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PRESSEKONFERENZ/1639: Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron, 23.03.2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Brüssel - Freitag, 23. März 2018
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

Thema: Europäischer Rat am 22. und 23. März 2018


P Macron: Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einige Worte sagen über die Umstände dessen, was in Frankreich gerade passiert ist. Ein Angriff und eine Geiselnahme haben heute Vormittag stattgefunden und dauern noch an in Trèbes in der Aude, in unserem Land, und alles deutet darauf hin, dass es sich in der Tat um einen terroristischen Anschlag handelt, der derzeit noch im Gange ist. Die Sicherheitskräfte, vor allem die Gendarmerie, haben sehr schnell und auf koordinierte Art und Weise eingegriffen nach dem Angriff, wo zunächst auch Polizisten betroffen waren.

Zunächst möchte ich all diejenigen, die von dieser Situation betroffen sind, meiner vollen Unterstützung versichern. Ich werde hier jetzt noch keinerlei offizielle Bilanz ziehen. Der Staatsanwaltschaft von Paris wird, sobald es ihm möglich ist, alle Elemente, die mit diesen beginnenden Ermittlungen zusammenhängen, präsentieren. Es wurde bereits die Abteilung für Terrorismus der Staatsanwaltschaft Paris damit befasst, und die ersten Richter sind bereits dabei, sich auf den Weg zu machen.

Ich möchte den Bewohnern von Trèbes versichern, dass alle Kräfte des Staates im Einsatz sind, vor allem auch die Sicherheitskräfte, die jetzt den Ort sichergestellt haben, an dem diese Person noch verschanzt ist, und die Umgebung gesichert haben.

Ich habe eben mit dem Innenminister gesprochen, der bereits vor Ort angekommen ist. Der Premierminister hat seine Reise ebenfalls unterbrochen und ist nach Paris zurückgekehrt. In einigen Stunden werde ich selbst in Paris sein, um die Gesamtheit der zu ergreifenden Maßnahmen zu koordinieren.

Wir haben jetzt zwei Tage lang einen Rat gehabt, und ich freue mich zunächst natürlich, dass ich mit der Bundeskanzlerin einmal mehr diese gemeinsame Pressekonferenz haben kann. Jetzt hatten wir zwei Tage wichtiger Arbeiten, und das war auch dank der Arbeiten und Austausche möglich, die wir letzte Woche, nur wenige Tage nach der Wiederwahl der Frau Bundeskanzlerin, in Paris hatten. Zu dieser Wiederwahl möchte ich sie einmal mehr beglückwünschen.

Dieser Europäische Rat war wichtig, weil wir viele wichtige Themen ansprechen konnten, die einerseits mit dem europäischen Modell und mit der Souveränität Europas zu tun haben.

Wir hatten einen intensiven Austausch über die internationalen Fragen strategischer Art. Wie Sie wissen, war ich am Mittwoch am Sitz der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen in Den Haag, und Frankreich hat im Januar die Initiative für eine neue internationale Partnerschaft gegen die Straffreiheit beim Einsatz von Chemiewaffen ergriffen. Wir sehen vor allem im syrischen Kontext und auch jetzt in Großbritannien, dass es wichtig ist, dass wir unseren Kampf zur Beseitigung dieser Waffen fortsetzen.

Theresa May hatte ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin und mir selbst, um uns über die Umstände und den Fortgang der Ermittlungen zu informieren. Alle Mitglieder des Europäischen Rates haben ihre volle Unterstützung ausgedrückt und gesagt, dass angesichts der Bewertung Großbritannien keine andere, alternative Erklärung als die Verantwortung Russlands gibt. Wir halten diesen Angriff für eine schwerwiegende Herausforderung für unsere Sicherheit und für einen Angriff auf die europäische Souveränität. Das erfordert eine koordinierte und entschlossene Reaktion seitens der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Mehrere Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, werden bald koordinierte Maßnahmen in dieser Hinsicht ergreifen.

In unserem Dreiergespräch mit Theresa May haben wir unsere gemeinsamen Positionen bezüglich der Fortsetzung des Nuklearabkommens mit dem Iran und allen dabei vertretenen Parteien bestätigt und vertieft.

Wenige Tage vor einem Treffen der Präsidenten Tusk und Juncker mit Premierminister Borissow und Präsident Erdogan haben wir natürlich auch über die Türkei gesprochen und einmal mehr die Sorge der Europäischen Union bezüglich des Verhaltens der Türkei in den zypriotischen Hoheitsgewässern sowie auch bezüglich seines Vorgehens in Afrin und Umgebung zum Ausdruck gebracht. Diese türkische Intervention steht im klaren Widerspruch zur Resolution 2401 der Vereinten Nationen.

Während dieses Rats haben wir auch über Handelsfragen gesprochen. Das ist ein weiteres wichtiges Element, das natürlich mit der Souveränität unseres Europas zu tun hat. Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Zuge der Ankündigungen der amerikanischen Regierung, Stahl- und Aluminiumimporte zu besteuern, wobei nur eine kurzfristige Ausnahme für Europa vorgesehen ist, ist die Lösung für uns noch nicht zufriedenstellend. Der Rat hat eine ganz klare Sprache zu diesem Thema verabschiedet. Es gibt hierbei drei Grundsätze: Erstens. Europa will keinen Handelskrieg, der für niemanden gut ist; deswegen setzen wir den Dialog fort. Zweitens. Europa glaubt an eine multilaterale, weltweite Regulierung des Handels, und zwar im Rahmen der WTO-Regeln, die es zu modernisieren und nicht zu schwächen gilt. Drittens. Europa muss geschlossen handeln und entschlossen sein. Wir sind nicht die Anpassungsvariable des Welthandels und wir sind auch nicht das schwache Glied oder naiv. Wir werden sicherlich ohne Schwäche reagieren; da sollte sich keiner etwas vormachen.

