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PRESSEKONFERENZ/1349: Regierungspressekonferenz vom 25. November 2016 (BPA)



Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 25. November 2016
Regierungspressekonferenz vom 25. November 2016

Themen: EU-Türkei-Abkommen zur Migration, Termine der Bundeskanzlerin (Festakt anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Bundesnachrichtendienstes, Empfang des Ministerpräsidenten der Republik Albanien, Gespräch mit dem Premierminister der Republik Malta, Festakt anlässlich des 200. Geburtstages von Werner von Siemens, Kabinettssitzung, Empfang des Präsidenten der Weltbank), Erklärung der Außenminister der Gruppe der Gleichgesinnten zur Unterstützung eines Neubeginns auf dem Gebiet der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa, Abkommen von DFB und DFL mit dem chinesischen Bildungsministerium und dem chinesischen Fußballverband, Angleichung der ostdeutschen an die westdeutschen Renten, Einfluss von Social Bots und Fake-News, Streik von Lufthansa-Piloten, geplante Gesetzentwürfe zu den Themen "Verbot von Kinderehen" und "Entschädigung verurteilter Homosexueller nach Paragraf 175", Referendum über einen Beschränkung der Laufzeiten von Atomkraftwerken in der Schweiz

Sprecher: SRS'in Demmer, Chebli (AA), Plate (BMI), Flosdorff (BMVg), Weißgerber (BMF), Daldrup (BMAS), Steffen (BMJV), Audretsch (BMWi)

Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN DEMMER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Eine Frage an Frau Demmer und Frau Chebli: Nachdem sich nicht nur der Ministerpräsident mit drastischen Worten, sondern jetzt auch der türkische Präsident mit einer drastischen Drohung, das EU-Türkei-Migrationsabkommen aufzukündigen, geäußert hat, wüsste ich von Ihnen gern, ob die Sorge zunimmt, dass dies tatsächlich passieren könnte, und was die Folgen davon wären.

SRS'in Demmer: Die EU-Türkei-Vereinbarung - lassen Sie mich das hier noch einmal sagen - betrachten wir als gemeinsamen Erfolg. Die Fortsetzung dieses Abkommens liegt im Interesse aller Beteiligter. Die EU steht zu ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen und erfüllt sie. Drohungen auf beiden Seiten helfen nicht weiter. Wo es Schwierigkeiten gibt, müssen wir sie ausräumen. Das Abkommen ist, wie gesagt, im Interesse aller.

Chebli: Ich habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen. Das Auswärtige Amt sieht es genauso.

Vorsitzender Mayntz: Wollen Sie ergänzen, Herr Plate?

Plate: Nein, ehrlich gesagt nicht. Das ist genauso auch die Linie unseres Hauses.

Frage: Frau Demmer, wenn Sie sagen, Drohungen helfen keinem weiter, dann muss ich dennoch feststellen: Sie werden aber gemacht. Das heißt, Sie müssen sich zu diesen Drohungen verhalten. Wie gehen Sie mit diesen Drohungen um, wenn sie merken, dass sie nicht helfen?

SRS'in Demmer: Sie haben mir nicht genau zugehört. Denn danach habe ich gesagt: Wo es Schwierigkeiten gibt, müssen wir miteinander reden und die Schwierigkeiten ausräumen.

Zusatzfrage: Die Schwierigkeiten, die angesprochen wurden, sind eine Entscheidung des EU-Parlaments. Wie können Sie diese Schwierigkeiten ausräumen?

SRS'in Demmer: Im Gespräch.

Chebli: Vielleicht kann man noch zwei, drei Sätze zu der Entscheidung des Europäischen Parlaments sagen, obwohl wir - sowohl Frau Demmer und Herr Seibert als auch Herr Schäfer und ich - hier mehrfach klargemacht haben, wie wir die Beitrittsverhandlungen und insgesamt die Beziehungen zur Türkei gegenwärtig sehen. Der Minister war vor Kurzem in der Türkei und hat noch einmal unterstrichen, welches unsere Vorstellungen darüber sind, wie wir unsere Beziehungen gemeinsam aufbauen oder wie wir sie sehen möchten.

Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Türkei den europäischen Weg weiter verfolgt. Letztendlich - das hat der Minister gesagt - steht aber die Türkei in der Verantwortung, zu entscheiden, ob sie den Weg weiter geht oder ob sie sich, was wir nicht gut fänden, von Europa abwenden will. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit sehr deutlich gemacht, dass sie nach wie vor ein Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit der Türkei hat. Das hat der Minister gegenüber allen Ansprechpartnern, die er in der Türkei getroffen hat, unterstrichen.

Wir müssen sehen, wie die aktuelle Diskussion in der Türkei selber ist. Wenn man sich mit Vertretern der Zivilgesellschaft, mit Studenten oder anderen, die nicht in der AKP-Regierung oder überhaupt in der Politik tätig sind, unterhält, dann hört man, wenn man genau zuhört, dass sie sagen, dass der Abbruch der Gespräche mit der Türkei jetzt der falsche Weg wäre. Sie sagen, dass es wichtig ist, dass wir im Gespräch bleiben und dass wir auch die Beitrittsverhandlungen nicht einfrieren. Denn das würde das Verhältnis zwischen der Türkei und Europa nur noch mehr beschädigen. Das wäre weder im Interesse der Türkei noch im Interesse Europas.

Den Putschversuch hat die Bundesregierung immer klar verurteilt. Wir haben nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum ging, kritische Entwicklungen in der Türkei beim Namen zu nennen. Ich denke, das hat der Minister bei seiner letzten Reise in die Türkei ziemlich deutlich gemacht. Trotzdem bleiben wir dabei, dass wir im Dialog miteinander bleiben. Wenn jetzt von Drohungen gesprochen wird, dann muss man sich auch die Faktenlage anschauen. Wenn man sich die Faktenlage anschaut, dann sieht man, dass sich beide Seiten an die Vereinbarungen halten. Wir hoffen, dass es auch künftig dabei bleibt; denn das ist im beiderseitigen Interesse.

Frage: Noch einmal die Frage nach den Drohungen: Wenn Drohungen wiederholt ausgestoßen werden, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass man sie entweder ernst nimmt - ich interpretiere Sie so, dass Sie das nicht tun - oder dass man sie als leere Drohungen bezeichnet. Deswegen ganz konkret die Frage: Sind das leere Drohungen, weil Sie immer noch davon ausgehen, dass die Türkei sowieso an dem Abkommen festhält?

Herr Flosdorff, ein Zusatz: Es gab auch türkische Drohungen, dass man aus der Nato-Mission in der Ägäis aussteigt. Wie besorgt sind Sie denn, dass sich an dieser Stelle etwas ändern könnte?

Chebli: Ich möchte meine Worte nicht so interpretiert wissen, dass wir das, wie Sie es gerade dargestellt haben, als leere Drohungen sehen. Ich würde eher sagen, dass man da, wo es Probleme gibt, miteinander spricht. Dass die Türkei und die EU und auch die Türkei und Deutschland gerade kein einfaches Verhältnis zueinander haben, haben wir nie verschwiegen. Man wird darüber reden. Wir haben es in der Vergangenheit getan und tun es jetzt. Da, wo es kritische Fragen gibt, ist man im Gespräch. So würden wir darauf reagieren. Das tun wir. Wir bleiben im Gespräch und suchen das Gespräch, um kritische Fragen miteinander zu besprechen.

Zusatzfrage: Frau Demmer, würden Sie sagen, dass es sich um leere Drohungen handelt?

SRS'in Demmer: Wenn Sie so fragen, möchte ich wiederholen, dass die Vereinbarungen ein gemeinsamer Erfolg sind und dass wir dazu stehen, die Vereinbarungen erfüllen und davon ausgehen, dass auch die Türkei dies tut.

Flosdorff: Wie Sie sicherlich wissen, beruht die Nato-Aktivität in der Ägäis auf einem gemeinsamen Beschluss aller Nato-Staaten. Das heißt, wenn sich daran irgendetwas ändern sollte, dann würde das erneut einen gemeinsamen Beschluss aller Nato-Staaten voraussetzen.

