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PRESSEKONFERENZ/1540: Regierungspressekonferenz vom 27. September 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz - Mittwoch, 27. September 2017
Regierungspressekonferenz vom 27. September 2017

Themen: Aufhebung des Fahrverbots für Frauen in Saudi-Arabien, EU-Digitalgipfel in Tallinn, europapolitische Reformvorschläge des französischen Staatspräsidenten, Kabinettssitzung (vierter Bodenschutzbericht der Bundesregierung), geplante Fusion von Siemens und Alstom, Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes, Vorschläge der EU-Kommission zum Flüchtlingszuzug und zur maximalen Dauer von Grenzkontrollen im Schengen-Raum, Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien, Äußerungen von Alexander Gauland zu Israel, Unabhängigkeitsreferendum der Kurden im Nordirak, Bundestagswahl, Minijobs von Kanzleramtsmitarbeitern im CDU-Wahlkampf

Sprecher: StS Seibert, Breul (AA), Kolberg (BMF), Alemany (BMWi), Plate (BMI), Flosdorff (BMVg)


Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag erst einmal auch von mir! Wir beginnen mit etwas Erfreulichem. Die Bundesregierung begrüßt die Entscheidung des Königreichs Saudi-Arabien, das Autofahrverbot für Frauen ab Juni 2018 aufzuheben und Frauen zu erlauben, einen Führerschein zu erwerben. Das ist ein großer Schritt für die saudische Gesellschaft, der sich in mehrere wichtige Initiativen zur wirtschaftlichen, aber auch zur gesellschaftlichen Modernisierung des Landes einreiht. Die Bundeskanzlerin hat immer wieder, auch bei ihrem letzten Besuch in Saudi-Arabien im April dieses Jahres, die Lage der Frau dort besonders thematisiert. Das ist ein besonders wichtiges Thema. Insofern begrüßen wir diesen wichtigen Schritt. Wir unterstützen den Reformkurs Saudi-Arabiens. Wir ermutigen Saudi-Arabien, diese Reformen fortzusetzen und auch die Bürgerrechte in Saudi-Arabien zu stärken.

Das Nächste ist die Ergänzung einer Terminankündigung, die Sie von mir schon gehört hatten. Das betrifft den EU-Digitalgipfel in Tallinn an diesem Freitag. Dass die Bundeskanzlerin daran teilnimmt, habe ich Ihnen schon gesagt. Sie wird nun schon am Donnerstag, also morgen, nach Tallinn reisen, um an einem informellen Abendessen der Staats- und Regierungschefs der EU teilzunehmen, das auf Einladung des estnischen Ministerpräsidenten Ratas zustande kommt und unter Vorsitz von Donald Tusk, dem Präsidenten des Europäischen Rats, stattfindet. Bei diesem Abendessen wird es um aktuelle europäische, europapolitische Fragen gehen, ohne dass da eine Tagesordnung vorgegeben wäre.

Ergänzend zu dem am Freitag stattfindenden Digitalgipfel möchte ich Ihnen sagen, dass die Staats- und Regierungschefs von Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich für diesen Gipfel einen gemeinsamen Beitrag vorgelegt haben, in dem sie Prioritäten der Digitalen Agenda Europas auflisten. Ich will nur kurz nennen: die Schaffung einer Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur, transparente und vorhersehbare Datenschutzregeln, die Stärkung von E-Government, eine kohärente EU-Cybersicherheitspolitik, mehr Transparenz bei digitalen Plattformen und eine faire Besteuerung der Digitalwirtschaft. Entscheidend ist, dass die Digitalisierung auch in Europa als eine horizontale Aufgabe aufgefasst wird. Dieses Papier schlägt eine dreiteilige Strategie vor. Das ist sozusagen unser Diskussionsbeitrag gemeinsam mit Frankreich, Italien und Spanien zu diesem am Freitag stattfindenden Digitalgipfel.

Ich mache mit den überschaubaren Themen des Bundeskabinetts weiter. Alle vier Jahre, einmal pro Legislaturperiode, wird dem Kabinett ein Bodenschutzbericht vorgelegt. Das Kabinett hat den vierten Bodenschutzbericht heute beschlossen. Ich will dies ganz kurz machen. Trotzdem ist das ein immens wichtiges Thema.

Böden übernehmen wichtige Aufgaben im Naturhaushalt für die Versorgung und für die Ernährung von Menschen. 90 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion sind direkt vom Boden abhängig. Der Boden spielt bei der Wassernutzung eine zentrale Rolle. Drei Viertel des Trinkwassers in Deutschland kommen aus dem Grundwasser. Auch angesichts einer stetig wachsenden Weltbevölkerung erhöht sich der Druck auf die Ressource Boden. Bodenschutz wird daher immer wichtiger als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die auch ein Bewusstsein in der gesamten Gesellschaft hergestellt sein muss. Ein nachhaltiger Umgang mit dieser natürlichen Ressource wird immer wichtiger. Dies alles ist in vielen Details in dem sehr interessanten vierten Bodenschutzbericht nachzulesen, den die Bundesregierung heute beschlossen hat.

Das war es.

Frage : Ich würde gerne wissen: Wie lange dauerte heute eigentlich die Kabinettssitzung? Wir haben ja vor Kurzem einmal die Spanne von zehn Minuten bis zu einer Stunde und 33 Minuten genannt bekommen. War das heute nur einer kurzer Aufwasch, eine Viertelstunde? Vor allem interessiert mich da natürlich auch noch: Gibt es irgendwelche Änderungen in den Zuständigkeiten der Ministerien? - Das nur zum Thema Kabinett.

Mich würde ansonsten noch interessieren: Was will denn die Kanzlerin morgen Abend bei dem informellen Gespräch in Tallinn Herrn Macron sagen, der ja sicherlich eine Reaktion auf seine umfassende europapolitische Rede erwartet?

