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PRESSEKONFERENZ/1281: Regierungspressekonferenz vom 15. August 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 15. August 2016
Regierungspressekonferenz vom 15. August 2016

Themen: Situation in Syrien, Friedensgespräche im Jemen, Gesetzentwurf zu einem Führerscheinentzug für Straftäter, geplante Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die EU, Forderung der Bundesbank nach einer Erhöhung des Renteneintrittsalters, Medienberichte über eine Ausweitung des Handyverbots am Steuer, EU-Hilfsprogramm für Milchbauern, Grünbuch Energieeffizienz, Treffen der Bundeskanzlerin mit dem EU-Ratspräsidenten, Medienberichte über Rückführung von Flüchtlingen nach Griechenland gemäß der Dublin-III-Verordnung, Freihandelsabkommen TTIP und CETA, Verbeitragung von Betriebsrenten

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Dimroth (BMI), Gütte (BMFSFJ), Baer-Henney (BMJV), Nannt (BMVg), Stelten (BMAS), Susteck (BMVI), Lenz (BMEL), Dubel (BMWi), Weißgerber (BMF), Haufe (BMUB), Gülde (BMG)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich möchte für die Bundesregierung zunächst auf die Situation in Syrien eingehen. Dort gibt es wenig Erfreuliches, aber mit dem Erfreulichen will ich beginnen.

Wer die Bilder aus Manbidsch, der Stadt nahe der syrisch-türkischen Grenze, aus der kurdische und andere Kämpfer die Kämpfer des IS vertreiben konnten, gesehen hat, der kann anhand dieser bewegenden Bilder vielleicht ermessen, welche Befreiung das für die Bevölkerung bedeutet. Manbidsch reiht sich damit in eine ganze Liste von Städten und Orten in Syrien wie auch im Irak ein, in denen es gelungen ist, die verbrecherische Herrschaft des IS zu brechen und damit die Menschen von einer totalitären islamistischen Diktatur zu befreien, von Sklaverei, ja von Schändung und von willkürlicher Grausamkeit. Manbidsch zeigt, dass es möglich ist, den IS zurückzudrängen, ihm den Siegernimbus zu nehmen, und das in Zusammenarbeit von lokalen Kräften auf dem Boden und der Luftunterstützung durch die internationale Anti-IS-Koalition.

Aber wir müssen natürlich auch über Aleppo sprechen. Was Menschen dort erleiden, unter welchen Bedingungen Menschen dort in Aleppo ums Überleben kämpfen müssen, können wir von hier kaum ermessen. Die Aussagen, die Hilferufe der Eingeschlossenen sind erschütternd. Sie sind eine Mahnung an die Welt.

Die Bundeskanzlerin hört diese Appelle - beispielsweise des Arztes al-Khatib, der sich direkt an sie gerichtet hat. Er ist einer von etwas mehr als 30 noch in der Stadt verbliebenen Ärzten, die unter unbeschreiblichen Umständen versuchen, Menschenleben zu retten. Das Töten und das Sterben in Aleppo müssen ein Ende haben. Es muss ein Ende haben, dass dieser Stadt mit Hunderttausenden von wehrlosen Einwohnern die Lebensadern abgeschnürt werden. Das Elend der Menschen dort ist nicht zu lindern, wenn eine Feuerpause von drei Stunden am Tag verkündet wird. Das soll wie ein Entgegenkommen klingen, ist aber eigentlich Zynismus; denn jeder weiß, dass diese Zeit nicht annähernd ausreicht, um wirklich eine Versorgung der verzweifelten Menschen aufzubauen. Jeder Experte für humanitäre Hilfe - nehmen wir nur das Internationale Komitee vom Roten Kreuz - sagt, dass dafür eine deutlich längere Waffenpause notwendig ist. Aleppo braucht also eine ungehinderte Versorgung mit Nahrungsmitteln und mit Gütern des medizinischen Bedarfs. Das muss - wenn ich noch einmal auf den Appell des syrischen Arztes zurückkommen darf - jeden wachrütteln, der sich solchen menschlichen Lösungen bisher verweigert.

Der syrische Präsident und sein Partner, Russland, dürfen sich diesen humanitären Mindestforderungen nicht verweigern. Sie tragen die hauptsächliche Verantwortung dafür. Ihre Entscheidung ist es in erster Linie, ob in Aleppo weiter gestorben wird oder ob die Menschen dort nach Monaten des Leidens Hilfe und Hoffnung bekommen.

Wir brauchen umgehend von den Vereinten Nationen kontrollierte humanitäre Zugänge, über die die Menschen in Aleppo mit Nahrung und Wasser versorgt werden können. Wir brauchen zumindest den befristeten Waffenstillstand, um den sich die UN derzeit intensiv bemühen, der aber derzeit nicht zu erreichen war.

Noch einmal: Russland ist aufgefordert, seinen großen Einfluss auf den syrischen Präsidenten geltend zu machen, dies umso mehr, als die von Russland schon in Aussicht gestellten Fluchtkorridore entweder nicht eröffnet wurden oder sich als unwirksam erwiesen haben, um der Bevölkerung von Aleppo diese Hilfe zu verschaffen. Es ist gut, dass Außenminister Steinmeier heute in Russland ist, um mit seinem russischen Kollegen neben vielen anderen Themen eben auch diese enorme Notlage der Menschen in Aleppo zu besprechen. Dazu vielleicht mehr von Frau Chebli.

Chebli: Ich kann all das, was Herr Seibert gesagt hat, nur unterstreichen. Nach vielen Tagen der Schreckensmeldungen, die uns aus der Region erreicht haben, ist es doch ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass es im Kampf gegen den IS in den letzten Tagen sowohl in Syrien als auch im Irak Fortschritte gegeben hat. Die endgültige Befreiung von Manbidsch in Nordsyrien vom IS ist vor allem für die Menschen in Syrien, aber auch für die ganze Region eine enorme Erleichterung. Vom Joch des IS befreit wird es nicht sofort ein normales Leben für die Menschen geben können, das ist klar. Dafür sind die Zerstörung und das, was vom IS dort angerichtet wurde, viel zu überdimensional. Aber zumindest können die Menschen nun die Tyrannei hinter sich lassen.

Herr Seibert hat natürlich auch auf die Lage in Aleppo aufmerksam gemacht. Der Minister hatte sich am Wochenende einer Zeitung gegenüber zu dem Thema geäußert und eindringlich gefordert, dass wir humanitäre Zugänge brauchen, und zwar von den Vereinten Nationen kontrollierte humanitäre Zugänge. Er hat auch gesagt, dass einseitig ausgerufene dreitägige Waffenruhen nicht reichen. Das haben die vergangenen Tage gezeigt. Er hat auch darüber gesprochen, dass man über Möglichkeiten von Hilfe aus der Luft sprechen müsste.

Ich möchte eine Klarstellung formulieren. In den Medien hieß es am Wochenende die ganze Zeit: Steinmeier fordert Luftbrücke. - Ich denke, man muss das unterscheiden. Wenn man von "Luftbrücke" spricht, suggeriert man etwas Permanentes. Das ist natürlich vor dem Hintergrund der Gegebenheiten mit 2 Millionen Menschen in Aleppo etwas unrealistisch. Deswegen sprechen wir von Möglichkeiten der Hilfe aus der Luft, und zwar zum Beispiel für medizinische Güter. Es ist mir sehr wichtig, das zu formulieren und zu unterstreichen. Für den Minister bleibt die Hilfe über den Landweg die Priorität. Das ist der realistische Weg.

Vor allem auch darüber hat er jetzt gerade, vor vielleicht einer halben Stunde, mit dem russischen Außenminister gesprochen. In dem Gespräch - ich habe eben ein ganz kurzes Debriefing bekommen - ging es vor allem um die Frage des humanitären Zugangs. Es ging vor allem darum, dass wir eine humanitäre Feuerpause erreichen müssen. Der Außenminister hat auch an die Verantwortung Russlands appelliert, seinen Beitrag zu leisten, damit es nicht zu einer humanitären Katastrophe kommt.

Frage: Meine Wortmeldung betrifft den subsidiären Schutz für syrische Flüchtlinge und geht an Herrn Dimroth und dann auch an das Familienministerium. Die Mehrzahl der syrischen Flüchtlinge hat im Juli subsidiären Schutz erhalten. Ihr Haus sagt, dass diese Entscheidung angesichts der aktuellen Entwicklungen in Syrien eine angemessene Entscheidung war. Wir alle wissen ja, dass es vor allem seit März, aber auch schon seit Anfang des Jahres die persönlichen Anhörungen gibt.