Die Gespräche darüber, wie weit die Aktivitäten der Nato in der Ägäis fortgesetzt werden, werden im besten Einvernehmen auch mit der Türkei in Brüssel in der Nato geführt. Ich kann im Moment nicht erkennen, dass es dort irgendwelche neuen Tendenzen gibt.

Frage : Frau Demmer, Sie haben gesagt, dort, wo es Schwierigkeiten gibt, versuchen Sie, sie zu überwinden. Sehen Sie die Schwierigkeiten auf speziellen Gebieten - wenn ja, wo - oder beim Bestand des gesamten Abkommens?

SRS'in Demmer: Das ist bezogen auf jedwede Schwierigkeit, die aufkommt. Es geht hierbei ja immer um einen Prozess und nicht um etwas, das irgendwann einmal komplett abgeschlossen ist.

Frage: Frau Demmer und Frau Chebli, was Sie als Schwierigkeiten oder als kritische Fragen umschreiben, ist eine souveräne Entscheidung des Europäischen Parlaments. Ich habe ein leichtes Déjà-vue, wenn ich an die Armenien-Resolution im Bundestag denke. Die türkische Regierung setzt die europäischen Regierungen wegen einer Entscheidung eines Parlaments unter Druck.

Das heißt: Wie wollen Sie in Gesprächen Schwierigkeiten oder kritische Fragen ausräumen, wenn es um eine Entscheidung des Europäischen Parlaments geht, die man schwerlich missverstehen oder falsch interpretieren kann? Werden wir am Ende wieder eine Distanzierung oder eine Nicht-Distanzierung erleben wie bei der Armenien-Resolution?

Chebli: Sie haben mich falsch verstanden, wenn Sie denken, dass ich meinte, die kritischen Fragen bezögen sich auf die Resolution, sondern ich meinte kritische Fragen im Umgang mit der Türkei, die es gerade gibt. Kritische Fragen sind zum Beispiel der Umgang mit der Pressefreiheit, der Umgang mit Wissenschaftlern und sonstige Themen, die wir hier mehrfach und intensivst besprochen haben. Das meine ich.

Ich habe gesagt, dass wir diese kritischen Fragen offen ansprechen. Der Minister hat das explizit getan. Ich weiß nicht, ob Sie auf der Reise dabei waren und das verfolgen konnten.

Das sage ich jenseits der Entscheidung des Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament ist eigenständig und kann natürlich diese Entscheidung souverän für sich treffen. Unser Ansatz ist nur, dass wir in den Phasen, in denen es besonders kritisch ist - und es ist gegenwärtig ein sehr schwieriges deutsch-türkisches beziehungsweise europäisch-türkisches Verhältnis -, das Gespräch miteinander suchen und nicht Gespräche boykottieren oder abbrechen.

Zusatzfrage: Aber die Schwierigkeit, über die wir jetzt sprechen, ist die konkrete Drohung der türkischen Regierung und des türkischen Präsidenten auf eine konkrete Entscheidung des Europäischen Parlaments. Das heißt, die Frage ist, wie Sie mit diesen Drohungen, die sich auf eine Entscheidung eines Parlaments beziehen, sich aber an Regierungen richten, umgehen werden. Sie können sie ja nicht in der Weise ausräumen, dass Sie sagen, das Parlament entscheidet anders.

Deshalb noch einmal die Frage: Werden wir am Ende etwas erleben, das doch ziemlich analog zu dem ist, was wir bei der Armenien-Resolution erlebt haben?

SRS'in Demmer: Da befänden wir uns im spekulativen Bereich. Ich würde gern wiederholen, dass es darum geht, den Gesprächsfaden aufrechtzuerhalten. Die Kanzlerin - ich kann sie hier wörtlich zitieren - hat am Mittwoch gesagt:

"Wir haben ein Interesse daran, mit der Türkei in einer vernünftigen Art und Weise zu kooperieren. Das schließt aber nicht aus, dass das, was dort an alarmierenden Entwicklungen zu sehen ist, klar angesprochen wird."

Es geht um einen durchaus offenen Umgang miteinander, aber auch um einen offenen Umgang mit den Problemen, die wir gemeinsam beheben.