Ich glaube, das sagen zu können: Die amerikanische Strategie ist eine falsche Strategie auf ein echtes Problem, das wir schon mehrfach angesprochen haben, nämlich das Problem des Sozialdumpings und der Überkapazitäten in bestimmten Sektoren wie dem Stahlsektor. Das sind Positionen, die wir als Europäische Union beim G20-Gipfel vertreten haben, natürlich auch gegenüber China und anderen Mächten. Das wollen wir fortsetzen, und wir wollen keine unilateralen exzessiven Maßnahmen.

Das führt uns zu einer weiteren Frage, nämlich der Frage von Handel und Globalisierung. Wenn wir Protektionismus vermeiden wollen, dann müssen wir unsere Arbeitnehmer und unsere Unternehmen schützen, und das steht im Herzen unserer Agenda, die wir hier bekräftigt haben. Dazu gehört eine verstärkte europäische Kontrolle der strategischen Investitionen und der Regeln der Reziprozität bei den Verhandlungen. Ich habe daran auch bei dem gestrigen Treffen erinnert, das die Europäische Kommission organisiert hat, um die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklungen zu präsentieren. Es ist nicht wünschenswert, Handelsabkommen mit Ländern oder Mächten zu unterzeichnen, die nicht Unterzeichner des Pariser Übereinkommens sind; denn wir können keine Handelsverhandlungen mit Regeln, die wir selber gar nicht kennen, beziehungsweise mit anderen Mächten, die unsere Regeln nicht anerkennen, führen.

Wir haben dann natürlich auch über die digitale Revolution gesprochen. Hier wollen wir unsere Werte und europäischen Interessen hervorheben. Als Europäer müssen wir Innovationen, Schutz des Individuums und gerechte Solidarität miteinander in Verbindung bringen. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam die Idee einer europäischen Agentur für bahnbrechende Innovationen in den Raum gestellt, die auch große Unterstützung findet und in den nächsten Wochen und Monaten konkretisiert werden soll. Eine effiziente Steuerung von Plattformen, die Eingrenzung illegaler Inhalte - vor allem zur Verherrlichung des Terrorismus - und natürlich der Schutz persönlicher Daten stehen im Herzen dieser Verordnung, dieser Regeln, die wir mit Blick auf einen digitalen Binnenmarkt in den nächsten Monaten verabschieden wollen.

Wir hatten gestern auch eine erste detaillierte Debatte auch die Besteuerung digitaler Unternehmen auf Grundlage der von der Europäischen Kommission eingereichten Vorschläge. Frankreich unterstützt die Vorschläge der Kommission zur Besteuerung der digitalen Unternehmen. Es geht darum, Missbrauch zu verhindern, ohne dabei Innovationen einzuschränken und ohne den Rahmen der Besteuerung unserer Produktion in Europa zu verändern. Das kann also nur eine temporäre Lösung sein, aber es ist klar, dass unsere Funktionsweise oder das Verhalten bestimmter Akteure es heute nicht ermöglicht, gerechte Wettbewerbsbedingungen und die wünschenswerte Beteiligung am europäischen Haushalt zu erhalten. Das heißt, wir unterstützen die Initiative der Europäischen Kommission, und Frankreich wünscht sich, dass diesbezüglich jetzt nicht nur der erste Richtlinienvorschlag fortgesetzt wird, sondern wir auch wirklich unser gemeinsames Besteuerungssystem vollenden, um eine gerechte Besteuerung der digitalen Akteure zu gewährleisten.

Es ging hier auch um Klimaziele. Ich habe gestern an einer Konferenz über umweltfreundliche Finanzierung teilgenommen. Wir haben hier aber auch über eine neue europäische Strategie für die Umwelt gesprochen, die ehrgeiziger ist. Das hat auch zu tun mit den Sozialthemen, hinsichtlich derer wir auch die Notwendigkeit einer sozialen Konvergenz bekräftigt haben. In den letzten Monaten haben wir hier gemeinsam daran gearbeitet, vor allem an der Reform der Richtlinie über entsandte Arbeitnehmer. Im Oktober wurde hier auch eine gute Einigung darüber gefunden, die es ermöglichen wird, dass das in zwei Jahren und nicht erst in vier Jahren in Kraft tritt. Wir wollten, dass es mehr Koordinierung bei den Kontrollen gibt, die durchgeführt werden, um gegen Briefkastenfirmen vorzugehen, die die europäischen Regeln missbrauchen.

Die Konvergenz bei den Klimafragen, von der ich gesprochen habe, soll uns natürlich auch mit Blick auf die Wirtschafts- und Währungsunion leiten. Wir hatten gerade einen Eurozonen-Gipfel zu neunzehnt, der ein Etappenziel darstellt, um zu sehen, wo es noch hängt. Das Ziel hierbei ist es, unsere Volkswirtschaften in der Eurozone zu einer besseren Konvergenz zu führen, Krisen zu vermeiden und wettbewerbsfähiger zu sein.

