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PRESSEKONFERENZ/1643: Regierungspressekonferenz vom 6. April 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 6. April 2018
Regierungspressekonferenz vom 6. April 2018

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten, Klausurtagung in Schloss Meseberg, Kabinettsitzung, Treffen mit dem dänischen Ministerpräsidenten, Treffen mit dem Staatspräsidenten der Republik Serbien), Entlassung von Carles Puigdemont aus der JVA Neumünster, Programm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt", Modernisierung des Rüstungswesens der Bundeswehr, Antisemitismus und Rassismus in Deutschland, Neuregelung des Familiennachzugs, Asyllagebericht für Syrien, türkische Militäroffensive in Syrien, mögliche USA-Reise der Bundeskanzlerin, verminderte Emissionsgrenzwerte für die Binnenschifffahrt, Verbringung sechs türkischstämmiger Personen aus dem Kosovo in die Türkei durch den türkischen Geheimdienst, Vereinbarung zwischen Israel und dem UNHCR zur Umsiedlung von Flüchtlingen, Einsatz scharfer Munition vonseiten Israels im Gazastreifen, Berichte über pakistanische Militärberater aufseiten der Taliban in Afghanistan

Sprecher: SRS'in Demmer, Kall (BMJV), Breul (AA), Neumann (BMVg), Ehrentraut (BMAS), Jornitz (BMWi), Kock (BMI), Friedrich (BMVI), Haufe (BMU)


Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRSin Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRSin Demmer: Ich beginne mit den Terminen für die nächste Woche.

Die Bundeskanzlerin wird am kommenden Dienstag, den 10. April, um 11 Uhr den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zu einem Gespräch im Bundeskanzleramt begrüßen. Vor allem die Lage im Osten der Ukraine, der Stand der Minsker Vereinbarungen sowie wirtschaftliche und weitere bilaterale Fragen werden im Mittelpunkt des Austauschs stehen. Im Anschluss findet gegen 12 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz statt.

Am kommenden Dienstag und Mittwoch kommt das Kabinett zu einer Klausurtagung im Gästehaus der Bundesregierung in Schloss Meseberg zusammen. Im Rahmen der Klausur findet am Mittwoch auch eine reguläre Kabinettsitzung statt.

Zu Beginn der Klausur am Dienstag um 14 Uhr halten BDA-Präsident Ingo Kramer und DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann Impulsreferate zum Thema "Der Weg zur Vollbeschäftigung". Nach dem Gruppenbild um 16 Uhr geben die Bundesminister Altmaier, Scheuer und Heil Statements vor der Presse ab.

Am späteren Nachmittag hält Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein Impulsreferat zum Thema "Zukunft der Nato". Anschließend spricht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Thema "Die Rolle der EU in der Welt".

Am Mittwoch ist von 9 Uhr an die reguläre Kabinettsitzung, wie eben gesagt. Anschließend wird dann die Kabinettklausur fortgesetzt.

Um 12 Uhr stehen die Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister Scholz der Presse Rede und Antwort.

Am Donnerstag, den 12. April, wird die Bundeskanzlerin um 12 Uhr den Ministerpräsidenten des Königreichs Dänemark, Herrn Lars Løkke Rasmussen, empfangen. Im Mittelpunkt des gemeinsamen Gesprächs werden europapolitische, bilaterale und internationale Themen stehen. Im Anschluss gibt es um 13 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz.

Am Freitag gibt es dann ein Treffen mit dem Staatspräsidenten der Republik Serbien, Aleksandar Vučić. Bei einem gemeinsamen Mittagessen werden insbesondere die bilateralen Beziehungen sowie regionale Fragen und europapolitische Themen im Mittelpunkt stehen. Vor dem Treffen gibt es um 12 Uhr Statements vor der Presse.

Frage: Zu der Klausur und dem Impulsreferat des Nato-Generalsekretärs: Wird sich da auch eine Debatte anschließen, bei der es auch um das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels gehen könnte?

SRSin Demmer: Ich kann jetzt den Inhalten der Debatte nicht vorgreifen. Aber man hat diese Gäste ganz bewusst eingeladen, um sich mit den Erwartungen an die Bundesregierung auseinanderzusetzen, die von innen und außen gestellt werden. Insofern wird man sich natürlich inhaltlich mit den Vorträgen auseinandersetzen.

Frage (zur Entlassung von Carles Puigdemont aus der NVA Neumünster): Frau Demmer, inwieweit kann die Entscheidung des Oberlandesgerichts eine Belastung für die Beziehungen mit Spanien beinhalten?

Herr Kall, sehen Sie die Notwendigkeit, eine Änderung in den Instrumenten der europäischen Haftbefehle anzustreben? Ich frage das, weil es in Spanien Juristen gibt, die sich für eine Abschaffung des Prinzips der Doppelstrafbarkeit ausgesprochen haben.

SRSin Demmer: Ich kann Ihnen zu diesem Thema tatsächlich nichts Neues berichten. Wir haben das hier schon vielfach gesagt.

Zum einen liegt das Verfahren nach den Regelungen über den Europäischen Haftbefehl in den Händen der zuständigen Gerichte und Behörden. Die Bundesregierung ist natürlich immer informiert. Aber die Frage der Einbeziehung des Bundes stellt sich bei diesem Thema nicht.

Was den innerstaatlichen Katalonien-Konflikt anbelangt: Da bleibt es bei der Überzeugung der Bundesregierung, dass dieser Konflikt innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung gelöst werden muss.

Kall: Um auf Ihre zweite Frage zu antworten: Das System des Europäischen Haftbefehls hat sich - jedenfalls aus Sicht der Bundesregierung - bewährt. Es gibt keine Ansätze, daran etwas zu ändern. Im Übrigen ist das umgesetztes europäisches Recht. Der Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl von 2002 ist europäisches Recht in der gesamten Europäischen Union. Insofern könnte er auch nur auf dieser Ebene geändert werden. Aus unserer Sicht besteht dazu kein Anlass.

Frage: Auch wenn das Verfahren in den Händen der Justiz ist, interessiert mich doch - vielleicht vom Außenministerium -, ob es irgendwelche Rückwirkungen dieses ganzen Komplexes auf die deutsch-spanischen Beziehungen gibt. Gibt es irgendwelche Einflüsse, die sich von da aus bewegen?

Kall: Nein, das sehe ich - ehrlich gesagt - nicht. Wir haben hier ja immer wieder betont: Das ist ein justizielles Verfahren. Das ist ein Verfahren, wo Gerichte unmittelbar zusammenarbeiten. Dieses Verfahren wurde auch vor dem Hintergrund geschaffen, dass sich die Justizbehörden der Mitgliedstaaten wechselseitig besonders vertrauen. So wie wir in unsere Gerichte Vertrauen haben, so vertrauen die spanischen Regierungsstellen auch den Gerichten. Der spanische Justizminister hat sich gestern Abend ja auch schon dementsprechend geäußert. Darum kann ich eigentlich nicht erkennen, dass es da irgendwelche Belastungen gäbe.

