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PRESSEKONFERENZ/1592: Regierungspressekonferenz vom 17. Januar 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 17. Januar 2018
Regierungspressekonferenz vom 17. Januar 2017

Themen: Reise der Bundeskanzlerin nach Paris und Sofia, deutsch-türkische Beziehungen und der Fall Deniz Yücel, Leistungsbilanzüberschuss

Sprecher: SRS'in Demmer, Adebahr (AA), Dimroth (BMI), Alemany (BMWi)


Vorsitzender Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Demmer: Einen schönen guten Tag auch von meiner Seite! Ich habe am Mittwoch ausnahmsweise Terminankündigungen. Bundeskanzlerin Merkel wird an diesem Freitagnachmittag nach Paris reisen, wo Sie um 17 Uhr mit dem französischen Staatspräsidenten Macron zusammentreffen wird. Themen des Gesprächs werden bilaterale Themen sein, unter anderem der bevorstehende 55. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags am 22. Januar, sowie europapolitische und internationale Fragen. Nach dem Gespräch ist auch eine kurze Pressebegegnung vorgesehen.

Am nächsten Morgen reist sie weiter nach Sofia und wird dort mit dem bulgarischen Ministerpräsidenten Borissow zusammentreffen. Bei diesem Treffen wird es vor allem um die derzeitige Ratspräsidentschaft Bulgariens gehen.

Frage : Ich würde mir gern vom Auswärtigen Amt das gegenwärtige Stadium der deutsch-türkischen Beziehungen erläutern lassen. Man liest ja im Moment, dass die Konsultationen wiederaufgenommen worden sind. Sind wir jetzt quasi in einer neuen Phase der Wiederannäherung?

Ich weiß nicht, ob Sie eine Bewertung der Aussagen von Herrn Yücel haben, der offenbar die Möglichkeit eines, wie er es nennt, schmutzigen Deals sieht, der möglicherweise zu seiner Freilassung führen könnte. Gibt es nach Ihrer Kenntnis irgendwelche Fakten, die unterlegen, dass sich eine neue Entwicklung anbahnt, die zur Freilassung von Herrn Yücel führt?

Adebahr: Ich verweise gern darauf, dass wir das hier auch schon nach dem Treffen des Bundesaußenministers mit seinem türkischen Amtskollegen Çavusoglu in Goslar besprochen haben, und auf das dort Gesagte. Es gibt gute Gespräche zwischen beiden und Schritte der Annäherung, über die wir uns freuen. Es gibt weiterhin schwierige Brocken, schwierige Themen im bilateralen Verhältnis, die miteinander besprochen werden müssen.

Die beiden Minister haben in Goslar angekündigt, dass eine Wirtschaftskommission und der strategische Dialog der Außenministerien wieder aufgenommen werden. Ich kann von meinem Haus sagen, dass man beim strategischen Dialog der Außenministerien im Gespräch ist, um zu schauen, um welche Themen es gehen soll. Dabei wird es wahrscheinlich um den Nahen und Mittleren Osten und auch um den Jemen gehen; denn das ist ein Thema, das auch die Türkei sehr beschäftigt.

Insofern hören Sie von mir jetzt keine Gesamtbewertung. Wir sind in einem Prozess dahingehend, dass sich die Beziehungen Schritt für Schritt verbessern können. Das hat der Außenminister mehrfach deutlich gemacht. Wir sind bereit, auf diesem Weg weiterzugehen.

Was das Thema Rüstungsexport in die Türkei angeht, verweise ich Sie gern noch einmal auf die Äußerungen des Bundesaußenministers im Fernsehen und in der Pressekonferenz, dass es keinerlei Verbindung zwischen solchen Fällen gibt. Das ist es, was der Außenminister dazu sagt, und ich kann von hier aus nur noch einmal darauf verweisen.

Zu Gesprächen, die heute unter BMI-Führung laufen, will vielleicht der Sprecher des BMI noch ausführen.