Auch mit der Bundeskanzlerin haben wir letzte Woche in unseren ersten Gesprächen über diese Themen geredet. Als Ziel konnten wir dabei bereits identifizieren, dass wir die Abkommen, die jetzt für die Bankenunion vorgesehen sind, bis Juni abschließen wollen und dass wir diese Arbeiten auch weiterhin fortsetzen wollen, um eine Eurozone zu haben, die verantwortlicher und solidarischer ist. Viele fachliche Fragen müssen natürlich noch geklärt werden, aber ich werde in den nächsten Wochen nach Berlin reisen, um eine weitere Arbeitssitzung mit der Bundeskanzlerin zu diesem Thema zu haben. Auch im April und Mai werden wir über diese Themen sprechen, um dann gemeinsam einen Fahrplan über die Zukunft, die wir uns für die Wirtschafts- und Währungsunion vorstellen, vorzulegen. Ich messe dieser gemeinsamen Arbeit große Bedeutung bei. Insbesondere in der letzten Woche haben wir diese Arbeit ja bereits begonnen, was uns große Fortschritte ermöglicht hat.

Heute Morgen haben wir natürlich auch über den Brexit gesprochen. Zwei Themen müssen hierbei parallel vorangetrieben werden: Ein Austrittsabkommen mit den Fortschritten, die es bereits hinsichtlich der Bürgerrechte und der Finanzregelung gibt, und eine gemeinsame Arbeit mit einem klaren Mandat für unseren Verhandlungsführer Michel Barnier über die zukünftigen Beziehungen. Wir haben Michel Barnier heute Morgen ganz klar erneut unser Vertrauen ausgesprochen und haben auch alle bekräftigt, dass es keinerlei Einigung gibt, solange es keine Gesamteinigung gibt. Das ist vor allem für die Übergangsphase wichtig. Es bedarf hierbei einer umfassenden Einigung. Dabei ist der Binnenmarkt für uns von großer Bedeutung; er darf nicht zerstückelt werden und man darf sich nicht bestimmte Bereiche des Binnenmarkts aussuchen. Wenn man draußen ist, außerhalb des Binnenmarkts ist, dann gilt das für alle Bereiche. Das bedeutet nicht, dass ein ehrgeiziges Abkommen nicht möglich ist; aber so ist das klar, da gibt es keine Widersprüchlichkeiten. Das ist weiterhin unser Kompass, mit diesem Wunsch, wirklich geschlossen zu bleiben.

Meine Damen und Herren, das wollte ich zu diesem Zeitpunkt mit Ihnen teilen, um Ihnen von diesem Europäischen Rat zu berichten. Wie Sie sehen, haben wir über viele verschiedene Themen gesprochen. In den nächsten Wochen und Monaten, bis zum Juni, wird es weitere Folgetermine und wichtige Termine geben. - Vielen Dank!

BK'in Merkel: Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Emmanuel, auch ich möchte mit einem Wort der Anteilnahme angesichts der Geiselnahme in Südfrankreich beginnen. Natürlich sind wir mit unseren Gedanken bei den Betroffenen und Angehörigen und sprechen ihnen aus vollem Herzen unsere Anteilnahme aus. Wir stehen, wenn es um terroristische Bedrohungen geht, natürlich an der Seite Frankreichs. Wo immer wir helfen und unterstützen können, werden wir das tun.

Was den Europäischen Rat anbelangt, so haben wir in der Tat in drei verschiedenen Formaten getagt: zu 28., zu 27. und zu 19. Ich will nicht alles wiederholen, was Emmanuel Macron eben gesagt hat.

Die Diskussion über den Nervengasanschlag in Salisbury war eine sehr intensive und von großer Solidarität mit der britischen Premierministerin und dem britischen Volk geprägte Diskussion. Wir haben sehr klar gesagt, dass wir das für eine gravierende Herausforderung für unsere gemeinsame Sicherheit halten und dass wir der Einschätzung der britischen Regierung zustimmen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Russland die Verantwortung hierfür trägt, und dass es keine andere plausible Erklärung gibt. Sie haben gehört, dass der EU-Botschafter aus Moskau zu Konsultationen nach Brüssel zurückgerufen wurde. Deutschland und Frankreich werden zusammen mit anderen auch über weitere Maßnahmen beraten und entscheiden.

Wir haben uns dann aus aktuellem Anlass sehr intensiv mit Handelsfragen beschäftigt. Wir haben uns alle gemeinsam zum Multilateralismus und damit auch zur Welthandelsorganisation bekannt. Wir haben Kommissarin Malmström dafür gedankt, dass sie in umfangreichen Gesprächen mit der amerikanischen Administration jetzt erst einmal erreicht hat, dass weitergesprochen werden kann. Angesichts der kurzen Frist bis zum ersten Mai ist allerdings auch klar, dass dies weiterhin ein Anliegen großer Dringlichkeit bleibt. Wir wollen nicht in eine Spirale der Handelsmaßnahmen kommen, bei der, wie wir denken, zum Schluss alle verlieren. Wir sind an einem fairen internationalen multilateralen Handel interessiert und werden uns auch weiter gegen Protektionismus aussprechen.

Wir haben gestern Abend noch die Fragen des Umgangs mit der Türkei und des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens besprochen. Nächste Woche soll es einen Gipfel in Warna zwischen den Präsidenten der europäischen Institutionen, der bulgarischen Präsidentschaft und dem Präsidenten der Türkei geben. Wir haben unsere Besorgnis mit Blick auf Afrin, auf die Vorkommnisse im Mittelmeer um Zypern herum und auch auf die Frage der beiden griechischen Soldaten, die sich im Augenblick in türkischem Gewahrsam befinden, ausgedrückt. Wir wollen ein gutes Verhältnis zur Türkei, aber wir haben doch sehr große Besorgnisse. Nichtsdestoweniger stehen wir zu dem EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen und wissen, dass hierfür eine zweite Tranche in Höhe von drei Milliarden Euro bereitzustellen ist. Auch darüber haben wir gesprochen und uns dazu bekannt.