Meine Frage an Sie: Wie ist zurzeit aus Ihrer Sicht die aktuelle Entwicklung in Syrien? Kommt individuelle Verfolgung weniger infrage als noch vergangenes Jahr oder auch als 2014, als eine ganz geringe Zahl der Flüchtlinge subsidiären Schutz bekommen hat?

In dem Kontext würde mich eine Einschätzung des Familienministeriums interessieren. Gerade Frau Schwesig hat immer gesagt: Asylpaket II, subsidiärer Schutz, Aussetzung des Familiennachzugs - das ist nur dann machbar, wenn es nicht vor allem Syrer betrifft. - Die Annahme der SPD war immer, dass es nur sehr wenige Syrer betrifft. Jetzt ist es genau umgekehrt. Deswegen würde mich interessieren, wie die Einschätzung dazu aktuell ist.

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage. Ich befürchte, zum Kern Ihrer Frage werde ich Ihnen keine abschließende Antwort geben können. Denn das von Ihnen geschilderte Resultat, sozusagen der Ausgang der wieder durchgeführten Einzelfallprüfungen, ist für sich genommen ein Spiegelbild der Verhältnisse vor Ort. Denn es gibt, wie Sie wissen, mitnichten eine Entscheidung aus der Bundesregierung heraus, wie solche Verfahren auszugehen hätten. Das entspricht ausschließlich und allein den gesetzlichen Vorgaben, die für die unterschiedlichen Schutzgruppen, die wir kennen, in den Gesetzbüchern stehen.

Richtig ist die Erkenntnis, dass bestimmte verfahrensbeschleunigende Effekte erzielt werden können, wenn man bei einer Gruppe, für die ein besonders hohes Schutzniveau anzunehmen ist, auf die Einzelfallprüfung verzichtet. Diese Erkenntnis ist, nachdem man im Bundesamt eine Reihe von Verfahrensoptimierungsmaßnahmen ergriffen hat, sozusagen in den Hintergrund gerückt. Deswegen hat man sich politisch darauf geeinigt, wieder zu dem Regelverfahren für alle Asylantragsteller in Deutschland zurückzukehren - und damit eben auch für syrische Asylantragsteller.

Wenn wir jetzt feststellen, dass die Zahl derjenigen, die subsidiären Schutz erhalten, ansteigt, dann ist das für sich genommen ein Ergebnis, das nur in Summe jeden Einzelfall zum Ausdruck bringt, aber mitnichten die Vorgabe oder eine entsprechende Entscheidung aus Berlin, was den Ausgang dieser Verfahren anbetrifft. Der Ausgang der Verfahren spricht für sich. Offensichtlich können derzeit mehr Antragsteller aus Syrien, die in Deutschland einen Antrag stellen und auf Grundlage dieser Anträge eine Entscheidung erhalten, nur - in Anführungszeichen - subsidiäre Schutzgründe vortragen. Dementsprechend ergehen dann, wie es das Gesetz vorsieht, solche Entscheidungen.

Zusatzfrage: Dazu noch eine Nachfrage: Es ist ja sehr schön, dass Sie ganz eng entlang der Gesetze argumentieren. Aber meine Frage war, welches die allgemeine Einschätzung der Situation in Syrien ist. Der UNHCR gibt Einschätzungen ab. Auch andere Organisationen geben Einschätzungen ab. Ich gehe fest davon aus, dass auch Ihr Haus eine Einschätzung der allgemeinen Situation hat. Eine solche Einschätzung muss man ja haben, vor allem dann, wenn man auf einmal eine Entwicklung feststellt, die sich radikal gewandelt hat.

Dimroth: Selbstverständlich gibt es sogenannte Länderberichte, die auch für die Entscheider eine Grundlage zur Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben bilden. Sie werden eng abgestimmt mit dem Auswärtigen Amt erstellt. Diese Berichte sind eingestuft, sodass ich daraus hier nicht vortragen kann. Aber noch einmal: Das ist nicht entscheidend, sondern entscheidend ist, wie der jeweils individuell vorgetragene Schutzbedarf aussieht. Auf Grundlage dieses Vortrags ergeht dann die entsprechende Entscheidung, die selbstverständlich, wie es in unserem System gut und richtig ist, auch justiziabel wäre. Wenn der Betroffene meint, dass das Ergebnis "subsidiärer Schutz" nicht seinem tatsächlichen Schutzbedarf entspricht, kann er dagegen gerichtlich vorgehen.

Aber noch einmal: Dem Phänomen, das Sie schildern, liegt keine generelle Einschätzung unseres Hauses zugrunde, sondern das Phänomen, das Sie beschreiben, ist das Ergebnis der Einzelfallprüfungen, die das Bundesamt durchführt - ohne eine entsprechende generalisierende Vorgabe oder Einschätzung unseres Hauses oder der Bundesregierung, sondern aufgrund des jeweils individuell vorgetragenen Schutzsachverhalts. Insofern gibt es den Konnex nicht, den Sie mit Ihrer Frage herauszubringen versuchen. Ausschlaggebend ist die gesetzliche Lage.

Umgekehrt wird eher ein Schuh daraus: Man kann sich fragen, welche Schlüsse man daraus zieht, dass die Zahl derjenigen, die derzeit subsidiären Schutz bekommen, größer ist. Das liegt aber weitestgehend im Bereich von Mutmaßungen oder Spekulationen: Sind es mehr Menschen, die aus Flüchtlingslagern kommen? Sind es mehr Menschen, die aufgrund ihrer persönlichen Situation vor Ort keinen Asylschutzgrund mit sich bringen? Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Das Phänomen kann man aufgrund des Gesamtbildes, das Sie beschreiben, erkennen, aber nicht aufgrund einer Vorgabe oder einer Einschätzung, die dem zugrunde läge. Die Entscheidung ist immer das Ergebnis einer sorgfältigen Einzelfallprüfung auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben.

Gütte: Ich kann mich dem nur anschließen. Ich kann Ihnen dazu nichts Neues sagen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben eben gesagt, die Kanzlerin höre unter anderem das, was Herr al-Khatib gesagt hat. Sie höre die Hilferufe aus Aleppo. Jetzt sind Sie in dem, was die Schlussfolgerung daraus ist, allerdings relativ vage geblieben. Ich würde gern verstehen: Was ist das, was die Kanzlerin jetzt von den Parteien dort vor Ort erwartet, was jetzt konkret passieren muss? Damit verbunden die Frage: Haben Sie derzeit aufseiten der sogenannten Rebellen überhaupt verlässliche Ansprechpartner?

StS Seibert: Ich denke schon, dass das, was ich für die Bundesregierung und für die Bundeskanzlerin gerade gesagt habe, sehr konkret war, was aus unserer Sicht die sofortigen Notwendigkeiten sind, um das Sterben in Aleppo zu beenden. Deutschland ist seit Langem in der internationalen Syrien-Kontaktgruppe aktiv. Wir arbeiten dort mit unseren Partnern intensiv für einen Waffenstillstand und für die Ermöglichung humanitärer Hilfe in Aleppo. Das sind die konkreten Positionen, die wir wie unsere westlichen Partner haben und die ich hier genannt habe. Wir brauchen eine ungehinderte Versorgung mit Nahrungsmitteln, mit medizinischem Bedarf, mit Wasser. Wir brauchen die von der Uno kontrollierten humanitären Zugänge. Wir brauchen sie nicht nur einige Stunden am Tag, sondern wir brauchen sie, wie alle humanitären Experten sagen, für eine längere Zeit, damit es überhaupt möglich ist, die notwendigen Versorgungslinien aufzubauen. Das ist das, was jetzt nottut - mit allen Möglichkeiten, die wir politisch und diplomatisch haben, und zwar konkret auch in Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Deswegen ist dies, denke ich, heute eines der beiden großen Themen bei dem Besuch des Außenministers in Jekaterinburg.

Chebli: Ich kann alles, was Herr Seibert gesagt hat, unterstreichen und vielleicht noch eine Zahl ergänzen: Deutschland ist der größte humanitäre Geldgeber für Syrien in diesem Jahr. Wir sind vor Ort - mit dem Syria Recovery Trust Fund und vielen internationalen Partnern, die vor Ort agieren. Wir versuchen, den Menschen das Lebensnotwendigste zuzuliefern, so auch in Aleppo. Es gibt eine humanitäre Taskforce der International Syria Support Group, in der wir natürlich auch vertreten sind. Es geht auch darum, wie Deutschland gerade in der Frage der humanitären Hilfe seinen Beitrag leisten kann.