StS Seibert: Ich weiß nicht, womit ich jetzt anfangen soll. Fangen wir einmal mit der Länge der Kabinettssitzung an, die ich nicht gestoppt habe, aber die heute vielleicht bei 20, 25 Minuten lag. Sie sehen ja: Wir hatten eine überschaubare Tagesordnung.

Ich kann Ihnen im Übrigen sagen, dass in der kommenden Woche keine Kabinettssitzung stattfindet und dass Kabinettssitzungen, wenn sinnvoll und notwendig, in den nächsten Wochen einberufen werden; nächsten Mittwoch jedenfalls nicht.

Jetzt zu der Frage zu der Rede des französischen Präsidenten. Ich will vielleicht einmal grundsätzlich ein paar Sätze dazu sagen. Die Bundeskanzlerin begrüßt, dass der französische Präsident mit so viel Elan, mit so viel europäischer Leidenschaft gesprochen hat und dass er damit viel Stoff für die kommende und nötige Debatte über die Zukunft Europas vorgelegt hat. Diese Debatte wird noch einmal Fahrt aufnehmen. Die Bundeskanzlerin wird mit Freude, mit ihrer starken europäischen Grundüberzeugung und mit all ihrer Erfahrung zu dieser Debatte beitragen.

Die Bundeskanzlerin hat sich nach dem Einschnitt, den das britische Brexit-Referendum bedeutet hat, sehr im sogenannten Bratislava-Prozess engagiert. Die Europäer haben zum 60. Jahrestag der Verträge von Rom im März dieses Jahres wichtige Aussagen gefasst und sich wichtige Ziele gesetzt. Der französische Präsident bringt jetzt mit seiner Rede Frankreich mit Verve in diese grundlegende Debatte ein und wird sie sicherlich sehr befruchten. Den Grundbefund, den er an den Anfang seiner Rede stellte, nämlich dass an Europa immer weiter gearbeitet werden muss, weil es eben noch nicht so effektiv und noch nicht so schnell in der Reaktion auf die sich um uns herum verändernde Welt ist, wie wir uns das wünschen würden, teilen wir.

Präsident Macron präsentierte eine Vielzahl von Ideen und Vorschlägen in dieser Rede. Ich muss sagen: Für eine Bewertung im Einzelnen ist es zu früh. Der Präsident hat die großen Linien, die großen Themen vorgezeichnet. Es kommt wie immer auf die konkrete Ausgestaltung an.

Wir, wie sicherlich auch alle anderen europäischen Regierungen, werden uns nun die einzelnen Punkte sehr genau und mit offenem Geist anschauen. Dann wird über die praktische Ausformung dieser Vorschläge zu beraten sein. Wie ich gerade bereits angekündigt habe: Schon morgen Abend in Tallinn wird sich eine Gelegenheit ergeben, bei der diese Diskussion im Kreise der Staats- und Regierungschefs fortgeführt werden kann.

Frage : Herr Seibert, vorab zu Tallinn erst noch eine Klärungsfrage: Findet das Abendessen im Kreise der EU-27 oder der EU-28 statt? - Das wäre das eine.

Das andere ist: Im Zusammenhang mit dem Papier beziehungsweise den gemeinsamen Vorschlägen haben Sie gerade erwähnt, dass es im Datenschutzbereich Handlungsbedarf gebe. Da sind Sie kurz nach einer großen europäischen Datenschutzreform. Dazu würde ich gerne wissen: Sieht die Kanzlerin aktuell einen akuten Neuregelungsbedarf im Bereich des Datenschutzes auf europäischer Ebene?

StS Seibert: Nach unserem Dafürhalten muss ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der für alle Akteure der europäischen Digitalwirtschaft das gleiche Spielfeld, das berühmte "level playing field", herstellt. Da geht es um Besteuerung. Da gibt es die Initiative der vier Finanzminister. Da geht es um die Transparenz für digitale Plattformen. Zudem geht es eben um die Einigung auf den sogenannten Codex, also den Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste. Das ist uns wichtig und einer der Punkte, die hierin tatsächlich auch prioritär genannt werden.

Zusatzfrage : Und die Frage nach den EU-27 oder EU-28?

StS Seibert: Ich bin sicher, die Kollegen liefern mir das gleich nach.

Frage (zu der Europa-Rede des französischen Präsidenten): Herr Seibert, es ist natürlich schwierig, auf alle Vorschläge zu reagieren. Eine Idee betrifft die Methoden, wie man einen solchen Prozess der Erneuerung gestalten soll. Ist die Bundeskanzlerin dafür, dass man in den ersten Monaten 2018 einen sogenannten Konvent in jedem Mitgliedstaat aufstellt? Will die Bundesregierung einen Vertreter in eine solche Gruppe für eine europäische Neugründung schicken?

Eine zweite Frage: Sind das, was in Bratislava beschlossen wurde, im Endeffekt die Vorschläge der Bundeskanzlerin, und sollen sie so bleiben, oder will die Bundeskanzlerin demnächst deutsche Vorschläge vorstellen?

StS Seibert: Zunächst einmal: Bei dem letzten bilateralen Besuch der Bundeskanzlerin in Paris hatte sie mit dem französischen Präsidenten schon sehr intensiv über seine Gedanken, über seine Vorstellungen von einer großen europäischen Diskussion und von Bürgerbefragungen gesprochen. Insofern ist das jetzt nichts vollkommen Neues für uns.

Wir stehen seinen Ideen - ich erweitere das jetzt auf das gesamte Paket, das er vorgelegt hat - zunächst einmal offen gegenüber und wollen uns das genau anschauen. Sie werden mich jetzt trotzdem nicht dazu bringen, dass ich einzelne Vorschläge hier bewerte, weil ich das für zu früh halte und weil das im Übrigen natürlich auch eine Bewertung ist, die zwar von jeder Regierung für sich, aber vor allem doch auch im Kreise der anderen europäischen Partner vorgenommen werden muss.