Vielleicht noch ein Wort zum weiteren Prozess: Unbeschadet dessen, was Frau Demmer gerade schon ausgeführt hat, ist es aus unserer Sicht wichtig, dass die Abgeordneten des Regionalparlaments so schnell wie möglich eine tragfähige Regierung bilden. Denn nur so kann das Gespräch über eine politische Lösung wieder aufgenommen und mit demokratischen Mitteln erreicht werden.

Darum noch einmal: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sich eine künftige Regionalregierung auf dem Boden des Rechtsstaats und der spanischen Verfassung bewegen und eine Lösung gemeinsam mit dem spanischen Zentralstaat gefunden werden muss.

Frage: Frau Demmer, wie hat denn die Kanzlerin gestern die Freilassung auf Kaution von Herrn Puigdemont aufgenommen?

SRSin Demmer: Wie gesagt, ich kann mich da nur wiederholen. Das Verfahren liegt in den Händen der Justiz, und da liegt es gut.

Zusatzfrage : Das war nicht die Frage.

SRSin Demmer: Ja, aber Sie fragen jetzt nach einer Stellungnahme dazu. Diese werden Sie von mir nicht bekommen. Denn es ist ein Verfahren auf Seiten der Justiz.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Das OLG Schleswig hat ja auch auf Grundlage von Dokumenten entschieden. Hat das Auswärtige Amt oder ein anderes Ministerium substanzielles Material zur Einschätzung der Lage und der Vorkommnisse beigesteuert? Wenn ja, welche?

Zweite Frage: Was sich jetzt entschieden hat, läuft ja parallel zu einer früheren Entscheidung in Belgien. Auch damals war zunächst der Europäische Haftbefehl sowohl mit Untreue als auch mit Rebellionsvorwurf begründet worden. Auch die belgische Justiz hat dann den Rebellionsvorwurf zurückgewiesen. Daraufhin wurde der Europäische Haftbefehl ja von den Spaniern zurückgenommen. Steht die Bundesregierung mit der belgischen Regierung im Austausch über die Frage, ob es danach zu politischen Diskussionen zwischen den nationalen Regierungen kam?

Breul: Die erste Frage müsste ich an das BMJV weitergeben, die dafür zuständig sind.

Zur zweiten Frage: Wie gesagt, das ist ein justizielles Verfahren. Wir vertrauen da auf die direkte Kooperation der Justizbehörden. Dementsprechend hat es da von unserer Seite keine begleitenden hochrangigen politischen Gespräche gegeben.

Kall: Was Herr Breul gerade sagte: Direkte Kooperation der Justizbehörden ist genau das Stichwort für den Informationsaustausch. Die Generalstaatsanwaltschaft und gegebenenfalls auch das Oberlandesgericht tauschen sich direkt mit den jeweiligen spanischen Stellen der Justiz aus. Das geschieht entweder ganz direkt oder über Eurojust; das ist das europäische Netzwerk der Justizbehörden. Das erfolgt nicht über die Bundesregierung.

Zusatzfrage: Ich erinnere mich an eine frühere Regierungspressekonferenz nach der Festnahme. Da hieß es, glaube ich, dass gegebenenfalls Materialien und Einschätzungen seitens des Bundesministeriums zugeliefert werden könnten. Darauf zielte meine Frage. Ist das geschehen oder überhaupt nicht?

Kall: Nein, das ist bisher nicht geschehen.

Frage: Ich würde gern das Außenministerium, vielleicht auch Sie, Frau Demmer - möglicherweise gibt es ja noch jemand anderen, der dazu etwas weiß -, zum Thema Skripal befragen. Ist der Bundesregierung bekannt - aus eigenen Quellen oder von Partnern -, dass es in Russland angeblich auch aktuell noch ein Nowitschok-Programm gibt, das am Laufen ist und im Rahmen dessen experimentiert wird?

Teilt die Bundesregierung die Erkenntnisse der britischen Regierung, dass die umfassende Beseitigung von Kampfgiftstoffen aus Sowjetzeiten - in Russland zumindest - nicht vollständig abgearbeitet wurde?

Breul: Zu der ersten Frage kann ich Ihnen leider für unseren Geschäftsbereich nichts sagen.

Zur zweiten Frage: Russland ist Mitglied und Unterzeichner des Chemiewaffenübereinkommens. Daraus ergeben sich die von Ihnen genannten Verpflichtungen. Wenn da jetzt Fragen aufkommen - und die Fragen sind jetzt aufgekommen -, kann ich Ihnen sagen: Auch anhand konkreter Ereignisse erwarten wir eine konstruktive Rolle Russlands bei der Aufklärung, die wir leider bis heute noch nicht feststellen können.

SRSin Demmer: Ich kann nur noch einmal ganz allgemein sagen, dass die Ausweisung der russischen Diplomaten, etwa in der vergangenen Woche, erfolgte, nachdem die russische Seite auf konkrete Fragen unserer britischen Partner konkrete Antworten schuldig geblieben ist. Sie bleibt sie nach wie vor schuldig und hat lediglich mit pauschalen Zurückweisungen und nicht schlüssigen Alternativerklärungsversuchen reagiert.

Das Vorgehen der Bundesregierung ist angesichts des destruktiven Verhaltens Russlands angemessen und, wie Sie wissen, breit im Kreis unserer Partner abgestimmt. Deswegen würde ich gern noch einmal darauf hinweisen, dass wir in diesem Fall ein Muster russischen Verhaltens sehen. Es geht hier um ein Gesamtbild, auf das ich gern noch einmal hinweisen möchte. Es geht konkret um das Vorgehen gegen frühere Agenten im Ausland. Dazu gehören eine Reihe anderer Fälle der Missachtung der internationalen Ordnung, zum Beispiel die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, die Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine und die unbefriedigende Haltung Russlands zum Einsatz von Giftgas durch syrische Truppen im syrischen Bürgerkrieg. Dann kommen diverse, Russland zuzurechnende Cyber-Operationen hinzu. Diese Liste ließe sich fortsetzen.

Frage: Ich würde gern noch einmal zurück zu dem Gift Nowitschok kommen. Der britische Botschafter hat heute Morgen in einem Interview erklärt, es seien die Erkenntnisse der britischen Seite, der britischen Nachrichtendienste, dass es in Russland weiterhin ein solches Geheimprogramm gebe und diese Stoffe nicht vernichtet oder beseitigt würden. Das habe man den Partnern auch so erklärt.