Was Ihre Frage zur Opposition geht: Ja, wir stehen in engstem Kontakt mit der syrischen Opposition. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass ein Deutscher Berater von Staffan de Mistura ist. Das heißt, dass wir sehr eng involviert sind, was den Zugang zur Opposition angeht. Mit unserem deutschen Mann, der von Außenminister Steinmeier auf Bitte von Staffan de Mistura beauftragt wurde, ihn zu unterstützen, begleiten wir den Prozess engstens. Einer unserer Diplomaten steht als Syrien-Beauftragter in permanentem - ich würde fast sagen: in fast stündlichem - Kontakt mit diesen Menschen.

Das heißt aber nicht, dass wir die Lösung in Syrien herbeizaubern können. Die Lage ist zynisch und schwierig. Am Ende braucht es die Amerikaner und die Russen, um zu einer Verständigung zu kommen. Mit dem Gespräch des Außenministers sind wir heute in Jekaterinburg. In den vergangenen Wochen hat er auch mit Außenminister Kerry gesprochen. Ich denke, wir müssen uns auch keine Illusionen machen. Deutschland ist nicht die Macht, die am Ende entscheidet, ob es in Syrien Frieden gibt oder nicht. Wir können unseren Beitrag mit humanitärer Hilfe leisten, mit unseren Zugängen zur Opposition, mit dem Druck, den wir auf die verschiedenen Parteien ausüben können, mit den Gesprächen, die wir mit den arabischen Staaten führen, die natürlich auch bei der Frage der Opposition eine Rolle spielen. Das alles kann Deutschland flankieren. Aber am Ende kommt es darauf an, dass die USA und Russland und natürlich auch Iran und die regionalen Akteure zu einer Einigung kommen. Alles andere führt zu keinem Frieden in Syrien.

Zusatzfrage : Frau Chebli, das alles dahingestellt, auch nichts gegen die Arbeit von Staffan de Mistura, aber vor Ort kämpfen Kräfte wie die Jabhat al-Sham oder wie auch immer sie aktuell gerade heißt, ehemals Jabhat al-Nusra. Wenn wir uns das anschauen, dann stellen wir fest, dass wir doch etwas andere Player haben als Staffan de Mistura und seine - sagen wir einmal - engsten Umgebungen und seine Verbündeten.

Wie gehen Sie also damit um? Denn am Ende brauchen Sie dort alle Parteien, damit dort ein Waffenstillstand zumindest in dem Rahmen stattfindet, dass dort Korridore entstehen können.

Chebli: Jabhat al-Nusra wird von den VN als Terrororganisation eingestuft. Deshalb ist das kein Ansprechpartner für uns. Aber neben Jabhat al-Nusra kämpfen Oppositionsgruppen der Freien Syrischen Armee und anderer Gruppierungen. Letztendlich muss die Logik doch spätestens jetzt seit Aleppo sein, dass der Konflikt militärisch nicht zu lösen ist. Weder die eine noch die andere Seite sollte sich in dieser Logik verfangen, weil Aleppo gezeigt hat, dass die eine Seite nicht schweigt, wenn die andere Seite bombardiert. Wir hoffen, dass diese Erkenntnis bei allen durchdringt, die dort militärisch unterwegs sind.

Frage: Herr Seibert, Sie haben die Rolle Russlands in Syrien erwähnt. Gab es in den vergangenen Tagen und Wochen direkte Kontakte zum Kreml beziehungsweise Telefonate zwischen der Bundeskanzlerin und Vladimir Putin - sowohl zum Thema Syrien als auch zur Lage auf der Krim?

StS Seibert: Über das, was es an Kontakten gegeben hat - wenn es Kontakte gab -, hätte Ihnen Frau Demmer in den letzten Wochen berichtet. Insofern kann ich nur auf die Protokolle der vergangenen Pressekonferenzen verweisen. Ich habe dazu heute nichts Neues für Sie. Aber wie Sie sehen, ist die Reise des Außenministers sehr wichtig. Das heißt, auf höchster Ebene werden genau diese Themen mit Russland angesprochen.

Frage : Frau Chebli, Sie haben gesagt, Sie hätten ein kurzes Debriefing zu dem Gespräch von Herrn Steinmeier mit seinem Kollegen bekommen. Gibt es irgendwelche Signale oder Andeutungen des russischen Außenministers, dass man das, was Herr Steinmeier vorgebracht hat, positiv begleiten will?

Um ganz konkret zu werden: Gibt es von Russland oder auch von anderen Partnern eine Reaktion auf den Vorschlag - Sie sagen, "Luftbrücke" ist ein zu großes Wort - einer Versorgung aus der Luft mit Medikamenten und Ähnlichem? Gibt es schon irgendwelche Reaktionen darauf?

Chebli: Ich kann Ihnen das im Detail nicht sagen, weil ich nur zwei oder drei Minuten Zeit hatte, Rücksprache zu halten. Ich weiß nur, dass der Minister diesen Punkt ziemlich klar gemacht hat. Ich denke, bei der Frage der Luftbrücke war beiden klar, dass die Priorität sein muss, Hilfe über den Landweg zu erzielen. Sofern ich es richtig verstanden habe, sieht das der russische Außenminister auch so.

Der Außenminister hat zwei Punkte klar gemacht. Erstens brauchen wir eine humanitäre Waffenruhe, und zwar sofort. Zweitens brauchen wir humanitäre Zugänge, die von den Vereinten Nationen kontrolliert sind. Er hat dem russischen Außenminister ganz klar gesagt, dass die dreistündigen Waffenruhen, die von Russland einseitig ausgerufen sind, bisher wirkungslos geblieben sind und deshalb auch kein Ersatz für von den Vereinten Nationen kontrollierte humanitäre Zugänge sein können.

Wie die Reaktion des russischen Außenministers konkret war, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Aber wir können darüber bei der nächsten Regierungspressekonferenz am Mittwoch sprechen.

Frage : Frau Chebli, sehen Sie neue Perspektiven, was die diplomatischen Bemühungen für die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen angeht?

Sie haben nebenbei den Iran erwähnt. Wie wichtig ist der Iran für Sie? Ist er für Sie überhaupt noch wichtig? Herr Seibert hat gerade gesagt, dass Russland in diesen Gesprächen sehr wichtig ist. Ist der Iran für Sie nicht mehr wichtig?

Chebli: Der Iran ist einer der zentralsten Akteure in dem Konflikt. Der Iran unterstützt das Assad-Regime. Der Iran kann seinen Beitrag leisten, wenn es darum geht, humanitäre Zugänge zu erreichen. Wenn wir unsere Forderung an Russland stellen, dann stellen wir diese ganz klar auch an die iranische Seite. So viel zum Thema Iran.

Zu Ihrer ersten Frage: Die Perspektiven für die Rückkehr an den Verhandlungstisch sehe ich gegenwärtig als eher gering an. Solange die Waffen nicht schweigen, wird es schwer, die Parteien an den Verhandlungstisch zu bewegen.

Frage: Meine Frage geht in eine ähnliche Richtung. Sie beide haben sowohl für das Außenministerium als auch für die Bundeskanzlerin im Hinblick auf die lediglich dreistündige Waffenruhe pro Tag das Wort "zynisch" verwendet. Gab es nicht nur heute, sondern auch in den vergangenen Tagen irgendeine Reaktion oder Erklärung dafür, warum Russland die dreistündige Waffenruhe pro Tag für ausreichend hält?

Meine zweite Frage: Lawrow hat vor Beginn des Gespräches heute eher negativ über den Stand der deutsch-russischen Beziehungen gesprochen. Welches werden die nächsten Schritte sein, wenn er auf diese erneute dringliche Forderung des Außenministers und eigentlich auch der Kanzlerin nicht eingeht?

Meine letzte Frage: Gäbe es auch einen deutschen Beitrag zu einer Lufthilfe, und wenn ja, wie könnte er aussehen?

StS Seibert: Ich denke, wenn Sie die Einschätzung der russischen Regierung, warum drei Stunden Waffenruhe am Tag ausreichen sollen hören wollen, dann müssten Sie sich bitte an die russische Regierung wenden. Wir sind zusammen mit vielen Experten für humanitäre Hilfe und mit unseren Partnern davon überzeugt, dass drei Stunden am Tag - was nichts anderes heißt, als dass 21 Stunden lang bombardiert und geschossen wird - nicht ausreichen, um die nötigen Versorgungslinien an Nahrung, Wasser und medizinischem Bedarf aufzubauen. Deswegen ist unsere Forderung, von dem stundenweisen Niederlegen der Waffen abzugehen, weil es vollkommen ineffektiv ist und niemandem in Aleppo wirklich hilft, und endlich die humanitären Grundforderungen der internationalen Gemeinschaft zu erfüllen: mindestens eine befristete Waffenruhe, kontrollierte Zugänge in die Stadt, eine UN-Rolle bei der Kontrolle dieser Zugänge. Das ist das Mindeste, was notwendig ist und was den Menschen dort wirklich helfen würde.