Natürlich gilt das, was wir uns im Bratislava-Prozess vorgenommen haben. Natürlich gilt das, was wir in Rom gemeinsam beschlossen haben. Ich glaube auch nicht, dass man den französischen Präsidenten anders verstehen müsste, als dass dies gilt. Dennoch hat er noch sehr weitreichende Gedanken, auch weit in die Zukunft reichende Gedanken entwickelt, die, wie gesagt, diese Diskussion, die notwendig und sinnvoll ist, auf europäischer Ebene sicherlich befruchten werden. Schon morgen Abend in Tallinn gibt es dazu eine erste Gelegenheit.

Breul: Wenn ich darf, würde ich für das Auswärtige Amt und auch für den Außenminister noch ganz kurz etwas zu der Macron-Rede ergänzen. Der Außenminister hat ja schon gestern ein kurzes Statement dazu abgegeben.

Wir möchten noch einmal betonen, dass wir uns darüber freuen, dass Präsident Macron so ein deutliches proeuropäisches Signal sendet. Er gibt dadurch einen Impuls für ganz wichtige Baustellen, wie Herr Seibert es schon gesagt hat, die wir uns jetzt nach und nach werden vornehmen müssen. Die Rede hat sehr viele konkrete, sehr mutige Ideen enthalten, die man prüfen muss. Dieser wichtige Impuls ist aus unserer Sicht sehr zu begrüßen, insbesondere auch das Signal, das Herr Macron für die deutsch-französische Zusammenarbeit aussendet.

StS Seibert: Ich kann inzwischen nachreichen - dann haben wir es hinter uns -: Das Essen am Donnerstagabend ist im Kreise der EU-28.

Zusatzfrage: Herr Seibert und Herr Breul, sind Sie dafür, dass man einen neuen Élysée-Vertrag im Januar 2018 unterschreibt?

StS Seibert: Deutschland ist immer bereit, die sehr engen Beziehungen mit Frankreich noch weiter zu vertiefen und noch enger zu gestalten. Das 55-jährige Jubiläum des Élysée-Vertrags, das Anfang kommenden Jahres ansteht, ist eine gute Gelegenheit, Bewährtes zu stärken und auch über neue Ansätze nachzudenken.

Frage : Ich möchte gerne das Finanzministerium etwas fragen. Nun ist ja der Prozess der deutsch-französischen Zusammenarbeit in steuerlichen Fragen schon ein bisschen älter. Vor nicht allzu langer Zeit gab es Ankündigungen, dass man eine Angleichung im Bereich der Unternehmenssteuern diskutiert, also Dinge, die jetzt von Macron aufgenommen worden sind. Mich würde interessieren: Wie weit sind denn diese Vorarbeiten zwischen Deutschland und Frankreich gerade im unternehmenssteuerlichen Bereich schon gediehen? Sind sie möglicherweise abseits von Macron schon kurzfristig umsetzbar, zum Beispiel eine gemeinsame Unternehmenssteuer oder eine gemeinsame Unternehmenssteuergrundlage?

Kolberg: Herr Seibert hat gerade erläutert, dass wir da im Dialog stehen. Es gab ein Gespräch der Minister und auch der Chefs, bei dem unter anderem genau dieses Thema erörtert wurde. Dazu laufen jetzt auf Arbeitsebene die Gespräche. Ich kann hier noch keine Ergebnisse verkünden.

Frage : Daran anschließend: Herr Seibert, Sie sprachen von einer fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft, wenn ich mir das richtig aufgeschrieben habe. Können Sie das schon erläutern? Was ist fair? Das ist für ein kleines Unternehmen wahrscheinlich anders als für Google. Gibt es da schon etwas?

Gleich anschließend noch eine zweite Frage zu dem Deal zwischen Alstom und Siemens. Ist vorstellbar, dass das morgen Abend eine Rolle spielt? Denn das ist ja ein ziemlich großer Firmenzusammenschluss. - Danke.

StS Seibert: Ich schlage vor, dass sich zu der Frage der Besteuerung der digitalen Wirtschaft das Finanzministerium äußert, weil ja Finanzminister Schäuble mit seinen Amtskollegen zusammen den Vorschlag gemacht hatte.

Ich möchte gerne etwas zu der Kooperation zwischen Siemens und Alstom sagen. "Kooperation" ist das falsche Wort; die wollen ja ihre Zugsparten zusammenlegen. Dieser Zusammenschluss des Bahngeschäfts von Siemens und Alstom mit Siemens als maßgeblichem Eigentümer des neuen Unternehmens ist ein Kooperationsprojekt von europäischem und von globalem Rang. Wir sehen bei beiden Partnern ein hohes Innovationspotenzial. Wir sehen die Bahnindustrie am Standort Deutschland und in Europa als einen sehr wichtigen Wirtschaftszweig, als einen Motor der Innovation für die Mobilität von morgen. Vor dem Hintergrund, dass es auf diesem Sektor europäische und internationale Herausforderungen gibt, ist die Entscheidung der Unternehmen sicherlich besonders wichtig. Das ist eine Entscheidung der betroffenen Unternehmen. Ich denke, genau wie die französische Regierung, sieht die Bundesregierung in dieser Entscheidung ein klares Signal dafür, dass der Binnenmarkt auch in der Realität der Unternehmen zusammenwächst.

Ich könnte jetzt noch ausführlicher werden. Ich weiß nicht, ob Sie das wollen. Das wird ja nicht immer gewünscht, aber gerne.

Die französische Regierung hat die Absicht, in Zukunft entliehene Stimmrechte bei Alstom an den Privatsektor zurückzugeben. Das zeigt aus unserer Sicht das gemeinsame Vertrauen, das beide Regierungen in das Funktionieren der Märkte und in das Handeln der Unternehmensorgane haben.

