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PRESSEKONFERENZ/1186: Regierungspressekonferenz vom 21. März 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 21. März 2016
Regierungspressekonferenz vom 21. März 2016

Themen: Reise des Bundesaußenministers nach Moskau, Schuldspruch gegen die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko, Europäischer Rat in Brüssel, Flüchtlings- und Asylpolitik, Busunglück in Spanien, Reform des BND, Kritik der Deutschen Umwelthilfe e.V. an Aufklärung der Abgasmanipulationen bei VW, Äußerung des EZB-Präsidenten zu Finanzmitteln zur Ankurbelung der Wirtschaft, Schließung deutscher Einrichtungen in der Türkei, deutsche Beteiligung am Kampf gegen den "Islamischen Staat"

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Dr. Dimroth (BMI), Dr. Kalwey (BMF), Susteck (BMVI), Nannt (BMVg)


Vorsitzender Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Chebli: Außenminister Steinmeier wird morgen Abend nach Moskau reisen und dort am Mittwoch, dem 23. März, politische Gespräche mit Außenminister Lawrow und mit dem Premierminister Russlands, Herrn Medwedew, führen. Im Fokus der Gespräche werden neben den bilateralen Beziehungen natürlich Syrien und der Konflikt in der Ukraine stehen.

In Bezug auf Syrien wird es vor allem darum gehen, die Friedensverhandlungen in Genf voranzubringen. Der russische Teilabzug aus Syrien kann aus unserer Sicht eine Chance für einen politischen Prozess öffnen. Auch die Ausweitung humanitärer Zugänge und die Rolle Assads im politischen Übergangsprozess in Syrien werden in den Gesprächen eine wichtige Rolle spielen.

In der Ostukraine ist die Lage nach wie vor fragil; es kommt immer wieder zu Scharmützeln, die auch Todesopfer fordern. Außenminister Steinmeier hat ja beim letzten Normandie-Treffen in Paris gesagt, dass wir mit der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zum heutigen Stand nicht zufrieden sein können. In den Gesprächen mit Moskau wird es darum gehen, vor allem Fortschritte in der Sicherheitssituation der Ostukraine, aber auch im politischen Prozess zu erreichen.

Frage: Frau Chebli, wird das Thema Sawtschenko ein Thema sein, das Herr Steinmeier in Moskau ansprechen wird? Sie wurde ja heute trotz Protest der Bundesregierung schuldig gesprochen.

Chebli: Unsere Haltung zu diesem Thema ist bekannt. Der heutige Schuldspruch gegen Frau Sawtschenko ist das Ergebnis eines Prozesses, der nach allem, was wir wissen, rechtstaatlichen Grundsätzen zuwiderlief. Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit - und das haben wir in diesem Raum auch mehrfach angesprochen - immer wieder für die Freilassung Sawtschenkos aus humanitären Gründen eingesetzt und wird dies auch künftig tun. In den Gesprächen des Außenministers in Russland wird das sicherlich auch ein Thema sein.

Frage: Betrachtet die Bundesregierung Frau Sawtschenko als eine Kriegsgefangene, wie das zum Beispiel auch das Europaparlament getan hat?

Chebli: Ich habe dem, was ich zum Thema Sawtschenko gesagt habe, nichts hinzuzufügen.

Frage: Frau Chebli, was haben Sie denn an dem Prozess zu bemängeln?

Chebli: Dass er nicht rechtstaatlichen Prinzipien entspricht. Wenn man jemanden in einem rechtstaatlichen Verfahren verurteilt, dann hat derjenige die Möglichkeit, vernünftig angehört zu werden. Es gibt dabei ganz normale demokratische, rechtsstaatliche Prinzipien, die beachtet werden sollen. Das ist in diesem Fall nicht nach unseren Vorstellungen gelaufen. Von daher ist unsere Haltung, dass nach allem, was wir wissen, der Prozess, so wie er abgelaufen ist, rechtsstaatlichen Grundsätzen, so wie wir sie verstehen, nicht entsprochen hat.

Frage: Zum Verständnis: Nur weil sie nicht angehört wurde, war es kein rechtsstaatlicher Prozess, oder gibt es noch weitere Punkte, warum es kein rechtsstaatlicher Prozess war?

StS Seibert: Wir haben das hier in der Vergangenheit ja auch schon einmal klar benannt: Das ist die lange Inhaftierung mit Einzelhaft, das sind die fragwürdigen Verhörmethoden, die bei uns große Sorgen auslösen und die nach unserer Überzeugung internationalen Standards widersprechen, und es bleibt vor allem immer noch die Frage, wie Frau Sawtschenko überhaupt auf russisches Territorium und damit in den Einflussbereich der russischen Justiz verbracht wurde.

Frage: Frau Chebli, wird auch der mögliche Zugang deutscher Ärzte zu Nadija Sawtschenko besprochen? Warum wird diese Frage eigentlich so lange geprüft und auf welcher Seite ist jetzt der Ball, wer entscheidet jetzt?

Chebli: Ich kann Ihnen sagen, was unsere Haltung ist: Wir stehen bereit, dass ein deutsches Ärzteteam zu Frau Sawtschenko entsandt wird. Ich kann Ihnen mit Stand heute nur sagen: Wir sind darüber mit Russland im Gespräch; die Prüfung dauert weiter an und es gibt noch keine endgültige Reaktion. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass auch das ein Thema in den Gesprächen sein wird, die Außenminister Steinmeier in Moskau führen wird.

Frage: Ich möchte noch einmal auf das Thema Kriegsgefangene zurückkommen: Betrachtet die Bundesregierung die Nichtauslieferung von Frau Sawtschenko an die Ukraine als eine Verletzung des Minsker Protokolls? Einer der Punkte dieses Protokolls ist ja der Austausch von Kriegsgefangenen, und zwar alle gegen alle.

StS Seibert: Auch das haben wir hier in der Vergangenheit schon gesagt - ich wiederhole es gerne noch einmal -: Der Prozess gegen Frau Sawtschenko verstößt nach unserer Auffassung gegen Geist und Buchstaben der Vereinbarungen von Minsk, weil - Sie haben es gesagt - in den Vereinbarungen von Minsk die Zusage enthalten ist, alle Geiseln und alle Gefangenen auszutauschen.

Frage: Herr Seibert, Herr Dimroth, was unternimmt die Bundesregierung jetzt konkret, um den Flüchtlingskompromiss von Brüssel umzusetzen?

StS Seibert: Ich fange vielleicht einmal an - Herr Dimroth steht sicherlich zur Ergänzung bereit.

Wir haben am Freitag einen wirklich wichtigen europäischen Beschluss gefasst: eine Einigung zwischen der EU und der Türkei, die ein großer Fortschritt ist, weil sie eine realistische Perspektive bietet, die illegale Migration über Ägypten drastisch zu reduzieren, vielleicht so gut wie zu beenden, und dabei auch das unmenschliche Geschäftsmodell der Schleuser zu beenden. Dadurch öffnet diese Vereinbarung vom Freitag den Weg für eine gesteuerte, geordnete, legale Einwanderung wirklich schutzbedürftiger nach Europa. Damit, kann man sagen, handelt Europa endlich gemeinsam und es nimmt gemeinsame Verantwortung wahr.

Zur praktischen Umsetzung: Es ist immer - auch am Freitag - klar gewesen und auch klar gesagt worden, dass die notwendigen Kräfte zur Durchführung der Rückführungen aus Griechenland nicht gleich am ersten Tag in Griechenland zur Verfügung stehen würden. Es braucht ein paar Tage, bis die Sicherheitskräfte, die Asylverfahrensexperten, vor allem auch Dolmetscher und auch manche technische Gerätschaft angekommen sind. Dennoch war und bleibt es richtig, den gestrigen Sonntag zum Stichtag zu machen, ab dem jeder aus der Türkei kommende illegale Migrant in die Türkei zurückgeführt werden wird. Das ist eine klare und wichtige Botschaft. Jedem muss klar sein: Seit Sonntag hat eine neue Phase der Migration begonnen - eine Phase, in der es nicht nur teuer und nicht nur lebensgefährlich ist, sich den Schleppern anzuvertrauen, sondern auch sinnlos, weil diese illegale Migration über Ägypten eben keinen erfolgversprechenden Weg nach Europa mehr darstellt.