Mich interessiert a), ob die Bundesregierung das zur Kenntnis genommen hat und b), ob die Bundesregierung eigene Erkenntnisse zu einem solchen Geheimprogramm Nowitschok bei den Russen hat. Vielleicht im Verteidigungsministerium? Ich weiß nicht, wo sonst noch solche Informationen anfallen könnten. Denn es handelt sich ja um einen militärisch eingesetzten Stoff.

SRSin Demmer: Da kann ich nur noch einmal sagen: Wir halten diese Ausführungen, die auch der Botschafter heute Morgen im Rundfunk getätigt hat, für äußerst plausibel.

Neumann: Ich kann nur noch einmal betonen, dass Herr Flosdorff an der im Rahmen der Regierungspressekonferenz am 16. März hierzu alles gesagt hat, was das BMVg betrifft. Ich habe zu der Thematik heute keine Ergänzung.

Frage: Frau Demmer, Sie hatten gerade schon wieder konkrete Fragen an die Russen angesprochen. Können Sie uns erläutern, welche das genau sind? Können Sie konkret werden?

Hat die Bundesregierung weiterhin bei der britischen Regierung nachgefragt, ob das Labor, in dem das jetzt untersucht wurde, selbst Nowitschok hergestellt hat oder es besitzt oder ob Nowitschok dieses Labor im Vorfeld verlassen hat?

SRSin Demmer: Zu den Details kann ich Ihnen hier nach wie vor keine Auskunft geben.

Zusatzfrage: Auf alle meine Fragen gerade?

SRSin Demmer: Genau.

Zusatzfrage: Wenn Sie hier von konkreten Fragen sprechen, die es gibt, dann müssen Sie uns doch sagen können, welche das sind.

SRSin Demmer: Genau. Aber nicht alle konkreten Fragen, die die Partner untereinander austauschen, möchten wir hier ausführen.

Frage: Zur Frage der Plausibilität von Positionen: Was sagt es über die Glaubwürdigkeit der britischen Regierung aus, wenn der britische Außenminister zunächst in Interviews erklärt, man habe Beweise dafür, dass das im Skripal-Fall eingesetzte Nowitschok aus einem russischen Labor stamme und identifiziert worden ist und dann später diese Ausführung klammheimlich unauffällig wieder gelöscht wird. Was sagt das über die Glaubwürdigkeit aus?

Die zweite Frage: Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob Nowitschok auch in Labors außerhalb des heutigen Russlands produziert werden kann und dort als Stoff vorliegt?

SRSin Demmer: Ich kann nur noch einmal wiederholen, wie wir das hier schon mehrfach zum Ausdruck gebracht haben, dass wir insgesamt die Auffassung der britischen Regierung teilen, dass es eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine russische Verantwortung gibt. Ich habe Ihnen auch gerade noch einmal detailliert das Gesamtbild dargelegt, was dem zugrunde liegt, und dass es aus unserer Sicht keine andere plausible Erklärung gibt.

Zusatzfrage: Aber welche plausible Erklärung haben Sie dafür, dass der britische Außenminister zunächst sagt "Unsere Wissenschaftler haben die Quelle eindeutig in Russland identifiziert", und ein paar Tage später gilt das dann auf einmal nicht mehr? Was hat das noch mit Plausibilität und belastbarer Glaubwürdigkeit zu tun?

SRSin Demmer: Wie gesagt: Es geht hier um ein Gesamtbild. Das Gesamtbild lässt keine anderen plausiblen Erklärungen zu. Wir können das jetzt endlos fortsetzen. Etwas anderes werden Sie dazu nicht hören.

Zusatzfrage: Die zweite Frage war, ob Sie es für plausibel halten, dass auch andere Labore außerhalb des russischen Zugriffsbereichs oder Einflussbereichs über den Stoff verfügen?

Breul: Ich wollte zu dem ersten Teilaspekt nur einmal sagen: Ich glaube, es ist nicht unsere Aufgabe, hier Medienarbeit fremder Regierungen zu bewerten. Das ändert aber nichts an der Plausibilität. Die britische Argumentation erfolgte anhand verschiedener Erkenntnisse auf dem Stand der Ermittlungen, und die halten wir für schlüssig. Daran hat sich auch durch Medienarbeit nichts geändert.

Vorsitzende Wefers: Jetzt ist noch die zweite Frage zu dem Labor offen.

SRSin Demmer: Wir äußern uns hier ja in Gänze zu der Plausibilität der vorgelegten Hinweise. Zu Details kann ich Ihnen hier keine Auskunft geben.

Zusatzfrage: Mit Verlaub: Es tut mir Leid, dass ich da noch einmal nachhaken muss. Sie sagen, es gibt keine andere plausible Erklärung. Wenn Nowitschok auch in anderen Laboren vorläge, dann könnten Sie doch nicht ausschließen, dass es auch von dort stammen kann. Es würde die alleinige Plausibilität doch in Frage stellen. Deswegen bitte ich Sie sehr - das ist nicht ein einfaches Detail -, mir die Frage zu beantworten: Können Sie ausschließen, dass Nowitschok auch in anderen Laboren außerhalb Russlands vorliegt?

SRSin Demmer: Das ist alles sehr hypothetisch. Sie müssen sich damit zufriedengeben, dass die Einschätzung der Bundesregierung in Gemeinschaft, also breit im Kreise mit den Partnern abgestimmt, auf der Grundlage von Hinweisen und Informationen zustande gekommen ist, die keine andere plausible Erklärung zulässt.

Breul: Wenn ich noch kurz einhaken darf: Ich bin jetzt auch kein Chemiker, der Ihnen genau erklären könnte, an welchen Stoffen man anhand von Referenzwerten von Laboren erkennen kann, was woher kommt. Aber wir haben mehrfach den Punkt unterstrichen, dass die Argumentation nicht lautet "Es war Nowitschok, also war es Russland", sondern die Argumentation lautet: Es war Nowitschok, und wir verfügen über eine ganze Reihe von anderen Erkenntnissen, die wir hier zu Ihrer größten Frustration nicht in aller Gänze ausbreiten können.

In dem Gesamtschluss - nach all dem, was die britischen Partner uns präsentiert haben - kommen wir zu dem Schluss, den wir hier schon ganz oft vorgetragen haben.

Frage: An die Kollegen vom Arbeitsministerium. Das Arbeitsministerium finanziert bis Ende 2018 über 10 Förderplätze und Jobs für Langzeitarbeitslose über das Programm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt". Welche Erwartungen haben Sie an das Programm? Sehen Sie in dem von der Bundesregierung geplanten sozialen Arbeitsmarkt so etwas wie den logischen nächsten Schritt zum nächsten Programm?

Ehrentraut: Sie haben das Programm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt" angesprochen. Das war ein Modellprogramm in der vergangenen Legislaturperiode. Da ging es darum, Langzeitarbeitslose in Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln, die im öffentlichen Interesse lagen, zusätzlich und wettbewerbsneutral sind. Dann gab es noch ein anderes Programm, das ESF-Bundesprogramm zur Integration von langzeitarbeitslosen Personen.