Positiv aus unserer Sicht ist auch, dass bei dieser Entscheidung Arbeitnehmervertreter und das Management von Siemens abgestimmt vorgehen. Positiv ist auch, dass es an den wichtigen Standorten beider Unternehmen in Deutschland und Frankreich gleichgerichtete Zusagen zum Erhalt der Beschäftigung gegeben hat.

Kolberg: Zum Thema Besteuerung der digitalen Unternehmen: Der Minister hat dieses Thema bereits auf die Agenda der deutschen G20-Präsidentschaft gesetzt. Im März wurden in Baden-Baden weitere Schritte dazu verabredet. Dazu gehören auf der Herbsttagung des IWF im Oktober ein Vortrag der OECD und im Frühjahr ein Zwischenbericht. Auch beim Finanzministertreffen in Tallinn war das ein Thema. Die estnische Präsidentschaft hat die Initiative des Bundesministers aufgegriffen. Zu diesem Thema gab es eine Erörterung. Die Minister aus Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien haben eine Initiative zur fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft vorgelegt, die von vielen Mitgliedstaaten unterstützt wurde. Ziel ist, dass die digitale Wirtschaft im europäischen Markt auch in Europa besteuert werden soll; das soll also hier passieren. Es ist eine Aufforderung an die Kommission ergangen, zu prüfen, welche weiteren Schritte man da gehen kann, und Vorschläge vorzulegen. Auf diese Vorschläge warten wir jetzt.

Frage: Herr Seibert, man hat erwartet, dass die europäische Integration nach der Wahl in Deutschland einen größeren Impuls bekommt und dass diese schneller vorankommt. Wird die europäische Integration für die Bundeskanzlerin nach wie vor Priorität haben, oder sind die Sorgen in den südlichen Ländern begründet, dass dieser Prozess in der aktuellen schwierigen politischen Konstellation langsamer wird?

StS Seibert: Da die Bundestagswahl ja erst drei Tage her ist, kann man jetzt noch nicht so lange auf neue Impulse gewartet haben. Aber im Ernst: An der absolut proeuropäischen Ausrichtung der Politik der Bundeskanzlerin und auch der Politik dieser Bundesregierung, die ja noch im Amt ist, kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Wir alle stehen hinter der Aussage, dass es Deutschland auf Dauer nur dann gut gehen kann, wenn es auch seinen europäischen Partnern gut geht. Das ist Leitlinie unseres Handelns. Ich denke, darauf können sich die europäischen Partner auch verlassen.

Natürlich sind die europapolitischen Leitlinien einer nächsten Bundesregierung in noch kommenden Gesprächen festzulegen. Aber für die Bundeskanzlerin kann ich diese Grundüberzeugung sagen. Diese Grundüberzeugung wird sich sicherlich auch nicht ändern.

Ich kann auch sagen, was ihr wie auch in ihren bisherigen Amtsjahren natürlich weiterhin am Herzen liegen wird und was auch ein Ziel aller europäischen Zukunftsdebatten sein muss, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Sie ist die Voraussetzung für gute und für sichere, zukunftsfähige Arbeitsplätze in Europa für Jung und Alt. Sie ist auch die Voraussetzung für unser Modell der sozialen Gerechtigkeit und der sozialen Absicherung, das wir in Europa pflegen wollen und auf das wir im weltweiten Vergleich zu Recht, denke ich, auch stolz sind.

Frage : Ich möchte noch einmal kurz auf das Thema Siemens und Alstom zurückkommen. Mich würde interessieren, ob die Bundesregierung vor der jetzt getroffenen Entscheidung schon in irgendeiner Weise in diesen Prozess eingeklinkt war. Denn anders als die französische Regierung an Alstom hat die Bundesregierung keine Beteiligung an Siemens und müsste von daher nicht zwangsläufig involviert sein.

Mich würde zum Zweiten interessieren, ob die Bundesregierung die Fusion als ein Signal, und zwar als ein willkommenes Signal, sieht, um die unternehmerischen Beziehungen zwischen deutschen und französischen Unternehmen auch in anderen Bereichen noch enger zu gestalten. Befürwortet man weitere Zusammenschlüsse?

StS Seibert: Ich möchte nur über diesen Fall reden. Ich habe gesagt, dass er für uns ein Zeichen dafür ist, dass der Binnenmarkt auch in der Realität der Unternehmen zusammenwächst. Ich möchte jetzt nicht über weitere Unternehmen spekulieren, weil es am Ende immer Verhandlungen und Entscheidungen sind, die die Unternehmen zu verantworten haben.

Zu Ihrer Frage: Die Bundesregierung stand und steht im Austausch mit der französischen Regierung über die Zukunft der Standorte der Bahnindustrie und auch über übergreifende Fragen, gemeinsame Interessen, die wir im Zusammenhang mit der Zukunft der Bahnbranche, der Zukunft der Mobilität in unseren Ländern haben.

Zusatzfrage : Das Wirtschaftsministerium war wiederholt engagiert, um die Arbeitsplätze des Bahnherstellers Bombardier zu sichern. Betrachtet die Bundesregierung die Fusion, die jetzt zwischen Siemens und Alstom zustande kommt, als eine Gefahr für Arbeitsplätze im Berliner Raum, insbesondere auch bei Bombardier, das ja nun quasi als Zwerg am internationalen Markt zurückbleibt?

Alemany: Unsere Ministerin hat sich zu dem geplanten Zusammenschluss von Siemens und Alstom heute schon geäußert. Sie hat ihn begrüßt und deutlich gemacht, dass es eine wichtige Chance für die beiden Unternehmen sein kann, zusammen in die Zukunft zu schreiten. Wichtig ist ihr, dass die beiden Firmen eine klare Zukunftsstrategie haben, Perspektiven für die Beschäftigten aufweisen und natürlich dass die Mitbestimmung in den Betrieben erhalten bleibt.