Ich denke immer noch an den wirklich erschütternden Hilferuf des Arztes, der veröffentlicht worden ist. Wenn man an ihn, seine Kollegen und deren Patienten denkt, dann weiß man, dass eine Waffenruhe von drei Stunden am Tag zynisch ist.

Chebli: Soll ich das vielleicht hinsichtlich der Frage ergänzen, ob Deutschland bereit wäre, aus der Luft zu helfen? - Wir stehen mit den Vereinten Nationen, mit Russland und den USA im permanenten Austausch darüber, welchen Beitrag wir hinsichtlich der Frage der humanitären Hilfe leisten können. Zu der Versorgung aus der Luft: So weit sind wir ja noch nicht. Wir sprechen mit den Vereinten Nationen darüber. Wir haben mit Staffan de Mistura darüber gesprochen. Der deutsche Außenminister hat das heute im Gespräch mit Herrn Lawrow auf den Tisch gelegt.

Ich glaube, es ist wichtig, dass absolute Priorität jetzt erst einmal der Versorgung über den Landweg gegeben wird. Das ist das, worauf wir uns konzentrieren. Wir haben natürlich die Verantwortung - deswegen hat der Minister diesen Vorschlag ja gemacht -, alles Menschenmögliche zu prüfen, um das Drama in Aleppo endlich zu beenden.

Zusatzfrage: Die Frage war auch, was die nächsten Schritte sein können, wenn Lawrow oder seine vorgesetzte Ebene sozusagen wie in der Vergangenheit nicht darauf eingehen. Sagen Sie dann "Wir bleiben beharrlich dabei", oder haben Sie noch andere Möglichkeiten über das Verkünden von Beharrlichkeit hinaus?

Chebli: Es bleibt dabei: Dieser Konflikt - ich glaube, dass das auch die russische Seite weiß - ist militärisch nicht zu lösen. Ich weiß nicht, ob sich das Assad-Regime den Weg nach Aleppo so vorgestellt hat. Vielleicht hat es sich eher vorgestellt, dass das alles viel schneller gehen würde. Aber dass auf der anderen Seite noch Kämpfer sind, die sich die Stadt nicht einfach so nehmen lassen und die sich nicht einfach so wegbomben lassen - ich weiß nicht, ob das in der Kalkulation des Assad-Regimes so enthalten war. Deswegen bleibe ich bei dem, was ich vorhin gesagt habe: Militärisch ist der Konflikt nicht zu lösen. Wir bleiben bei der Linie, dass wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln alle Parteien, die dort Einfluss haben, überzeugen müssen, dass wir aus dieser katastrophalen Lage in Aleppo herauskommen müssen.

Jetzt hat der Minister mit Lawrow gesprochen. Es gibt sicherlich auch permanent Gespräche zwischen den Amerikanern und den Russen. Wir hoffen, dass es dabei bald zu einer Verständigung kommen wird.

Frage: Ich habe zwar gerade von Herrn Dimroth gehört, dass die Lageeinschätzung der Bundesregierung für Syrien offenbar eingestuft ist, aber vielleicht können Sie noch einmal ein oder zwei Worte dazu verlieren. Zum Beispiel der UNHCR sagt, dass es eine Besonderheit der aktuellen Entwicklung sei, dass eben doch immer größere Personengruppen auch verfolgt werden. Können Sie noch einmal etwas zu dieser Situation sagen, insbesondere auch zu der individuellen Verfolgung? Hat sich das teilweise verbessert? Können Sie dazu vielleicht etwas sagen? Ich weiß, dass man das natürlich immer irgendwie auch in Bezug auf bestimmte Regionen betrachten muss, aber vielleicht können Sie dazu einfach generell Ihre Einschätzung abgeben.

Chebli: Sie haben es schon gesagt: "Generell" funktioniert nicht. Ich kann dem, was Herr Dimroth gesagt hat, hier eigentlich nichts hinzufügen.

Zusatzfrage: Klar, "generell" ist schwierig, aber nichtsdestotrotz gefragt: Können Sie als AA keine Einschätzung abgeben?

Chebli: Die Einschätzung des Auswärtigen Amtes zu Syrien haben wir hier jetzt schon eine halbe Stunde lang vorgetragen, was Aleppo angeht. Zum Beispiel in Manbidsch herrscht eine andere Lage. Aber ich kann Ihnen jetzt nicht generell sagen, dass die Zahl der Verfolgten in den letzten Wochen so und so hoch gestiegen ist. Das würde auch gar nicht im Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amtes liegen. In der Tat ist es so, dass wir Lageberichte haben, die eingestuft sind und die die Grundlage für das Asylersuchen sind. Aber ich habe dem, was Herr Dimroth zu dem Thema gesagt hat, aus Sicht des Auswärtigen Amtes eigentlich gar nichts hinzuzufügen.

Frage: Noch einmal zurück zu Aleppo: Frau Chebli, Sie sprechen jetzt also von der Priorität einer Unterstützung auf dem Landweg. Sie sagen, es müsse humanitäre Zugänge geben, die von den VN kontrolliert werden. Ich würde gerne wissen, was das nach Ihren Vorstellungen praktisch bedeutet. Wer kontrolliert also sozusagen wie welche Zugänge? Wer sichert die? Wer fährt eigentlich die Transporte, die es gäbe, wenn es denn solche Korridore gäbe? Was bedeutet das sozusagen rein praktisch? Gibt es irgendwelche Vorbereitungen dafür, so einen humanitären Zugang praktisch vorzubereiten? Gibt es irgendeine praktische - nicht im diplomatischen oder politischen Sinne - Vorbereitung von deutscher Seite in Bezug auf solche Hilfe?

Chebli: Ich habe ja vorhin zu sagen versucht, dass wir sofort bereitstünden, die Vereinten Nationen zu unterstützen, sollte es denn einen von ihnen kontrollierten Zugang oder Zugänge geben. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir über humanitäre Zugänge für bestimmte Stadtteile sprechen, und die Vereinten Nationen sind dabei ein professioneller Akteur. All die Fragen, die Sie gestellt haben, würden dann von den Vereinten Nationen übernommen werden. Das würde unter der Obhut und der Kontrolle der Vereinten Nationen erfolgen, natürlich mit Zustimmung derjenigen, die kämpfen. Man muss nämlich, wenn man humanitäre Zugänge schafft, auch dafür sorgen, dass die Helfer sicher und ohne Risiko für ihr Leben in diese Gebiete hineingehen können. Das heißt, man braucht den Common Sense, man braucht die Zustimmung aller Parteien, die dort vor Ort sind. Am Ende würde Hilfe in den Händen der Vereinten Nationen und ihrer Organisationen erfolgen. Dafür gibt es natürlich Vorbereitungen. Es ist klar, dass die Vereinten Nationen nicht warten, bis es diese Zustimmung der Konfliktparteien gibt, sondern es gibt ganz konkrete Planungen dazu, wie man sich das vorstellt. Sie wissen, dass wir in den Gesprächen mit den Vereinten Nationen als größter humanitärer Geber und auch mit den Organisationen, die wir vor Ort unterstützen, bereitstehen, um dort natürlich sofort zu helfen.

Zusatzfrage : Was heißt "helfen" und "unterstützen" praktisch?

Chebli: Meinen Sie jetzt, was Deutschlands Engagement angeht? Wir reden darüber, dass die Menschen seit Tagen kein Trinkwasser haben. Das heißt, man muss schauen, dass man die Trinkwasserversorgung wieder instand setzt. Wir reden darüber, dass die Menschen ohne Nahrungsmittel sind. Es gibt in Aleppo Nahrungsmittel en masse, nur erreichen sie die Menschen nicht. Das heißt, nicht uns - wir sind ja nicht vor Ort -, sondern die Organisationen, die vor Ort tätig sind, müssen wir in die Lage versetzen, dafür zu sorgen, dass diese humanitären Güter zu den Menschen gebracht werden. Das ist es. Wir sind dort ja nicht vor Ort, sondern wir leisten Hilfe, indem wir zum Beispiel im Rahmen des Budgets für Syrien, das wir eh haben, Geld zur Verfügung stellen. Dass wir logistisch beratend zur Seite stehen, wäre zum Beispiel auch eine Option.