Dimroth: Ich kann gern bestätigen, dass heute im BMI ein entsprechendes Treffen auf Staatssekretärsebene stattfindet. Kontinuierlich, auch im Lichte der hier hinlänglich oft besprochenen Schwierigkeiten und Problemstellungen, die in dem bilateralen Verhältnis zur Türkei entstanden sind, haben wir immer darauf hingewiesen, wie wichtig die Türkei bei ganz zentralen innenpolitischen Fragestellungen für uns ist. Dabei geht es insbesondere um das Thema der Terrorismusbekämpfung. Dabei gibt es gemeinsame Interessen. Deswegen ist es aus unserer Sicht der geeignete Zeitpunkt, um auch auf Staatssekretärsebene die Gespräche wiederaufzunehmen, um dort, wo gemeinsame Interessen bestehen, auch entsprechende Fortschritte erzielen zu können. Das schließt natürlich ein, dass dort, wo unterschiedliche Auffassungen bestehen, auch diese sehr deutlich in diesen Gesprächen artikuliert werden.

Zusatzfrage : Darf ich meine Frage noch einmal wiederholen, ob es in Sachen Yücel irgendwelche neuen Fakten gibt, die möglicherweise hinter dessen Äußerungen stehen? Gibt es irgendwelche neuen Entwicklungen? Hat man in jüngster Zeit mit der türkischen Regierung konkret über diesen Fall gesprochen, vielleicht mit neuen Signalen?

Adebahr: Die beiden Außenminister haben in Goslar natürlich über diesen Fall gesprochen. Das haben sie dort auch bestätigt. In der Tat haben wir der türkischen Regierung gesagt, und zwar auch schon seit Längerem, dass zum Beispiel die Tatsache, dass keine Anklageschrift vorliegt, aus unserer Sicht sehr besorgniserregend ist und dass wir nicht verstehen, warum das der Fall ist. Der türkische Außenminister selbst hat auch in Interviews mit deutschen Medien gesagt, dass ihm selbst dieses Faktum nicht gefalle - ich weiß nicht genau, wie seine Wortwahl war - und dass er auch sehr dafür sei, dass der Prozess schnell vorangehe. Natürlich verweist er auf die türkische Justiz, die diesen Prozess in ihren Händen hält. Diese Sache sprechen wir also stetig und immer und schon seit geraumer Zeit an.

Natürlich ist es so - wie Sie auch wissen, wenn Sie den Prozess verfolgt haben -, dass das türkische Verfassungsgericht in geraumer Zeit auch über die Haftbeschwerde, die Herr Yücel dort vor Monaten eingereicht hat, also über die Beschwerde, dass er sich in dort U-Haft befindet, entscheiden wird. Eine Anklageschrift und eine Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichtes sind sozusagen prozedural die nächsten Schritte; das ist das, was jetzt in der türkischen Justiz ansteht, das ist das, was wir beobachten. So geht der Prozess dort weiter vonstatten.

Zusatzfrage : Nur zur Verdeutlichung: Seit Goslar gibt es also nichts Neues, nichts Zusätzliches an Entwicklungen in der Türkei beziehungsweise im beidseitigen Verhältnis?

Adebahr: Nichts, dass mir bekannt wäre.

Frage : An das Bundeswirtschaftsministerium und vielleicht auch an die Regierungssprecherin: Es gibt neue Zahlen vom ifo-Institut zur Berechnung des deutschen Leistungsbilanzüberschusses, die ausweisen, dass Deutschland nach wie vor den weltweit größten Leistungsbilanzüberschuss hat. Daraufhin hat es offenbar auch neue Kritik aus Brüssel an dieser Entwicklung gegeben. Sieht die Bundesregierung einen konkreten Handlungsbedarf oder konkrete Handlungsmöglichkeiten, um dieses Thema, das ja seit Jahren eines ist, um das gestritten wird, etwas zu entschärfen?

Alemany: Danke für die Frage. - Wie Sie schon sagen, ist das natürlich ein Thema, das Deutschland gut kennt; auch die Kritik daran kennen wir gut. Zu der Abschlusserklärung, die in den Medien derzeit kursiert, kann ich nur sagen: Das ist ja noch im Entwurfsstadium und wird erst nächste Woche beschlossen; insofern kann ich mich dazu heute naturgemäß noch nicht äußern.