Grundsätzlich äußern wir uns nicht zu unternehmerischen Entscheidungen, was bedeutet, dass wir sie nicht als gut oder schlecht bewerten. So gesehen, kann ich Ihnen jetzt keine Abstufung geben, ob eine Fusion dieser beiden Firmen schlecht oder gut für Bombardier ist. Fakt ist, wir haben natürlich auch mit Bombardier schon über Monate Kontakte. Wie Sie wahrscheinlich auch wissen, gab es im Juni eine Entscheidung über das Zukunftskonzept, die auch mit den Arbeitnehmern bei Bombardier beschlossen wurde. Darin wurden auch Zukunftslinien gezogen und strategische Ausrichtungen getroffen. Wenn diese funktionieren, dann ist das durchaus ein Erfolg versprechendes Signal.

StS Seibert: Ich darf Frau Alemany nur kurz ergänzen, dem allen zustimmend. Die Bundesregierung bekennt sich ausdrücklich auch zur Bedeutung von Bombardier und seinen Standorten hier in Deutschland. Bombardier ist ein weiterer zentraler Akteur in dieser Branche. Uns ist sehr an einem funktionierenden Wettbewerb gelegen.

Zusatzfrage : Sieht die Bundesregierung nach der jüngsten Entwicklung jetzt akut neuerlichen Gesprächsbedarf mit Bombardier, oder hält man sich in Bezug auf dieses Unternehmen im Moment erst einmal zurück?

Alemany: Wir sind immer kontinuierlich mit unseren Firmen im Gespräch.

Frage: Meine Frage gilt auch der Wettbewerbsfähigkeit Europas und der Frage, wie die Bundesrepublik ihre Politik dazu bisher strukturiert hat und in der neuen Koalition strukturieren wird. Zur Wettbewerbsfähigkeit gehört die Digitalisierung, die wahrscheinlich sowohl auf dem kommenden Treffen in Tallinn besprochen wird als auch bereits vor einer Woche auf dem 5G-Gipfel in Dresden schon besprochen worden ist, ganz konkret wegen der Erweiterung der Infrastruktur. Die FDP hat im Wahlkampf ziemlich viel über Digitalisierung gesprochen, aber auch die jetzige Bundesregierung.

Wie steht die Bundesregierung zu den Entwicklungen auf dem nordamerikanischen Kontinent, zum 5G-Netz - laut Tom Wheeler das mobile Glasfasernetz? Man spricht ja die ganze Zeit vom Ausbau des Glasfasernetzes, redet viel über die Digitalisierung usw. Aber weswegen gibt es bisher so wenig an Debatte über das 5G-Netz?

StS Seibert: Ich weiß nicht ganz, wo ich anfangen soll. Erst einmal: Die Digitalisierung ist für alle Wirtschaften und für alle Gesellschaften in Europa eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft. Die Bundesregierung, die wir hier vertreten, hat in dieser nun langsam zu Ende gehenden Amtszeit eine digitale Agenda aufgesetzt und dieses Thema damit in den Mittelpunkt unserer Arbeit gerückt. Mehrere Ressorts waren daran intensiv beteiligt.

Einer der Punkte, der dabei bearbeitet wurde und natürlich weiterhin bearbeitet wird, ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Wir haben das Ziel ausgegeben, bis 2018 überall in Deutschland eine 50 Megabit-Breitbandanbindung anzubieten, wissend, dass sich, auch wenn dieses Ziel erreicht ist - und wir sind noch nicht ganz da, wir sind aber auf sehr gutem Wege dahin -, sofort die nächsten Ziele stellen. Die Bundeskanzlerin hat darüber oft gesprochen; dabei fiel immer das Wort 5G. Das sind die nächsten Voraussetzungen für die digitale Wirtschaft, für die Telemedizin, für das automatisierte Fahren und all die Dinge, die vor uns liegen und die viel schneller Bedeutung erlangen werden, als mancher denken mag. Insofern wissen wir genau, worum es geht, und sind auf dem Weg.

Dass wir das auch in Europa intensiv betreiben, zeigt ja der gemeinsame Vorstoß mit Frankreich, Italien und Spanien zu dem Digitalgipfel. Im Übrigen ist allein schon die Tatsache, dass ein Digitalgipfel abgehalten wird, aus unserer Sicht sehr zu begrüßen - und dann auch noch von einem Land wie Estland mit der derzeitigen EU-Präsidentschaft, das in der Digitalisierung seiner Gesellschaft, seiner Behörden, seines Verhältnisses von Staat zu Bürger wirklich etwas vorzuweisen hat.

Frage: Herr Seibert, vielleicht auch Herr Plate, die EU-Kommission hat heute Mittag zwei Vorschläge vorgelegt, einen zum Zuzug von Flüchtlingen. Darin geht es darum, dass den EU-Staaten vorgeschlagen wird, in den nächsten beiden Jahren freiwillig 50 Flüchtlinge zusätzlich aufzunehmen. Dafür gibt es auch einen Etat. Ist das aus Sicht der Bundesregierung ein sinnvoller und zielführender Vorschlag? Wie viele dieser 50 würde denn die Bundesregierung im Zweifelsfalle aufnehmen?

Der zweite Vorschlag der EU-Kommission: Die maximale Dauer der Grenzkontrollen im Schengen-Raum soll auf drei Jahre ausgeweitet werden. Auch hierzu die Frage: Ist das ein sinnvoller Vorschlag? Reicht das aus Sicht der Bundesregierung aus?

StS Seibert: Sie haben ja schon gesagt, dass diese Vorschläge erst heute Mittag vorgelegt wurden. Jetzt ist es 13.28 Uhr. Ich würde ungern auf so frische Vorschläge jetzt schon sehr im Detail reagieren. Über die Notwendigkeit von Grenzkontrollen haben wir hier aus unserer Sicht mehrfach in den vergangenen Wochen gesprochen.

