaupt einmal sozial teilhaben zu lassen und sie an einen geregelten Tagesablauf heranzuführen. Das hängt immer sehr stark von den individuellen Qualifikationen und davon ab, was die betroffenen Langzeitarbeitslosen mitbringen. Dann kann es in der Tat Sinn ergeben, sie auch in diesen Funktionen einzusetzen und sie dort bestimmte Grundfertigkeiten wieder erlernen zu lassen. Aber das hängt wirklich immer davon ab, wie die individuelle Position ist, wie die individuellen Qualifikationen aussehen. Es darf jedenfalls nicht zur Regel werden, zu sagen "Dann schaffen wir so einen zweiten, dritten oder einen wie auch immer gearteten Arbeitsmarkt und vergessen darüber die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt". Das darf sich nicht ausschließen, sondern höchstens ergänzen.

Zusatzfrage: Ihre Ministerin hat Ende letzten Jahres angekündigt, sie werde das laufende Jahr zu einem Zentrum für die Vermittlung von Arbeitslosen machen. Sie hat von Aktivierungszentren gesprochen, die man einrichten werde. Wie weit sind diese Pläne gediehen? Gibt es schon eine Umsetzung?

Westhoff: Das sind ja drei Module. Das eine war ein ESF-Programm, das läuft. Da hat die Ausschreibungsphase begonnen; es sind ja immer Objektträger, die sich dann dafür bewerben. Dann gibt es die Aktivierungszentren. Die ersten werden, soweit ich weiß, jetzt im Sommer starten. Ich kann den aktuellen Stand aber auch noch einmal nachreichen. Wo die drei Module auf der Zeitschiene jetzt genau sind, kann ich Ihnen nicht im Einzelnen darlegen.

Zur Frage der Beschäftigungszuschüsse - das heißt, dass man Langzeitarbeitslose möglichst betriebsnah einsetzt und Lohnkostenzuschüsse von bis zu 100 Prozent bezahlt - und der sozialen Teilhabe: Das soll, soweit ich weiß, auch im Sommer starten. Dazu ist die Gesetzesänderung im SGB II notwendig, und die ist im Moment auf dem Weg. Aber zum aktuellen Stand, weil es Anfragen dazu gab: Den habe ich jetzt nicht präsent, und ich würde ihn dann gleich an die Bundespressekonferenz senden.

Frage: Herr Westhoff, wie viele Anträge - die Zahlen interessieren mich - auf die Rente mit 63 haben wir denn aktuell, und wie viele sind schon beschieden?

Westhoff: Danach müssten Sie die Rentenversicherung fragen; die hat die aktuellen Zahlen. Wir bekommen die auch immer erst danach. Soweit ich weiß, ist die Rentenversicherung sehr aktiv und auf Anfrage auch gerne bereit, die Zahlen Monat für Monat herauszugeben. Wir haben sie also nicht. Wir haben sie, wenn überhaupt, dann nur durch die Rentenversicherung.

Ich habe die jüngsten Zahlen. Wir haben jetzt gerade den Beginn des Aprils. Soweit ich weiß, war es in den letzten Monaten immer so, dass die Rentenversicherung von sich aus aktiv geworden ist und nach den ersten acht oder neun Tagen eines jeden Monats diese Zahlen herausgegeben hat. Ich kann jetzt also nur auf die letzte Meldung der Rentenversicherung aus dem März dazu verweisen. Wie die Zahlen da aussehen, müssten Sie einfach einmal der Pressemitteilung entnehmen.

Frage: Frau Chebli, "Spiegel ONLINE" hat vor Kurzem gemeldet, das Außenministerium plane eine bessere Absicherung der Auslandsvertretungen. Unter anderem wurde Erbil genannt. Können Sie das bestätigen und bitte ein paar Details dazu nennen, wie groß der Etat ist, der dafür zur Verfügung steht? Was wird konkret gemacht?

Chebli: Vor dem Hintergrund der sich verändernden Weltlage mit neuen Akteuren oder auch dem Gewaltpotenzial des islamistischen Terrorismus wird das Auswärtige Amt Maßnahmen ergreifen, um auch unsere Auslandsvertretungen besser zu beschützen. Auf das, was da bei "Spiegel ONLINE" steht, möchte ich jetzt nicht im Einzelnen eingehen, auch nicht auf die einzelnen prinzipiellen Aspekte und auch nicht auf die Gelder, die darauf verwendet werden. Ich möchte nur sagen, dass es richtig ist, dass wir Maßnahmen in Angriff nehmen werden, um unsere Auslandsvertretungen zu schützen. Den Hintergrund habe ich Ihnen gerade dargestellt.

Natürlich ist uns die Sicherheit der 220 deutschen Auslandsvertretungen ein sehr zentrales Anliegen. Vor dem Hintergrund der veränderten Bedrohungslage und vielleicht auch der Rolle, die Deutschland heute auf der internationalen Bühne einnimmt - auch als sichtbarer Akteur -, hat sich die Gefährdungslage in diesem Sinne auch verändert.

Es ist nicht so, dass wir vorher nichts gemacht hätten. Die Maßnahmen sind auch schon in den letzten Jahren angehoben und angestoßen worden, um die Sicherheit der einzelnen Vertretungen zu verbessern. Aber es ist in der Tat so, dass wir jetzt noch einmal ganz konkret darüber sprechen, wie wir bauliche und personelle Maßnahmen der Sicherheit intensivieren können.

Frage: Frau Chebli, gab es in den letzten Monaten und Jahren konkrete Gefährdungen für deutsche Botschaften?

