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PRESSEKONFERENZ/1395: Kanzlerin Merkel und der französische Premierminister Cazeneuve, 13.02.2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Montag, 13. Februar 2017
Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Premierminister Bernard Cazeneuve

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute der neue französische Premierminister Bernard Cazeneuve bei uns bzw. bei mir zu Gast ist. Ich habe natürlich schon sehr viel von ihm gehört, weil er ein enger und vertrauter Partner unseres Innenministers Thomas de Maizière ist die beiden haben sehr eng und viel zusammengearbeitet.

Natürlich werden auch die Themen Innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung in unserem heutigen Gespräch eine Rolle spielen, weil sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch Frankreich terroristischen Gefahren entgegenstehen und wir diese Gefahren nur durch engste Zusammenarbeit wirklich bannen können. Deshalb freue ich mich, dass wir diese Gespräche hier heute führen können.

Wir werden natürlich insgesamt über die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sprechen. Wir werden uns über die Wirtschaftspolitik austauschen. Deutschland und Frankreich sind durch engste Handelsbeziehungen miteinander verflochten, und Europa kann nur dann stark sein, wenn beide Länder wirtschaftlich prosperieren. Insofern werden wir natürlich auch die Einordnung des deutsch-französischen Verhältnisses in den europäischen Kontext sehen.

Wir werden über die Flüchtlings- und Migrationspolitik sprechen, wir werden sicherlich über die Situation in der Europäischen Union sprechen auch mit Blick auf die Vorbereitung des 60. Jahrestags der Römischen Verträge und wir werden sicherlich auch über die transatlantischen Beziehungen sprechen. Sie sehen also: Es ist ein breites Themenfeld, über das wir uns austauschen.

Ich möchte für diesen Besuch noch einmal danken, weil er ausdrückt, dass wir auf allen Ebenen eng zusammenarbeiten und uns auch so verstehen das zeigt ja auch meine Beziehung zum französischen Präsidenten François Hollande , dass wir Motor der europäischen Bemühungen sein wollen. Gerade in seiner Eigenschaft als Innenminister hatte der Premierminister ja eine Vielzahl von Aktivitäten auch mit dem deutschen Innenminister angestoßen, die letztendlich zu europäischen Lösungen geführt haben. Ich glaube, wir hätten noch keine europäische Grenzpolizei und vieles andere mehr, wenn es nicht diese deutsch-französische Zusammenarbeit gäbe. So wollen wir das auch in den anderen Gebieten Wirtschaft, Arbeit und natürlich auch Verteidigung besprechen.

PM Cazeneuve: Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren, es war für mich natürlich ganz wichtig, nur wenige Wochen nach meiner Ernennung zum Premierminister meinen ersten bilateralen Besuch innerhalb Europas in Deutschland abzustatten. Ich danke Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, herzlich für Ihre heutige Einladung.

Die deutsch-französische Achse ist nicht nur das Ergebnis der Geschichte; vielmehr gibt es diese deutsch-französische Achse gerade auch jetzt, in diesen unruhigen Zeiten, in denen die Populisten sowohl in Europa als auch anderswo in der Welt immer lauter werden, als echte und täglich gelebte Realität. Mir sind die Kraft und die Dimension dieser Achse in meinen früheren Funktionen als Beigeordneter, als Europaminister und später als Innenminister immer sehr wohl bewusst gewesen. Ich weiß, dass der französische Staatspräsident mit Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, seit nunmehr fünf Jahren einen engen, vertrauensvollen und konstruktiven Dialog führt, der dazu beigetragen hat, im Rahmen der Europäischen Union viele wichtige Themen voranzubringen.

Frau Bundeskanzlerin, mit meinem heutigen Besuch hier in Berlin, der auf ihre Einladung hin stattfindet, möchte ich einmal mehr bekräftigen, wie sehr sowohl ich persönlich als auch die französische Regierung insgesamt für die Aufrechterhaltung dieses Dialogs, der für Europa ja so wichtig ist, engagiert ist. Diese starke Solidarität zwischen Paris und Berlin ist jetzt, zu einem Zeitpunkt, zu dem einige Angst machen vor einem Auseinanderfallen Europas und zu dem wir gemeinsam vor globalen Herausforderungen von nie gekanntem Ausmaß stehen, mehr denn je notwendig.