Frage: Frau Chebli, mit Blick auf die Gespräche zwischen dem Außenminister und Lawrow: Ist man im Auswärtigen Amt inzwischen auch der Meinung, dass es angesichts der Lage in Aleppo, der dortigen russischen Rolle und auch der Lage auf der Krim richtig war, die Sanktionen nicht abzumildern?

Chebli: Ich glaube, hinsichtlich der Frage der Sanktionen hat der Minister eine ganz klare Auffassung: Wenn es greifbare Fortschritte gibt, dann müssen wir auch über die Frage der Sanktionen nachdenken. Dabei bleibt er.

Wenn wir uns die aktuelle Lage in der Ostukraine anschauen, dann sind wir von dem Zustand, über greifbare Fortschritte sprechen zu können, weit entfernt. Sie sehen, dass es in den letzten Wochen und Monaten oder permanent immer wieder zu Waffenstillstandsverletzungen gekommen ist. Es kommt immer noch zu Todesopfern. Es gibt Verletzungen. Es gibt viele Verletzte. Deshalb ist unser Anliegen darauf ausgerichtet, dass der Waffenstillstand jetzt dauerhaft hält und dass wir bei der Frage, wie wir die Sicherheitslage in der Ostukraine verbessern können, endlich vorankommen müssen. Dazu gibt es Gespräche auf verschiedensten Ebenen, aber - das ist auch das, was der Minister gesagt hat - die Bilanz ist ernüchternd, wenn man sich die Lage anschaut. Sowohl bei der Sicherheitslage als auch bei der Frage der Lokalwahlen sind wir nicht da, wo wir sein wollen, und deshalb gibt es jetzt auch keinen Grund oder keinen Anlass, zu sagen, dass die Sanktionen morgen abgemildert werden.

Ich wollte noch etwas Aktives sagen, und zwar zum Thema Jemen: Wir bedauern, dass die Friedensgespräche für den Jemen unter Leitung der Vereinten Nationen am 6. August nach dreieinhalb Monaten ohne Einigung zu Ende gegangen sind. Das ist eine verpasste Chance. Die Konfliktparteien müssen jetzt Abstand von jeglichen Maßnahmen nehmen, die die Fortführung der Verhandlung behindern könnten. Erschwert hat die Verhandlung unter anderem, dass die Huthis und die Partei Allgemeiner Volkskongress am 28. Juli einen obersten politischen Rat in Sanaa ausgerufen haben. Dass die Mitglieder dieses Rates nun vor einem Teil des jemenitischen Parlaments vereidigt wurden, ist kontraproduktiv und schadet dem politischen Prozess weiter. Wir sehen auf der anderen Seite auch, dass die militärischen Angriffe wieder zugenommen haben.

Wir rufen alle Akteure im Jemen-Konflikt dazu auf, den Waffenstillstand unter allen Umständen einzuhalten, die Gewalt sofort zu beenden und sich auf eine friedliche Lösung des Konflikts einzulassen. Wir rufen außerdem alle Konfliktparteien dazu auf, die jetzt angesetzte Verhandlungspause von einem Monat für konstruktive Gespräche zu nutzen. Nur wenn sich alle Konfliktparteien konstruktiv an dem Verhandlungsprozess unter der Leitung der Vereinten Nationen beteiligen, kann dieser gelingen. Aus unserer Sicht ist der Verhandlungsprozess ohne Alternative. Nur eine inklusive politische Lösung wird im Jemen dauerhaft zu Frieden führen können.

Unsere volle Unterstützung gilt dabei dem Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Den unterstützen wir. Wir danken in diesem Zusammenhang auch dem Emir von Kuwait, der die Verhandlungen über einen mehrmonatigen Zeitraum in seinem Land beherbergt hat.

Frage : Frau Chebli, Saudi-Arabien hat vorgestern eine Schule in der Provinz Saada mit Dutzenden toten Kindern und Verletzten bombardiert. Wieso schweigt die Bundesregierung zu diesem Angriff?

Chebli: Weil ich zu diesem Angriff keine Hintergrundinformationen habe. Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass es tatsächlich zu diesem Angriff seitens der Koalition gekommen ist. Ich kann das nicht verifizieren. Deswegen habe ich zum Jemen das gesagt, was ich gerade gesagt habe, und zwar, dass wir uns wünschen, dass alle Konfliktparteien die jetzt angesetzte Verhandlungspause nutzen, um konstruktiv zu handeln und zum Verhandlungstisch zurückzukehren.

Zusatzfrage : Nun bombardiert Saudi-Arabien ja weiterhin. Sehen Sie Saudi-Arabien in diesem Konflikt in einer konstruktiven Rolle?

Chebli: Wir rufen alle Akteure im Jemen-Konflikt dazu auf, den Waffenstillstand unter allen Umständen einzuhalten, die Gewalt sofort zu beenden und sich auf eine friedliche Lösung des Konflikts einzulassen.

Frage: Ich würde gerne von der harten Außenpolitik zur Innenpolitik zurückkommen, die ja manchmal auch etwas kompliziert ist. Ich habe zum Stichwort Führerscheinentzug eine Frage an das Justizministerium und das Familienministerium. Wo stehen wir denn heute beim Führerscheinentzug? Der ist ja nun schon lange im Gespräch und im Koalitionsvertrag vorgesehen. Wird der kommen? Können wir davon ausgehen?

Die Frage an das Familienministerium: Warum ist es denn der Familienministerin so wichtig, den Führerscheinentzug als Strafmaß hinzubekommen, um säumigen Eltern die ihren Unterhaltszahlungen nicht nachkommen, sozusagen die Pistole auf die Brust zu setzen? Warum, glauben Sie, ist das so erfolgreich?

Baer-Henney: Zunächst zu Ihrer ersten Frage: Der entsprechende Referentenentwurf befindet sich in der Abstimmung mit Ländern und Verbänden und wird nach dem Ablauf der Frist und der dann folgenden Auswertung dieser Stellungnahme dem Kabinett vorgelegt werden. Das ist der aktuelle Stand.

Gütte: Ich kann Ihnen eigentlich auch keinen neuen Stand nennen. Die Familienministerin ist ja gerade im Urlaub. Aber was sie geäußert hat, und dies ja auch schon mehrfach, ist, dass sie einfach dafür plädiert, konsequent gegen unterhaltsprellende Väter vorzugehen, und den Vorschlag vom Bundesjustizminister unterstützt.

Zusatzfrage: Noch eine kurze Nachfrage an das Justizministerium: Wo hapert es denn im Moment noch? Gibt es irgendwo Schwierigkeiten, oder läuft das jetzt glatt durch?

Gütte: Das befindet sich ja, wie gesagt, im Moment in der Abstimmung mit den Ressorts, Ländern und Verbänden. Die Stellungnahmen, die dann eingehen werden, werden erst ausgewertet werden - das ist in dem Moment dann auch noch nicht öffentlich -, und dann wird der Entwurf in das Kabinett gehen. Das ist das normale Prozedere. Man kann jetzt also gar nicht sagen, dass es im Moment hapert, sondern dafür gibt es Fristen, die laufen, und dann steht der Kabinettstermin an.

Frage : Ich habe dazu eine Frage an das Verkehrsministerium. Herr Susteck, können Sie uns denn sagen, ob eine solche Regelung aus Ihrer Sicht auch für teilautonome oder autonom fahrende Systeme zutreffen würde?

Susteck: Ich verweise auf das, was die Kollegin Friedrich hier in der vergangenen Woche zum Thema Führerscheinentzug gesagt hat. Dabei geht es vor allem um den erzieherischen Charakter. Wir werden uns im Rahmen der Ressortabstimmung genau anschauen, welche Vorschläge auf uns zukommen.

Frage: Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema und im Zusammenhang mit den möglichen Unterstützungen für einen EU-Ausbildungseinsatz für Libyen habe ich eine Nachfrage an Herrn Nannt: Gibt es dazu Zeitvorstellungen Ihres Ministeriums? In welchem Zeitrahmen könnte so etwas auf der einen Seite beginnen?

Auf der anderen Seite geht es mir um das Problem der Auszubildenden. Wie bekommt man es in den Griff, dass sich nicht mögliche Extremisten darunter schmuggeln können?