Chebli: Wenn es Gefährdungen gab, dann haben wir ja auch reagiert, zum Beispiel im Jemen, wo wir die Botschaft geschlossen und unsere Mitarbeiter abgezogen haben. Es gibt ja ganz konkrete Reise- und Sicherheitshinweise auf der Website des Auswärtigen Amtes, wo Sie nachlesen können, was wir ganz konkret machen. Wenn es zu einer neuen Bedrohungsanalyse kommt, zu der das Auswärtige Amt sagt "Wir müssen reagieren, und wir können unsere Mitarbeiter nicht diesem Risiko aussetzen", dann werden Botschaften geschlossen oder sonstige Aktionen des Auswärtigen Amts unternommen, um unsere Mitarbeiter zu schützen. Das letzte Beispiel war, soweit ich mich erinnern kann, der Jemen.

Zusatzfrage: Heißt das, Botschaftsschließungen und -evakuierungen sollen dadurch verhindert werden?

Chebli: Sie sollen wodurch verändert werden?

Zusatz: Durch die neuen Maßnahmen.

Chebli: Darum geht es doch gar nicht! Es gibt verschiedene Maßnahmen, die das Auswärtige Amt unternimmt, um auf die Bedrohungsanalysen zu reagieren. Ich habe ja gerade gesagt, dass es zum Beispiel um personelle und auch um bauliche Maßnahmen geht. Wenn die Situation so ist, dass wir der Meinung sind, dass eine Botschaft geschlossen werden muss, weil das das Beste ist, um unsere Mitarbeiter zu schützen, dann werden wir das nach wie vor tun. Das eine schließt das andere nicht aus. Nur geht es schon darum, dass wir festgestellt haben, dass wir vor dem Hintergrund der Bedrohung nicht so gut gewappnet sind, also dass unsere Botschaften noch besser ausgestattet und geschützt werden müssen, weil sich die Bedrohungsanalyse und die Lage in der Welt verändert haben.

Zusatzfrage: Gelten die Vorkehrungen denn für alle 220 Botschaften?

Chebli: Das wird dann im Einzelfall geprüft werden. Es werden verschiedene Maßnahmen unternommen. Wir schauen uns die verschiedenen Auslandsvertretungen an, und dann werden die Maßnahmen unternommen.

Frage: Frau Wirtz, in verschiedenen Veröffentlichungen der letzten Tage war von einer geplanten oder bereits vorhandenen Stelle im Kanzleramt die Rede, die sich mithilfe von verhaltenspsychologischen Methoden der Gestaltung von Verhalten der Bürger widmen soll. Gibt es eine solche Stelle schon? Welche Absicht verfolgt die Bundesregierung damit?

SRSin Wirtz: Richtig ist - darüber gab es ja in der Tat schon einiges an Berichterstattung -, dass es Mitarbeiter im Bundeskanzleramt gibt, die sich durchaus auch mit solchen Fragestellungen befassen, die unter dem Stichwort "nudging" laufen. Das ist keine Stelle, sondern es gibt dort Mitarbeiter. Insofern ist das auch ein Thema, das im Bundeskanzleramt verfolgt wird; das ist richtig.

Zusatzfrage: Welche Absicht verfolgt die Bundesregierung damit?

SRSin Wirtz: Das ist die Absicht, einfach darüber nachzudenken, in welcher Form man Gesetzesvorhaben eventuell auch begleitet, wie man zu einer Durchsetzbarkeit von Gesetzesvorhaben kommt, und ähnliche Fragen zu beantworten. Aber das ist sozusagen kein abgeschlossenes Forschungsvorhaben oder Ähnliches, sondern es geht darum, auch neue Aspekte und neue Impulse zu bekommen. Deshalb gibt es auch diese Mitarbeiter im Kanzleramt.

Zusatzfrage: Das gibt es ja in anderen Ländern schon. In Großbritannien gibt es eine solche "nudge unit" seit einigen Jahren. Es gibt auch konkrete Politikbereiche, in denen die tätig war. Ist in Deutschland eine ähnliche Anwendung geplant?

SRSin Wirtz: Es ist noch nicht so, dass der Stand der Planungen oder der Arbeiten so weit fortgeschritten wäre, dass ich Ihnen jetzt irgendeinen Plan darlegen könnte und sagen könnte, in welchen Bereichen es entsprechende Vorhaben oder Planungen gibt. Aber im Moment ist es halt so, dass das anläuft und dass das ein Aspekt ist, der innerhalb der Bundesregierung auch verfolgt wird.

Frage: Frau Wirtz, nächste Woche wird ja eine neue Reihe des Bürgerdialogs anfangen. Vielleicht können Sie einmal kurz sagen, worum es dabei gehen soll. Was ist das Ziel dieser Veranstaltung? Dann hätte ich gleich im Anschluss daran noch eine zweite Frage.

SRSin Wirtz: Wir werden hier ja am Freitag die Termine der nächsten Woche offiziell bekannt geben. Nicht ganz unrichtig ist, dass es in der nächsten Woche einen Termin in dieser Richtung geben wird. Es geht darum, dass der Bürgerdialog "Gut leben" im Grunde ein Regierungsvorhaben ist, das ja schon im Koalitionsvertrag niedergelegt worden ist und auch in der Klausurtagung in Meseberg schon ein Thema war. Es geht darum, dass die Bundesregierung im Grunde mit Multiplikatoren - das heißt, mit verschiedenen Vertretern des gesellschaftlichen Lebens - in ganz Deutschland Veranstaltungen durchführt. Das heißt, unter der Regie dieser Verbände und Vereinigungen werden diese Veranstaltungen durchgeführt und von der Bundesregierung begleitet. In diesen Veranstaltungen geht es praktisch darum, dass die Bürger darlegen können, was sie unter gutem Leben in Deutschland verstehen und was sozusagen die Aspekte sind, die für die Bürger in ihrem täglichen Leben eine Rolle spielen.