Ich denke vor allem an die Sicherheitslage, die Ergebnis der Terrorismusbedrohungen für unsere Länder ist, an die Herausforderungen im Bereich der Migration sowie auch an die Herausforderungen im Bereich der Umwelt. Unsere gemeinsame Verantwortung ist es vor allem, denjenigen, die Zweifel am Mehrwert Europas haben, ganz konkrete Antworten auf die Frage zu geben, was wir gemeinsam erreichen können denn gemeinsam sind wir stärker , um auf die Sorgen und Nöte unserer Bürger zu reagieren. In diesem Sinne werde ich in einigen Minuten mit Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, viele wichtige Themen ansprechen, bei denen wir wie auch in der Vergangenheit gemeinsame Antworten suchen werden.

Unsere Priorität ist es zunächst, in einem Kontext einer hohen terroristischen Bedrohung ein hohes Maß an Sicherheit für die europäischen Bürger zu gewährleisten. Unsere beiden Länder haben in den letzten Jahren Prüfungen durchlebt, schwere Attentate erleben müssen, und im Namen aller Franzosen möchte ich Ihnen und den Familien der Angehörigen des Attentats in Berlin am 19. Dezember unsere Unterstützung und unsere Freundschaft aussprechen. Ich möchte mich erneut ganz herzlich bei den deutschen Behörden und auch bei Ihnen persönlich, Frau Bundeskanzlerin, für die große Solidarität bedanken, die Sie an den Tag gelegt haben, als unser Land vom Terrorismus heimgesucht worden ist. Auch gemeinsam mit dem Staatspräsidenten haben wir oft darüber gesprochen, wie wichtig Ihre Anwesenheit bei dem großen Marsch in Paris war, bei dem wir gemeinsam unsere Verbundenheit, unser Bekenntnis zu den Grundwerten der Demokratie und unsere Entschlossenheit, gemeinsam gegen den Terrorismus zu kämpfen, bekräftigt haben.

Sie wissen, wie unermüdlich ich mich als Innenminister gemeinsam mit Thomas de Maizière dafür eingesetzt habe, dass sich die Europäische Union hier mobilisiert. Wir haben dabei wirklich sehr eng und freundschaftlich zusammengearbeitet. Viele Dossiers konnten dank der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit vorangebracht werden, sei es bei der Kontrolle der Außengrenzen im Rahmen von Frontex und beim Wunsch der Vernetzung der verschiedenen Datenbanken innerhalb Europas, sei es bei der Einsetzung der Richtlinie zu Schusswaffen. Wir haben also bei vielerlei Themen gemeinsam Fortschritte erreicht aufgrund unseres Willens, Europa als Ganzes voranzubringen.

Diese gemeinsame Initiative, Frau Bundeskanzlerin, wollen wir auch weiter fortsetzen, um die Europäische Sicherheitsagenda voranzubringen. Wir müssen die verschiedenen Themen, die hierbei noch offen sind, rasch zum Abschluss bringen. Ich denke hierbei an die stärkere Kontrolle der Außengrenzen der Europäischen Union. Aber die Sicherheit betrifft nicht nur Europa. Wir müssen hierbei strategisch denken. Alle müssen ihren Teil der Anstrengungen übernehmen und schultern. Die Europäer müssen gemeinsam handeln.

Unsere gemeinsame Pflicht ist es auch, uns für die Stabilität der Eurozone einzusetzen, um für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen. Der offene Dialog zwischen Deutschland und Frankreich hat in den letzten Jahren viel dazu beigetragen, die Dinge in Europa voranzubringen. Gemeinsam haben wir mit Präsident Juncker die Schaffung eines Investitionsplans mit über 300 Milliarden Euro erreicht. Wir werden uns auch gemeinsam für die Umsetzung der Regeln, die wir uns gemeinsamen gegeben haben, einsetzen. Frankreich hat sich für die intelligente Umsetzung dieser Regeln ausgesprochen.