Unmittelbar nachdem diese Beschlüsse am Freitag getroffen worden sind, haben sich Mitarbeiter der Europäischen Kommission, der europäischen Institutionen und ganz besonders auch einiger Mitgliedstaaten - darunter Deutschland - noch am Wochenende darangemacht, die praktische Umsetzung in die Wege zu leiten. Das nötige Personal wird jetzt so rasch wie möglich aus den Mitgliedstaaten nach Griechenland in Bewegung gesetzt. Das koordiniert die Europäische Kommission, tatkräftig unterstützt von Deutschland und anderen Mitgliedstaaten. Ein Beispiel: Aus Deutschland kommt zum Beispiel der THW-Chef, Herr Broemme, dazu, um im Team des EU-Koordinators Maarten Verwey an den organisatorischen Herausforderungen zu arbeiten. Deutschland und Frankreich haben ihre Angebote bereits schriftlich unterbreitet, und wir hoffen, dass alle anderen Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Gleiche tun werden. Ich meine damit die Angebote, wie viel Personal und auch wie viel tatkräftige Hilfe wir zur Verfügung stellen können, und zwar sehr schnell.

So wird man dann, wie vorgesehen, ab Anfang April mit den Rückführungen beginnen können; darauf haben sich 28 Mitgliedstaaten geeinigt, und 28 Mitgliedstaaten zeigen hier einen gemeinsam, einen starken europäischen Willen. Ebenso - paralleler Strang - wird an der anderen Aufgabe gearbeitet, nämlich der Umsiedlung von Syrern auf legalem Wege aus der Türkei nach Europa. Auch das soll ja zeitnah beginnen, sobald die ersten illegalen Migranten aus Griechenland in die Türkei zurückgeführt worden sind. Es gibt im Moment also verschiedene Stränge. Es ist logistisch, organisatorisch, personell anspruchsvoll, das alles jetzt umzusetzen, aber die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und ganz besonders auch Deutschland fühlen sich dem verpflichtet und tun tatkräftig alles, was sie können.

Dimroth: Ich kann das gerne noch etwas ergänzen. Tatsächlich ist es so, dass auf der einen Seite eben in dieser Steuerungsgruppe, die von Herrn Verwey geleitet wird, ab heute der THW-Präsident Broemme vor Ort in Athen sein wird, um insbesondere, was die logistischen Fragestellungen anbetrifft, Herrn Verwey zu unterstützen, aber auch, um als "single point of contact" für die Fragestellungen, die beispielsweise auch die polizeiliche Arbeit und die Arbeit der Asylexperten vor Ort betreffen, zu dienen. Es ist jetzt an dieser Steuerungsgruppe, die Beschlüsse zu operationalisieren und Verfahren zu definieren, in denen dann eben auch deutsche Experten mitwirken können.

Wie Sie wissen, hat der Bundesinnenminister gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen sehr schnell reagiert und bereits am Wochenende bis zu 200 Polizisten angeboten, die dann bei der Rückführung tatkräftig mitwirken können, und hat bis zu 100 Asylexperten angeboten, die die griechischen Kolleginnen und Kollegen vor Ort bei den Verfahren unterstützen können. Das Verfahren ist dann so, dass die beiden zuständigen europäischen Agenturen - Frontex für die polizeiliche Einsatzschiene und EASO für die Asylschiene - entsprechende Anforderungen formulieren müssen. Abstrakt liegen diese Anforderungen zwischenzeitlich vor, sodass wir gerade dabei sind, sie zu prüfen. Gegebenenfalls bedarf es da an der einen oder anderen Stelle noch einer Nachfrage, insbesondere was Anforderungsprofile anbetrifft. Wir sind aber guter Dinge, dass wir dann auf Grundlage der von mir gerade zitierten Anforderungsprofile auch sehr rasch aus dem Innenministerium heraus entsprechende Angebote unterbreiten können. Es werden dann bis zu 300 Personen sein, die insgesamt sehr rasch in die entsprechenden Prozesse integriert werden können.

Was die zweite von Herrn Seibert beschriebene Baustelle anbetrifft, also das Thema Resettlement bzw. die Zusage der Europäischen Union, sozusagen als Ausgleich für die formulierte Bereitschaft der Türkei, die Rückführung aus Griechenland zu akzeptieren, EU-seitig jeweils einen syrischen Flüchtling aufzunehmen: Auch daran arbeiten wir mit Hochdruck und auch da wird noch im Laufe dieser Woche ein Expertenteam in die Region reisen, um entsprechende Verfahrensschritte zu besprechen. Insofern wird auch da mit Hochdruck daran gearbeitet, möglichst zeitnah in ein funktionierendes Verfahren überzugehen.

Frage: Noch einmal zur Klarheit: Wie viel deutsches Personal wird nach Griechenland entsandt?

Dimroth: Das hängt jetzt, wie gesagt, ein bisschen davon ab, wie genau die Anforderungsprofile der beiden von mir genannten Agenturen ausgestaltet werden. Das Angebot gilt - bis zu 200 Polizisten und bis zu 100 Asylexperten. Wir werden aus der Prüfung der bestehenden Anforderungen heraus sicherlich sehr zeitnah zu einem ersten Ergebnis kommen; ich kann Ihnen jetzt aber sozusagen noch nicht den Vollzug melden. Ich habe das Verfahren gerade beschrieben. Die Anforderungen der Agenturen sind am Wochenende bzw. heute eingegangen, und jetzt wird mit Hochdruck geprüft. Die Vorauswahl und entsprechende Überlegungen in den Behörden haben natürlich schon stattgefunden, sodass wir guter Dinge sind, dann auch zeitnah tatsächlich diesen Anforderungen gerecht zu werden - selbstverständlich in der Hoffnung - und auch das war Ziel der frühzeitigen Initiative des deutschen Innenministers und seines französischen Amtskollegen -, dass auch möglichst viele andere Mitgliedstaaten jetzt sehr zeitnah großes Engagement zeigen, um die wichtigen Beschlüsse vom vergangenen Freitag dann auch rasch mit Leben zu füllen und dann auch zum Funktionieren zu bringen.

Frage: Ich habe noch Fragen zu zwei Nebenaspekten.

Erstens. Zur Finanzierung dessen, was die Türkei an Geldmitteln erhalten soll - diese 3+3 Milliarden Euro -, hat der Unions-Finanzmann Brinkhaus heute Morgen im ARD-"Morgenmagazin" davon gesprochen, dass wahrscheinlich Deutschland wie immer seinen traditionellen Anteil von 20 Prozent und ein bisschen mehr tragen wird. Entspricht das noch dem Stand der Dinge in Sachen Türkei, oder wird dieser Anteil nicht höher ausfallen?

Zweitens. Am Wochenende gab es auch einen Bericht über die Belegungen deutscher Aufnahmelager. Ist denn schon daran gedacht bzw. gibt es schon irgendwelche Planungen, diese Kapazitäten zurückzuführen, oder werden die erst einmal für einen gewissen Zeitraum vorgehalten?

StS Seibert: Herr Dimroth, wollen Sie etwas zu den Aufnahmelagern sagen?

Dimroth: Ja. - Dazu kann ich sozusagen nicht antworten, weil es, wie Sie wissen, Herr Heller, Sache der Bundesländer ist, diese Aufgabe zu erfüllen und auch entsprechende Ressourcen vorzuhalten. Aus Sicht des Bundes war es uns immer sehr wichtig, dass die Länder möglichst hinreichende Kapazitäten im Bereich der Erstaufnahmeeinrichtungen vorhalten, und zwar deswegen, weil die Verfahrensdauer - dazu hatte ich hier mehrfach gesprochen - aus unserer Sicht eben nicht nur dadurch bestimmt wird, wie viele Mitarbeiter dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfahrensgestaltung jeweils zur Verfügung stehen, sondern es eben auch sehr relevant ist, dass die betroffenen Flüchtlinge möglichst für einen geraumen Zeitraum in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben, sodass dort zentral zumindest erste Verfahrensschritte im Asylverfahren abgearbeitet werden können. Das ist deswegen so wichtig, weil in der Regel in den Erstaufnahmeeinrichtungen entsprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch des BAMF vor Ort tätig sind und auf bestimmte Verfahrensverzögerungen reagieren können, die dann entstehen, wenn Flüchtlinge sehr frühzeitig auf die Kommunen verteilt werden - das kann man sich ja denken: Dann braucht man eine Ladung, dann müssen die jeweils von A nach B kommen und dann klappt das in dem einen oder anderen Fall aus welchen Gründen auch immer nicht. Insofern haben wir ganz grundsätzlich immer dafür geworben, möglichst großzügige Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen vorzuhalten.