Wir haben uns dann mit dem Thema Großbritannien beschäftigt. Dazu hat der Präsident alles gesagt. Auch ich möchte Michel Barnier danken, der mit seinem Team in unermüdlichen Verhandlungen wirklich große Fortschritte machen konnte. Positiv ist, dass wir in den letzten Monaten den gesamten Prozess, diesen bedauerlichen Prozess, wirklich sehr einig als 27 Mitgliedsstaaten miteinander gestaltet haben. Jetzt haben wir die Leitlinien für die zukünftigen Beziehungen verabschiedet. Ich denke, es ist klar, dass wir diese Gemeinsamkeit weiter aufrechterhalten wollen. Angesichts der Tatsache, dass Großbritannien weder in der Zollunion noch im Binnenmarkt sein möchte, muss man ein sehr intensives Freihandelsabkommen verhandeln. Wir werden uns dabei nicht auseinanderdividieren lassen, sondern diese Gemeinsamkeit weiter durch die Verhandlungen tragen. Die Zeit hierfür drängt. Wir werden uns damit auch im Juni wieder befassen müssen.

Wir haben im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungsunion, aber auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung der gesamten Europäischen Union gefragt: Was sind Dinge der Wettbewerbsfähigkeit? - Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident hat dabei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Vervollkommnung beziehungsweise Schaffung eines digitalen Binnenmarktes von großer Bedeutung ist. Ich kann dem nur zustimmen. Wir stimmen dem zu und werden uns als Staats- und Regierungschefs auch noch einmal mit den noch nicht umgesetzten Rechtsakten befassen. Denn hierzu ist vieles in der Pipeline. Viel ist von der Kommission vorgeschlagen worden. Ich denke, die Staats- und Regierungschefs können den Debatten der Räte auch ein bisschen Schwung verleihen.

In dem Zusammenhang haben wir uns auch mit dem Thema der Digitalbesteuerung befasst. Wir waren sehr geschlossen der Meinung, dass unsere Besteuerungsgrundlagen heute nicht mehr adäquat für die Welt der Digitalisierung sind. Ebenso haben wir sehr intensiv über den Datenschutz, besser gesagt, über die Datensouveränität unserer Bürgerinnen und Bürger gesprochen. Denn die Frage, was mit den Daten passiert, ist eine der zentralen Fragen. Auch an diesem Thema werden wir weiterarbeiten müssen.

Ganz zum Schluss kam das Format der 19, in dem wir über die zukünftige Architektur der Eurozone gesprochen haben. Das Thema, das wir auch gestern zu 28. behandelt haben, nämlich die Bankenunion, ist noch einmal auf die Tagesordnung gekommen. Es ist vollkommen klar: Wir brauchen sehr schnelle Fortschritte bei der Bankenunion - auch um den Weg klar abzustecken - und bei der Kapitalmarktunion, weil das die gesamte Eurozone, aber auch die Ökonomie der EU insgesamt kräftigen wird.

In der Architektur der Eurozone brauchen wir noch zusätzliche Maßnahmen. Deutschland und Frankreich haben letzte Woche begonnen, hierzu zu arbeiten. Wir werden das im April zu zweit fortsetzen - dann wird es auch einen kleinen Ministerrat zwischen Deutschland und Frankreich geben - und im Juni mit einer gemeinsamen Position wieder in diese Debatte einsteigen. Ich denke, dass wir schon einige strukturelle Ideen entwickeln konnten, gerade auch die, dass der ESM zu einer neuen Institution umgebaut wird. Insofern sind wir hierbei, denke ich, auf einem guten Weg.

Sie sehen an den Darstellungen, dass wir es mit der Agenda, die wir uns vorgenommen haben, sehr ernst meinen. Vieles läuft jetzt auf den Juni zu. Dann soll es, wenn irgend möglich, eine Einigung zu einem gemeinsamen europäischen Asylsystem geben. Es soll Fortschritte mit Blick auf die Bankenunion und viele andere Fragen geben. Sie sehen, dass aktuell immer noch etwas dazukommt wie jetzt die Handelsfragen. Wir sind also gut beschäftigt, aber auch guten Mutes, dass wir etwas hinbekommen und Europa neuen Schwung verleihen.

Frage: Ich habe zunächst eine Frage an den französischen Präsidenten als Gastgeber. Es scheint klar zu sein, dass Donald Trump irgendetwas dafür will, dass er Europa von den Zöllen ausnimmt. Aus Ihrem Umfeld hieß es heute, die Debatte darüber könne nicht so breit sein, wie es die TTIP-Verhandlungen waren. Können Sie uns kurz sagen, worüber man sprechen kann und worüber man aus Ihrer Sicht nicht sprechen kann?

Meine Frage an die Bundeskanzlerin: Sie sagen, sie wollten den Welthandel verteidigen. Bedeutet das auch, dass Sie den europäischen und vor allen Dingen auch den deutschen Exportüberschuss in der jetzigen Form verteidigen wollen?

P Macron: Im Grundsatz sprechen wir mit einem befreundeten Land, das die WTO-Regeln akzeptiert, über alles. Wir sprechen über nichts, wenn man uns die Pistole auf die Stirn setzt. Um ganz klar zu sein: Wenn sich die Vereinigten Staaten von Amerika an die Regeln der Welthandelsorganisation halten, dann ist unser Wille, natürlich über alle Themen zu sprechen, auch über unsere wohlverstandenen Interessen und die wohlverstandenen amerikanischen Interessen. Das ist klar. Wir als Europäische Union haben das natürlich auch mit der Vorgängerregierung so gehalten. Wir haben unseren Willen zum Ausdruck gebracht, die Regeln des internationalen Handels einzuhalten, aber dabei natürlich unsere Interessen zu vertreten.