Sie wissen, dass es in den vergangenen Jahren und auch in der vergangenen Legislaturperiode beispielsweise die Enquetekommission des Deutschen Bundestags gab, bei der es darum ging, Lebensqualität messbar zu machen oder jedenfalls Kriterien zu entwickeln, nach denen man die Lebensqualität in Deutschland qualifizieren kann. Bislang ist das BIP sozusagen der Indikator für Lebensqualität in Deutschland. Das ist ein möglicher Indikator, um diese Frage zu messen. Aber es geht der Bundesregierung eben darum, auch weitere Foren zu schaffen, um Bürgern entweder in diesen Bürgerveranstaltungen oder auf der Internetseite, die dann auch online gehen wird, die Möglichkeit der Partizipation und Mitsprache in dieser entscheidenden Frage zu geben. Da wird es eben in der nächsten Woche die Auftaktveranstaltung geben. Die Details werden dann aber noch am Freitag bekannt gegeben werden.

Zusatzfrage: So einen Bürgerdialog gab es ja schon einmal in ähnlicher Form. Dazu gab es auch einen Abschlussbericht. Können Sie vielleicht sagen, welche ein oder zwei Projekte sich daraus ergeben haben?

SRSin Wirtz: Welche ein oder zwei Projekte sich daraus ganz konkret ergeben haben, müsste ich Ihnen nachreichen; das kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand heraus nicht sagen. Ich kann jetzt nicht ganz spezifisch sagen: "Dieses und jenes Projekt hat es gegeben". Es gab Anregungen, die dann umgesetzt worden sind. Es gibt konkrete Beispiele. Aber die müsste ich Ihnen noch einmal nachreichen. Das mache ich gerne.

Frage: Frau Wirtz, ich komme zum Fall Middelhoff: Was sagt die Kanzlerin zu den Auswüchsen in deutschen Gefängnissen?

SRSin Wirtz: Die Auswüchse in deutschen Gefängnissen! Zunächst einmal kommentiert die Bundeskanzlerin die konkreten Berichterstattungen - Sie spielen ja auf Berichterstattungen an, die es am Wochenende oder in den letzten Tagen beziehungsweise über die Ostertage hinweg gab - nicht. Ich würde, wenn es jetzt um die Frage geht, wie sozusagen der Justizvollzug in Deutschland geregelt ist und welche Zustände dort herrschen, gerne an den Kollegen vom Bundesjustizministerium abgeben.

Scholz: Vielen Dank. Ich kann Sie nur an die Länder verweisen; denn seit der Föderalismusreform ist das Recht des Untersuchungsvollzugs Ländersache. Regelungen dazu wie auch in dem Fall in Nordrhein-Westfalen finden sich im Landesrecht. Es gibt ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz in Nordrhein-Westfalen. Danach richten sich diese Fragen. Insofern kann ich dazu von meiner Seite aus nichts beitragen. Wir hätten auch keine Kompetenz, dort irgendwelche Regelungen zu treffen; das muss man klar sagen.

Zusatzfrage: Weiß die Bundesregierung denn, ob es Folter in deutschen Gefängnissen gibt? Der konkrete Fall lässt sich ja so interpretieren.

Scholz: Nein, das, was Sie sagen, möchte ich so nicht übernehmen. Ich kenne den konkreten Fall nicht im Einzelnen. Deswegen kann ich das nicht bewerten und nicht beurteilen. Ansonsten ist mir dazu nichts bekannt.

Zusatzfrage: Können Sie das nachreichen und sich mit dem Fall beschäftigen?

Scholz: Nein, das kann ich nicht, weil das eine Angelegenheit ist, die das Land Nordrhein-Westfalen betrifft.

Zusatzfrage: Die Frage war aber, ob die Bundesregierung von Folter in deutschen Gefängnissen weiß, und Sie haben gerade gesagt, dass Sie den Fall nicht kennen.

Scholz: Davon weiß ich nichts.

Plate: Einen kleinen Beitrag zur Aufhellung dieser Thematik würde ich vielleicht noch leisten, ohne einen Bezug zu dem ganz konkreten Fall herzustellen: Die Bundesrepublik wird natürlich wie andere Staaten auch regelmäßig von diversen Ausschüssen besucht, die sich mit genau diesem Thema beschäftigen. Es gibt zum einen einen solchen Ausschuss, der auf Basis der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen gebildet worden ist. Es gibt einen Ausschuss des Europarats mit vergleichbarer Zielsetzung und vergleichbarem thematischen Auftrag. Beide Ausschüsse haben in den letzten Jahren mehrfach die Bundesrepublik Deutschland besucht und haben jedenfalls keine Fälle von Folter feststellen können. Bei Interesse verweise ich auf die detaillierten Berichte, die diese beiden Ausschüsse hinterlassen haben und auch der Bundesrepublik ins Stammbuch geschrieben haben.

Zusatzfrage: Herr Plate, Sie wissen selbst, wie mickrig diese Anti-Folter-Stelle ausgestattet ist und dass die Menschen für diese Arbeit nicht bezahlt werden. Das sind eine Handvoll Menschen, vielleicht zehn Menschen, und es gibt Tausende Polizeistellen und Gefängnisse in Deutschland. Wie soll dann sichergestellt werden, dass das kontrolliert werden kann?

Plate: Das liegt nicht in der Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums, aber ich kann trotzdem etwas dazu beitragen, weil auch das Bundesinnenministerium immer an diesen Untersuchungen beteiligt war: Da liegt eine Verwechslung vor. Die Stelle, die Sie meinen, ist die nationale Anti-Folter-Stelle, die sozusagen national zur Überwachung von Bundeseinrichtungen eingesetzt worden ist, in denen es zu Freiheitsentzug kommt. Darüber hinaus gibt es auch noch eine Stelle in Deutschland, die deutlich üppiger ausgestattet ist und die die Länder-Einrichtungen überwacht. Die Länder haben nämlich sehr viel mehr Freiheitsentziehungseinrichtungen als der Bund.