Noch einmal: Wie jetzt die konkrete Planung aussieht, müssten die jeweilig zuständigen Bundesländer selbst beantworten.

StS Seibert: Ich kann Ihnen zu den Finanzen wahrscheinlich keine befriedigende Auskunft geben. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass jetzt erst einmal beschlossen worden ist, die schon zugesagten 3 Milliarden Euro für Flüchtlingshilfe in der Türkei so rasch wie möglich in konkreten Projekten auszugeben. Erst dann, wenn dieses Geld sozusagen so gut wie erschöpft ist, wird Europa seine Bereitschaft umsetzen, bis Ende 2018 weitere 3 Milliarden Euro für diese Flüchtlingsprojekte zur Verfügung zu stellen. Ich kann Ihnen jetzt nicht die genaue Zusammensetzung sagen - wie viel aus dem EU-Haushalt kommt und wie viel die Mitgliedstaaten anzubieten oder zu leisten haben. Ich nehme an, dass der übliche Schlüssel zur Anwendung kommt - vielleicht kann das BMF dazu etwas sagen.

Kalway: Vielleicht nur ganz kurz zur Ergänzung: Es geht jetzt erst einmal darum, dass die jetzt zugesagten 3 Milliarden Euro fließen. Die Frage, was darüber hinaus noch fließen soll bzw. wie genau das dann finanziert werden wird, wird man dann zu gegebener Zeit klären. Aber bis dahin ist ja erst einmal noch ein bisschen Zeit.

Frage: Wir haben ja Ende vergangener Woche auch eine Einigung über den Haushalt 2017 zwischen den betreffenden Schlüsselministern erlebt. Wie viel von der Summe von 5 Milliarden Euro für Integration im weitesten Sinne, von der der Vizekanzler spricht, ist denn letztendlich für den Komplex "Türkei-Gelder" vorgesehen?

Kalway: Ganz unabhängig davon: Sie wissen ja, was wir an Türkei-Hilfen beschlossen haben. Das sind zum einen die 3 Milliarden Euro, die sich aus der 1 Milliarde Euro aus dem EU-Haushalt und den 2 Milliarden Euro von den Mitgliedstaaten zusammensetzen. Der deutsche Anteil daran beträgt knapp 428 Millionen Euro und wird über vier Jahre geleistet. Ich weiß jetzt aber nicht, wie das im Zusammenhang mit Ihrer Frage steht.

Frage: Das ist drin im Haushaltsentwurf, das ist ganz normal eingeplant?

Kalway: Genau. Das war ja auch schon vorher kommuniziert worden.

Frage: Frau Kalwey, am Freitag hieß es vonseiten der SPD, es seien gut 5 Milliarden Euro, auf die man sich für 2017 geeinigt habe; am Wochenende hieß es dann aus Ihrem Haus, das seien nur etwa 2,5 Milliarden Euro. Wie viele Milliarden sind es denn jetzt, die zusätzlich für Flüchtlinge und Einheimische - sprich Langzeitarbeitslose etc. - ausgegeben werden, kann man darüber einmal Klarheit bekommen?

Kalway: Ich kann Ihnen dazu ganz allgemein sagen, dass wir natürlich zufrieden sind, dass es eine Einigung gibt. Die Eckwerte werden am Mittwoch dem Kabinett vorgelegt. Danach wird sich der Minister ja auch hier in der Bundespressekonferenz äußern. In diesem Rahmen können dann auch alle Fragen geklärt werden. Ich werde mich an dieser Stelle jetzt nicht weiter zu einzelnen Zahlen äußern; das wird dann alles am Mittwoch geschehen.

Frage: Entschuldigung, aber die Diskrepanz zwischen 2,5 und 5 Milliarden Euro ist ja sehr groß, deshalb würde mich schon interessieren, wie das zustande kommt. Die eine Seite sagt 5 Milliarden Euro, die andere sagt 2,5 Milliarden Euro - das ist ja wohl erklärungsbedürftig.

Kalway: Noch einmal: Ich kann Ihnen dazu jetzt nur das sagen, was ich Ihnen gesagt habe. Alles andere müssen wir dann auf Mittwoch vertagen.

Frage: Herr Seibert, wenn ein Mensch aus Ihrer Sicht illegal in Griechenland ankommt, ist der Mensch dann kriminell?

StS Seibert: Dieses Wort haben Sie hier nicht gehört, deswegen sehe ich auch keinen Grund, es in diese Debatte einzuführen.

Frage: Sie benutzen ja den Begriff "illegale Migration" oder "irreguläre Migration". Ist der Mensch dann kriminell?

StS Seibert: Ich benutze die Worte, die mir angemessen erscheinen.

Frage: Am Freitag haben Sie getwittert - da zitieren Sie Ihre Kanzlerin -: "Alle Prinzipien werden eingehalten, jeder Asylantrag wird individuell bearbeitet". Dazu meine Frage: Wenn es also Menschen in griechisches Hoheitsgebiet schaffen oder auf griechischen Boden geschafft haben, wo wird dieser Asylantrag dann bearbeitet und was müssen die Menschen nachweisen? In einem anderen Bericht heißt es, dass die Menschen nachweisen müssten, dass sie in der Türkei verfolgt werden.

StS Seibert: Zunächst einmal ist das eine ganz wichtige Aussage, auf die Sie da noch einmal anspielen: Das EU-Recht und das Völkerrecht werden uneingeschränkt gewahrt; jegliche Form von Kollektivrückweisung oder Kollektivausweisung ist ausgeschlossen, alle Migranten werden in Griechenland nach den einschlägigen internationalen Standards und in Bezug auf den Grundsatz der Nichtzurückweisung geschützt. Das ist zunächst einmal das Wesentliche. Wo das dann geschieht - sinnvollerweise dort, wo die Migranten eintreffen; sicherlich auf den Inseln - und ob es ausschließlich auf den Inseln und in den Hotspots geschieht, ist sicherlich etwas, was zurzeit genau organisatorisch geklärt wird.

Frage: Was müssen die Menschen nachweisen? Es heißt hier nämlich, dass sie nur nachweisen müssten, dass sie in der Türkei verfolgt werden. Es geht ja um Syrer, Afghanen usw., die aus Kriegen fliehen, die Kriegsflüchtlinge sind. Müssen die Menschen nachweisen, dass sie aus dem Krieg kommen, oder müssen sie nachweisen, dass sie in der Türkei verfolgt werden?

StS Seibert: Herr Dimroth, wollen Sie dazu etwas sagen?

Dimroth: Ja. - Ich kann auf das einschlägige europäische Recht verweisen, Herr Jung, das vorsieht, dass, wenn ein Mensch aus einem sicheren Drittstaat in die EU einreist, sein Asylantrag grundsätzlich unzulässig ist, außer wenn er eben nachweisen kann, genau in diesem sicheren Drittstaat einer Verfolgung zu unterliegen. Das beantwortet Ihre Frage und ist tatsächlich genau geltendes europäisches Recht, das auch in diesem Verfahren beachtet werden wird.

Frage: Ich würde ganz gerne auf den Punkt Rückführung oder Rückübernahme von Flüchtlingen auf legalem Weg aus der Türkei zu sprechen kommen.

Erstens. Herr Dr. Dimroth, Sie hatten diese Woche, wenn ich Sie richtig verstanden habe, in diesem Zusammenhang gesagt, es würde noch ein Expertenteam in die Region reisen, das sich damit auseinandersetzt. Herr Seibert, in diesem Zusammenhang möchte ich fragen: Besteht dieses Expertenteam nur aus Deutschen, oder beteiligen sich daran auch andere EU-Länder?

Zweitens zur Rückübernahme der 72 Menschen: Gibt es mittlerweile Zusagen aus anderen EU-Ländern, sich daran zu beteiligen?

StS Seibert: Ich fange einmal mit der letzten Frage an; vielleicht kann Herr Dimroth dann das andere übernehmen.