Nannt: Sie sprechen die Erweiterung des Mandats der Operation Sophia an. Bei der Operation Sophia bleibt der Kernauftrag ja weiterhin das Vorgehen gegen Schleuser. Das Thema, das Sie jetzt angesprochen haben, ist die Ausbildung der libyschen Küstenwache, die dann gegebenenfalls auf hoher See stattfindet. Wie ist der Sachstand? Derzeit laufen die Planungen immer noch auf Ebene der Europäischen Union. Das heißt, hierbei sollen insgesamt Kräfte der Einheitsregierung ausgebildet werden. Die konkreten Planungen dazu laufen noch. Das heißt, die politische Entscheidung darüber, wie das jetzt laufen wird, wie auch die Beteiligung der Bundeswehr aussehen wird und wie wir uns dort einbringen werden, kann ich Ihnen derzeit noch nicht nennen. Jetzt müssen erst einmal die Entscheidungen und Prozesse auf Ebene der Europäischen Union abgeschlossen werden. So viel dazu.

Frage : Ich möchte das Arbeitsministerium und vielleicht auch Sie, Herr Seibert, etwas fragen. Die Bundesbank hat in ihrem neuen Monatsbericht eine Verlängerung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre ins Gespräch gebracht. Nach Auffassung der Bundesbank ist eine solche schrittweise Einführung ein adäquater Weg, um die Rentenversicherung langfristig auf stabilere Füße zu stellen. Mich würde zum einen interessieren, wie die Bundesregierung zu einem solchen Vorschlag der Bundesbank steht.

Zum Zweiten würde mich Folgendes interessieren: Der Finanzminister hat die Diskussion um Steuersenkungspläne letztlich vor einigen Monaten mit der Bemerkung ausgelöst, es gebe Spielräume für die nächste Legislaturperiode. Sind das Arbeitsministerium und vielleicht auch das Gesundheitsministerium in der Lage, zu sagen, ob es irgendwo in der Sozialversicherung Spielräume gibt, um für Vorschläge wie die Einführung von Freibeträgen bei der Sozialversicherung, geringere Freibeträge von Familien oder Ähnliches irgendetwas an Verfügungsmasse bereitzustellen, oder hieße das automatisch höhere Beiträge für die Rentenversicherung, für die Arbeitslosenversicherung und für die Gesundheit?

Stelten: Vielen Dank für die Fragen. Zum ganzen Komplex der Alterssicherung und den verschiedenen Bausteinen, die dabei eine Rolle spielen, werden wir wie angekündigt im Herbst ein Gesamtkonzept vorlegen. Zu den Details kann ich mich jetzt wie üblich nicht äußern. Außerdem hat sich die Ministerin aber vor einigen Wochen recht klar ablehnend zu diesem Aspekt der Erhöhung des Renteneintrittsalters geäußert.

Zu der zweiten Frage kann ich jetzt ad hoc nichts sagen.

Zusatzfrage : Bestehen solche Spielräume in der Rentenversicherung oder irgendetwas, das wie Freibeträge aussieht, zum Beispiel verringerte Freibeträge oder Vergünstigungen für Familien?

Stelten: Ich kann dazu ad hoc keine Einschätzung liefern.

StS Seibert: Da Sie mich angesprochen hatten, sage ich ganz kurz auch noch etwas zur Rente: Diese Bundesregierung steht zur Rente mit 67. Die Rente mit 67 ist bei der demografischen Entwicklung Deutschlands eine sinnvolle und auch eine notwendige Maßnahme. Deswegen setzen wir sie so, wie es beschlossen wurde, Schritt für Schritt und Stück für Stück um. Diskussionen gibt es immer, und manchmal nimmt auch die Bundesbank an solchen Diskussionen teil. Aber für diese Bundesregierung kann ich Ihnen sagen, dass es unsere Politik ist, die Rente mit 67 umzusetzen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Es gibt Medienberichte über eine Ausweitung des Handyverbots am Steuer. Ist in diesem Zusammenhang auch eine Ausweitung des Bußgeldrahmens und zum Beispiel eine Ausweitung auf die Bedienung von Navigationsgeräten während der Fahrt geplant?

Susteck: Vielen Dank für die Frage. Ich kann Ihnen bestätigen: Das Bundesverkehrsministerium ist an diesem Thema der Ausweitung des Handyverbots am Steuer dran. Die Abstimmung dazu läuft in unserem Hause. Die Linie des Bundesverkehrsministers in dieser Frage ist klar, dass Tablets genauso unter das Verbot fallen wie Handys. Alle weiteren Einzelheiten gilt es an dieser Stelle abzuwarten, bis wir den entsprechenden Entwurf dann vorlegen werden.

Zusatzfrage: Gilt das auch für den Bußgeldrahmen?

Susteck: Die Abstimmung zu der Frage der Ausweitung des Handyverbots am Steuer läuft, wie gesagt. Ich kann Ihnen jetzt keine weiteren Einzelheiten nennen.

Frage : Ich wollte zur Landwirtschaft und zu den jetzt feststehenden Hilfen für Milchbauern kommen. Frau Lenz, ich hätte gerne gewusst, wofür dieses Geld genau vorgesehen ist. Können Sie sagen, wie es verteilt wird? Geht das nach Größe? Gibt es eine Pauschalsumme je Betrieb? Wie darf ich mir das vorstellen?

Lenz: Vielen Dank für die Frage. Wie Sie richtig sagen, gibt es jetzt ein Milch-Hilfsprogramm durch die EU, und zwar gibt es da zwei Säulen, kann man sagen. Als erste Maßnahme stehen 150 Millionen Euro zur Verfügung, und zwar für Mengenreduzierungen. Das heißt, die sind tatsächlich daran gekoppelt, dass die Landwirte dann auch die Milchproduktionsmenge reduzieren. Sie erhalten dann für nicht produzierte Milch 14 Cent pro Kilogramm. Dadurch möchte die EU die Milchproduktion um 1 Million Tonnen reduzieren.

Der zweite Teil ist ein nationaler Teil. Dafür stehen 350 Millionen Euro zur Verfügung. Davon entfallen 58 Millionen Euro auf Deutschland. Der Bundeslandwirtschaftsminister hat den maximalen Spielraum in Höhe von 100 Prozent, um den man das aufstocken kann, auch ausgeschöpft. Insofern stehen dann tatsächlich 116 Millionen Euro zur Verfügung, die für die Landwirte genutzt werden können. Auch die sollen an eine Mengendisziplin gekoppelt werden. Das heißt also, dafür, dass die Menge stabil weiter unten gehalten wird, brauchen wir einfach tatsächlich weniger Milch für bessere Preise, damit es hier nicht zu einem Strukturbruch kommt.

Die Rahmenbedingungen dafür gibt zwar die EU vor, aber an der Frage, wie das ganz konkret ausgestaltet wird, sind wir derzeit dran. Wir arbeiten momentan an der Umsetzung, damit man genau schauen kann, wie das dann für die Bauern aussehen wird.

Zusatzfrage : Aber wird es dann grundsätzlich eine pauschale Regelung geben? Vielleicht können Sie uns auch sagen, wie viele Betriebe denn infrage kommen. Sind das 30, 40, 50 oder wie viele Betriebe?

Lenz: Wir sind, wie gesagt, gerade dabei, die Details zu klären. Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wie die Umsetzung genau aussehen wird.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Laut "Bild"-Zeitung denkt man in Ihrem Ministerium darüber nach, bei sinkenden Benzinpreisen die Steuern dementsprechend zu erhöhen, um die Einnahmen dann möglicherweise für energiesparende Projekte zu verwenden. Meine Frage: Macht sich der Minister diese Pläne zu eigen?

Hier war ja schon von den Spielräumen des Finanzministers die Rede. Hat er das möglicherweise im umgekehrten Sinne verstanden, also eben so, auch die Spielräume nach oben auszuloten? Wird er dazu einen Gesetzentwurf einbringen? Hat er schon mit dem Koalitionspartner darüber gesprochen?

Dubel: Vielen Dank für die Frage. Die heutigen Meldungen in der Presse beziehen sich ja auf das Grünbuch Energieeffizienz. Vielleicht beantwortet sich Ihre Frage, wenn ich diesen Prozess des Grünbuchs Energieeffizienz ein bisschen einordne:

Wir haben am 12. August eine öffentliche Konsultation zum Grünbuch Energieeffizienz gestartet. Diese Konsultation läuft jetzt bis zum 31. Oktober. In dem Grünbuch haben wir Leitfragen und Thesen zu den zentralen Herausforderungen bei der Energieeffizienz sowie Handlungsansätze dazu formuliert, wie wir eine langfristige Senkung des Energieverbrauchs erreichen können. Wir beabsichtigen mit diesem Grünbuch, einen Konsultationsprozess darüber zu führen, wie wir unser Ziel, den Primärenergieverbrauch bis 2015 zu halbieren, am besten erreichen. Nach dem 31. Oktober würden wir die Ergebnisse der Konsultationen auswerten und in einem Auswertungsbericht veröffentlichen. Diese Ergebnisse würden dann in ein Weißbuch münden.