Die Stellen, von denen ich gerade sprach, waren darüber hinaus auch noch existierende und im Übrigen ganz gut ausgestattete Stellen des Europarats und der Vereinten Nationen. Die haben also nichts mit der Stelle zu tun, die Sie gerade erwähnt haben und die es noch zusätzlich gibt. Details zu dieser Stelle würde ich allerdings nicht nennen wollen, weil ich dazu nicht den aktuellen Kenntnisstand vorliegen habe und weil das einfach nicht in der Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums liegt.

Frage: Herr Plate, es gibt neue Zahlen über illegale Einreisen - Rekordzahlen, wie man liest - und auch im Hinblick auf festgenommene Schleuser. Setzt sich dieser Trend zur kräftigen Zunahme, die da vermerkt worden ist, nach Ihrer Kenntnis zu Beginn dieses Jahres weiter fort?

Zum Zweiten: Was folgern Sie politisch aus dieser Entwicklung? Gibt es irgendwelche politischen Konsequenzen, die man derzeit prüft und diskutiert?

Plate: Zunächst einmal zu den Zahlen: Noch brandneuere Zahlen als die gerade schon ganz brandneuen Zahlen, die der Präsident der Bundespolizei, Herr Romann, verkündet hat - das heißt, dass die Bundespolizei im vergangenen Jahr mehr als 57.000 illegale Einreisen registriert hat -, kann ich Ihnen nicht anbieten. Das sind in der Tat die allerneuesten Zahlen. Zu Trends, die darüber hinausgehen und mir zahlenmäßig nicht vorliegen, möchte ich dann spekulativ auch nicht Stellung nehmen.

Was gilt es, dagegen zu unternehmen? Sie hatten nach der politischen Reaktion gefragt. Das ist vielgestaltig. Einerseits gibt es natürlich etwas im Bereich des Personals der Bundespolizei zu unternehmen. Der Bundespolizeipräsident selbst hat in dem gleichen Interview, in dem er die Zahl genannt hat, ja schon gesagt, wie er innerhalb der Bundespolizei zu priorisieren gedenkt, um in Ansätzen schon einmal eine Antwort auf das Problem zu geben. Darüber hinaus werden Sie verfolgt haben, dass es in den letzten Jahren im Bereich der Bundespolizei - anders als vielleicht in manchen Länderpolizeien - stets Personalzuwächse gegeben hat, und zwar trotz des gemeinsamen Ziels der Bundesregierung der schwarzen Null, das auch vom Bundesinnenministerium geteilt wird. Für den jüngsten Haushaltsentwurf der Bundesregierung sind noch einmal 350 zusätzliche Stellen für den Bereich der Bundespolizei vorgesehen.

Neben dieser personellen Komponente stellt sich natürlich auch die Frage der Flüchtlingspolitik. Die Frage der Flüchtlingspolitik ist bekanntlich eine Frage, die nicht rein national, sondern europäisch gelöst werden kann. Der Bundesinnenminister ist mit seinen Amtskollegen - mit seinen europäischen Amtskollegen, aber auch mit seinen Kollegen innerhalb der Bundesregierung und insbesondere mit dem Bundesaußenminister sowie dem Bundesminister für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit - intensiv dabei, auf den verschiedensten Kanälen und auch mit den verschiedensten Mitteln an Lösungen zu arbeiten. Ich hatte dazu schon ein paarmal vorgetragen, will aber sozusagen nur in Gestalt von Eckpunkten sagen, dass die europäische Strategie, an der weiter gearbeitet wird und die noch weiter verfeinert wird, ja vor allen Dingen auf drei Säulen basiert - zum einen auf der Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern, die der Verbesserung harrt, zum Zweiten auf der besseren Bekämpfung der Schlepperbanden und zum Dritten auf der gemeinsamen europäischen Asylpolitik.

Zu dem dritten Punkt, der derjenige ist, der ja vor allen Dingen in der Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums liegt, möchte ich vielleicht nur folgende kleinere Hinweise geben, die sozusagen an das erinnern sollen, was hier schon vorgetragen worden ist: Deutschland nimmt ein Drittel der Asylbewerber in der Europäischen Union auf. Dem Bundesinnenministerium schwebt vor, dass man perspektivisch zu einer etwas gleichmäßigeren Verteilung kommt. Ansätze hierfür werden gemeinsam mit der Europäischen Kommission und gemeinsam mit den anderen europäischen Mitgliedstaaten intensiv erörtert, und zwar sowohl anlässlich der jeweiligen Sitzungen des Justiz- und Innenrats als auch in bilateralen und multilateralen Gesprächen, die zwischen diesen Sitzungen stattfinden.

Frage: Frau Wirtz, ich habe so etwas wie eine Terminfrage. An diesem Sonntag jährt sich zum 70. Mal die Befreiung von Buchenwald. Die Frage ist einfach: Wird ein Mitglied der Bundesregierung in irgendeiner Weise an den Gedenkfeiern teilnehmen?

Es gibt dieses Jahr wohl noch weitere Jahrestage. Sind Ihnen Planungen dazu bekannt, dass Mitglieder der Bundesregierung daran teilnehmen werden?

SRSin Wirtz: An diesem Sonntag wird meiner Kenntnis nach jetzt niemand teilnehmen. Aber ich kann das hier wirklich nicht abschließend für alle Ressorts und alle Ministerinnen und Minister sagen. Ich weiß jetzt auch nicht, welche Pläne der Bundespräsident seinerseits hat. Für die Kanzlerin habe ich Ihnen den Termin am Sonntag vorgetragen. Insofern müssten die anderen gegebenenfalls etwas dazu beitragen.

Vorsitzende Wefers: Es meldet sich offensichtlich niemand, der freiwillig davon Kenntnis hätte.