Wir haben eine Einigung von 28 europäischen Mitgliedstaaten auf diese europäisch-türkische Vereinbarung am Freitag. Wir wissen, dass es zwei Mitgliedstaaten gibt - die Slowakei und Ungarn -, die für sich einen andere Weg gehen wollen und die ihre Beteiligung an der Verteilung gerichtlich überprüfen lassen. Ansonsten haben wir 26 Mitgliedstaaten, die einen ganz klaren gemeinsamen Willen ausgedrückt haben, in diese Vereinbarung mit der Türkei einzutreten - das heißt, logischerweise auch das mit zu erfüllen, was Europa im Rahmen dieser Vereinbarung zu erfüllen hat.

Dimroth: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Das kann ich abschließend für den Moment noch nicht beantworten. Es wird sicherlich unser Interesse sein, dass sich andere Mitgliedstaaten, die jetzt auch schon so weit sind, bei so einem Besuch in der Region anschließen. Wir planen - Stand heute Morgen - erst einmal für uns selbst, sind aber im Gespräch mit anderen Mitgliedstaaten, um da möglichst keine Doppelarbeit zu produzieren, sondern hierüber möglichst in einem breiten Kreis - mit der Kommission sowieso, und möglichst auch mit anderen Mitgliedstaaten - Gespräche zu führen.

Frage: Wenn das nur deutsche Experten sind, die sich um die Rückübernahme kümmern, liegt ja der Schluss nahe, dass das im Prinzip allein auf deutschen Schultern lastet?

Dimroth: Nein, dieser Schluss liegt nicht nahe. Vielmehr ist es schlichtweg so, dass wir als Bundesregierung ein großes Interesse daran haben, dass die Beschlüsse von vergangener Woche sehr schnell funktionieren, sehr schnell umgesetzt werden, sehr schnell mit Leben gefüllt werden. Um unseren Teil der zugesagten Unterstützung, unseren Teil der zugesagten solidarischen Verteilung innerhalb Europas möglichst rasch umsetzen zu können, werden wir jedenfalls alles unternehmen, was sozusagen in der Hand der Bundesregierung liegt, um diese Hausaufgaben zu erledigen.

Noch einmal: Wir sind im guten Gespräch mit unseren Partnern, auch was das anbetrifft. Aber der Schluss, dass sich, wenn wir jetzt auch einseitig solche Unternehmungen anstrengen, andere damit sozusagen schon aus der Solidarität verabschieden, liegt nicht auf der Hand. Noch einmal: Uns geht es darum - das liegt auch auf der Linie des jetzt schon mehrfach zitierten Schreibens des Ministers -, dass die Bundesregierung ganz deutlich werden lässt, dass wir sehr bereit sind und in der Lage sind, alles in unserer Macht Stehende dazu beizutragen, dass diese Beschlüsse dann auch umgesetzt werden. Selbstverständlich schließt das aber mitnichten aus, dass andere das auch tun, und es schließt auch nicht aus, dass wir auf allen Kanälen darum werben, dass andere sich ebenso verhalten und da - noch einmal - nicht zuletzt auch aus Effektivitätsgründen gebündelte Maßnahmen eingeleitet werden.

Frage: Herr Dimroth oder vielleicht auch Herr Seibert, ich würde es gerne verstehen: Die Kanzlerin konnte am Freitag - wenn ich es richtig in Erinnerung habe - ja noch nicht so ganz genau sagen, was der Stand innerhalb der Türkei auch mit Blick auf die Gesetzeslage ist und ob die Voraussetzungen für die Rückübernahme überhaupt schon erfüllt sind. Insofern würde ich mich darüber freuen, wenn Sie da ein bisschen Aufklärung schaffen könnten: Wie weit ist denn die Türkei, wenn es darum geht, die Voraussetzungen für eine Rückübernahme überhaupt erfüllen zu können? Was fehlt dort aktuell noch, damit das überhaupt möglich ist?

Dimroth: Ich war am Freitag nicht dabei, deswegen kann ich jetzt nicht genau erkennen, wo die Lücke ist, die Sie beschreiben.

Frage: Wenn Herr Seibert gerade ins Protokoll schaut, kann ich ihm sagen: Es war die allerletzte Frage bzw. die allerletzte Antwort am Freitag.

StS Seibert: Danke.

Dimroth: Nach meinem Kenntnisstand ist es mitnichten so, dass auf türkischer Seite rechtlich oder tatsächlich noch wesentliche Änderungen vorzunehmen wären. Richtig ist wohl, dass auf griechischer Seite bestimmte Dinge noch getan werden müssen. Da geht es insbesondere auch um Verfahrensregelungen, die so ausgestaltet werden müssen, dass ein möglichst effektives Verfahren - tatsächlich idealerweise in den von Herrn Seibert genannten Hotspots - durchgeführt werden kann. Das ist auch mein Kenntnisstand. Was die Details betrifft, so müsste man tatsächlich die griechische Seite respektive auch die Kommission fragen; aber da gibt es meinem Kenntnisstand nach noch etwas zu tun. Dass das auf türkischer Seite auch der Fall ist, wüsste ich jetzt nicht. Das heißt aber nicht zwingend, dass ich sozusagen abschließend in Kenntnis der türkischen Rechtslage wäre.

StS Seibert: Ich könnte Ihnen vielleicht folgende Erklärung wenigstens anbieten: Die Türkei hat sich auf dem Gipfel ja erneut dazu verpflichtet, die zurückgenommenen Flüchtlinge zu schützen, und zwar im Einklang mit internationalen Standards und unter Respektierung des Non-Refoulement-Gebots. Die Genfer Flüchtlingskonvention - darauf spielen Sie möglicherweise an - hat die Türkei ja nur mit einem Vorbehalt ratifiziert, der die Geltung dieser Konvention auf Flüchtlinge aus europäischen Ländern beschränkt. Die Türkei hat aber durch nationales Recht ein umfassendes Refoulement-Verbot statuiert, das auch diesen Fall umfasst.

Frage: Herr Dr. Dimroth, steht denn schon fest, woher die angesprochenen 200 Polizisten bzw. 100 Asylentscheider kommen sollen?

Dimroth: Was meinen Sie mit "woher die kommen sollen" - regional?

Frage: Ja, aus welchen Behörden und regional.

Dimroth: Zu den Behörden: Zunächst einmal kann der Bund natürlich nur für seine eigenen Behörden Angebote unterbreiten. Das heißt, in Bezug auf die Polizisten wird es sich dabei - im Kern jedenfalls - um Bundespolizisten handeln, und in Bezug auf die Asylexperten wird es sich um Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge handeln. Wir werden, was die Polizisten anbetrifft - so wie das in der Vergangenheit auch üblich war -, auch bei den Bundesländern noch einmal abfragen, ob dort Bereitschaft besteht, diese Mission zu unterstützen. Aber das Angebot, das der Bundesinnenminister unterbreitet, unterbreitet er selbstverständlich zunächst einmal nur zu den dem BMI angegliederten Geschäftsbereichsbehörden, und das sind die beiden genannten, also Bundespolizei und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Was die regionale Herkunft einzelner Mitarbeiter anbetrifft, so kann ich Ihnen - da bitte ich um Verständnis - dazu jetzt noch keine Auskunft geben, weil, wie ich eingangs erwähnte, die Anforderungen erst sehr kurzfristig eingegangen sind und wir jetzt dabei sind zu prüfen, wie wir diesen Anforderungen Genüge tun können und welche Mitarbeiter an welchem Standort dafür infrage kommen. Wie gesagt, da kommt es dann ja auch sehr darauf an, wie genau das Anforderungsprofil aussieht. Da geht es also um die Fragen: Was brauchen die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, um diese Aufgabe zu bewältigen, und welche Mitarbeiter kommen dafür infrage?

Frage: Erstens. Stehen die deutschen Polizisten und Angestellten, die nach Griechenland gehen, dann unter der Verantwortung der griechischen Behörden, oder sind sie auf EU-Mission unterwegs? Wer hat also die Verantwortung: diejenigen, die in den Hotspots arbeiten, die griechischen Behörden oder die Europäische Union?

Zweitens. Sie haben gerade gesagt, die griechische Seite müsse noch ein paar Dinge machen. Was sind das für Dinge: Sind das gesetzliche Schritte, die die griechische Regierung machen soll, oder sind das administrative Maßnahmen?