Die Erkenntnisse aus beiden Programmen sind natürlich unter anderem in den sozialen Arbeitsmarkt eingeflossen. Sie wissen, im Koalitionsvertrag gibt es eine Festlegung. Dort wollen wir einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen. Dafür stehen 4 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese 4 Milliarden Euro bieten ein Potenzial für die Förderung von 150 Langzeitarbeitslosen. Kern dieses Regelungsinstruments ist es, Langzeitarbeitslose über Lohnkostenzuschüsse in der freien Wirtschaft bei Wohlfahrtsverbänden oder Kommunen unterzubringen. Der entscheidende Unterschied ist hierbei, dass es sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt, also nicht um wettbewerbsneutrale Beschäftigungen. Unser Ziel ist es, darüber Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen. Also es geht darum, dass Menschen, die viele Jahre arbeitslos sind, erst einmal an den Arbeitsmarkt herangeführt werden und somit wieder einen Schritt in reguläre Beschäftigung kommen. Lohnkostenzuschüsse werden degressiv ausgestaltet sein, also sie werden abschmelzen. Der M inister hat schon einmal seine Erwartungen formuliert. Wir planen mit einem Zeitraum von fünf Jahren. In diesem sollen die Lohnkostenzuschüsse abschmelzen.

Zu Ihrer Frage, ob es ein künstlicher Arbeitsmarkt sei und ob eventuell Beschäftigung verdrängt werden könnte: Diese Befürchtungen teilen wir nicht. Es sind ja sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, in die Langzeitarbeitslose vermittelt werden sollen. Wir teilen aus zwei Gründen die Befürchtungen nicht: Es handelt sich - wie gesagt - um Menschen, die fernab vom Arbeitsmarkt sind. Sie haben multiple Vermittlungshemmnisse und bedürfen eines intensiven Coachings und auch einer intensiven Begleitung. Auch vor dem Hintergrund der ausgesprochen guten Arbeitsmarktsituation und dem hohen Bedarf nach Arbeitskräften ist diese Befürchtung für uns unbegründet.

Zusatzfrage: Verschiedene Politiker warnen bereits vor dem Aufbau eines staatlichen Beschäftigungssektors. Ist das Ihr Ziel beziehungsweise was streben Sie da an?

Ehrentraut: Nein, das wird kein staatlicher Beschäftigungssektor, sondern es sind Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft bei Kommunen und Wohlfahrtsverbänden, also im ersten Arbeitsmarkt. Es sind sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die wir durch Lohnkostenzuschüsse, die degressiv ausgestaltet werden, fördern werden.

Frage: Was unterscheidet das neue Programm von den Lohnkostenzuschüssen, die es bei der BA schon seit vielen Jahren gibt?

Ehrentraut: Das hat der Minister auch in der Vergangenheit schon betont: Nicht alles ist neu. Es sind aber veränderte Situationen, auf die wir reagieren. Es gibt eine sehr gute Arbeitsmarktsituation. Ich hatte es schon gesagt: Die Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitskräften, und wir kommen an einen Personenkreis, an eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit, die es abzubauen gilt. Um diese Menschen in Arbeit zu bringen, bedarf es besonderer Regelungsinstrumente und besonderer Anstrengungen - wie eben den sozialen Arbeitsmarkt, der im Koalitionsvertrag festgelegt worden ist.

Zusatzfrage: Es gab ja auch bisher Ansätze für die Personen mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Die Bilanz ist etwas durchwachsen. Was machen Sie jetzt anders, damit es dieses Mal besser wird?

Ehrentraut: Dieser Einschätzung muss ich widersprechen. Wenn Sie sich das Programm, das ESF-Bundesprogramm, ansehen, das wir in der vergangenen Legislaturperiode durchgeführt haben, werden Sie feststellen, dass wir mehr als 20 Menschen in reguläre Beschäftigung gebracht beziehungsweise gefördert haben. Wir sind da annähernd an unsere Zielmarke herangekommen. Das zeigt auch, dass die Bereitschaft in der Wirtschaft durchaus vorhanden ist, langzeitarbeitslose Menschen in Beschäftigung zu bringen.

Frage: Ich weiß jetzt nicht, ob sich meine Frage an das Wirtschaftsministerium oder an das Verteidigungsministerium richtet. Im Koalitionsvertrag ist ja in recht allgemeiner Form festgelegt, dass in Bezug auf Beschaffung von Rüstungsgütern neue Regeln erwogen, geprüft, was auch immer werden sollen. Nun kennen Sie wahrscheinlich die aktuelle Berichterstattung des "Handelsblatt", in der u. a. nahe gelegt wird, dass beabsichtigt sei, einen quasi nationalen Vorrang für die Beschaffung von Rüstungsgütern festzulegen. Wie weit ist das denn gediehen, und wie geht dieser Prozess jetzt weiter?

Neumann: Ich würde ganz gern Ihre Frage als Gelegenheit nutzen, um Ihnen den geplanten Systemwechsel Rüstung etwas näher zu erläutern. Die letzte Legislaturperiode stand ganz im Zeichen der Modernisierung unseres Rüstungswesens. Denn es ist und war eines klar, dass wir besser und vor allem schneller werden müssen.

In diesem Zusammenhang ist uns in den vergangenen vier Jahren aber auch klar geworden, dass wir an systemische Grenzen stoßen. Wir werden jetzt versuchen, in folgenden drei Bereichen zu untersuchen, wie wir den Rüstungsprozess und das Rüstungswesen modernisieren und beschleunigen können. Es geht hierbei um die Überjährigkeit von Rüstungsprojekten in Bezug auf den Haushalt und es geht um die nationale Auslegung des europäischen Vergaberechts im Bereich von nationalen Schlüsseltechnologien und um die Organisationsstruktur an den bestehenden Standorten.

Wenn Sie die Frage stellen, ob das jetzt das Ende einer europaweiten Ausschreibung ist, dann ist die Antwort klar Nein; denn es geht um die Nutzung von bereits vorhandenen Spielräumen im europäischen Vergaberecht. Es gibt dann auch keinen Automatismus zwischen nationalen Schlüsseltechnologien und der Ausnahme von europaweiter Ausschreibung.

Zusatzfrage: Das heißt, die überlegten Ausnahmen von Artikel 346 beziehen sich nur auf die Schlüsseltechnologien, habe ich das richtig verstanden?

Zweite Frage: Der Aussage, die in dem "Handelsblatt"-Bericht getroffen wird, es gebe quasi eine Renationalisierung, eine Rückkehr zum Vorrang nationaler Industriepolitik, erteilt das Ministerium ausdrücklich eine Absage?