Frage: Wo wir schon bei Gedenkfeiern sind: In Armenien wird in der nächsten und übernächsten Woche der 100-jährige Völkermord - - -

Vorsitzende Wefers: Nein, jetzt machen wir nicht plötzlich ein armenisches Thema auf!

Zusatz: Aber das ist - - -

Vorsitzende Wefers: Das ist eine sehr interessante Strategie, und es wird gerne versucht, mit einer Frage noch einmal ein neues Thema aufzumachen. Ich habe auf meiner Liste noch vier Leute. Sie stehen auch darauf. - Herr Blank hat das nächste Wort!

Frage : Herr Toschev, ich habe eine Frage im Zusammenhang mit Kohlekraftwerken. Es gibt heftige Proteste der Gewerkschaften und von Landesregierungen in Bezug auf die Klimaabgabe für die 20 alten Kohlekraftwerke. Hält Ihr Minister trotz dieser Proteste an dieser Abgabe fest?

Toschev: Danke für die Frage! Der Minderungsbeitrag in Höhe von 22 Millionen Tonnen ist ja im Rahmen der Klimaziele im Dezember vergangenen Jahres vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte den Auftrag, Vorschläge dazu zu unterbreiten, wie das umgesetzt werden kann und wie diese Ziele im Strommarktbereich zu erreichen sind. Dafür haben wir einen Vorschlag unterbreitet. Der bettet sich in den Prozess ein, den wir im Rahmen der Energiewende durchführen, Stichwort Strommarkt usw.

Das Ziel steht natürlich fest: Der Bundesminister hat klargemacht, dass er für Vorschläge offen ist, wie dieses Ziel erreicht werden kann, und dass er auch den Dialog darüber sucht. Er hat sich auch an die Betriebsräte von Unternehmen in den voraussichtlich betroffenen Regionen gewandt, er hat mit den Länderenergieministern gesprochen, und wir werden diesen Dialog auch weiterhin auf Basis des Eckpunktepapiers führen, das wir vorgelegt haben.

Zusatzfrage : Ergänzend dazu die Frage: Gab es da schon Dialoge mit Betriebsräten, oder sind da Termine geplant? Werden wir die erfahren? Bis wann sollen Änderungen oder möglicherweise Konsequenzen daraus im Kabinett sein? Bis zur Sommerpause? Haben Sie da einen Zeitplan?

Toschev: Ich fange einmal von hinten an: Es gibt einen Zeitplan. Er ist auch veröffentlicht worden. Es gibt die Zehn-Punkte-Agenda zur Energiewende, die wir veröffentlicht haben. Wir haben das Grünbuch vorgelegt. Das mündet jetzt in einen Weißbuchprozess. In diesem Rahmen sollen konkrete Regelungsvorschläge erarbeitet werden. Das Eckpunktepapier ist in Vorbereitung dessen erstellt worden. Wir hoffen, dass wir noch vor der Sommerpause zu weiteren Vorschlägen kommen.

Den Dialog führen und suchen wir. Ich kann Ihnen aber konkrete Betriebsratstermine jetzt nicht nennen, weil es sie schlichtweg nicht gibt, glaube ich.

Frage : Frau Chebli, eine Frage zum Thema Iran: Der Bundesaußenminister hat nur ein paar Stunden nach dem Lausanner Abkommen den Iran in einem Gastbeitrag für die "FAZ" sehr scharf kritisiert. Er hat gesagt, dass der Iran nicht vertrauenswürdig ist und dass der Iran teilweise eine destruktive Politik in der Region betreibt. Meine Frage ist: Wie kann so ein Vertrauen hergestellt werden, wenn man schon während der Verhandlungen sagt, dass wir ihnen gar nicht vertrauen?

Ich hätte auch gern eine Bewertung der Rolle Irans in der Region vonseiten der Bundesregierung.

Chebli: Der Minister hat, wie Sie wissen - wie viele Tage war man in Lausanne und hat verhandelt? -, ich glaube, sieben Tage - jedenfalls war er da - Tag und Nacht verhandelt, um zu diesem Ergebnis zu kommen, das wir als sehr gutes Ergebnis und als einen entschiedenen Schritt nach vorne bewerten.

Der Minister hat sich in diesem Zusammenhang mehrfach geäußert. Er hat in vielen Gesprächen und Interviews zu dem Atomdeal und zu dem Eckpunktepapier, worauf man sich geeinigt hat, noch mal ganz klar gesagt, was man erreicht hat.

Er hat ganz klar auch in Richtung derjenigen, die das Abkommen kritisiert haben, gesagt: Es gibt kein Land der Welt, das sich so umfassenden Kontrollen seines Atomprogramms unterziehen muss wie der Iran. Er hat gesagt: Das Eckpunktepapier ist ein Schritt nach vorne.

Aber es geht natürlich jetzt auch ums Kleingedruckte. Dieses Kleingedruckte muss weiter ausverhandelt werden. Wir haben uns bis Ende Juni eine Frist gesetzt, die eingehalten werden soll. Dieses Kleingedruckte auszuverhandeln, das ist keine Formsache. Das ist ein zentrales Anliegen.

Vor allem in Richtung der Kritiker, die gesagt haben, der Iran hat doch von vornherein herumgetrickst, und wir lassen uns da auf einen Bad Deal ein, hat der Minister gesagt: Wenn es darum ginge, dass wir einen Bad Deal haben wollten, hätten wir uns auch vorher auf einen Bad Deal einigen können. Wir wollten vielmehr einen Deal, der letztendlich umfassend und nachprüfbar regelt, dass der Iran nicht zu einer Atombombe greifen kann. Das liegt in unser aller Interesse.