Frage: Jenseits der Frage in Bezug auf das EU-Parlament: Frau Chebli, das Auswärtige Amt hat, wenn ich es richtig weiß, verfolgten Türken hier in Deutschland Solidarität, Schutz und sogar Asyl zugesichert. Stimmt das?

Wenn es stimmt, trägt das BMI das mit, Herr Plate?

Chebli: Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, worauf Sie gerade Bezug nehmen. Ich weiß nicht, um wen und was es gehen soll. Das müssen Sie schon konkretisieren.

Letztendlich wäre es aber so, dass ich mich zu Einzelfällen hier nicht äußern würde. Für alle anderen Fragen in Sachen Asyl ist das BMI zuständig.

Plate: Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe. Ist die Frage, ob das BMI mitträgt, dass sie Schutz erhalten?

Zusatz: Ja.

Plate: Das wurde hier ja schon einmal vor, glaube ich, zwei Wochen erörtert, als Staatsminister Roth sich presseöffentlich in ähnlicher Weise, wie Sie es gerade beschrieben haben, geäußert hat. Herr Dimroth hatte dazu Ausführungen gemacht und gesagt: Natürlich ist es so, dass Asylanträge, die von türkischen Staatsangehörigen hier eingehen, ganz normal nach Recht und Gesetz geprüft und beschieden werden. Insofern ist die pauschale Frage "Trägt das BMI das mit oder nicht?" ein bisschen schwierig zu beantworten. Es ist eine Rechtsfrage im Einzelfall und auch eine Sachverhaltsfrage. Es kommt auf den konkreten Vortrag, auf ein mögliches Verfolgungsschicksal oder nicht an. Dann kommt dabei eine Entscheidung heraus, die Recht und Gesetz auf Basis des jeweiligen Sachverhalts vorsehen.

Vorsitzender Mayntz: Dann können wir wechseln und einen Blick auf die Termine der Bundeskanzlerin in der nächsten Woche werfen.

SRS'in Demmer: Am Montag wird die Bundeskanzlerin in der Zeit von 11.30 Uhr bis 12 Uhr am Festakt anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Bundesnachrichtendienstes im Umspannwerk Kreuzberg teilnehmen und dort eine Rede halten.

Die Bundeskanzlerin wird am Montag um 14 Uhr den Ministerpräsidenten der Republik Albanien, Edi Rama, im Bundeskanzleramt empfangen. Im Mittelpunkt eines gemeinsamen Gesprächs werden die bilateralen Beziehungen, regionale Fragen sowie der Stand der EU-Annäherung Albaniens stehen.

Bei Ankunft von Ministerpräsident Rama im Bundeskanzleramt sind kurze Pressestatements geplant.

Am Dienstag, dem 29. November, empfängt die Bundeskanzlerin um 12 Uhr den maltesischen Premierminister Joseph Muscat im Bundeskanzleramt. Wie Sie wissen, wird Malta im ersten Halbjahr 2017 erstmalig die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Bei einem Arbeitsmittagessen werden die Bundeskanzlerin und der maltesische Premierminister daher in erster Linie europapolitische Fragen erörtern. Daneben werden aber natürlich auch bilaterale und internationale Themen besprochen werden.

Nach dem Gespräch ist übrigens um 13 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Am Abend nimmt die Bundeskanzlerin am Festakt anlässlich des 200. Geburtstages von Werner von Siemens bei Siemens in Berlin teil. Gegen 20 Uhr wird die Kanzlerin dort eine Rede halten, in der sie die Verdienste von Werner von Siemens würdigen wird.

Am Mittwoch tagt wie üblich um 9.30 Uhr das Kabinett unter der Leitung der Bundeskanzlerin.

Ebenfalls am Mittwoch empfängt die Bundeskanzlerin im Bundeskanzleramt Weltbankpräsident Jim Yong Kim. Dabei stehen die jüngeren Entwicklungen in der Weltbank und akute globale Fragen im Vordergrund. Dazu gehören die Umsetzung der globalen Entwicklungsziele, Klimaschutz und Gesundheit und insbesondere die Schwerpunkte der deutschen G20-Präsidentschaft.