Neumann: Mit Ihrer zweiten Frage würde ich gerne anfangen. Noch einmal: Es geht nicht um die Frage, ob wir nicht mehr oder immer ausschreiben, es geht vielmehr um die Nutzung bereits vorhandener Spielräume.

Zu Ihrer Frage zu Artikel 346 möchte ich gerne betonen, dass die Schlüsseltechnologien im Rahmen des gültigen Vergaberechts nur ein Indikator sind und eben eine Berufung auf diesen Artikel zulassen. Der Artikel 346 findet auch in Zukunft nur dann Anwendung, wenn seine Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Die im Koalitionsvertrag dargestellte Absicht ist nur darauf gerichtet, den rechtlich bestehenden Raum - das möchte ich noch einmal betonen - mehr und häufiger auszunutzen.

Frage: Da Sie gerade schon zweimal die Spielräume erwähnten: Können Sie die einmal erläutern? Wie sehen die denn aus?

Neumann: Vielleicht kann das Wirtschaftsministerium da ergänzen, aber meines Erachtens geht es darum: Wenn wir definieren, dass es entweder um militärische Forderungen oder eben um nationale Schlüsseltechnologien geht, dann lässt das bestehende europäische Vergaberecht zu, die entsprechende Ausschreibung direkt oder national zu vergeben. - Ich übergebe aber gern an den Kollegen.

Jornitz: Ich muss sagen: Ich habe die Normen selber nicht vor den Augen, aber es gibt, wie der Kollege gesagt hat, bestimmte Spielräume nach dem europäischen Vergaberecht, die wir auch eins zu eins im deutschen Recht umgesetzt haben. Von denen kann man eben Ausnahmen treffen, die der Kollege beschrieben hat. An diesem Vorgehen gibt es auch aus Sicht des Vergaberechts nichts zu beanstanden, das kann man schon so machen.

Zusatzfrage: Können Sie einmal ein Beispiel aus der Vergangenheit nennen, bei dem dieser nationale Spielraum genutzt wurde?

Jornitz: Ich kann das nicht, denn wir sind für das Vergaberecht allgemein zuständig. Die Frage, wie Ausschreibungen gemacht werden, ist eine Frage des Einzelfalls, die das zuständige Fachressort treffen muss.

Neumann: Beispiele wären Verschlüsselungstechnologien oder IT-Komponenten.

Frage: Kann man das auf die Formel bringen, dass die europäische Ausschreibung in den vergangenen Jahren zum Standard wurde und dass sie jetzt zur Ausnahme werden soll?

Neumann: Noch einmal: Ich rede hier nicht über die Frage, ob wir nicht mehr oder immer ausschreiben, es geht um die - -

Zusatz: Das war auch nicht die Frage. Die Frage war: Bisher war es Standard, und jetzt ist es die Ausnahme, oder wie?

Neumann: Nein, es geht darum, vorhandene Spielräume in Zukunft besser auszunutzen.

Zusatzfrage: Was bedeutet das eigentlich für bilaterale Kooperationen, zum Beispiel mit Frankreich oder mit den Niederlanden? Werden, wenn es da Beschaffungsvorhaben gibt, die beiden Nationen jeweils ihre nationalen Rüstungsunternehmen vorrangig betrachten, oder wie wird das dann funktionieren?

Neumann: Es geht nicht um vorrangige Betrachtungen - ich kann das nur noch einmal wiederholen. Ich hatte aber auch ausgeführt, dass auch nationale Schlüsseltechnologien nicht automatisch bedeuten, dass man einen europaweiten Ausschreibungsprozess umgeht oder nicht wählt. Es kann auch durchaus sein, dass wir eine definierte nationale Schlüsselfähigkeit oder Technologie in Zusammenarbeit mit einem Partner durchführen oder das jeweilige Projekt auch europaweit ausschreiben.

Frage: Ich habe zwei Fragen zum Thema Antisemitismus.

Zunächst zum Antisemitismusbeauftragten: Wann kommt der, wann wird der benannt? Es gab zuletzt ja verschiedentlich Kritik dazu, dass sich das alles ein bisschen lange hinziehe.

SRSin Demmer: Zeitnah, aber wir halten Sie auf dem Laufenden.

Zusatzfrage: Dann eine zweite Frage: Jüdische Mitbürger haben zunehmend Sorge aufgrund von muslimischem Antisemitismus - manche nennen das sogar importierten Antisemitismus. Was plant die Bundesregierung konkret dagegen zu tun?

SRSin Demmer: Die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten zeigt ja, wie wichtig uns das Thema ist. Der Antisemitismusbeauftragte soll Maßnahmen der Bundesregierung, die jüdisches Leben fördern und den Antisemitismus bekämpfen, ressortübergreifend koordinieren. Darüber hinaus ist er natürlich Ansprechpartner für jüdische Gruppen und gesellschaftliche Organisationen und Vermittler für Antisemitismusbekämpfung durch Bund, Länder und Zivilgesellschaft. Das zeigt, wie relevant das Thema ist - und das in allen Facetten, also natürlich auch in der von Ihnen genannten.

Zusatzfrage: Ist da irgendetwas Konkretes geplant?

SRSin Demmer: Davon kann ich Ihnen nicht berichten.

Frage: Frau Demmer, wie plant die Bundesregierung die steigende Islamophobie und Muslimfeindlichkeit zu bekämpfen?

SRSin Demmer: Es ist insgesamt kein Platz für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in dieser Gesellschaft, und auch da arbeitet die Bundesregierung mit allen ihr möglichen Instrumenten dagegen an.

Zusatzfrage: Wird es einen Islamophobiebeauftragten geben?

SRSin Demmer: Die Beauftragten der Bundesregierung werden beizeiten bekanntgegeben.

Zusatzfrage: Ich habe ja nicht nach einem Namen gefragt. Es wird ja einen Antisemitismusbeauftragten geben; wird es also auch einen Islamophobiebeauftragten geben?

SRSin Demmer: Davon kann ich Ihnen nichts berichten.

Frage: Über die Zunahme eines möglicherweise mit Migranten transportieren Antisemitismus berichtet unter anderem auch Herr Schuster; er berichtet zumindest von einzelnen Phänomenen. Verfügt die Bundesregierung über empirisches Material, ob so etwas tatsächlich nachweisbar signifikant stattfindet? Verfügt die Bundesregierung über entsprechendes Material, das belegt, ob Fremdenfeindlichkeit gegenüber Muslimen in Deutschland signifikant zugenommen hat? Oder reden da alle nur auf der Grundlage von Einzelfällen und Befürchtungen?