Die Iraner haben uns mit der Zustimmung zu dem Eckpunktepapier signalisiert und klargemacht, dass sie ein Interesse an einer Lösung haben. Jetzt wird es darum gehen, die letzten Wochen zu nutzen, um aus diesem Eckpunktepapier, das eine Grundlage ist, eine Vereinbarung zu erzielen, die letztendlich den Weg Irans zu einer Atombombe verhindert.

Der Minister hat ganz klar in Richtung jener Akteure, die sich aus der Region geäußert haben, gesagt: Wir verstehen auch die Sorgen, zum Beispiel der Israelis. Wir verstehen ihre Sorgen. Letztendlich wird es nur ein Abkommen geben, das auch ihren Sicherheitsinteressen Genüge tut. Das hat der Minister auch gesagt.

Ich glaube daher: Alle, die an dem Tag in Lausanne an einem Tisch saßen und verhandelt haben, waren sich ihrer Verantwortung bewusst, haben in vollem Bewusstsein dieser Verantwortung verhandelt und sind zu diesem Eckpunktepapier gekommen. Viele von uns und viele der Kommentatoren haben ja nicht mehr damit gerechnet, dass es zu diesem umfassenden Papier kommt, in dem wirklich viele, viele Fragen, die offen waren, geklärt werden konnten und das eine sehr gute Grundlage ist, dass wir im Juni zu einer Einigung kommen.

Zusatzfrage: Sie haben gerade Israel angesprochen und gesagt, dass Sie sich auch als Vertreter der Interessen Israels sehen. Israel hat jetzt einige eigene Bedingungen gestellt und verlangt, dass sie in ein Abkommen integriert werden sollen. Dazu hätte ich gerne eine Reaktion.

Chebli: Der Minister hat nach Lausanne auch mit dem israelischen Außenminister telefoniert. Der israelische Außenminister hat ihm gegenüber seine Bedenken kommuniziert, und der Minister hat gesagt: Wir nehmen die Sorgen natürlich ernst. Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter. Wenn wir es getan hätten, hätten wir längst einer Vereinbarung zugestimmt.

Es wird nur eine Vereinbarung geben, die die Welt sicherer macht, die die Region sicherer macht. Es gibt ja nicht nur Israel, sondern es gibt auch andere Länder in der Region, die ähnliche Sorgen haben wie Israel. Auch in diese Richtung sagt der Minister: Es wird nur ein Abkommen geben, das auch ihren Sicherheitsinteressen Genüge tut.

Ich will jetzt nicht im Detail auf das Eckpunktepapier eingehen; das kennen Sie ja zur Genüge. Vielleicht ist es wichtig, dass auch Israel versteht, dass der beste Weg, den wir für die Sicherheit Israels leisten können, ist, einen iranischen Weg zur Atomwaffe auszuschließen. Darum geht es. Es ist nicht so, dass wir die Sorgen nicht verstehen, aber der beste Weg, um die Sicherheit Israels zu garantieren, ist ja nicht, dass wir so weitergemacht hätten wie bisher.

Ich weiß nicht, ob es jedem hier im Raum klar ist: Im November 2013, vor der Einigung auf diesen Joint Action Plan, war der Iran trotz jahrzehntelanger schärferer Sanktionen nur zwei Monate von der Schwelle zu einer Atombombe entfernt. Wenn wir sehen, wo wir heute sind, dann sind wir viel, viel weiter und haben im Vergleich zu dem, was vorher war, Meilensteine erreicht bei unserem Weg und dem Ziel, zu verhindern, dass der Iran eine Atombombe in die Hand bekommt.

Frage: Frau Chebli, wenn der Außenminister sagt, der Iran ist kein vertrauenswürdiger Partner, wie kann er dann vertrauenswürdig werden?

Chebli: Ich weiß nicht, wie der Minister das genau gesagt hat. Letztendlich saß der Iran mit am Tisch. Das hat der Minister ja auch gesagt: Der Iran war Teil der Vereinbarung und hat als Akteur natürlich mit dazu beigetragen, dass es dieses Eckpunktepapier gegeben hat.

Die Tatsache, dass wir angefangen haben zu verhandeln, liegt ja darin begründet, dass es eine Vorgeschichte gab, die nicht unbedingt zu Vertrauen geführt hat, die nicht unbedingt dazu beigetragen hat, dass man dem iranischen Regime vertraut hat. Alle Vorkehrungen, die getroffen werden mussten, um zum Beispiel der IAEO Zugang zu den einzelnen Anlagen zu gewähren, wurden ja nicht eingehalten.

Wir blicken jetzt nach vorne und erachten es als wichtige Einigung, die wir erreicht haben, wo es auch um Transparenz geht, wo es um viele Fragen geht, auf die sich der Iran eingelassen hat, letztendlich mit dem Ziel, dass wir den Ausschluss der Atomwaffe für Iran erreichen können.

Zusatzfrage: Sie sagten, zwischenzeitlich war der Iran zwei Monate von der Bombe entfernt. Wann war das? Woher weiß das die Bundesregierung?

Chebli: Im November 2013. Da gibt es etliche Analysen der Experten, die natürlich jetzt auch mit am Tisch saßen, die genaue Modellrechnungen gemacht haben: Wie viele Zentrifugen mit wie viel hochangereichertem Uran braucht man, um letztendlich das 90-prozentige Uran zu haben, das man braucht, um eine Atombombe produzieren zu können? Da gab es im November 2013 eine Zeit, in der der Iran so viel hochangereichertes Iran gehabt hat, mit einer Anzahl von Zentrifugen, dass die Experten berechnet haben, dass sie zwei bis drei Monate von dieser Schwelle entfernt waren.

Es sind ja nicht nur Politiker, die da verhandeln, sondern es sind große Experten mit am Tisch, die das genau berechnen, auch jetzt wieder, wenn wir von einer Ausbruchzeit von einem Jahr reden. Auch die ganzen Angaben, die in diesem Eckpunktepapier gemacht werden, sind ja genaue Modellberechnungen von großen Experten, die uns diese Vorlagen machen und auf deren Grundlage letztendlich ein solches Eckpunktepapier geschrieben wird und die Einigung erzielt werden kann.