Dimroth: Zu Ihrer ersten Frage: Es wird so sein, dass die beiden genannten europäischen Agenturen, EASO und Frontex, diese Einsätze koordinieren. Selbstverständlich werden immer da, wo es um Anwendung von Hoheitsbefugnissen und Hoheitsrecht geht, diese Befugnisse ausschließlich von griechischen Beamten und Beamtinnen ausgeübt werden. Eine Asylentscheidung beispielsweise, die, wenn sie negativ ausgeht, einen belastenden Verwaltungsakt zulasten des betroffenen Flüchtlings darstellt, kann nur ein griechischer Beamter oder eine griechische Beamtin treffen - um das ganz klar zu machen.

Um was es geht, ist, dass bei diesen Prozessen eben deutsche Experten unterstützen sollen, um die Entscheider, also diejenigen, die dann auf griechischer Seite solche Entscheidungen treffen können, möglichst von anderen Aufgaben zu befreien, sodass dann tatsächlich hinreichend Ressourcen auf griechischer Seite für diese Entscheidungen vorgehalten werden können. Das ist das Verfahren. Noch einmal: Wir sind gerade dabei, dazu auf Grundlage der Anforderungen geeignete Kolleginnen und Kollegen auszusuchen. Dabei kann es - um einmal ein Beispiel zu nennen - natürlich auch um die Frage der Sprache gehen, also um die Frage: Welche Sprachkenntnisse sollten diese Kolleginnen und Kollegen möglichst mitbringen, damit dann auch wirklich effektive Hilfe geleistet werden kann.

Ihre zweite Frage müssten Sie im Prinzip an die griechische Regierung stellen. Selbstverständlich ist die Erwartungshaltung, dass die griechische Seite alles dafür tut, dass die Beschlüsse vom vergangenen Freitag jetzt auch mit Leben gefüllt werden können. Das betrifft vor allem administrative Fragen. Auch da ist es so - wie bereits mehrfach erwähnt -, dass die Kommission, die hier die koordinierende Rolle hat, mit einer Steuerungsgruppe vor Ort ist, um tatsächliche wie rechtliche Fragen - auch mit dem juristischen Dienst der Kommission und Ähnlichem - zu klären und dabei wiederum selbstverständlich auch die Mitgliedstaaten - darunter auch Deutschland - zu unterstützen. Ich hatte eingangs bereits erwähnt - und Herr Seibert auch -, dass der Präsident des Technischen Hilfswerks vor Ort ist bzw. heute anreisen wird, um diese Steuerungsgruppe unter Führung von Herrn Verwey zu unterstützen, und zwar genau bei der Klärung dieser Fragen: Welche tatsächlichen, möglicherweise auch rechtlichen Schritte sind jetzt von der griechischen Regierung möglichst zeitnah umzusetzen, damit diese Beschlüsse vom vergangenen Freitag jetzt auch zum Funktionieren gebracht werden können?

Frage: Die deutschen Beamten werden jetzt also den griechischen Behörden dabei helfen, mit Blick auf die bereits in Griechenland befindlichen Flüchtlinge die Sachen zu erledigen? Oder gilt das nur für diejenigen, die ab dem Stichtag der Vereinbarung von der Türkei nach Griechenland kommen?

Dimroth: Es geht um die Vereinbarung, die besagt, dass seit gestern dieses neue Verfahren gilt. Bei diesem neuen Verfahren werden die Kolleginnen und Kollegen unterstützt.

Frage: Noch einmal kurz zu den Mitarbeitern, zum Beispiel aus dem BAMF: Wir haben ja oft und lange darüber geredet, dass es da zu wenige Leute gibt. Gibt es da jetzt schon genug, sodass man 100 nach Griechenland schicken kann?

Zweitens, anknüpfend an die hoheitlichen Aufgaben: Was passiert eigentlich mit den Flüchtlingen zwischen dem Moment ihres Ankommens mit Schlauchbooten auf einer griechischen Insel und dem Moment, in dem sie möglicherweise zurückgeschickt werden? Werden sie irgendwie festgesetzt, bewacht, verhaftet? Wenn das so ist: Werden deutsche Polizisten daran teilnehmen?

Dimroth: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Selbstverständlich muss es das Ziel sein - und wir sind guter Dinge, dass das gelingt -, die Unterstützungsleistungen, die jetzt aus dem Bereich des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zugesagt sind, so auszugestalten, dass die Verfahren im Inland dadurch nicht notleidend werden. Wir sind auch guter Dinge, dass das klappt. Wie Sie wissen, ist beim BAMF eine Menge passiert und inzwischen auch eine Menge erreicht worden, was Personalgewinnung anbetrifft, was Bildung von regionalen Schwerpunkten anbetrifft, was Verfahrensdauer anbetrifft. Insofern sind wir guter Dinge, dass das gelingen kann.

Entscheidend ist ja - Herr Seibert erwähnte es eingangs -, dass wir davon überzeugt sind, dass diese Lösung, dass diese Beschlüsse vom vergangenen Freitag dazu beitragen werden, dass insgesamt die Zahl derjenigen, die illegal von der Türkei nach Griechenland migrieren, deutlich sinkt, und dass damit im Ergebnis selbstverständlich auch die Zahl derjenigen, die dann in Deutschland über diesen Weg ankommen, deutlich sinkt, sodass - jedenfalls auf Sicht - auch die Zahl derjenigen, die hier vom BAMF bearbeitet werden müssen, sinkt. Insofern ist das ein wichtiger Beitrag an anderer Stelle, der geeignet ist, die Verfahren und das Gesamtsystem in Deutschland zu entlasten.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Wir sind davon überzeugt - und haben das natürlich im Auge -, dass diese Unterstützungsleistung aus dem BAMF heraus nicht dazu führt, dass sich die Verfahren hier in Deutschland verlängern. Gleichzeitig sind wir aber fest davon überzeugt, dass die beschlossenen Maßnahmen, wenn sie zur Umsetzung kommen, dazu beitragen, die Zahl derjenigen, die nach Deutschland kommen, deutlich, signifikant und nachhaltig zu verringern, sodass das Asylsystem in Deutschland dadurch entlastet wird.

Frage: Und das mit den Polizisten?

Dimroth: Frontex wäre die zuständige Stelle, die Ihnen das beantworten können müsste; es gibt von Frontex aber noch keinen Einsatzplan, das steht noch aus. Insofern kann ich diese konkrete Frage noch nicht beantworten. Angefordert sind aber - ohne dass eben bis jetzt ein entsprechender Einsatzplan fertiggestellt wäre - Experten für Rückführungen. Es geht also weniger darum, dass Polizisten bei der Unterbringung oder bei der Verpflegung oder Ähnlichem von Flüchtlingen an zentralen Punkten eingesetzt werden sollen; es geht vielmehr darum, dass sie tatsächlich bei der Rückführung eingesetzt werden sollen.

Frage: Erstens. Hat die Bundesregierung vor, in unmittelbarer Zeit die Türkei als sicheren Drittstaat anzuerkennen? Zweitens. Die Grünen haben gestern und heute gefordert, dass die Flüchtlinge in Idomeni nach Deutschland übersiedelt werden. Wird die Bundesregierung dieser Forderung entsprechen?

StS Seibert: Vielleicht fange ich in der bewährten Arbeitsteilung mit dem zweiten Teil der Frage an, und Herr Dimroth kommt dann zu dem ersten dazu.

Über die Flüchtlinge in Idomeni ist am Freitag ja auch gesprochen worden, und die Bundeskanzlerin hat in ihrer Pressekonferenz auch noch einmal den deutschen Standpunkt dazu klar gemacht. Es bleibt dabei, dass alle europäischen Mitgliedstaaten die Flüchtlinge in Idomeni und andernorts in Griechenland - vor allem aber in Idomeni - auffordern, die Unterbringungsmöglichkeiten zu nutzen, die die griechische Regierung für sie geschaffen hat und die einen weit besseren Standard versprechen als das Camp in Idomeni. Dann wird man natürlich sehen - und auch mit der griechischen Regierung besprechen -, wie viele Flüchtlinge aus Griechenland in andere Mitgliedstaaten umgesiedelt werden können.

Die Mitgliedstaaten haben am Freitag auch vereinbart, dieses Umsiedlungsverfahren aus Griechenland heraus in die restlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu beschleunigen.