Ich kann Ihnen aber die Zahlen für Deutschland sagen. Es stimmt, 2015 hat Deutschland einen Höchstrekord beim Leistungsbilanzsaldo gehabt; das waren 8,5 Prozent in Relation zu unserem Bruttoinlandsprodukt. Seither ist das Leistungsbilanzsaldo allerdings rückgängig. 2016 ging es schon auf 8,2 Prozent zurück. Für 2017 liegen uns derzeit noch keine finalen Zahlen vor, aber wir rechnen momentan laut unserer letzten Projektion mit 7,5 Prozent. Auch gegenüber der Eurozone haben wir unseren Bilanzüberschuss in den letzten zehn Jahren halbiert, und zwar von vier auf zwei Prozent - und dass sind ja unsere größten Handelspartner.

Vielleicht lassen Sie mich noch sagen, dass wir in der jetzt abgelaufenen Legislaturperiode sehr viele Maßnahmen, die uns zur Verfügung stehen, politisch ergriffen haben, die auf inklusives Wachstum und auf eine dynamischere Binnennachfrage abzielen. Beides wirkt sich ja dämpfend auf den Leistungsbilanzüberschuss aus. Ich darf hier an die Erhöhung der staatlichen Investitionen von plus 40 Prozent oder auch an die große finanzielle Entlastung der Kommunen und Länder, aber auch an den Mindestlohn und die Steigerung der Reallöhne erinnern. Fakt ist aber auch, dass der Leistungsbilanzüberschuss überwiegend durch Faktoren beeinflusst wird, die zu ändern nicht in unserer Macht steht; das sind zum Beispiel der Ölpreis, der Euro oder unsere demografische Entwicklung. Zudem stimmt auch, dass unsere Unternehmen eine große Wettbewerbsfähigkeit aufweisen, was sich dann natürlich auch in einem Überschuss zeigt.

Wir hatten letzte Woche eine große Globalisierungskonferenz; da hat sich unser Staatssekretär Machnig auch zu einem der im Fokus stehenden Themen, nämlich dem Leistungsbilanzüberschuss, geäußert und hat noch einmal konstatiert, dass Deutschland mehr tun muss, um andere Länder auch von den deutschen Gewinnen im Außenhandel profitieren zu lassen. Mehr Investitionen und eine starke Binnenkonjunktur sind ja wichtig.

Zusatzfrage : Aber konkrete Handlungen, konkrete Maßnahmen etwa zur Förderung von Importen, die man sich ja vorstellen könnte, sind derzeit nicht geplant?

Alemany: Unsere ganze Wirtschaftspolitik ist darauf ausgerichtet, alle möglichen Barrieren für den Handel abzubauen, um möglichst viel freien und fairen Handel zu realisieren. So gesehen sind wir da natürlich weiter sehr aktiv. Alles weitere an konkreten Maßnahmen muss dann wahrscheinlich eine neue Bundesregierung beschließen.

Frage: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie sagen, dass der Bilanzüberschuss noch nicht ausreichend zurückgefahren ist, dass Sie diesen Rückgang also nicht für ausreichend halten?

Alemany: Unser Ziel ist, dass andere Länder an unserem Leistungsbilanzüberschuss und an unserem positiven Wachstum teilhaben können beziehungsweise mehr teilhaben können, natürlich. Aber wie ich gerade auszuführen versucht habe, ist es sehr schwierig, durch einzelne gezielte Maßnahmen einen Leistungsbilanzüberschuss zu dämpfen. Das geht immer nur in ganz geringem Maße, denn die maximalen Einflussfaktoren sind Dinge wie der Ölpreis; darauf haben wir einfach keinen Einfluss. Was in unserer Macht steht, tun wir natürlich.

Mittwoch, 17. Januar 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 17. Januar 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/01/2018-01-17-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2018

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