Frage: Der Bundesinnenminister hat am Donnerstag eine Initiative vorgestellt, dass in Zukunft Fluggesellschaften die Pässe kontrollieren sollten. Nun hat der Verband der Luftverkehrswirtschaft gesagt, dass das in Spanien, also dort, wo die Germanwings-Maschine gestartet ist, schon längst der Fall gewesen war. Diese Überprüfungen haben ja offensichtlich nicht die nötigen Daten zur Verfügung gestellt. Ändert das irgendetwas an der Initiative des Innenministers? Wenn nicht, wie sieht da der Zeitplan aus?

Plate: Vielen Dank für die Frage. Grundsätzlich sind der Bundesinnenminister und sein Haus der Auffassung, dass alle Maßnahmen, die einen Beitrag dazu leisten können, einerseits die Flugsicherheit zu erhöhen und andererseits die Identifikation der Personen, die in entsprechenden Flugzeugen gesessen haben, zu erleichtern, der Prüfung bedürfen. Die Kontrolle der Ausweise der Menschen, die in solche Flugzeuge eingestiegen sind, ist ein Baustein, ein Element der Prüfungen, die jetzt anstehen.

Es ist zutreffend, dass es in Spanien nationale Gesetzgebung gibt, die den Fluggesellschaften abverlangt, sowohl beim Check-in als auch beim Boarding die Ausweise zu kontrollieren. Die Passagierliste war im vorliegenden Fall allerdings aus anderen Gründen trotzdem sehr fehlerhaft und damit zur Identifikation nicht besonders hilfreich. Das heißt, allein die Ausweiskontrolle hätte in diesem Fall das Problem noch nicht gelöst.

Solche Ausweiskontrollen können aber einen Beitrag dazu leisten, auch Passagierlisten zu verbessern. Sie müssen sich das vielleicht folgendermaßen vorstellen: Da stehen ganz viele Namen drauf. Dann wird praktisch anhand der Ausweiskontrolle abgehakt: Ist die Person da oder nicht da? Häufig hat es den Personen, die diese Ausweiskontrolle vorgenommen haben, offenbar genügt, dass eine gewisse Wiedererkennungsmöglichkeit des Namens bestand. Ich mache jetzt ein fiktives Beispiel, weil ich natürlich personenbezogene Daten aus dem konkreten Flug hier nicht öffentlich ausbreiten kann. Angenommen, auf der Liste hat ein Martin Schmitt gestanden, und dann kommt jemand, zeigt den Ausweis, und darauf steht "Martin Schmitz", dann wurde es halt abgehakt. So viel zu diesem ganz konkreten Flug.

Nichtsdestotrotz ist es so, dass es in Spanien solche nationale Gesetzgebung gibt, aber mitnichten flächendeckend in allen EU-Staaten - es ging ja um Schengen-Flüge - oder allen Schengen-Staaten. In Deutschland gibt es so etwas konkret nicht. Es gibt auch keine europarechtliche Vorgabe dergestalt, dass Fluggesellschaften im gesamten Schengen-Raum solche Ausweiskontrollen durchführen müssten.

Aber noch einmal: Es ist einer von mehreren Vorschlägen, bei denen der Bundesinnenminister gesagt hat, sie bedürfen der Prüfung. Die Prüfung ist auch noch nicht abgeschlossen.

Zusatzfrage: Gibt es denn einen konkreten Zeitplan dazu? Also: Prüfung innerhalb des nächsten halben Jahres, innerhalb von zwei Monaten?

Plate: Diese Frage kann ich nachvollziehen, aber es gibt keinen konkreten Zeitplan. Hier geht auf jeden Fall Sorgfalt vor Schnelligkeit. Alle Beiträge, die möglicherweise hilfreich sind, müssen in Ruhe angeschaut werden. Ein Ergebnis gibt es dann, wenn die Erkenntnislage so ist, dass man weiß, ob der Vorschlag der Umsetzung würdig ist oder nicht.

Frage: Herr Plate, mit Verlaub, ich kann den Zusammenhang dieses Vorstoßes Ihres Ministers mit dem Absturz der Germanwings-Maschine überhaupt nicht nachvollziehen, denn da ging es ja nicht darum, dass der Kopilot, der den Absturz sehr wahrscheinlich verursacht hat, keinen Personalausweis hatte oder ein Gefährder gewesen sei.

In welchem Zusammenhang steht denn jetzt der Vorschlag mit diesem Absturz? Eigentlich doch in keinem. Oder doch?

Plate: Zunächst einmal steht selbstverständlich der Vorschlag in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Absturz, aber das ist nicht der einzige, sondern es ist typisch für die Arbeitsweise des Bundesinnenministeriums, dass bei Anlässen und Vorfällen jedweder Art wir uns möglichst breit aufstellen und schauen: Welche Defizite sind denn im Umfeld eines solchen Ereignisses aufgefallen?

Es ging ja nicht darum - das hat der Bundesinnenminister auch nie gesagt, auch wenn das vielfach öffentlich so behauptet worden ist -, dass durch eine solche Ausweiskontrolle der Absturz verhindert worden wäre oder Ähnliches. Dies vielleicht noch einmal zur Klarstellung. Es ist weder die Überzeugung des Bundesinnenministeriums, dass dies möglich gewesen wäre, noch ist es behauptet worden. Aber wenn Defizite im Umfeld einer umfassenden Aufarbeitung eines solchen Vorfalls auffallen - egal, ob diese Defizite nun konkret für den Vorfall ursächlich waren oder nicht -, dann sehen wir es als unsere Aufgabe an, an all diesen Defiziten zu arbeiten.