Alles in allem handelt es sich hierbei um einen Diskussionsprozess und um kein fertiges Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums. Es geht hierbei also darum, dass wir diskutieren, mit welchen intelligenten Lösungen wir zu mehr Energieeffizienz kommen können und wie die möglichen neuen Maßnahmen zukünftig ausgestaltet werden können. Dieser Diskussionsprozess soll ergebnisoffen geführt werden. Dazu haben wir zu ganz verschiedenen Themen unterschiedliche Leitfragen und Thesen formuliert.

Zusatzfrage: Hat der Minister denn Kenntnis von den von Ihnen zitierten Handlungsanweisungen?

DUBEL: Selbstverständlich hat der Minister Kenntnis. Selbstverständlich hat der Minister dieses Grünbuch gesehen und auch freigegeben.

Zusatz: Dann wird er auch etwas dazu gesagt haben.

Dubel: Das ist das, was ich Ihnen schon gesagt habe. Es handelt sich nicht um ein fertiges Konzept, sondern um einen Diskussionsvorschlag, um eine Diskussion, die wir mit dem Grünbuch strukturieren und moderieren wollen. Da wurden verschiedene Thesen aufgestellt.

Frage : Ich muss die Frage noch einmal wiederholen: Steht denn der Minister hinter diesem Vorschlag, Steuern zu erhöhen, wenn die Rohstoffpreise sinken? Das wäre ja sozusagen ein Mechanismus. Gibt es schon eine Überlegung, wer denn zum Beispiel einen solchen Benzinpreis festlegt, an dem sich das orientiert?

Herr Weißgerber, was sagt denn das Bundesfinanzministerium zu solchen Plänen, das ja für Steuern zuständig ist? Ist das eine denkbare Variante?

Dubel: Vielleicht noch einmal vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums: Es sind Thesen und Leitragen formuliert worden, die mögliche Maßnahmen für die Zukunft benennen. Es ist noch kein fertiges Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums. Wir wollen hier die Auswirkungen diskutieren und natürlich auch die Auswirkungen der derzeit niedrigen Öl- und Gaspreise. Denn klar ist, dass diese niedrigen Öl- und Gaspreise für fossile Brennstoffe natürlich einen gewissen Gegenwind für die Energieeffizienz verursachen. Wir müssen deshalb sehen, wie wir unseren Energieverbrauch insgesamt verringern und zu einem sparsamen Umgang kommen. Deswegen müssen wir auch mit dem Grünbuch eine Debatte darüber eröffnen, welche zusätzlichen Instrumente genutzt werden können, um das Ziel des Energiekonzepts zu erreichen. Wir eröffnen damit eben eine Debatte.

Zusatz : Die Frage war, ob Herr Gabriel dahintersteht, also ob das sozusagen auf seinem Mist gewachsen ist.

Dubel: Wie gesagt, das ist ein Diskussionsprozess. Das sind Leitfragen und Thesen, die jetzt mit einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden sollen. Es geht nicht um konkrete Vorschläge des BMWi.

Weißgerber: Ich kann Ihnen für das BMF sagen: Wir haben das heute auch nur in der Presse gelesen. Wir sind in diesen Diskussionsprozess vorher noch nicht eingestiegen und haben uns auch bisher noch nicht daran beteiligt. Deswegen kann ich Ihnen in dieser frühen Stufe des Diskussionsprozesses nichts dazu sagen.

Frage: Haben das Umwelt- und das Verkehrsministerium vor - oder haben sie es schon getan -, eine darstellbare Position in dieser Diskussion zu beziehen, also eine "atmende" Benzinsteuer?

Haufe: Die Position des Umweltministeriums ist ja die, dass wir generell immer über Maßnahmen diskutieren und offen sind für Maßnahmen, die dazu führen, den Ressourcenverbrauch zu verringern - Ressourcen unterschiedlichster Art, besonders die, die besonders emissionsstark sind, den Klima- und Umweltschutz beeinträchtigen oder die Klima oder Umwelt in irgendeiner Form beschädigen. In diese Diskussion werden wir uns auch einbringen; dafür gibt es Prozesse. Mehr kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen.

Susteck: Ich kann mich natürlich nur auf das beziehen, was wir diesem Medienbericht entnehmen. Dazu kann ich vonseiten des Bundesverkehrsministeriums sagen: Wir lehnen das ab, weil es sich um Steuererhöhungen handelt.

Frage : Ein anderes Thema mit Blick auf das Treffen der Bundeskanzlerin mit Herrn Tusk in Meseberg. Dabei soll es vor allem um die Vorbereitung des Treffens in Bratislava gehen. Können Sie kurz umreißen - das Gespräch ist nicht presseöffentlich, und es gibt auch keine Gelegenheit, Fragen zu stellen -, was die Bundesregierung von dem Treffen erwartet? Wie ist der Stand in der Debatte "Brexit"-Entscheidung? Was möchte die Bundesregierung in dieses Gespräch mit einbringen, um zum Beispiel das Vertrauen der Bürger in Bezug auf die EU wiederherzustellen?

Mir reichen schon vier, fünf Sätze. Sie können natürlich auch ein bisschen breiter ausholen.

StS Seibert: Darf ich auch weniger sagen?

Zusatz : Nein, bitte nicht!

StS Seibert: Also vier bis fünf sollte ich schon erreichen. Okay!

Zusatz : Sagen Sie nicht, dass Sie dem Gespräch nicht vorgreifen. Bitte formulieren Sie einfach die Erwartungen.

StS Seibert: Zunächst würde ich einmal sagen, dass das natürlich eines der regelmäßigen Treffen und Gespräche der Bundeskanzlerin mit Ratspräsident Tusk ist, wie es sie immer einmal wieder, aber, wie ich sagen würde, regelmäßig gibt. Es sind vertrauliche Gespräche zur Vorbereitung anstehender Europäischer Räte. Sie wissen, dass am 16. September in Bratislava kein normaler Europäischer Rat zusammenkommt, sondern es kommen die 27 Mitgliedstaaten sowie der Präsident des Europäischen Rates der Kommission ohne Großbritannien zusammen, um gemeinsam zu beraten, welche Schlüsse die Europäische Union aus dem angekündigten "Brexit" ziehen muss und um zu beraten, wie Europa sich aufstellt, um die Herausforderungen der nächsten Jahre gut zu meistern.

Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die man sich für Bratislava gestellt hat, wobei auch klar ist, dass das eine Treffen in Bratislava nicht sämtliche Beschlüsse bringen wird, sondern dass es den Diskussionsprozess gewissermaßen einleitet. Es geht darum, dieses vorzubereiten und über alle derzeit in Europa anstehenden Themen zu sprechen. Das ist der Grund und der Sinn des Treffens in Meseberg. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Wir haben keine neue Position zur Frage: Wie geht es weiter mit Großbritannien und seiner Mitgliedschaft sozusagen in der Bewegung hin auf den "Brexit"? Es ist an Großbritannien, sich klarzuwerden, wie es die zukünftigen Beziehungen zur Europäischen Union gestalten will. Das alles wissen Sie. Das ist im Grunde die gleiche Position, die schon sehr ausführlich dargelegt wurde, als die neue Premierministerin vor einigen Wochen in Berlin war. Großbritannien ist Stand heute EU-Mitglied mit allen Rechten und mit allen Pflichten. Über alles Weitere kann erst wirklich verhandelt werden, wenn Großbritannien den Artikel 50 angerufen hat, also seine Mitteilung über eine Austrittsabsicht gemacht hat. Sie erinnern sich sicherlich, dass Frau May das für nicht vor Ende des Jahres angekündigt hat. Da gibt es keine neue deutsche und auch, glaube ich, keine neue europäische Position.

Frage: Herr Seibert, gehört die Teilnahme an entsprechenden Ratsgipfel nicht eigentlich auch zu den Pflichten der Mitgliedstaaten?

StS Seibert: Deswegen ist dieses ja keine neue normale Sitzung des Europäischen Rates. Es ist ein Treffen der 27; so wurde es beim letzten gemeinsamen Treffen in Brüssel beschlossen. Es ist ja auch vollkommen sinnvoll und, ehrlich gesagt, auch denklogisch, dass die 27 über ihre gemeinsame Zukunft beraten müssen, wenn ein 28. Mitglied seinen Austritt zwar noch nicht offiziell eingeleitet, aber doch schon angekündigt hat.