Plate: Substanziell habe ich dazu gar nicht so viel zu ergänzen. Auch ich hätte darauf verwiesen, dass die Vorschläge alles andere als alt sind, sondern gerade vorgelegt wurden. Dass Vorschläge zu diesen beiden Themen vorgelegt worden sind, ist sicherlich zu begrüßen, weil es zwei wichtige Themen der Innenpolitik sind - nicht nur für Deutschland, sondern auch für den Kreis der EU-Mitgliedsstaaten insgesamt. Daraus folgt, dass wir uns diese Vorschläge natürlich mit besonderem Interesse sehr sorgfältig anschauen werden.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage, Herr Plate: Sehen Sie, solange diese Bundesregierung im Amt ist, zu dem Thema der Grenzsicherung eine Veränderung in allernächster absehbarer Zeit, oder bleibt es bei den Grenzkontrollen, die es im Moment noch gibt?

Plate: Dazu haben wir uns in letzter Zeit sehr häufig presseöffentlich geäußert, und zwar dergestalt, dass die Kontrolle der Binnengrenzen auf Sicht erforderlich bleiben wird, jedenfalls so lange, bis wir ganz substanzielle Fortschritte, wie wir sie im Moment noch nicht sehen, in der Außengrenzsicherung sehen. Das gilt genauso nach der Wahl, wie es vor der Wahl galt.

Frage: Ich wollte noch einmal auf den französischen Präsidenten Macron zu sprechen kommen. Er hat ja jetzt auch noch einmal ein gemeinsames EU-Budget in den Raum gestellt und zuvor auch schon des Öfteren den gemeinsamen EU-Finanzminister in die Gespräche einfließen lassen. Decken sich diese Vorstellungen mit denen der Bundeskanzlerin?

StS Seibert: Sie kommen auf das Thema zurück, und ich komme auf meine Antwort von vorhin zurück: Ich werde jetzt nicht einzelne Elemente dieser sehr inhaltsreichen Rede des französischen Präsidenten bewerten, erst recht nicht abschließend. Ich kann daran erinnern, dass die Bundeskanzlerin selbst schon 2013 ihre Ideen zur Weiterentwicklung der Eurozone in die Debatte eingebracht hat. Für uns stellt sich, wenn es um Geld geht, bei allem die Frage: Wofür soll es ausgegeben werden? Zweckbindung ist eine wichtige Frage. Unsere zentrale Richtschnur für eine Reform der Eurozone bleibt auch, dass für uns Haftung und Kontrolle in einer Hand sein müssen und dass Solidarität und Eigenverantwortung untrennbar zusammengehören. Das ist das, was ich Ihnen heute dazu sagen kann. Aber wir werden uns das, wie gesagt, alles mit offenem Geist anschauen, und wir werden vor allem mit Frankreich und mit allen Partnern darüber in eine ganz lebhafte Diskussion eintreten.

Zusatzfrage: Die Diskussion um einen EU Finanzminister ist doch schon einige Jahre alt. Deswegen sind das ja jetzt gar nicht unbedingt neue Themenkomplexe, die auftauchen. Daher stelle ich auch die Frage, ob diese Idee, die ja schon seit Jahren im Raum steht, bei der Bundeskanzlerin auf fruchtbaren Boden stößt, also als Spekulation aufgrund der neuen Inhalte, die Macron geliefert hat.

StS Seibert: Es ist mit dem EU-Finanzminister wie mit anderen Begriffen. Die Bundeskanzlerin hat sich im Übrigen dazu geäußert, dass sie dem erst einmal offen gegenübersteht. Aber die Frage ist doch immer: Was macht der dann? Was kann der? Worüber kann der verfügen? - Bei Eurobudgets ist die Frage: Wie viel, woher und zu welchem Zweck? - Genau darüber wird doch eine intensive Debatte miteinander geführt werden.

Noch einmal: Es ist gut, dass der französische Präsident so inhaltsreich und so leidenschaftlich pro-europäisch gesprochen hat.

Frage: Ich würde gerne wissen, wie die Bundesregierung die jüngsten Ereignisse in Katalonien bewertet. Was halten Sie von dem, was in den letzten Tagen zwischen Katalonien und Spanien passiert ist? Halten Sie es auch für angemessen, dass drei Viertel der Polizeihundertschaften Spaniens jetzt nach Katalonien geschickt worden sind?

StS Seibert: Ich habe mich dazu schon vor Kurzem hier geäußert. Ich kann das jetzt eigentlich nur variieren. Spanien ist für uns ein Land, dem wir auf das Allerengste verbunden sind, ein Freund, ein Partner. Deshalb muss ich gar nicht betonen, dass wir diese aktuelle Zuspitzung der Lage in Katalonien natürlich aufmerksam beobachten. Das, was ich vor einiger Zeit hier gesagt habe und was vor allem die Bundeskanzlerin schon 2015 dazu gesagt hat, gilt weiterhin: Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Stabilität Spaniens erhalten bleibt, und deshalb ist es wichtig, dass alles, was dort geschieht, die Rechtsstaatlichkeit einhält, und das heißt, dass es die spanische Verfassung einhält.

Darüber hinaus handelt es sich um eine innerspanische Angelegenheit, und die möchte ich jetzt aus gebotener Zurückhaltung für die Bundesregierung nicht weiter kommentieren.

Zusatzfrage: Aber haben Sie keine Sorge hinsichtlich der Maßnahmen, die jetzt getroffen werden? Webseiten werden geschlossen. Es sieht aus, als wenn jetzt wieder eine Zensur aufkommen würde.