Frage : Ich habe eine Frage an Frau Chebli, und zwar zu der Abschlusserklärung der Gruppe der Gleichgesinnten, in der es um das Thema Rüstungskontrolle geht. Ich habe mir diese Erklärung durchgelesen. Ich würde Sie gerne fragen, Frau Chebli, was am Ende nach Ansicht des deutschen Außenministers nach diesem, wie es heißt, strukturierten Dialog in Bezug auf die Rüstungskontrolle herauskommen soll.

Chebli: Der Minister hat sich gestern dazu geäußert und hat gesagt, dass Europas Sicherheit in Gefahr ist, und zwar mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und dem ungelösten Konflikt in der Ostukraine. Auch die Frage von Krieg und Frieden ist auf unseren Kontinent zurückgekehrt. Dabei ist viel Vertrauen zerstört worden, und eine neue Rüstungsspirale droht.

Letztendlich hat der Minister in den letzten Jahren mehrfach gesagt: Sicherheit können wir auf Dauer nicht gegeneinander organisieren. Gerade jetzt, wo Misstrauen herrscht und wir ständig von irgendwelchen Bedrohungsszenarien hören, wo die Eskalationsspirale immer weitere Schlaufen dreht, brauchen wir Sicherheitsinitiativen. So schwer das Verhältnis zu Russland sein mag - wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Dialog. Deshalb wirbt er mit vielen anderen europäischen Außenministern - Sie haben auf die Erklärung hingewiesen - für einen Neustart der Rüstungskontrolle als bewährtes Mittel für Transparenz, Risikovermeidung und Vertrauensbildung und ruft alle Staaten auf, die Verantwortung für die Sicherheit Europas zu tragen, diese Initiative zu unterstützen und sich dem Dialog zur Rüstungskontrolle anzuschließen.

Es gibt verschiedene Initiativen im Bereich Rüstung. Wir haben in der Vergangenheit von russischer Seite gesehen, dass einige Initiativen einseitig abgebrochen wurden. Dazu sagen wir: Das ist genau der falsche Weg. Das ist ein offener Prozess. In Bezug auf die Frage, die Sie gestellt haben, kann ich Ihnen nicht sagen, wo das Ende sein wird, weil das ein offener Prozess ist. Es wird in vielen Gesprächen, die jetzt geführt werden, genau darum gehen, zu schauen, wie wir es in einer Zeit, in der gerade im Bereich Rüstungskontrolle Vertrauen verloren gegangen ist, schaffen können, Initiativen zu schaffen, die wieder mehr Vertrauen generieren können. Das ist ein offener Prozess, dessen Ende ich heute nicht mit einem ganz konkreten Ergebnis wiedergeben kann.

Der Minister hat, glaube ich, im August in der "F.A.Z." einige Punkte genannt; ich kann Ihnen gerne das Dossier zur Verfügung stellen. Es gibt einige Bereiche, bei denen wir uns vorstellen können, dass man intensiver zueinander kommen kann. Das ist vor allem die Frage der Transparenz.

Wir sind froh, dass sich im Rahmen der OSZE einige Staaten dieser Freundesgruppe der Initiative von Herrn Steinmeier angeschlossen haben und es diese Erklärung gibt. Wir werden weiter mit Nachdruck dafür werben, dass sich auch andere Staaten dieser Initiative anschließen. Wir denken, dass es gerade jetzt Zeit ist, eine solche Sicherheitsinitiative zu starten, um letztendlich Risiken, die es geben kann, wenn Vertrauen verloren gegangen ist, zu minimieren.

Zusatzfrage : Die Bewertung des Herrn Außenministers finde ich in dieser Schlusserklärung wieder. Dort wird die Verantwortung für das mögliche Wettrüsten eindeutig bei Russland gesehen.

Die Frage: Wären die Außenminister seitens des Westens bereit, sozusagen auf die Bremse zu treten und zum Beispiel die Beschlüsse des Warschauer Nato-Gipfels oder die Frage des Raketenschutzschildes für Europa infrage zu stellen?