Dimroth: Zu Ihrer ersten Frage: Herr Chilas, es ist so, wie Herr Seibert vorhin ausgeführt hat, dass die Türkei aufgrund einer Reihe von sozusagen nationalen Selbstbindungen auf gesetzlicher Ebene aus unserer Sicht die völkerrechtlichen Voraussetzungen insoweit erfüllt, sodass hier im Moment jedenfalls keinerlei zusätzliche Initiative geplant ist.

Möglicherweise fragen Sie aber auch nach einer potenziellen Einstufung als sicheres Herkunftsland; das wäre noch einmal etwas anderes. Dabei ist es so, dass sich, wie Sie wissen, derzeit das Gesetz der Bundesregierung zur Einstufung dreier nordafrikanischer Staaten als sichere Herkunftsländer noch im Verfahren befindet. Es gibt noch keinen Abschluss des Verfahrens, auch aufgrund der Befassung des Bundesrats, die erforderlich ist. Insoweit kann ich Ihnen hier jedenfalls nicht mitteilen, dass Überlegungen oder gar schon Initiativen bestehen, die Türkei als sicheres Herkunftsland einzustufen.

Frage: Ich habe den letzten Satz nicht verstanden.

Dimroth: Aktuell kann ich Ihnen nichts über Pläne mitteilen, die Türkei als sicheres Herkunftsland einzustufen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben via Twitter die Kanzlerin zitiert: "Wir zeigen Alternativen auf, wie man auf legalem Wege nach Europa kommen kann." Können Sie zunächst einmal erklären, welche Alternativen das konkret sein sollen oder werden?

StS Seibert: Ich dachte, dass das eigentlich in den letzten Tagen hätte klar werden können. Ich will es aber gerne noch einmal versuchen.

Sie wissen, dass es eine Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei gibt, dass für jeden Syrer, der auf illegalem Wege von der Türkei nach Griechenland gekommen ist und von Griechenland in die Türkei zurückgeführt wird, ein anderer Syrer auf legalem Wege im Rahmen eines Verteilungsmechanismus in die EU überführt wird. Das ist ein ganz konkretes Angebot, das klar sagt: Es gibt legale Möglichkeiten. Es ist unsinnig, gefährlich und erfolglos, den illegalen Weg zu gehen.

Zweitens ist auch klar, dass wir, wenn diese Vereinbarung, die ich gerade versucht habe, zu beschreiben und die ich "eins für eins" nennen will, ausgelaufen ist, also nach der drastischen Reduzierung der illegalen Migration, die wir uns davon versprechen, wir in eine nächste Phase kommen. Das ist die Phase der freiwilligen Beteiligung der Mitgliedstaaten an einem Umsiedlungsprogramm für Schutzbedürftige aus der Türkei. Das wird mit der Türkei im Lichte der aktuellen Entwicklung, sicherlich auch im Lichte der Entwicklung in Syrien noch einmal genau zu besprechen sein, denn von dort her kommen sehr viele schutzbedürftige Flüchtlinge. Aber dieses Angebot von europäischer Seite steht, und es ist auch Teil der Vereinbarungen vom Freitag.

Frage: Zum Verständnis: Was ist mit den Leuten, die nicht Syrer sind? Einer der wenigen legalen Fluchtwege war ja der Familiennachzug. Diesen hat die Bundesregierung jetzt eingeschränkt. Können wir damit rechnen, dass sie in Zukunft noch weitere legale Wege einschränkt, obwohl sie das Gegenteil verspricht?

StS Seibert: Zunächst habe ich, glaube ich, klargemacht, welche Möglichkeiten legaler Migration es gibt und dass die Vereinbarung vom Freitag zwischen der EU und der Türkei erheblich dazu beitragen kann, die illegale Migration zu beenden und dadurch den Weg für legale Migrationsmöglichkeiten zu öffnen. Ich glaube, diesen Mechanismus kann man sehr klar erkennen.

Wenn wir dann in diese Phase sind, die ich gerade beschrieben habe, nämlich der freiwilligen Teilnahme der Mitgliedstaaten an einem Umsiedlungsprogramm für Schutzbedürftige aus der Türkei, wird sicherlich mit der Türkei zu besprechen sein: Wer sind diese Schutzbedürftigen? Sind das ausschließlich Syrer oder könnten das auch zum Teil Angehörige anderer Nationen sein?

Frage: Noch einmal zu den Polizisten und was sie tun. Sie sagten, angefordert seien Experten für die Rückführung. Nun kann man sich vorstellen, dass man so eine Rückführung nicht immer freiwillig über sich ergehen lässt. Noch einmal die Frage: Werden deutsche Polizisten möglicherweise daran mitwirken - mit Zwangsmaßnahmen, in Handschellen etc. - , Menschen wieder in die Türkei zurückzubringen?

Dimroth: Vielen Dank für die Nachfrage, die allerdings weitestgehend einen sehr hypothetischen Charakter trägt. Ich hatte bereits erwähnt, dass ein entsprechender Einsatzplan von Frontex noch nicht vorliegt, sodass ich die Frage nicht beantworten kann und, wie gesagt, aufgrund ihres hypothetischen Charakters ohnehin nicht bereit wäre, sie abschließend zu beantworten. Ausschließen kann man das aber sicher nicht, denn Rückführung ist, wenn diese gegen den Willen von Flüchtlingen geschieht, immer auch eine Maßnahme, die als Ultima Ratio den Einsatz unmittelbaren Zwangs einschließt. Insofern lässt sich das sicher auch nicht ausschließen. Das ist Teil von Rückführung, wenn das so wäre. So ist das.

Frage: Herr Dimroth, Sie haben eben ausgeschlossen, dass hoheitliches Handeln durch die Bundespolizisten vor Ort vorgenommen würde, oder galt das nur für die Entscheider oder die Unterstützer?

Dimroth: Insoweit gilt natürlich, dass solche Einsätze zu verantworten wären und auch rechtlich durch griechische Behörden und griechische Beamtinnen und Beamte gar nicht anders auszugestalten wären. Aber auch in diesem Bereich wäre eine Unterstützungsleistung deutscher Beamtinnen und Beamten möglich.

Frage: Wie beurteilen Sie den ersten Tag, seitdem diese Vereinbarung gilt? Ist das ein Erfolg? Es heißt, dass über Nacht etwa 1000 Flüchtlinge auf den griechischen Inseln eingetroffen sind und dass beim Versuch, bestimmte Boote anzuhalten, Warnschüsse gefallen sind. Wird das der neue Typ der Verhinderung von Flüchtlingsbooten sein, die nach Griechenland gelangen wollen?

Dimroth: Geht die Frage an mich?

Frage: An Sie oder an wen auch immer.

StS Seibert: Wenn die Frage zum Teil auch an mich geht, würde ich sagen, Herr Chilas, dass es wirklich wenig sinnvoll ist, nach 36 Stunden irgendeine Bilanz zu ziehen oder Zwischenbeurteilungen abzugeben. Wir haben jetzt eine in der Umsetzung logistisch-organisatorisch ausgesprochen anspruchsvolle Verabredung mit der Türkei geschlossen, von der wir von vornherein wussten, dass wir viele organisatorische Anstrengungen aus den Mitgliedstaaten in den europäischen Organisationen unternehmen müssen, um mit der Türkei und mit Griechenland das Notwendige am Boden umzusetzen. Wir sind mit allen Kräften dabei, wie es auch die Europäische Kommission und andere Mitgliedstaaten sind. Ich glaube, jede Beurteilung, jede Bilanz wäre jetzt zu früh.

Frage: An die Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Gibt es neue Informationen über mögliche deutsche Opfer - Verletzte oder Tote -, was das Busunglück in Spanien angeht?

Chebli: Nach allen Informationen, die uns bislang vorliegen, können wir nicht ausschließen, dass unter den Todesopfern des Busunglücks in Spanien auch deutsche Staatsangehörige sind. Es gibt zwei verletzte deutsche Staatsangehörige, die gerade von Mitarbeitern des deutschen Generalkonsulats in Barcelona konsularisch betreutet werden. Unser Generalkonsulat in Barcelona steht wegen der weiteren Aufklärung in engstem Kontakt mit den zuständigen spanischen Behörden. Was ich Ihnen auch sagen kann, ist, dass sich die verletzten Deutschen außer Lebensgefahr befinden.