Frage: Herr Seibert, am 27. Juni haben Sie uns hier gesagt, man wünsche sich in Sachen "Brexit" keine Hängepartie. Gestern berichtet die "Sunday Times", dass die britische Regierung eventuell erst 2019 bereit sei, den Artikel 50 in Gang zu setzen. Wie definieren Sie denn eine Hängepartie?

StS Seibert: Wenn der Artikel 50 erst 2019 sozusagen ausgelöst würde, würde das sicherlich unsere Vorstellungen von einer Hängepartei weit sprengen. Das sind ja noch zweieinhalb Jahre. Ich glaube, niemand hat die britische Premierministerin so verstanden, als sie in Berlin war.

Ansonsten kann ich diesen Zeitungsbericht nicht kommentieren. Wir halten uns an die Gespräche, die wir mit der britischen Regierung zu dem Thema führen.

Frage : In dem Zeitungsartikel wird gesagt, dass es eventuell bis 2019 dauern könnte, allerdings die Auslösung des Artikel 50 ein Jahr später erfolgen könnte, also wahrscheinlich Ende 2017.

StS Seibert: Das ist etwas anderes als das, was der Kollege gerade sagte.

Zusatzfrage : Ja, klar. Wäre das denn aus Sicht der Bundesregierung akzeptabel?

StS Seibert: Sie werden mich hier nicht in die Beschreibung von Fristen hineinlocken. Deswegen kommentiere ich diesen Artikel nicht näher. Wir hatten den Besuch der britischen Premierministerin mit einer sehr ausführlichen Pressekonferenz. Sie alle können nachlesen, was sie und die Bundeskanzlerin gesagt haben. Die deutsche Haltung - ich glaube, auch die europäische Haltung - liegt klar auf dem Tisch. Nun werden wir sehen, wann Großbritannien auslöst, und dann beginnen die Gespräche. Bis dahin sind alle diskutierten Fragen ehrlich gesagt hypothetisch. Ich werde mich nicht zum Zeitplan der Briten äußern. Die Briten werden sich sicherlich gegenüber den europäischen Partnern zu ihrem Zeitplan äußern.

Frage : Herr Dimroth, griechische Medien berichten, dass für Dezember durch die Bundesrepublik Deutschland eine Rücküberstellung von 3000 Personen nach Griechenland nach der Dublin-III-Verordnung - genauer Kreta - geplant sei. Können Sie uns dazu irgendetwas sagen?

Dimroth: Nein, außer, dass Sie die geltende Beschlusslage kennen. Nicht zuletzt aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsberichts werden derzeit aufgrund der systemischen Unzulänglichkeiten im griechischen Asylsystem keine Rückführungen nach der Dublin-III-Verordnung nach Griechenland durchgeführt. Diese Maßnahme ist noch einmal so beschlossen und verlängert worden, und zwar trotz der laufenden Evaluierungsarbeiten auf europäischer Ebene, die wir sehr sorgfältig in der Hoffnung beobachten, dass die Maßnahmen, die mannigfaltig ergriffen wurden, um das System in Griechenland so zu ertüchtigen, dass die Verhältnisse eben ein Maß und ein Niveau erreichen, dass eine Rückführung auch rechtlich wieder möglich ist. Dieser Zustand ist offensichtlich noch nicht erreicht, sodass ich Ihnen das jedenfalls nicht bestätigen kann. Ich kenne die Meldung auch nicht. Der Sachverhalt ist tatsächlich so, wie ich ihn gerade beschrieben habe.

Frage : Herr Seibert, der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister spricht in letzter Zeit sehr viel über TTIP und CETA. Die Bundeskanzlerin spricht sehr wenig über TTIP und CETA. Ich verstehe den Vizekanzler so, dass er sagt: TTIP hat keine Chance mehr in diesem Jahr. Ich habe die Bundeskanzlerin bisher so verstanden, dass sie durchaus die Chance sieht, dass in diesem Jahr noch in Sachen TTIP etwas passiert. Wann gibt es denn einmal eine gemeinsame Haltung der Bundesregierung?

Wird die Bundeskanzlerin möglicherweise noch vor dem EU-Gipfel in Bratislava, wo das auch zur Sprache kommen könnte oder dürfte, das Gespräch mit Herrn Gabriel suchen, um eine gemeinsame Haltung zu TTIP zu entwickeln?

StS Seibert: Ich möchte Ihnen zunächst einmal widersprechen. Als die Bundeskanzlerin am 28. Juli hier saß und ihre Sommerpressekonferenz gegeben hat, hat sie ziemlich ausführlich über TTIP gesprochen. Die Behauptung, sie spräche darüber nicht, stimmt schon einmal nicht.

Zuruf : Gabriel ist besser, ist häufiger!

StS Seibert: Die Aussagen der Bundeskanzlerin - die ausführlichen Aussagen vom 28. Juli - stehen. Daran ist nichts zurückzunehmen.

Im Übrigen gibt es eine gemeinsame Haltung der Bundesregierung. Es ist die gesamte Bundesregierung, die den zügigen Abschluss des TTIP-Abkommens für ein zentrales Vorhaben hält. Das hat die Kanzlerin in der Sommerpressekonferenz bedeutet. Damit meinen wir natürlich den Abschluss eines ehrgeizigen, eines für beide Seiten vorteilhaften Abkommens und ganz klar, wie wir es immer gesagt haben, den Abschluss eines Abkommens, das die in Europa geltenden hohen Standards - Umwelt- und Sozialstandards, Verbraucherschutz usw. - in keiner Weise einschränkt.

Ein solches Abkommen, wie ich es gerade beschrieben habe - und das ist die Haltung des Bundeswirtschaftsministers wie auch der Bundeskanzlerin -, bietet große Chancen für Wachstum und Beschäftigung und eben die Chance, dass diese beiden großen Handelsräume Europa und die USA Standards setzen, die dann auch über die Europäische Union und die USA hinaus ausstrahlen. Das ist unsere Haltung.

Die Bundeskanzlerin hat ja ganz klar gesagt: Wir sind natürlich immer noch fern davon, dass wir bei all den notwendigen zu lösenden Themen auch schon Lösungen haben. Das ist aber normal. Sie selber hat gesagt, dass sie es noch nie erlebt hat, dass Monate vor Verhandlungsende bereits sozusagen alle Kompromisslinien direkt öffentlich gemacht und auf den Tisch gelegt werden. Deswegen geht es jetzt darum zu schauen, wie wir vorankommen. Sie hält dieses Abkommen so definiert, wie ich es hier definiert habe, für absolut richtig, wichtig und im europäischen Interesse.

Zusatzfrage : Nur zur Sicherheit: Darin ist schon eine Bestandsaufnahme der 14. Verhandlungsrunde einberechnet, die den Bundeswirtschaftsminister dazu bewegt hat, sich jetzt so skeptisch zu äußern, wie er sich äußert? Hat die Bundeskanzlerin das seinerzeit in ihrer Äußerung schon quasi mitbedacht?

StS Seibert: Natürlich muss man sich die Ergebnisse der letzten Verhandlungsrunde wiederum sehr genau angucken, muss sie auswerten und muss schauen, was sich daraus für die noch verbleibenden Wochen und Monate ergibt. Unsere Grundposition ist und bleibt aber: Wenn es gelingt, ein Abkommen zu schließen, das wirklich den hohen Anspruch einlöst, den wir an dieses Abkommen haben, dann ist das für Europa, für Deutschland von nicht zu unterschätzendem Wert.

Frage : Ich habe eine Nachfrage zu einer Meldung der "Bild"-Zeitung von heute an das BMG. Ein CDU-Abgeordneter wird mit der Anregung zitiert, man solle künftig wieder auf die Verbeitragung von Betriebsrenten verzichten. Gibt es irgendwelche Überlegungen dazu in Ihrem Haus? Hat das irgendeine Grundlage, oder ist das nur eine Einzelmeinung?

Gülde: Vielen Dank für die Frage. - Im Grunde genommen haben wir auch aus den Medien von diesen Plänen erfahren. Zurzeit gibt es keinen neuen Stand. Das ist etwas, was in der CDU diskutiert werden wird.

Montag, 15. August 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 15. August 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/08/2016-08-15-regpk.html;jsessionid=359C5095C5A0B86934FD63517BF073FC.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2016

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