SRSin Demmer: Bevor ich an das BMI abgebe, kann ich vielleicht noch einmal in schöneren Worten sagen, dass die Bundesregierung natürlich ein Land der Mitmenschlichkeit ist, das die Menschenwürde jedes Einzelnen achtet. Das ist nicht nur in Artikel 1 unseres Grundgesetzes nachzulesen, sondern täglich gelebte Praxis. Das beweisen Beispiele unzähliger Bürger - auch Ehrenamtlicher und Hauptamtlicher -, die sich in Form von Mitmenschlichkeit engagieren. Zu konkreten Zahlen kann vielleicht das BMI etwas sagen.

Kock: Ich kann das gerne ergänzen.

Zum einen - da muss man ja unterscheiden - handelt es sich dabei um Einstellungsmuster, die zunehmen. Dazu gibt es empirische Sozialforschung. Ich denke, Sie können selber recherchieren, welche Forscher und welche Wissenschaftler da einschlägig sind; das sind auch nicht unendlich viele. Da gibt es auch Panelanalysen, die das über mehrere Jahre hinweg verfolgen, sodass Sie auch Tendenzen und Entwicklungen über mehrere Jahre hinweg nachvollziehen können.

Zum anderen geht es dabei - das ist das, was bei uns vor allen Dingen erfasst wird - um Straftaten. Das ist jetzt auch nichts Neues. Es wird die politisch motivierte Kriminalität erfasst, und zwar über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst zur politisch motivierten Kriminalität. Da gibt es verschiedene Phänomenbereiche, und zwar: rechts, links, ausländische Ideologie und religiöse Ideologie. In diesem Bereich werden auch antisemitische Straftaten erfasst - aber eben Straftaten, keine Vorfälle unter dem Niveau von Straftaten. Die Zahlen dazu für 2016 haben wir auf unserer Homepage veröffentlicht. Die gibt es auch über mehrere Jahre hinweg, nämlich seit 2001, sodass Sie auch da Entwicklungen nachvollziehen können, wenn Sie das möchten. Die Zahlen für 2017 werden Anfang Mai hier in diesem Raum vom Bundesinnenminister vorgestellt werden.

Zusatzfrage: Da sich die Debatte ja doch auch an Fällen festmacht, die unterhalb der Straftatebene sind, zum Beispiel an Schulen usw., spielt das sicherlich mit in die Aufgabe eines Antisemitismusbeauftragten hinein. Wäre es angezeigt, dass sich die Aufgabe entweder bei ihm oder in einer weiteren Position auch mit Fremdenfeindlichkeit an sich befasst, die religions- oder kulturübergreifend ja möglicherweise zunimmt?

Kock: Ich kann zum Antisemitismusbeauftragten insgesamt noch einmal etwas sagen. Die Idee ist ja, dass er in unserem Hause angesiedelt wird. Wie Frau Demmer vorhin ausgeführt hat, fällt in seine Zuständigkeit auch die Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Ressorts. Unserer Meinung nach ist es vielleicht auch eine Frage für das Bildungsressort, für das Bildungsministerium, sich dessen anzunehmen, wenn es um Vorfälle in Schulen geht.

Frage: Frau Kock, angesichts der Aussagen von Herrn Seehofer über den Islam: Ist Ihnen bekannt, ob Herr Seehofer das Judentum für einen Teil Deutschlands hält?

Kock: Ich glaube, Herr Seehofer hat sich zu diesem Punkt ausführlich geäußert.

Zusatzfrage: Was hat er dazu gesagt?

Kock: Das müsste ich Ihnen nachreichen.

Zusatz: Bitte. "Gehört das Judentum zu Deutschland?" ist die Frage.

Frage: Meine Frage richtet sich an das Innenministerium. Es geht um die Neuregelung des Familiennachzuges. Am Mittwoch hat uns Ihr Kollege, Herr Neymanns, eine Erläuterung gegeben. Darin heißt es, die Neuregelung sehe keine Abweichung von den bestehenden Grundsätzen vor - also Ehepartner, Kinder, Eltern - und sehe keinen Ausschluss von subsidiär Schutzberechtigten vor, die Leistungen nach SGB II und XII beziehen. Meine Frage wäre: Was ist denn neu an der Neuregelung und warum gibt es darüber so viele Streitereien zwischen der CSU und SPD? Frau Demmer, wie sieht die Bundeskanzlerin diese Streitereien? Wird das Thema in Meseberg sein?

Kock: Zu den Streitereien - warum sich jemand streitet und wie sich jemand positioniert - müssten Sie bitte die sich Streitenden selber fragen. Neu an dem Gesetzentwurf ist vor allen Dingen, dass Gefährder vom Familiennachzug ausgeschlossen werden.

Zusatzfrage: Das ist der Hauptpunkt?

Kock: Das ist ein wesentlicher Punkt, ja.

SRSin Demmer: Genau. - Ich kann nur sagen. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Familiennachzug zügig zu regeln, damit subsidiär geschützte Flüchtlinge überhaupt wieder die Möglichkeit haben. Das Gesetz befindet sich jetzt in der Ressortabstimmung, und sobald es da ein Ergebnis gibt, verkünden wir hier das Ergebnis.

Zusatzfrage: Wird das in Meseberg auf der Agenda sein?

SRSin Demmer: In Meseberg stehen natürlich alle möglichen Themen - auch aktuelle Themen - auf der Tagesordnung. Ich kann da jetzt den Detailthemen nicht vorgreifen, aber seien Sie versichert: Wir werden da alles Relevante besprechen.

Frage: An das BMI: Es gibt bis heute Verwirrung, auch unter versierten Juristen, was genau in diesem Gesetzentwurf steht. Das betrifft vor allem den Passus betreffend Hartz-IV-Empfängern unter den subsidiär Geschützten. Wie erklären Sie sich diese Verwirrung? Liegt das am Gesetzentwurf selber?

Kock: N ein.

Zusatzfrage: Wie erklären Sie sich das dann?

Kock: Das müssen Sie, wie vorhin schon gesagt, die Betroffenen fragen.

Zusatzfrage: Wer sind denn die Betroffenen?

Kock: Sie kennen ja die Medienlandschaft, Sie wissen, wer sich wie geäußert hat. Wir haben uns - -

Zusatzfrage: Ich spreche nicht vom politischen Streit; ich spreche davon, dass Juristen komplett unterschiedliche Auslegungen dieses Gesetzes anbieten. Ich zitiere die "FAZ" von heute: Man versteht es kaum. Wie kann es sein, dass uns ein Gesetzentwurf vorliegt - in Gänze -, der so schwer verständlich ist, wie erklären Sie sich das im Ministerium?

Kock: Wie ich mir erkläre, warum ein Gesetzentwurf für Sie oder für den einen oder anderen Juristen schwer verständlich ist?

Zusatz: Nicht für mich, ich bin keine Juristin. Ich rede von Fachleuten, ich rede nicht von Journalisten, ich rede nicht von Politikern, ich rede von Fachleuten.