StS Seibert: Ich könnte mich jetzt nur wiederholen. Alles, was geschieht, muss im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit und im Rahmen der spanischen Verfassung geschehen. Darüber hinaus möchte ich jetzt nicht einzelne Maßnahmen kommentieren.

Frage: Ich würde gerne noch einmal ein anderes Thema ansprechen, und zwar das, was Herr Gauland am Montag bezüglich Israel und deutscher Staatsräson gesagt hat. Er stellt ja offen zur Debatte, ob wir Soldaten schicken würden. Deswegen stelle ich die Frage an Sie: Wäre die Bundeskanzlerin im Notfall dazu bereit, auch deutsche Kampftruppen vor Ort in Israel einzusetzen, um das Existenzrecht Israels zu verteidigen?

StS Seibert: Ich werde jetzt garantiert nicht eine Äußerung von Herrn Gauland zum Anlass nehmen, hier solche hoch spekulativen Äußerungen zu machen.

Zusatzfrage: Aber ist es nicht vielleicht wichtig, das zu kommentieren, wenn ein Herr, der jetzt eben auch schon im Bundestag sitzt, dieses Fass noch einmal aufmacht?

StS Seibert: Es ist wichtig, und ich glaube, dass uns das alle hier eint, unser Verhältnis zu Israel im Bewusstsein der Geschichte zu gestalten. Das ist ein enges. Das ist ein freundschaftliches. Das ist ein Verhältnis, in dem wir uns, wie es immer wieder gesagt worden ist, auch für die Sicherheit Israels für mitverantwortlich halten und deswegen auch so gegenüber Israel und in unserer Politik gegenüber der ganzen Region agieren, wie wir es tun.

Zusatzfrage: Und zum Thema Soldaten?

StS Seibert: Ich werde hier jetzt sicherlich nicht auf eine Äußerung hin, die Herr Gauland im Wahlkampf gemacht hat, in wilde Hypothesen einsteigen.

Zusatzfrage: Und wenn wir die Äußerung jetzt einmal beiseitelassen?

StS Seibert: Die kann ich aber nicht beiseitelassen!

Zusatzfrage: Im Notfall würde die Bundeskanzlerin - - -

StS Seibert: Ich werde das nicht weiter ausführen, als ich es hier getan habe.

Frage : Ich würde gerne vom Außenministerium und vielleicht auch vom Verteidigungsministerium wissen, was die Vorgänge im Norden des Irak, in Kurdistan, für die 150 Ausbilder bedeuten, die dort sind. Werden die jetzt abgezogen? Wie wird da verfahren?

Breul: Wenn Sie wollen, kann ich anfangen, Herr Flosdorff. Zur allgemeinen Einordnung dessen, was jetzt da stattgefunden hat: Das war ja ein Referendum, dessen rechtliche Bindung, sage ich einmal, zumindest zweifelhaft ist. Wir sind der Meinung, es hat gar keine bindende Wirkung. Dementsprechend sehe ich auch nicht, wie sich dadurch im Rechtsverhältnis zwischen Deutschland und dem Irak in irgendeiner Form etwas ändern sollte. Im Gegenteil: Wir rufen die Parteien dazu auf, zum Dialog zurückzukehren und keine einseitigen Maßnahmen zu ergreifen. Das gilt - so hat es der Außenminister gestern auch gesagt - durchaus in beide Richtungen. Wir rufen also dazu auf, keine Schritte zu ergreifen, weder in Richtung Unabhängigkeit noch in Richtung Zwangsmaßnahmen.

Frage : Herr Flosdorff, Herr Breul und Herr Seibert: Wie viele Deutsche halten sich denn momentan im Bereich der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak auf? Haben Sie Personal aus den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen abgezogen?

Herr Seibert, wenn Sie sich fragen, warum ich das auch Sie frage: Das liegt natürlich am BND und seiner Residentur in Erbil. Können Sie uns irgendetwas dazu sagen, wie sich das aktuell verhält, oder ist alles auf Normalniveau?

StS Seibert: Bei mir geht es schnell: Wir geben ja grundsätzlich keine Auskunft über operative Einzelheiten der Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes.

Breul: Hinsichtlich der Deutschen habe ich jetzt auch keine Zahl vorliegen. Wie immer kann ich Ihnen dazu sagen, dass wir es oft auch nicht wissen, weil niemand als Deutscher im Ausland dazu verpflichtet ist, sich bei der zuständigen Botschaft oder dem Generalkonsulat anzumelden. Aber wenn Sie möchten, dann kann ich einmal nachfragen, was die Zahl ist, von der unser Generalkonsulat ausgeht. Unser Generalkonsulat in Erbil ist geöffnet und funktioniert.

Zusatzfrage : Und da gibt es keine Personalveränderung?

Breul: Nein.

Flosdorff: An Soldaten sind zurzeit 150 Soldatinnen und Soldaten in Erbil. Neulich gab es auch einmal die Frage von einem Kollegen. Sanitätsmaterial und Ersatzteile - keine Waffen - sind auch noch im September geliefert worden, aber nicht nur an die Peschmerga, sondern auch an die Zentralregierung.

Grundsätzlich kann man dazu sagen, dass dort auch für die Bundeswehr der gemeinsame Kampf gegen den IS richtig und wichtig bleibt und dass es jetzt auch darauf ankommt, die gemeinsamen Erfolge, die wir da erreicht haben, zu sichern. Für die Bundeswehr und für das Engagement der Bundeswehr - damit spreche ich sicherlich für die gesamte Bundesregierung - war immer und ist weiterhin das Einvernehmen mit der zentralirakischen Regierung eine Grundvoraussetzung. Deswegen bleiben jetzt auch alle Akteure dazu aufgerufen, dort eine Eskalation zu vermeiden und von einseitigen Maßnahmen Abstand zu nehmen. Es wäre wünschenswert, wenn jetzt alle dort beteiligten Parteien weiterhin Gespräche für eine einvernehmliche politische Lösung hinsichtlich einer gemeinsamen Zukunft des Irak aufnähmen.