Chebli: Die Beschlüsse des Warschauer Gipfels bestehen und werden bestehen bleiben. Sie haben nichts mit dieser Rüstungskontrollinitiative, die der Minister vorschlägt, zu tun. Die Bundesregierung, Deutschland bekennt sich zu den Beschlüssen und ist auch engagiert. Wenn man sich die Grundphilosophie der Nato-Russland-Akte anschaut, dann enthält sie die Prinzipien "Deterrence and Détente". Wir brauchen beides. Wir haben das Gefühl, dass der Fokus vielleicht zu sehr auf Abschreckung gesetzt wurde. Wir müssen noch mehr tun, um wieder Vertrauen zu schaffen. Diese Rüstungskontrollinitiative könnte ein Beitrag dazu sein.

Letztlich ist es sehr wichtig, dass wir sagen: Es ist auch kein Geschenk an Russland, sondern es ist in unserem ureigenen Interesse, Initiativen zu schaffen, die helfen, unsere Sicherheit und den Frieden in Europa aufrechtzuerhalten. Es wäre ein Kurzschluss, zu denken, dass der Minister diese Initiative startet, weil er der Meinung ist, man müsste den Russen aufgrund der Tatsache, dass wir Schritte auf dem Warschauer Gipfel gegangen sind, etwas entgegensetzen. Nein, sondern es geht um unser ureigenes Interesse. Es ist kein Geschenk an Russland, sondern es ist etwas, das für die Sicherheit in Europa wichtig ist.

Frage: Frau Demmer, ich habe eine Frage zum deutsch-chinesischen Fußballabkommen. Welchen Nutzen erhofft sich die Bundesregierung davon für Deutschland?

SRS'in Demmer: Sie sprechen den Besuch der chinesischen Vizepremierministerin an. Es ist eine Grundlagenvereinbarung zu diesem Thema abgeschlossen worden, nämlich ein Abkommen des Deutschen Fußballbundes und der Deutschen Fußball Liga GmbH mit dem chinesischen Bildungsministerium und dem chinesischen Fußballverband. Ziel der Vereinbarung ist es, die Entwicklung des Fußballsports in China zu fördern. Dabei sollen die Ausbildung von Spielern, Trainern und Schiedsrichtern sowie der Wissensaustausch im Bereich der Ligaorganisation gefördert werden.

Wir messen der Integrationskraft von Fußball einfach eine hohe Bedeutung bei. Vielleicht können Sie sich erinnern: Die Bundeskanzlerin hat bereits im Juni dieses Jahres bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Peking einen Vorschlag zu genau dieser Kooperation gemacht.

Frage: Ich habe an das Finanzministerium eine ganz kurze Nachfrage zur Rente, weil es da heute Morgen ein paar Dissonanzen oder Missverständnisse gab: Wird die Ost-West-Rentenangleichung über Steuern oder über Beiträge finanziert werden?

Weißgerber: Zuerst einmal: Ja, wie Sie wissen, hat es gestern Abend in dem Koalitionsgespräch eben eine grundlegende Verständigung gegeben. Darüber ist schon informiert worden, auch von Frau Nahles. Unser Verständnis ist, dass die Finanzierung aus dem System der Rentenversicherung erfolgen wird. Entsprechend hat sich ja auch der Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Herr Kauder, heute früh geäußert, und dieses Verständnis ist auch bei uns so.

Daldrup: Ich habe dem, was die Ministerin hier vor einer Stunde dazu gesagt hat, eigentlich nichts hinzuzufügen. Es gab eine aus ihrer Sicht klare Vereinbarung darüber, dass das steuermittelfinanziert wird. Das wird sich jetzt aufklären müssen.

Zusatzfrage: Dann würde ich die Frage an Frau Demmer weiterreichen: Worin liegt dann der Kompromiss, der gestern erzielt wurde?

SRS'in Demmer: Grundsätzlich war das gestern eine gute Einigung, weil es gleich in drei Punkten Einigungen gegeben hat. Das betrifft ja nicht nur die Ost-West-Rente, sondern auch, dass es eine Verbesserung für die Menschen geben wird, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können und eine Erwerbsminderungsrente benötigen. Ihnen wird durch eine schrittweise Verlängerung der Zurechnungszeit bis zum Alter von 65 Jahren noch einmal spürbar geholfen. Eine Verbesserung wird schrittweise in den Jahren 2018 bis 2024 erfolgen. Auch der bereits in der Ressortabstimmung befindliche Gesetzentwurf zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung wird nun zügig in das Parlament eingebracht.