Kock: Der Gesetzentwurf - -

Zusatz: Auch Herr Neymanns hat - -

Vorsitzende Wefers: Das ist jetzt angekommen.

Kock: Der Gesetzentwurf befindet sich in der Ressortabstimmung, und wenn er zu Ende abgestimmt ist - so wie Frau Demmer gesagt hat -, dann können wir uns gerne noch einmal darüber unterhalten.

Zusatzfrage: Na ja, bis dahin ist er ja hoffentlich verständlicher. - Ich habe dann noch eine Anschlussfrage: Wie ist es denn nun, sind Hartz-IV-Empfänger unter den subsidiär Geschützten vom Familiennachzug ausgeschlossen oder sind sie es nicht?

Kock: Nein.

Zusatzfrage: Und sollen sie auch nicht?

Kock: Nein.

Frage: Herr Kolberg, weil Ihr Minister auch Vizekanzler ist, möchte ich Sie fragen: Gibt es zum Thema Familiennachzug nach Auffassung des Vizekanzlers einen Grundsatzkonflikt in der Bundesregierung?

Kolberg: Sie haben es ja gehört: Im Moment läuft die Abstimmung über diesen Gesetzentwurf. Wie immer und wie üblich stimmen wir uns da mit unseren Partnern innerhalb der Regierung ab. Wenn diese Abstimmung beendet ist, dann werden der Gesetzentwurf und die Meinung der Bundesregierung dazu feststehen, und dann werden wir uns dazu äußern.

Frage: Herr Breul, es gibt jetzt seit sieben Jahren keinen Lagebericht zu Syrien. Gibt es denn berechtigte Hoffnung, dass in absehbarer Zeit wieder einer erstellt wird?

Breul: Ich nehme an, Sie meinen den Asyllagebericht? Selbstverständlich gibt es Berichte, in denen wir intern die Lage in Syrien bewerten. Das Auswärtige Amt hat auf Anfrage des Innenministeriums - dieses Thema hatten wir hier, glaube ich, schon im Januar - eine Neubewertung der politischen Situation in Syrien in Aussicht gestellt. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen - das haben wir damals auch schon unterstrichen -, dass wir derzeit keine Botschaft in Damaskus haben und keine Reisen nach Syrien durchführen können, es also sehr herausfordernd ist, verlässliche Erkenntnis aus erster Hand über die Lage im Land zu bekommen.

Zusatzfrage: Was heißt "in Aussicht gestellt", was ist da der Zeithorizont?

Breul: Vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade gesagt habe, ist davon auszugehen, dass es noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Zusatzfrage: Können Sie das irgendwie eingrenzen? Monate, Jahre?

Breul: Ich glaube, von Jahren zu sprechen, wäre übertrieben, aber wie gesagt: Es ist schwierig und die Lage entwickelt sich auch fort - wir hoffen, auf Basis eines politischen Prozesses irgendwann auch zum Besseren. Das wird uns dann natürlich auch ermöglichen, dort wieder anders aktiv zu werden und Erkenntnisse zu gewinnen.

Frage: Zu Syrien und der Türkei: Die Türkei hat diese Woche in Afrin eine Schule wiedereröffnet, mit großer türkischer Beflaggung usw. Die Kinder sollen dort umerzogen werden. Hier ist ja immer wieder ein Thema, ob man das als Besatzung bezeichnen kann. Halten Sie angesichts dieser Nachrichten aus Afrin immer noch nichts davon, von einer Besatzung Afrins durch die Türkei zu sprechen?

Breul: Ehrlich gesagt: Die Berichte über eine Schule mit einer türkischen Fahne usw. höre ich jetzt zum ersten Mal von Ihnen, dazu kann ich keine Stellung nehmen.

Zusatz: Sie müssten davon wissen, ich habe das Auswärtige Amt - -

Breul: Wovon ich Ihrer Ansicht nach alles wissen müsste, will ich wiederum gar nicht wissen. - Ich kann dem gerne einmal nachgehen und kann gucken, ob wir dazu eine Bewertung haben. Im Weiteren habe ich zur Bewertung völkerrechtlicher Natur des türkischen Vorgehens in Afrin heute keinen neuen Sachstand.

Zusatzfrage: Wie lange müssen wir darauf noch warten?

Breul: Wie gesagt, ich habe heute keinen neuen Sachstand.

Frage: Herr Breul, auch Herr Annen, Ihr neuer Staatsminister, hat diese Woche gesagt, dass im Auswärtigen Amt quasi jeden zweiten Tag die Lage in Syrien neu analysiert werde. Können Sie einmal sagen, wie man das macht, wenn man da keine Botschaft vor Ort hat? Wie muss man sich das konkret vorstellen? Steht dann am Ende jedes Tages ein Zweizeiler nach dem Motto "Ja, ist noch Krieg", oder wie tief ist dann diese Analyse?

Breul: Ich nehme doch sehr stark an, dass der Staatsminister da bildlich gesprochen hat. Wir haben keine Checkliste, dass wir jeden zweiten Tag einmal gucken, was da los ist, aber wir haben natürlich ein Referat für Syrien, wir haben Botschaften in den Nachbarländern, wir haben Partnerschaften mit NGOs, wir haben Kontakte zum Internationalen Roten Kreuz, wir haben Kontakte zu unseren Partnern, die zum Teil vor Ort aktiv sind, wir haben Kontakte zu anderen Geschäftsbereichen der Bundesregierung. All diese Informationen fließen natürlich auch bei uns ein, werden analysiert und führen natürlich zu einer laufenden Bewertung der aktuellen Situation in Syrien. Ich unterstreiche aber noch einmal das, was ich vorhin gesagt habe: Aufgrund der Tatsache, dass wir nicht selbst vor Ort sind, dort keine Botschaft haben und keine Reisen dorthin durchführen können, ist das Lagebild natürlich immer unvollständig und äußerst schwer zu gewinnen.

Frage: Eine Lernfrage zur Möglichkeit oder zur Schwierigkeit von völkerrechtlichen Einschätzungen: Ihre Argumentation ist ja, dass Sie sagen, eine völkerrechtliche Bewertung des türkischen Vorgehens in Afrin sei schwierig, weil Deutschland diplomatisch in Syrien nicht vertreten ist. Auf der anderen Seite erfolgen in Bezug auf Ost-Ghuta, das ebenfalls in Syrien liegt und wo die Bewertung eigentlich ähnlich schwierig sein müsste, relativ zügig völkerrechtliche Bewertungen. Wie erklärt sich das? Wie kann man in einem Fall sagen, dass man einen Militäreinsatz in Syrien nicht bewerten könne, weil man nicht vor Ort sei, wenn man gleichzeitig in einem anderen Fall ein paar hundert Kilometer weiter eine solche Bewertung vornehmen kann, obwohl die Ausgangslage dort keine andere sein kann?