Zusatzfrage : Darf ich eine Zusatzfrage stellen, in diesem Fall an das BMI? Ich würde ganz gerne wissen, ob Sie, Herr Plate, im Bundesinnenministerium derzeit irgendwelche Rückwirkungen auf das Verhältnis zwischen Kurdischstämmigen und Andersstämmigen aus der Region in Deutschland sehen und ob es dort irgendwelche vermehrten Aktivitäten zu beobachten gibt.

Plate: So etwas können wir bislang nicht beobachten. Nun ist es so, dass solche Beobachtungen oder Feststellungen natürlich überwiegend in der Zuständigkeit der Länder erfolgen würden oder müssten. Aber soweit das der Fall ist, wäre mir das jedenfalls auch nicht zur Kenntnis gelangt.

Frage : Herr Seibert, ich glaube, die Frage nach dem Kabinett war noch offen: Welche Minister sind jetzt noch im Dienst, und wo hat es vielleicht Ressortzusammenlegungen gegeben?

StS Seibert: Als ich hierher gefahren bin, waren alle Minister noch im Dienst.

Es gibt ja immer zwei Möglichkeiten, und in der jüngeren Staatspraxis hat es beides gegeben: Die eine Möglichkeit ist, dass eine Ministerin oder ein Minister, die oder der zur beziehungsweise zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wird, um Entlassung als Mitglied der aktiven Bundesregierung bittet; ein Beispiel dafür ist Frau Künast im Jahre 2005. Die andere Möglichkeit ist, dass ein zum Fraktionsvorsitzenden gewählter Minister noch eine Zeit lang bis zur Ernennung seines Nachfolgers geschäftsführend in seinem Regierungsamt bleibt; das ist bei Bundesminister Steinmeier 2009 der Fall gewesen.

Für den Minister Dobrindt kann ich Ihnen sagen, dass er der Bundesregierung weiterhin angehört. Ich kann Ihnen sagen, dass es die Absicht der Ministerin Nahles ist, dies anders zu machen. Nach meinem Wissen liegt das schriftliche Entlassungsgesuch noch nicht vor, aber das kann sich jetzt - sie ist ja erst vor Kurzem zur Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion gewählt worden - auch schon geändert haben; da würde ich dann um Entschuldigung bitten.

Frage: Ja, das hat sich geändert, Herr Seibert: Frau Nahles hat wohl schriftlich um Entlassung gebeten, heißt es in den Agenturen. Wie geht es dann weiter? Wird das Ministerium noch einmal neu besetzt?

StS Seibert: Dann wird die Bundeskanzlerin den Bundespräsidenten ebenso schriftlich um Entlassung von Frau Nahles aus dem Amt bitten, und das wird dann beim Bundespräsidenten vollzogen: Er wird sie verabschieden und er wird die Nachfolgerin ins Amt holen - es gibt dafür sicherlich einen bessern Fachausdruck. Das wird Familienministern Barley sein.

Frage: Auch grob zum Thema neues Kabinett: Frau Merkel hatte ja angekündigt, dass sie mit allen Seiten sprechen möchte - auch noch einmal mit der SPD, obwohl diese direkt angekündigt hatte, in die Opposition zu gehen. Da wäre jetzt die Frage: Mit wem, wie oft und wie lange beziehungsweise intensiv hat sie womöglich schon mit den Ansprechpartnern der anderen Parteien - und eben auch noch einmal mit der SPD - den Kontakt aufgenommen?

Zweite Frage: Es wird ja bereits offen diskutiert - auch innerhalb der Unionsfraktion -, ob Schäuble nicht ein guter Lammert-Nachfolger wäre. Da würde mich einmal interessieren, ob Frau Merkel das ähnlich sieht.

StS Seibert: Jetzt sind wir aber tief in dem Bereich, für den ich nicht zuständig bin. Ich sage hier auch für die kommenden Wochen, dass ich nicht der richtige Ansprechpartner für solche Fragen sein werde und es auch heute nicht bin.

Frage : Ich möchte da trotzdem noch einmal anknüpfen und Herrn Kolberg fragen: Hat sich der Minister bei Ihnen denn heute schon mit den Worten "Ich mach's nicht mehr, ich werde jetzt Parlamentspräsident" verabschiedet, oder gibt es - manchmal versenden Leute ja auch eine E-Mail - irgendwelche Meinungsäußerungen oder Äußerungen von Herrn Schäuble zu seiner Zukunft?

Kolberg: Er hat sich sogar in der Presse geäußert. Und zwar hat er gestern bei der Mittelbadischen Presse ein Interview gegeben und gesagt: Er freut sich, dass er dem neuen Deutschen Bundestag als direkt gewählter Abgeordneter angehört, und alles andere wird sich ergeben.

Frage : Nicht direkt dazu, aber noch in dem gleichen Komplex: Herr Seibert, sind die Minijobs im Kanzleramt - beziehungsweise nicht im Kanzleramt, sondern die Minijobs von Kanzleramtsmitarbeitern im Konrad-Adenauer-Haus - jetzt alle beendet?

StS Seibert: Ich weiß nicht die exakte, tagesgenaue Laufzeit. Da das ja Nebentätigkeitsgenehmigungen für die Zeit des Wahlkampfs waren, gehe ich davon aus, aber ich kann Ihnen jetzt nicht den genauen Tag sagen.

Zusatzfrage : Können Sie das nachreichen?

StS Seibert: Da will ich mich gern erkundigen.

Zusatz : Danke!

Frage : Herr Seibert, stehen die Gesamtkosten des G20-Gipfels eigentlich schon fest?

StS Seibert: Nein.

Mittwoch, 27. September 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 27. September 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/09/2017-09-27-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2017

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