Frage: Lässt sich zu den verletzten Deutschen etwas sagen? Sind sie männlich, weiblich, welches Alter haben sie?

Chebli: Aufgrund des Persönlichkeitsschutzes halten wir uns mit genauen Angaben zu solchen Fragen eher zurück.

Frage: Eine Frage an Frau Kalwey und Herrn Seibert. Die "Welt am Sonntag" hatte so schön über die Zukunft der BND-Reform berichtet und dass Herr Schäuble dazu eine Meinung entwickelt habe.

Herr Seibert, mich würde zum anderen natürlich interessieren, wie die BND-Gesetzreform als solche jetzt vorangehen soll. Gibt es inzwischen einen konkreten Zeitplan und was ist dort vorgesehen?

Frau Kalwey, hat Herr Schäuble sich dazu, wie die "Welt am Sonntag" berichtet hat, eine Meinung gebildet und diese auch noch kundgetan?

Herr Seibert, wie ist das weitere Verfahren? Wie ist das einzuschätzen, was Herr Schäuble geäußert haben soll?

Kalway: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Mir ist auch nicht bekannt, dass der Minister sich dazu geäußert hat. Ich weiß auch nicht, was die "Welt am Sonntag" berichtet hat, inwiefern sich der Minister geäußert haben soll. Von daher kann ich Ihnen an dieser Stelle nichts dazu sagen.

StS Seibert: Herr Steiner, wir haben ja mehrfach öffentlich erklärt, dass die Bundesregierung an einer klarstellenden Regelung für die strategische Fernmeldeaufklärung des BND arbeitet. Dazu hat das Kanzleramt einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser strebt eine ausgewogene Regelung an, die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen soll. Über diese Regelungen dauern die Gespräche noch an. Ich bin nicht in der Lage, hier Einzelheiten des Gesetzentwurfs oder Einzelheiten der Gespräche zu enthüllen. Auch der Inhalt der laufenden Abstimmungen ist etwas, das ich hier nicht öffentlich erörtern werde, auch mit Respekt vor dem Deutschen Bundestag. Im Übrigen haben wir am 16. Dezember des vergangenen Jahres eine Pressemitteilung herausgegeben, auf die ich noch einmal verweisen darf.

Frage: Zu den Gesprächen, die noch laufen. Frau Kalwey, ist Herr Schäuble an diesen Gesprächen beteiligt? Wenn ja, warum?

Kalway: Ich kann Ihnen zu dem Thema wirklich gar nichts sagen.

Frage: Hat Ihr Minister irgendein Interesse an der BND-Reform?

Kalway: Auch dazu kann ich Ihnen an dieser Stelle nichts sagen.

Frage: Wann können Sie uns etwas sagen?

Kalway: Wenn wir irgendetwas dazu zu sagen haben, werden wir uns bzw. wird sich der Minister entsprechend äußern. Ansonsten kann ich mich dem, was Herr Seibert gerade gesagt hat, nur anschließen. Ich kann Ihnen, wie gesagt, an dieser Stelle nichts weiter dazu mitteilen.

Frage: Herr Seibert, hat Herr Schäuble irgendetwas bei der BND-Reform zu sagen oder ist das Sache des Kanzleramtes?

StS Seibert: Die ganze Bundesregierung hat natürlich ein Interesse an dieser klarstellenden Regelung für die strategische Fernmeldeaufklärung des BND, denn der BND ist ein sehr wichtiges Element unserer Sicherheit.

Frage: Wenn wir schon beim BND-Gesetz sind, würde mich doch noch interessieren, ob die Bundesregierung ihrerseits einen Vorschlag zur Reform des G10-Gesetzes und der Kontrollbefugnisse erarbeiten wird und ob die Bundesregierung es dem Parlament überlassen wird, das Gesetz über das Parlamentarische Kontrollgremium im Zuge dessen auch zu reformieren.

StS Seibert: Wir kommen wieder auf ein Territorium, das wir hier schon gemeinsam beschritten haben. Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes ist ein wichtiger Pfeiler unserer demokratischen Ordnung. So sieht es die Bundesregierung, und so haben es auch alle ihre Vorgänger gesehen. Eine effektive Kontrolle ist uns daher ebenso ein Anliegen wie auch auf der anderen Seite die Gewährleistung der effektiven Arbeit, die die Nachrichtendienste leisten können müssen. Deswegen unterstützen wir voll umfänglich die Arbeit des Parlaments bei der Kontrolle der Nachrichtendienste.

Der Deutsche Bundestag arbeitet aktuell an einer Reform zur Struktur und zum Umfang der parlamentarischen Kontrolle. Dabei hat er die umfassende Unterstützung der Bundesregierung.

Frage: Gilt das auch für das G10-Gesetz, das im strengen Sinn kein parlamentarisches Verfahren, sondern ein Gremium ist, das extra benannt ist?

StS Seibet: Ich kann Ihnen darüber hinaus jetzt hier keine Auskunft geben.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium, Stichwort Abgasaffäre. Die Deutsche Umwelthilfe wirft Ihrem Haus massive Intransparenz vor und sagt, es gäbe keine Auskünfte mehr aus Ihrem Hause. Wie verhalten Sie sich dazu?

Susteck: Vielen Dank für die Frage. - Ich halte diesen Vorwurf für abwegig. Unser Haus bemüht sich um Aufklärung und arbeitet aktiv an der Aufklärung des von Ihnen angesprochenen Manipulationsskandals. Unsere Aktivitäten sind bekannt; ich kann das gerne noch einmal anreißen. Der Minister hat direkt nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine Untersuchungskommission eingerichtet, die sich um Aufklärung in Bezug auf VW bemüht. Die Untersuchungskommission hat darüber hinaus ein umfassendes Maßnahmenpaket im Zusammenhang mit den zukünftigen Zulassungsverfahren erarbeitet. Hier geht es um die Offenlegung der Motorsoftware gegenüber der Typgenehmigungsbehörde. Es geht auch um die Rotation technischer Prüfdienste bei den Herstellern sowie um die Einrichtung staatlicher Prüfstände. Alle diese Maßnahmen werden Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets sein.

Was die Nachprüfungen betrifft, ist es so, dass unser Haus umfangreiche und strenge Nachprüfungen bei den betroffenen Dieselmodellen über das Kraftfahrt-Bundesamt durchführen lässt. In diese Nachprüfungen werden aber auch andere Volumenhersteller, andere Hersteller von Dieselfahrzeugen aus dem In- und Ausland mit einbezogen.

Diese Tests sind sehr umfangreich. Sie finden im Labor auf der sogenannten Rolle, aber auch unter realen Bedingungen auf der Straße statt. Das heißt, sie gehen in ihrer Anordnung weit über das hinaus, was nach Gesetzeslage an Tests derzeit erforderlich wäre. Wir werden ein Gesamtergebnis dieser Nachprüfungen nach Abschluss dieser Untersuchungen öffentlich vorstellen.

Frage: Ganz konkret: Die Deutsche Umwelthilfe bemängelt auch, dass Sie zum Beispiel eine Akte aus dem Kraftfahrt-Bundesamt zum Thema "Dieselgate" erhalten hat, nachdem sie das juristisch erwirkt hat, die komplett geschwärzt war. Wie kann so etwas sein?

Susteck Ich werde mich hier nicht zu Einzelheiten dieser Pressekonferenz der Deutschen Umwelthilfe äußern. Ich habe gerade deutlich gemacht, dass die Nachprüfungen unsererseits noch nicht abgeschlossen sind. Insofern kann ich hier keine Ergebnisse vorwegnehmen, die noch gar nicht vorliegen.

Frage: Die Deutsche Umwelthilfe sagt heute, dass im Zusammenhang mit den Nachprüfungen beim Kraftfahrt-Bundesamt oder beim Ministerium angeblich ein Anhörungsverfahren zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung nicht nur gegen VW, sondern auch gegen Daimler und Opel laufe. Trifft das zu?

Susteck: Herr Blank, auch da verweise ich noch einmal auf das, was ich gerade gesagt habe. Die Nachprüfungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich kann Ihnen dazu zurzeit keine weiteren Einzelheiten nennen.