Grundsätzlich hat man sich bei der Ost-West-Rente eben auf die Umsetzung in Schritten geeinigt. Der Punkt, den Sie angesprochen haben, wird noch geklärt.

Zusatzfrage: Darf ich noch einmal nachfragen, wie der geklärt wird? Ist jetzt also ein neues Gespräch zwischen den Häusern oder eine neue Sitzung des Koalitionsausschusses geplant?

SRS'in Demmer: Ich würde wieder sagen: Man ist im Gespräch.

Frage: Ich will die Verwirrung nicht noch größer machen, aber die Pressestelle der Unionsfraktion hat auf Nachfrage der ARD gerade gesagt, das sei ein Irrtum von Herrn Kauder gewesen, und das werde selbstverständlich aus Steuermitteln bezahlt. Jetzt würde ich doch gerne noch einmal hören, ob das gestern geklärt oder im Dissens vertagt worden ist.

Daldrup: Ich kann wiederum auf die Ministerin verweisen. Die hat sich ja sehr ausdrücklich und eindeutig dazu geäußert.

Zusatz: Dann wiederholen Sie es bitte noch einmal.

Daldrup: Man hat die Finanzierung aus Steuermitteln vereinbart und sich darauf geeinigt.

Zusatzfrage: Dann hätte ich es jetzt gerne einmal vom Finanzministerium: Hat man sich geeinigt? Hat man sich nicht geeinigt?

Weißgerber: Ich kann Ihnen nur sagen: Wir gehen davon aus, dass die Finanzierung aus dem System der Rentenversicherung erfolgt.

Zusatzfrage: Gehen Sie davon aus, oder ist das gestern beschlossen worden?

Weißgerber: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Gehen Sie davon aus, oder ist das beschlossen worden? Wir haben die Auskunft bekommen, das sei beschlossen worden.

SRS'in Demmer: Ich würde jetzt einfach einmal sagen: Die Bundesregierung arbeitet kooperativ zusammen. Missverständnisse werden ausgeräumt.

Zusatzfrage: Wir reden von 3,6 Milliarden Euro als Missverständnis, nicht?

SRS'in Demmer: Okay, das Wort "Missverständnisse" - - - Die Umsetzung wird geklärt.

Frage: Am Mittwoch hat die Bundeskanzlerin vor dem Einfluss von Social Bots und Fake-News gewarnt und gesagt, man müsste das eventuell regeln. Frage an das Justizministerium: Gibt es dafür juristische Möglichkeiten?

Frau Demmer, welche Ideen für mögliche Regelungen stecken denn dahinter?

Steffen: Bisher gibt es hinsichtlich der Social Bots keine Regelung. Aber wir nehmen das Thema sehr ernst beziehungsweise Herr Maas hat es ja auch schon häufiger thematisiert. Bisher gibt es dazu keinen Gesetzentwurf.

Plate: Ich möchte das ergänzen, weil ja hier in diesem Raum bei der Vorstellung der Cyber-Sicherheitsstrategie auch der Bundesinnenminister relativ ausführlich dazu vorgetragen hat. Darauf möchte ich im Wesentlichen verweisen.

Natürlich ist es so, dass auch jenseits dessen, was er dabei vorgetragen hat, die Überlegungen dazu, wie man sich dieses Themas sinnvoll annehmen kann, bei uns im Hause weitergehen. Aber das ist sozusagen nicht ganz unkompliziert, sowohl technisch als auch rechtlich. Ich kann jetzt noch nicht von fertigen Entwürfen, Überlegungen oder Musterkonzepten darüber berichten, wie man das mit einer einzigen Handlung in den Griff bekommt. Das wäre aber, ehrlich gesagt, bei einem solch komplexen Thema auch unseriös. Das dauert seine Zeit. Man muss das sehr sorgfältig betrachten, technisch und rechtlich, und das wird bei uns auch getan.