Es ist offensichtlich, dass wir angesichts der Situation, in die man uns mit einer nur wenige Wochen dauernden Frist gebracht hat, keinerlei Schwäche gegenüber einem bestimmten Sektor oder einem Land zeigen werden. Wir werden weiter daran arbeiten und versuchen, unsere amerikanischen Partner davon zu überzeugen, dass Strafzölle gegenüber befreundeten Ländern nicht die richtige Art sind, um mit den Überkapazitäten im Bereich von Stahl und Aluminium umzugehen, sondern dass die Überkapazitäten mit den Herkunftsländern anzugehen sind, über Dumping zu sprechen ist und man eine Übergangspolitik anwenden sollte. Das ist unsere Position.

BK'in Merkel: Wir wollen die Gespräche natürlich fortsetzen, aber immer auf der Basis dessen, was im Rahmen der WTO von uns allen unterzeichnet wurde. Es hat sich jetzt schon als richtig herausgestellt, dass Kommissarin Malmström zu solchen Gesprächen dort war. Dann muss man eine Agenda bestimmen. Aber es ist richtig: Wir halten uns natürlich an das internationale Handelsregime.

Was zum Beispiel die Überkapazitäten im Stahlbereich angeht, gibt es das globale Forum Stahl. Dort hat sich Deutschland auch in seiner Eigenschaft als G20-Präsidentschaft im vergangenen Jahr sehr stark eingebracht. Wir denken, dass man dort über diese Themen weiter sprechen kann.

Was die Frage der Handelsüberschüsse anbelangt, so ist das natürlich ein Thema von Bedeutung. Es gibt Faktoren, die wir gar nicht beeinflussen können, zum Beispiel Wechselkurse oder die Preise für Energie, die in den jeweiligen Bereichen liegen. Dann gibt es Faktoren, an denen zum Beispiel wir in Deutschland jetzt arbeiten. Im Grunde haben wir in den letzten Jahren einen kompletten Paradigmenwechsel vollzogen: Der Export stellt nicht mehr den Wachstumstreiber dar, sondern Wachstumstreiber ist inzwischen der Binnenkonsum. Das wollen wir natürlich fortsetzen, und das strahlt auch unsere Koalitionsvereinbarung für die neue Regierung aus. Oft werden wir dafür gerügt, dass wir manches auch zu Hause investieren, aber ich denke, genau das ist der Weg, wie wir abhelfen können.

Dort, wo unsere Produkte auf den Märkten gefragt sind, sind wir natürlich auch ein wenig stolz darauf, dass andere außerhalb Deutschlands sie auch kaufen wollen. Aber wenn der Binnenkonsum angeregt ist, haben wir natürlich auch mehr Anreize für Importe, von denen dann wiederum andere Länder profitieren können.

Frage: Guten Tag, Herr Präsident und Frau Bundeskanzlerin! Vor meiner Frage zur Eurozone: Wir haben gerade gehört, dass der Geiselnehmer von den Polizeikräften getötet worden sei. Wir wüssten natürlich gern, wie Sie, Herr Präsident, darauf reagieren und ob Sie selbst den Befehl zum Zugriff gegeben haben. Wir wüssten natürlich auch gern etwas zur Bedrohungslage in Frankreich.

Meine Frage zur Eurozone: Haben Sie bezüglich Ihres Vorschlages von Haushaltsmitteln für die Eurozone Fortschritte erzielt? Denn viele Länder sind dabei ja zögerlich.

Nachdem es Reformen zu machen gilt: Haben die Proteste in Frankreich auf der Straße Ihre Position geschwächt?

P Macron: Zum ersten Thema, das Sie angesprochen haben: Ich habe dem, was ich bereits am Anfang gesagt habe, wenig hinzuzufügen. Der Zugriff ist erfolgt. Ich stehe natürlich in Austausch mit dem Innenminister und dem Premierminister. Aber es geht natürlich um die Einschätzung der Umstände vor Ort, und die Einsatzleiter vor Ort sind ihrer Verantwortung gerecht geworden. So muss das ja auch laufen. Der Zugriff ist in der Tat erfolgt und hat zu dem Ergebnis geführt, das Sie bereits genannt haben.

Ich würde sehr vorsichtig sein, was alles Weitere angeht, und möchte bis auf das, was ich bereits eingangs gesagt habe, hier keine weiteren Ausführungen dazu machen. Natürlich möchte ich unseren Willen bekräftigen, alle unsere Mitbürger zu beschützen.

Zur Bedrohungslage: Der Innenminister hat es erst vor einigen Wochen wieder gesagt, dass die Bedrohung nach wie vor erhöht ist. Denn seit einigen Monaten haben wir eine endogene Bedrohung. Das heißt, wir haben viele Personen, die sich selbst radikalisiert haben. Sie haben unterschiedliche psychiatrische Profile. Manche sind als krank einzustufen, andere nicht. Aber die Besonderheit ist, dass man Personen hat, die als gefährlich eingestuft werden, die also auch engmaschig überwacht werden. Im Laufe der Ermittlungen werden wir natürlich sehen, wie das abgelaufen ist.