Frage: Ich wollte dem Außenministerium eine Frage bezüglich Türkei und die dortige Sicherheitslage stellen. Die Botschaft und das Konsulat haben, wenn ich das richtig gesehen habe, heute wieder in Istanbul und Ankara gehöffnet. Heißt das, dass spezielle konkrete Drohungen oder Anlässe für Sorgen in Bezug auf deutsche Einrichtungen in der Türkei nicht mehr bestehen? Waren die Quellen, die für die Schließung der Botschaften verantwortlich waren, auch türkische Sicherheitsbehörden oder nur, wie es am Freitag hieß, Sicherheitsbehörden in Deutschland? So habe ich es jedenfalls verstanden.

Chebli: Richtig ist, dass durch unsere Bewertung der Gefährdungslage heute die Öffnung der deutschen Auslandsvertretungen möglich war.

Nur zur Erinnerung: Wir weisen ja nicht erst seit gestern, sondern seit Monaten auf die gestiegene Anschlagsgefahr in den Großstädten der Türkei hin. Wir haben am Mittwochabend einen ernstzunehmenden Hinweis erhalten. Ich habe hier auch in diesem Raum gesagt, dass es sich um eine Vorsichtsmaßnahme gehandelt hat. Diese war die Grundlage dafür, dass wir die Vertretung und die Schulen in Ankara und Istanbul geschlossen haben. Wir hatten in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass wir die weitere Öffnung von der Lageentwicklung abhängig machen.

Wir sind, wie gesagt, im Rahmen unserer aktuellen Lageentwicklung zu dem Schluss gekommen, dass wir unsere Botschaften, das Generalkonsulat und auch die Schulen sowohl in Ankara als auch in Istanbul wieder öffnen können. Die Schulen in Ankara und Istanbul sind aufgrund der Ferien allerdings zurzeit geschlossen. Ansonsten wären sie auch geöffnet.

Zu der zweiten Frage. Die Bewertung, ob es sich hierbei um gleiche Täter, Ziele oder ähnliche Gruppierungen handelt, sollten wir aus unserer Sicht der Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden überlassen. Für uns gilt: Alle Entscheidungen, die wir treffen, treffen wir mit größter Verantwortung und auf Basis aller vorliegenden Informationen. Priorität für unsere Entscheidungen und Maßnahmen hat immer die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen.

Frage: Um noch einmal ganz konkret zu fragen: Es gibt im Moment keine konkreten türkischen Warnungen, die sich auf deutsche Touristen oder Staatsbürger beziehen. Habe ich das richtig verstanden?

Chebli: Ich kann nur das wiederholen, was ich gesagt habe. Richtig ist, dass wir unsere aktuelle Bewertung nicht nur aufgrund von eigenen Informationen, sondern auch in Kooperation mit anderen Diensten und Sicherheitsorganisationen und Sicherheitsbehörden erstellen. Aufgrund dieser Bewertung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir unsere Botschaft in Ankara und das Generalkonsulat in Istanbul wieder öffnen können.

Frage: Frau Chebli, kurze Lernfrage. Wer ist für die deutschen Schulen verantwortlich? Das türkische Bildungsministerium oder zum Beispiel das Auswärtige Amt? Es gibt Medienberichte, wonach die Türkei Ermittlungen gegen eine deutsche Schule in Istanbul eingeleitet hat, weil sie eigenmächtig den Betrieb aufgrund der Warnungen des Auswärtigen Amtes eingestellt hat.

Chebli: Die Grundschule in Istanbul wird zum Beispiel von uns operiert. Es gibt noch eine Sekundarschule, die von der Türkei geführt wird. Das ist also nicht im Moment eindeutig, und gerade bei der Schule in Istanbul ist das zum Beispiel gemischt.

Letztendlich haben wir im Rahmen dieser Entscheidung ziemlich eng mit den türkischen Behörden zusammengearbeitet, die uns ja auch mit einer verstärkten Polizeipräsenz unterstützt haben. Als wir damals die Entscheidung getroffen haben, waren wir den türkischen Behörden dankbar dafür. Die Ermittlungsverfahren möchte ich hier im Einzelnen nicht kommentieren.

Frage: Frau Kalwey, am Wochenende hat eine Äußerung von EZB-Präsident Draghi eine Rolle gespielt, wo es um "Helikoptergeld" geht, also Finanzmittel zur Ankurbelung der Wirtschaft. Was hält das Bundesfinanzministerium von solchen Finanzmitteln?

Kalway: Ich denke, die Antwort wird Sie nicht überraschen. Da wir uns grundsätzlich nicht zu Geldpolitik und geldpolitischen Maßnahmen äußern, tun wir das auch in diesem Fall nicht.

Frage: Zur Anti-ISIS-Aufklärung eine Frage. Sie haben der Linksfraktion in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage geantwortet, dass Sie nicht ausschließen können, dass die Türkei die Aufklärungsergebnisse für den Krieg gegen die Kurden verwendet. Warum können Sie das nicht ausschließen? Warum vertrauen Sie nur den Partnern, dass sie das nicht nutzen?

Nannt: Wir haben das Thema hier schon mehrfach in der Bundespressekonferenz behandelt. Das gibt mir die Gelegenheit, mich dazu noch einmal ausführlich zu äußern.

Es gibt dort - das hatte ich damals schon dargestellt - ein dreistufiges Verfahren. Das heißt, bei der Auftragserteilung wird sichergestellt, dass der Auftrag, den wir im Bereich der Aufklärung durchführen, im Kampf gegen ISIS mandatskonform ist. Die Aufklärungsflüge werden geflogen. Dann kommt die nächste Stufe, nämlich dass die Aufklärungsbilder durch uns national ausgewertet und auch von uns freigegeben werden. Die dritte Stufe ist, dass sich die beteiligten Nationen verpflichtet haben, diese Bilder, die von uns zweifach überprüft worden sind, damit sie im Kampf gegen ISIS und nur zum Schutz der zivilen Bevölkerung genutzt werden können, nur für den Zweck des Kampfes gegen den IS zu nutzen.

Frage: Das heißt, Sie vertrauen darauf, dass die Partner das auch so nutzen, wie Sie das gerne möchten? Wenn Sie das in diesem zweistufigen Schritt aussortieren, dann sortieren Sie die kurdischen Stellungen aus, richtig? Die gehören ja nicht zum Mandat.

Nannt: Das Mandat ist klar. Es ist der Kampf gegen ISIS, und die Aufklärungsergebnisse dienen dem. Dazu habe ich Ihnen gerade eben dieses dreistufige Verfahren erläutert. Genau so ist es.

Frage: In diesen Aufklärungsergebnissen können gar keine kurdischen Stellungen enthalten sein?

Nannt: Richtig. Es geht nicht um die kurdischen Stellungen. Die Daten, die wir herausgeben, sind Daten im Kampf gegen den IS.

Frage: Zum Verständnis: Gilt das ausschließlich für das, was die Tornados dort herausfinden oder gilt das auch zum Beispiel für das System SAR/Lupe oder Ähnliches?

Nannt: Insgesamt. Alle Aufklärungsergebnisse, die wir liefern, laufen im Rahmen des Mandats.

Frage: Für wie viele Angriffe sind diese Daten genutzt worden? In der Antwort auf die Parlamentarische Anfrage hat Ihr Ministerium erklärt, dass der Bundesregierung hierüber keine eigenen Erkenntnisse vorliegen. Wissen Sie das grundsätzlich nicht? Die Formulierung "keine eigenen Erkenntnisse" lässt ja darauf schließen, dass es durchaus Erkenntnisse von befreundeten Staaten gibt, die Ihnen auch vorliegen. Könnten Sie sagen, wie viele Bombardements es mit Hilfe der deutschen Daten gegeben hat?

Nannt: Wir haben das Thema hier schon ganz häufig behandelt. Ich schaue in die Richtung von Herrn Jung. Ich glaube, wir haben das schon fünf- oder sechsmal behandelt, zuletzt am letzten Freitag. Es geht darum - das habe ich relativ ausführlich dargestellt -, dass ich nur über eigene Erkenntnisse sprechen kann.

Frage: Können Sie uns denn Erkenntnisse von anderen mitteilen?

Nannt: Herr Jung, Sie haben schon so viele Videos gedreht. Ich kann Ihnen nichts Neues dazu mitteilen.

(Ende: 12.32 Uhr)

Montag, 21. März 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 21. März 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/03/2016-03-21-regpk.html;jsessionid=BF7D45EEE020D52B86BA1BCB603C86A8.s7t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2016

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