Chebli: Ich habe noch einen Nachtrag zum Thema Iran. Sie haben gefragt: Was kann der Iran tun, um letztendlich das Vertrauen zu gewinnen? Je nachdem, wie sich der Iran verhält und ob er sich an die Vereinbarung hält, die dann im Juni geschlossen werden wird, und diese umsetzt und dann auch die nächsten Schritte einhält, kann man daraus schließen, ob man dem Iran vertrauen kann oder nicht.

Ich habe jetzt noch einmal herausgesucht, was der Minister gesagt hat, und kann das nur wiederholen. Ich habe ja auch gesagt: Es gab in der Vergangenheit immer wieder heimliche Nuklearaktivitäten des Irans, die nicht unbedingt dazu beigetragen haben, dass man der iranischen Regierung traut. Der Minister hat gesagt: "Einen Vertrauensvorschuss für den Iran kann und wird es nicht geben. Das verbieten nicht nur die heimlichen Nuklearaktivitäten der Vergangenheit, sondern auch die immer wiederkehrenden, inakzeptablen Tiraden Teheraner Hardliner gegen Israel sowie Irans zweifelhafte, bisweilen auch gefährliche Rolle in anderen Konflikten der Region, von Syrien über Irak bis Jemen." Ich glaube, das spricht für sich.

Frage: Sie haben gerade Jemen angesprochen. Die Amerikaner haben jetzt angekündigt, dass Waffenlieferungen an Saudi-Arabien beschleunigt werden. Sieht da die Bundesregierung Bedarf, Waffenlieferungen zu beschleunigen? Vielleicht kann auch das Wirtschaftsministerium etwas dazu sagen.

Chebli: Aus Sicht der Bundesregierung gibt es für die Krise im Jemen nur eine politische Lösung. Das haben wir in diesem Raum auch mehrfach gesagt. Das hat der Minister auch in seiner ersten Stellungnahme zum Jemen gesagt. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass alle Parteien sich bereit erklären, zum Verhandlungstisch zurückzukehren und an Verhandlungen teilzunehmen.

Letztendlich ist es dann die Aufgabe der Vereinten Nationen, diese zentrale Rolle einzunehmen, um die einzelnen Akteure an einen Verhandlungstisch zu bringen und auf der Grundlage der Ergebnisse eines nationalen Dialogs zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zu kommen.

Für uns ist es wichtig, dass jetzt alle Seiten, vor allem auch die Huthis, darauf verzichten, ihre politischen Forderungen mit Gewalt durchzusetzen. Wir sind auch mit unseren Partnern in der Region im Gespräch, wie man zu einem Verhandlungsprozess zurückkehren kann. Für uns ist die bestmögliche Lösung für den Konflikt im Jemen natürlich eine politische.

Zusatzfrage: Deutschland ist ja mit Saudi-Arabien ganz gut in Kontakt. Wie nimmt Deutschland denn Einfluss auf Saudi-Arabien, das die Intervention im Jemen führt?

Chebli: Der Minister hat am Wochenende im Nachklapp an Lausanne auch mit dem saudischen Außenminister telefoniert. Ich werde jetzt nicht aus den Gesprächen zitieren, aber letztendlich haben wir auch unsere Haltung zu dem saudischen Vorgehen klargemacht. Der Minister hat gesagt, dass um Hilfe gerufen wurde und dass Saudi-Arabien letztendlich reagieren musste. Die Huthis waren schon im Anmarsch auf Aden und wollten den Präsidenten absetzen. Ich glaube, das ist etwas, das wir nachvollziehen können. Das hat der Minister auch gesagt.

Aber letztendlich bleibt und ist unsere Haltung, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt im Jemen geben kann, sondern nur eine politische. Deswegen müssen die Konfliktparteien zusammenkommen. Es muss Verhandlungen geben. Der Weg übers Militär kann nur in eine Sackgasse führen.

Der Jemen ist ein kompliziertes Land mit vielen komplizierten Akteuren. Es ist ja nicht so, wie es in der Presse oft holzschnittartig dargestellt wird, dass Schiiten gegen Sunniten kämpfen, die Huthis und der Iran gegen Saudi-Arabien kämpfen, sondern es ist viel, viel komplexer. In dieser Gemengelage kann es keine militärische Lösung geben. Wir setzen auf eine politische Lösung. Deshalb wird unser aller Anstrengung dahin gehen, dass wir die Parteien an einen Tisch bringen, dass es zu Verhandlungen kommt und dass über diese Verhandlungen dann eine friedliche Zukunft für das Land gefunden werden kann.

Toschev: Was die aktuelle Lage angeht, hat Frau Chebli ja jetzt Ausführungen gemacht. Ganz allgemein kennen Sie die Position der Bundesregierung zu Rüstungsexporten. Wir verfolgen eine sehr restriktive Politik. Der Minister hat sich gerade im Hinblick auf Exporte in die dortige Region in der Vergangenheit mehrfach geäußert und seine restriktive Haltung klargemacht. Es ist immer eine Einzelfallentscheidung, bei der auch die Lage vor Ort eine Rolle spielt. Das ist das, was ich Ihnen ganz allgemein dazu sagen kann.

Zusatzfrage: Heißt "Lage vor Ort" "Wenn es ruhig ist, dann ja, und wenn Krieg geführt wird, dann nein" oder andersherum?

Toschev: Nein, so pauschal lässt sich das nicht sagen, sondern damit meine ich, dass bei den Genehmigungsentscheidungen natürlich die Lage vor Ort, in der Region, im Empfängerland, in den Nachbarländern eine Rolle spielt. Das ist eine Einzelfallbetrachtung. Ich kann das nicht auf Ja/Nein-Fragen herunterbrechen.

Mittwoch, 8. April 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 8. April 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/04/2015-04-08-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2015

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