Aber es gibt natürlich eine terroristische Bedrohungslage in unserem Land. Sie ist auf verschiedene Dinge zurückzuführen. Sie ist zum einen endogener Natur. Das sind Menschen, die beeinflusst werden und in Verbindung mit ISIS oder anderen externen Kräften stehen, die mit islamistischem Terrorismus in Verbindung stehen. Aber - ich bin jetzt vorsichtig; denn wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen - wir befinden uns nicht mehr in derselben Situation wie noch vor zwei oder drei Jahren, als wir Offensiven aus dem irakisch-syrischen Gebiet auf unser Staatsgebiet gegenüberstanden. Das ist der Unterschied zwischen Terrorismus im Krieg und dem jetzigen Terrorismus.

Es gibt also jetzt Gefährder, die überwacht werden. Wir haben viele Verfahren. Es obliegt jetzt dem Staatsanwalt, im Rahmen der laufenden Ermittlungen für Aufklärung darüber zu sorgen, was zu dem terroristischen Anschlag heute geführt hat und was getan wurde, um ihn zu verhindern.

Es ist also offensichtlich, dass die gesamte Regierung voll mobilisiert ist. Seit meiner Wahl habe ich die Sicherheitsvorkehrungen nie abgesenkt, ganz im Gegenteil. Es gibt einen wöchentlichen Rat über die nationale Sicherheit und Verteidigung. Ich habe die Regierung aufgefordert, einen Text zur Verschärfung der Kontrolle und der Sicherung zu verabschieden. Was geschehen ist, zeigt, dass all diese Maßnahmen unerlässlich waren, natürlich inklusive der intensivierten Koordinierung, die ich bereits beschlossen habe. Das zeigt, dass die Bedrohungslage all diese Maßnahmen rechtfertigt. Aber was Schlussfolgerungen aus dem, was geschehen ist, angeht, muss man wirklich noch sehr vorsichtig sein und erst einmal abwarten.

Was jetzt die Eurozone und den Kontext angeht, den Sie auch angesprochen haben: Wir haben Fortschritte gemacht. Wir haben gemeinsam große Fortschritte gemacht. Wir kennen natürlich unsere gegenseitigen Zwänge, und wir haben uns darüber ausgetauscht, auch am letzten Freitag und auch jetzt zu neunzehnt, um zu sehen, welches die Elemente sind, die wir für einen gemeinsamen Fahrplan miteinander in Einklang bringen müssen. Wir müssen erst einmal sehen, was hier im Rahmen der Bankenunion und unseres Willens, dass die Finanzminister diese Arbeiten bis Juni abschließen können, bereits umgesetzt worden ist.

Dann gibt es jetzt eine Neustrukturierung der Elemente der Verantwortung und Solidarität in der Eurozone. Die wollen wir ebenfalls bis Juni erreichen. Wie ich bereits im Dezember gesagt habe, bin ich da zuversichtlich; denn wir sind beide davon überzeugt, dass es für die Eurozone wirtschaftlich notwendig ist, das zu tun. Aber auch politisch ist es notwendig, Mechanismen zu haben, die die Länder, die Reformen machen, begleiten. In diesem Rahmen werden wir also unsere Arbeiten fortsetzen.

Was jetzt die sozial-gesellschaftliche Bewegung in Frankreich angeht, werde ich vielleicht erst einmal der Frau Bundeskanzlerin das Wort erteilen. Was meine Einschätzung angeht, gibt es darauf keinerlei Auswirkung. Es gibt nämlich kein Land, in dem Reformen durchgeführt werden, in dem es nicht auch Proteste oder parlamentarische Debatten gibt. Das hängt immer von der jeweiligen Tradition des Landes ab. Das ist völlig normal. Es obliegt jedem einzelnen Land, mit diesen Protesten, die aufkommen können, umzugehen - natürlich unter Einhaltung des demokratischen Lebens. Aber diese Proteste führen nicht dazu, dass die Regierung die Verpflichtungen, die wir eingegangen sind und die von der französischen Regierung umgesetzt worden sind, was viele unserer Partner wie Deutschland auch schon seit vielen Jahren zu Recht erwartet haben, rückgängig macht. Wir werden das weiterhin fortführen; denn das ist wichtig für unsere Glaubwürdigkeit.

BK'in Merkel: Wir haben heute noch einmal den gemeinsamen Wunsch deutlich gemacht, dass wir gerade jetzt, wo sich die Eurozone wieder in einem ruhigeren Fahrwasser befindet - auch Mario Draghi konnte uns sagen, dass alle Mitgliedstaaten wachsen, dass sie ein Wirtschaftswachstum haben und dass sich sogar die gesamte Konvergenz der Eurozone relativ positiv entwickelt; das konnte uns der EZB-Präsident gestern mitteilen -, noch mehr tun, um uns dafür zu wappnen, wenn die Dinge einmal schwieriger werden. Dazu gehört nach unserer Meinung eben auch die Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten. Deshalb haben wir vorgeschlagen, und das ist auch von vielen so gesagt worden, dass wir auch gemeinsame Treffen der Finanzminister und der Wirtschaftsminister, also der Minister, die den Wettbewerbsfähigkeitsrat besuchen, durchführen sollten, um sich hierüber auszutauschen und diese Elemente zusammenzubringen.

Es wird jetzt im Weiteren darum gehen: Welche Elemente brauchen wir noch, um die Konvergenz zu festigen und voranzubringen? Braucht man dafür zusätzliche Möglichkeiten gegenüber dem heutigen europäischen Haushalt, den wir alle gemeinsam haben? - Diese Diskussion haben wir sehr gut begonnen, die werden wir fortsetzen, und die werden wir dann auch in der Gruppe der 19 fortsetzen. Ich glaube also, dass wir auf einem guten Weg sind.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident, ich hätte gerne hinsichtlich Ihrer Ankündigung nachgefragt, dass Sie weitere Maßnahmen gegen Russland koordinieren wollen, und zwar schnell: Ist vorstellbar, dass auch Deutschland und Frankreich wie Großbritannien russische Diplomaten ausweisen? Warum wartet man eigentlich nicht auf eine Analyse der Behörde für Chemiewaffen, die ja die Substanz untersuchen und dann auch die Herkunft klären kann? Was sind denn eigentlich genau die Beweise, die Frau May vorgelegt hat und die anscheinend so viele der Mitgliedstaaten davon überzeugt haben, dass man einen schärferen Kurs gegenüber Russland einschlagen sollte?