SRS'in Demmer: Für uns ist die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Die gilt nicht schrankenlos, auch nicht in sozialen Netzwerken. Deswegen hat die Kanzlerin ja gestern auch auf Folgendes hingewiesen: Wenn durch Äußerungen in sozialen Netzen die Rechte anderer verletzt werden, Falschmeldungen verbreitet werden, gegen andere gehetzt wird oder zu Gewalt aufgerufen wird und Menschen verleumdet werden, dann sind Justiz, Unternehmen und Zivilgesellschaft zum Handeln aufgerufen. Insbesondere gilt: Wer online Grenzen der Strafbarkeit überschreitet, wird genauso verfolgt und zur Rechenschaft gezogen wie in der analogen Welt.

Wegen der zunehmenden Verbreitung von strafbaren Hassbotschaften und radikalen Tendenzen über das Internet hat das Bundesjustizministerium ja einen Arbeitskreis gegründet, die Taskforce zum Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet. Die Taskforce setzt sich mit beteiligten Internetdienstanbietern zusammen, und die Unternehmen haben insbesondere zugesagt, die ihnen gemeldeten und nach deutschem Recht strafbaren Beiträge unverzüglich - in der Mehrzahl innerhalb von 24 Stunden - zu löschen. Eine erste Zwischenbilanz hat ergeben: Strafbare Inhalte werden häufiger gelöscht, und es wird jetzt auch schneller als im Frühjahr gelöscht. Nach zahlreichen Gesprächen mit Unternehmen können wir sagen: Das hat sich gelohnt. Die Lage ist besser geworden. Trotzdem gibt es natürlich weiterhin Handlungsbedarf.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Wirtschaftsministerium wegen des Streiks bei der Lufthansa. Es gibt ja Forderungen nach einer Zwangsschlichtung. Würde sich das Wirtschaftsministerium dieser Forderung anschließen?

Audretsch: Nein, ich habe das im Moment aus Sicht des
Bundeswirtschaftsministeriums nicht zu kommentieren.

Zusatzfrage: Können Sie einmal sagen, warum? Nehmen Sie prinzipiell nicht zu einem Tarifstreit Stellung? Das Wirtschaftsministerium hat sich ja auch in andere Tarifkonflikte eingemischt.

Audretsch: Die Tarifautonomie gilt, und deswegen ist es jetzt den Tarifpartnern überlassen, da eine Lösung zu finden.

Frage: Frau Steffen, wann sind die Gesetzentwürfe zum Thema "Verbot von Kinderehen" und "Entschädigung verurteilter Homosexueller nach Paragraf 175" zu erwarten?

Steffen: (Der Gesetzentwurf in Bezug auf) Paragraf 175 befindet sich jetzt sozusagen im Prozess der Abstimmung mit den Ressorts, und den Gesetzentwurf bezüglich Kinderehen haben wir noch für diesen Monat zugesagt.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Jetzt geht es um Atomenergie. Die Schweiz wird ja am Sonntag ein Referendum abhalten, bei dem es darum geht, alte Atomkraftwerke abzuschalten. Können Sie einmal sagen, ob Sie irgendwelche Auswirkungen für den deutschen Strommarkt oder auch den deutschen Stromkunden erwarten?

Audretsch: Zunächst einmal gilt, dass jedes Land den Strom-Mix eigenständig bestimmt. Wir haben in Deutschland beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen. In anderen Ländern muss das in den jeweiligen Ländern entsprechend auch selbst und ohne unsere konkrete Kommentierung entschieden werden.

Für uns ist klar, dass die Stromversorgung in Deutschland durch die Entscheidung in der Schweiz weder gefährdet ist noch in irgendeiner anderen Form beeinträchtigt wird.

Zusatzfrage: Könnte es vielleicht sein, dass auf den deutschen Verbraucher höhere Preise zukommen, wenn der Strom aus der Schweiz dann zum Beispiel nicht mehr in dem Maße zur Verfügung steht, wie es derzeit der Fall ist?

Audretsch: Ich kann jetzt nicht über in der Zukunft liegende Szenarien spekulieren, wie Sie sie da aufmachen. Aber wir gehen davon aus, dass das keinen Einfluss auf die Stromversorgung in Deutschland haben wird, was auch immer in der Schweiz entschieden werden wird.

Freitag, 25. November 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 25. November 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/11/2016-11-25-regpk.html;jsessionid=D2FB132273DAE46A705308BB8C3DB3A3.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2016

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