Aber wir haben auch die notwendigen Anstrengungen unternommen, um diese Regeln der Haushaltsstabilität zu erreichen. Unser Haushalt ist mit einem Defizit von unter 3 Prozent stabilisiert worden. Es ist unerlässlich für ein Land, dass die öffentlichen Finanzen in Ordnung sind. Das ist auch ein Zeichen der Glaubwürdigkeit gegenüber unseren Partnern.

Das europäische Projekt zu unterstützen, das heißt, unsere Werte zu vertreten ich denke dabei natürlich an den Rechtsstaat, die Demokratie , ist natürlich auch Ihr Engagement, Frau Bundeskanzlerin. Das müssen wir auch gegenüber unseren Partnern darstellen.

Ich denke, auch die Werte der Humanität haben Europa dazu geführt, dass wir einen Massenstrom von Flüchtlingen haben, in dem wir in Würde die aufgenommen haben, die aufgenommen werden mussten. Frankreich steht an Ihrer Seite, um die Botschaft weiterzutragen, die Sie mit Entschlossenheit und Mut vorgetragen haben. In Frankreich sorgen wir für die würdige Aufnahme von Zehntausenden von Flüchtlingen, die zu uns gekommen sind und in improvisierten Lagern lebten. Ich erinnere an das Lager in Calais.

Es geht hierbei wirklich auch um Verantwortungsbewusstsein und um ein Gespür für Realität. Die deutsch-französische Achse ist eine Realität und eine Chance für die Europäische Union. Das zeigt sich konkret in der Tatsache, dass unsere Länder mit einer Stimme sprechen und eine gemeinsame Position bei der Reform des europäischen Asylsystems vertreten.

Bei den großen regionalen und internationalen Fragen sprechen Paris und Berlin ebenfalls mit einer Stimme, sei es bei der Terrorismusbekämpfung auf internationaler Ebene, auch was die Situation in Syrien angeht, im Dialog mit den USA, auch was den Iran oder die Situation in der Ukraine angeht, die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens oder die Rolle der NATO. Unsere beiden Länder teilen die gleichen Prioritäten und die gleichen Sorgen.

Unsere gemeinsamen Werte, Frau Bundeskanzlerin, das sind auch Kunst, Kultur, Sprache. Ich werde heute Abend Gelegenheit haben, unsere gemeinsame Vision der zentralen Rolle der Kultur zu würdigen. Wir können uns wirklich über die reiche Zusammenarbeit im Bereich der Kultur freuen. Die Berlinale ist zum Beispiel eine Gelegenheit, das festzustellen. Viele deutsch- französische Filme sind hier vorgestellt worden. Zwei haben Unterstützung von Deutschland und Frankreich bekommen. Das ist eine Zusammenarbeit unserer beiden Länder.

Die Buchmesse in Frankfurt ist ein weiteres Beispiel. Frankreich ist dieses Jahr Gastland, wovon wir uns besonders geehrt fühlen. Mit "Frankfurt auf Französisch" werden wir im Laufe des Jahres 2017 einen Raum für Austausch und Dialog über Themen schaffen, die uns beiden wichtig sind: Jugend, Gastfreundschaft, Innovation und natürlich der deutsch-französische Kulturaustausch. Bei all diesen Themen wie auch bei vielen anderen sind wir, Frau Bundeskanzlerin, gemeinsam engagiert, mit dem gleichen starken Bekenntnis zu Europa und im Bewusstsein des besonderen historischen Augenblicks, den wir erleben.

Vielen Dank.

Montag, 13. Februar 2017

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Quelle:
Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen
Premierminister Bernard Cazeneuve, 13. Februar 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/02/2017-02-13-merkel-cazeneuve.html;jsessionid=A347AD298371BA3987B957ED294904EA.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2017

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