BK'in Merkel: Theresa May hat uns bestimmte Erkenntnisse vorgelegt, aus denen wir schlussfolgern, dass die wahrscheinlich auch dann nicht sehr unterschiedlich sein werden, wenn man die Analyse der OPCW haben wird. Wir werden das natürlich sehr aufmerksam verfolgen. Emmanuel Macron hat ja diese Behörde auch besucht, und wir haben auch Vertrauen in sie. Aber wir glauben, dass die Analysen auch jetzt schon sehr fundiert sind, und das ist auch von niemandem infrage gestellt worden.

Wir wollen uns in unseren Reaktionen koordinieren. Wie die genau aussehen, würden wir Ihnen gerne dann sagen, wenn die Koordinierung abgeschlossen ist. Aber wir waren uns einig, jedenfalls Deutschland und Frankreich, dass zusätzlich zu dem Rückruf des Botschafters noch weitere Reaktionen notwendig sind.

P Macron: Um hier ganz klar zu antworten: Großbritannien hat gestern mit der Gesamtheit der Mitgliedstaaten die Beweiselemente geteilt, zu denen es gelangt ist. Frankreich war bereits um technische Unterstützung gebeten worden. Wir haben das befürwortet, und wir sind zu den gleichen technischen Schlussfolgerungen wie unsere britischen Partner gekommen. Diese Schlussfolgerungen zeigen ganz klar, um welche Art von Produkt es sich handelt. Unser Wissen um diese Substanz und die Eigenschaften führen, wie es die Briten öffentlich gesagt haben, zu einer Zuweisung gegenüber Russland.

Letzten Montag hat die OPCW die Arbeiten aufgenommen - das wird Mitte April abgeschlossen werden -, um zu sehen, ob diese Erkenntnisse nachgewiesen werden können. Aber es geht um die ganz klare Zuweisung des Einsatzes dieser Chemiewaffen. Es gibt jetzt nämlich nicht mehr diesen Mechanismus der Zuweisung, der das ermöglicht hat, und es war unser gemeinsamer Wunsch, im Rahmen dieser Organisation einen solchen Zuweisungsmechanismus wiederherzustellen. Natürlich wird es hier wichtige Erkenntnisse geben, aber wahrscheinlich nicht so, dass wir unsere Sicht der Dinge ändern.

Dritter Punkt hinsichtlich dieser technischen Elemente: Was in Großbritannien passiert ist, ist noch nie dagewesen. Das ist ein Angriff auf die Sicherheit und Souveränität eines verbündeten Landes, das auch noch Mitglied der Europäischen Union ist. Das erfordert eine Reaktion; denn sonst beschließt die Europäische Union, nicht mehr souverän zu sein, und das wollen wir nicht. Das ist eine Entscheidung, die wir gestern gemeinsam getroffen haben, und wie die Bundeskanzlerin gesagt hat, werden wir in den nächsten Tagen die Maßnahmen verkünden, zwar koordiniert und verhältnismäßig, aber als eine echte Reaktion auf das, was geschehen ist. Wenn das abgeschlossen sein wird, dann werden wir das auch verkünden.

Frage: Ich habe eine Frage an beide, und zwar zum Selmayr-Gate, wie das hier genannt wird. Ich wollte wissen, ob Sie nicht befürchten, dass diese Affäre das schlechte und bürokratische Bild der europäischen Institutionen verschärft. Sie wollen ja in drei Wochen auch mit diesen Bürgerkonsultationen beginnen.

Zweitens: Glauben Sie nicht, dass diese Affäre nicht auch ein echtes geographisches Ungleichgewicht bei der Verteilung der Führungsposten innerhalb der Europäischen Union aufzeigt? Man sieht nämlich, dass drei von vier Institutionen jetzt einen deutschen Generalsekretär haben, und vier von sieben Fraktionen werden ebenfalls von deutschen Europaabgeordneten geleitet. Vor allem auch die EVP wird ebenfalls von einem deutschen Generalsekretär geleitet, ebenso auch verschiedene andere Institutionen. Glauben Sie, dass die Kompetenz allein bei den Deutschen liegt, oder gibt es vielleicht auch noch anderswo in der Europäischen Union Talente zu finden? Die Frage nach dem geographischen Gleichgewicht ist natürlich eine Frage, die man sich schon immer gestellt hat, schon seit Beginn der Europäischen Union.

P Macron: Ich werde natürlich auch der Bundeskanzlerin die Möglichkeit geben, auf dieses Thema und die Hommage an ihre Effizienz einzugehen. Aber jetzt einmal etwas ernsthafter: Natürlich gibt es hier Fragen des geografischen Gleichgewichts, auf die wir achten müssen. Was für uns wichtig ist, ist, überall die kompetentesten Personen zu haben, die am engagiertesten sind; denn die brauchen wir. Außerdem ist es natürlich auch wichtig, dass es ein geografisches Gleichgewicht gibt. Deswegen haben wir gemeinsam die Entscheidung getroffen - das war gestern nach der Entscheidung der Wirtschafts- und Finanzminister -, als Vizepräsident der EZB Herrn de Guindos zu ernennen. Sie haben recht, dass wir hier gegenüber verschiedenen Ländern sehr wachsam sein müssen und dass ein richtiges geografisches Gleichgewicht bei den Ernennungen wichtig ist. Wir werden darauf aufpassen, ohne hier jetzt französische Ernennungen zu vertreten; denn es gibt noch viele andere Länder.

Jetzt zu dieser Polemik, was die Ernennung von Martin Selmayr angeht: Ich werde versuchen, das einmal richtig einzuordnen. Die große Schwierigkeit bei dieser Art von Polemik ist, dass es hier Personen gibt, die davon betroffen sind. Als Präsident der Französischen Republik habe ich in der Europäischen Union immer die Professionalität des Betroffenen geschätzt. Die gilt es hier nicht infrage zu stellen. Das ist jemand, der sehr kompetent ist und eine große Kenntnis der Europäischen Union hat.

Es gibt natürlich diese Polemik - Sie haben das angesprochen, und auch verschiedene Abgeordnete haben das angesprochen - bezüglich der Umstände seiner Ernennung. Ich glaube, hierzu wurde vom Europäischen Parlament ein Verfahren mit vielen Fragen eingeleitet; ich glaube, es waren 134 an der Zahl. Dieses Verfahren muss fortgesetzt werden, damit es Transparenz gibt, und dann wird man die Schlussfolgerungen sehen. Ich glaube, so sollte das auch demokratisch ablaufen.

Ich verstehe natürlich die Reaktionen, die es hier und dort geben kann. Wenn man jetzt so tun würde, als wäre nichts geschehen, dann gäbe es ein Problem. Es gibt jetzt hier eine demokratische, journalistische Kontroverse. Es gibt eine parlamentarische Debatte. Die muss in aller Ruhe geführt werden. Die Schlussfolgerungen sind dann zu ziehen, wenn alle Elemente auf dem Tisch liegen, und so lebt eine reife Demokratie auch.

Wir sind von so vielen Mächten umgeben, die teilweise so tun, als würden sie freie Wahlen abhalten, und die alles abriegeln. Wir haben natürlich immer Schwächen in unseren demokratischen Systemen. Aber wenn wir Verfahren haben, um mit diesen Polemiken umzugehen und sie in einen transparenten Rahmen zu bringen, dann, glaube ich, muss man sich auch nicht immer selbst geißeln. Die Europäische Union ist nicht am schlechtesten, wenn es um Bürgerbeteiligung und um Transparenz geht. Man sollte also auch nicht aus den Augen verlieren, dass es eine gewisse Relativität gegenüber den anderen Ländern und Mächten gibt. Wir sollten uns also nicht immer selbst geißeln und dann nicht auch das Gleiche von unseren Nachbarn verlangen.

Ich glaube also, dass die Wahrheit und die Arbeit der Journalisten und der Europaabgeordneten sehr wichtig sind. Das ist auch wichtig für die Lebendigkeit sowie die Beteiligung. Man kann über dieses Thema der Kriterien einer Ernennung und der Transparenz sprechen, und das ist auch wichtig für unsere Bürger, damit sie alle wichtigen Themen verfolgen können und auch ihre Vorschläge für Veränderungen zum Ausdruck bringen können. Das ist ein Thema, das das Verdienst von Menschen nicht in Verruf bringen soll, sondern bei dem es einfach um Transparenz geht.

BK'in Merkel: Erstens zu der regionalen Ausgewogenheit: Ich würde sagen, es gibt in Deutschland viele Diskussionen darüber, dass wir auf bestimmten Positionen gar nicht so breit vertreten sind. Man kann jetzt nicht nur die Positionen nehmen, die Sie genommen haben, sondern man muss dann auch die ganze Breite betrachten. Wenn man sich zum Beispiel einmal die Direktoren der Generaldirektionen usw. anschaut, dann relativiert sich das. Man kann also nicht einfach eine Art von Position herausgreifen.

Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass die Entscheidung darüber, wer nun gerade im Europäischen Parlament die Fraktionen führt, nun wirklich nichts mit der regionalen Ausgewogenheit in dem Sinne zu tun hat, dass wir dafür verantwortlich wären. Das machen die Fraktionen aus sich heraus. Das sind ganz unterschiedliche Parteienfamilien.

Drittens möchte ich mir die Wortwahl, die Sie im Zusammenhang mit Martin Selmayr gewählt haben, nicht zu eigen machen. Ich glaube, es ist richtig, dass die Fragen jetzt beantwortet werden. Ich habe auch den Eindruck, dass das geschieht. Auch ich schätze die Arbeit von Martin Selmayr sehr. Wenn jemand glaubt, weil er die deutsche Staatsbürgerschaft hat, würde er immer das tun, was Deutschland passt: Diesen Eindruck haben wir gar nicht. Er entscheidet sehr europäisch. Er ist allerdings jemand, der auch auf Effizienz der Entscheidungen achtet, darauf, dass etwas zustande kommt. Das wiederum begrüße ich ausdrücklich. Manche Vorgänge dauern nämlich in Europa sehr lange - manchmal liegt es auch an uns, daran, dass wir nicht entscheiden -, und deshalb schätze ich seine Arbeit sehr. Die gestellten Fragen werden, wie es in einem transparenten Parlament üblich ist, auch mit Sicherheit von Jean-Claude Juncker und ihm beantwortet werden.

Freitag, 23. März 2018

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen
Präsidenten Emmanuel Macron am 23.03.2018 in Brüssel
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/03/2018-03-22-pk-merkel-macron.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2018

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