Breul: Ich glaube schon, dass sich die Lage vor Ort zwischen Ost-Ghuta und Afrin wesentlich unterscheidet. Sie finden, glaube ich, keinen Syrienexperten, der das bestreiten würde. Zudem kommt natürlich hinzu, dass vor Ort auch unterschiedliche Akteure präsent sind. In Ost-Ghuta gibt es eine sehr hohe Präsenz humanitärer Akteure insbesondere aus dem VN-System, die für uns natürlich verlässliche Quellen sind, was die aktuelle Lage angeht.

Zusatzfrage: Dann habe ich mich missverständlich ausgedrückt: Natürlich unterscheidet sich die konkrete Lage zwischen Afrin und Ost-Ghuta, das wollte ich nicht bestreiten. Ich beziehe mich vielmehr auf Ihre Erkenntnislage. Wenn Sie sagen "Wir können zu Afrin nicht sagen, weil wir in Syrien nicht diplomatisch vertreten sind", dann sagt ich: Wieso können Sie es dann in Ost-Ghuta? Das bedeutet nach dem, was Sie jetzt gesagt haben: Afrin bleibt deswegen unerklärbar, weil Sie dort keine Beobachtungsquellen haben, auf die Sie zurückgreifen können. Steht die Bundesregierung zum Beispiel mit syrischen Kurden in Kontakt?

Breul: Wir stehen mit vielen Seiten in Kontakt. Ich möchte aber sozusagen Ihre Argumentation noch einmal kurz hinterfragen, weil Sie, glaube ich, das, was wir hier sagen, etwas sehr verkürzt dargestellt haben. Wir sagen sowohl mit Blick auf Ost-Ghuta als auch mit Blick auf Afrin: Humanitäres Völkerrecht ist einzuhalten - Punkt. Dass das in Ost-Ghuta in einem vollkommen inakzeptablen Maße nicht geschehen ist, ist offenkundig. Aber auch für Afrin gilt: Humanitäres Völkerrecht ist einzuhalten - Punkt.

Ein Punkt, über den wir mit Ihnen hier ja schon länger Diskussionen führen, ist die völkerrechtliche Einordnung des militärischen Vorgehens der Türkei, das auf dem Selbstverteidigungsrecht rekurriert. Dazu haben wir hier, glaube ich, wiederholt und länglich ausgeführt, warum wir der Meinung sind, dass wir derzeit eine abschließende Bewertung nicht vornehmen können.

Zusatzfrage: Werden Sie es je können?

Breul: Ja.

Zusatzfrage: Wann?

Breul: Wie gesagt, dazu kann ich Ihnen heute nichts Neues mitteilen.

Frage: Sie haben gerade die Frage von dem Kollegen nicht beantwortet, ob es Kontakt zu syrischen Kurden gibt.

Warum betont die Bundesregierung die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, aber nicht die Einhaltung des Kriegsvölkerrechts?

Breul: Ich glaube - ohne selbst Völkerrechtler zu sein -, dass die Verwendung des Begriffspaares, das Sie gerade gewählt haben, nicht scharf ist. Humanitäres Völkerrecht ist ja sozusagen das Recht, das im Kriege angewandt wird. Das andere ist das Recht zum Kriege, also sozusagen das Selbstverteidigungsrecht, auf das sich die Türkei beruft. Auch das haben wir hier schon mehrfach ausgeführt. Natürlich gibt es bei dem humanitären Recht Normen, die besser ausdefiniert sind und leichter zu überprüfen sind, als das vielleicht in anderen Bereichen des Völkerrechts der Fall ist.

Zusatzfrage: Und die syrischen Kurden?

Breul: Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Wie gesagt, wir haben ein Referat für Syrien. Wir haben natürlich auch Generalkonsulate in der Türkei, wo viele Syrer - auch Kurden - Zuflucht gefunden haben, und da werden eine ganze Reihe von Gesprächen geführt. Ich bin mir also sicher, dass die Antwort Ja ist, aber wenn es Sie so genau interessiert, dann frage ich gerne noch einmal nach.

Frage: Nachdem gestern die Meldung herumgegangen ist, dass die Kanzlerin in die USA reist und möglicherweise am 27. April Herrn Trump treffen wird, möchte ich fragen:

Zum Ersten: Ist es für die Bundesregierung wichtig, dass dieses Treffen vor dem ersten Mai stattfinden muss, also bevor möglicherweise die von den USA ausgesprochenen Stahl- und Aluminiumzölle für die EU in Kraft treten, um noch wenige Tage vorher auf diesen Prozess Einfluss möglicherweise nehmen zu können?

Zum Zweiten würde ich vom Bundeswirtschaftsministerium gern erfahren, ob die sich gegenseitig hochschaukelnde Eskalationsskala im Handelsstreit zwischen den USA und China auf die laufenden Verhandlungen, die die Europäer mit den USA führen, irgendwelche Auswirkungen hat und sie vielleicht sogar leichter macht, weil die USA im Moment stärker mit China befasst sind.

SRSin Demmer: Zum konkreten Datum kann ich Ihnen nichts sagen. Tatsächlich gibt es Abstimmungen zu einer möglichen Reise der Bundeskanzlerin in die USA. Sobald sich diese konkretisieren, werden wir Sie zeitnah unterrichten.

Zusatzfrage: Aber dazu die Frage: Ist es für die Bundesregierung wichtig, dass das vor dem ersten Mai erfolgt?

SRSin Demmer: Ich kann Ihnen, wie gesagt, über den Zeitpunkt hier noch keine Auskunft geben. Das tun wir dann, wenn es sich konkretisiert hat, und zwar zeitnah.

Jornitz: Wir haben bereits in den vergangenen Regierungspressekonferenzen gesagt, dass wir beobachten, wie sich die Lage zwischen den USA und China entwickelt, aber diese Maßnahmen natürlich nicht bewerten. Wichtig ist aber eben auch, dass diese Entwicklung zeigt, dass wir gut daran tun, das Zeitfenster des Dialogs, das die EU und die USA jetzt haben, intensiv zu nutzen, um die Spirale hin zu einem Handelskonflikt zu vermeiden. Denn eines ist auch klar: Protektionismus und Handelsbarrieren nutzen langfristig niemandem etwas. Daher brauchen wir einen regelbasierten, freien und gerechten Welthandel. Darum wird es in den Verhandlungen gehen.

Zusatzfrage: Also gibt es keinen Einfluss des Konflikts zwischen den USA und China auf die Verhandlungen der EU mit den USA, oder?

Jornitz: Natürlich gibt es im Welthandel immer Interdependenzen. Aber es gilt das, was ich gerade gesagt habe.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Ab dem kommenden Jahr wird es neue Grenzwerte für die Binnenschifffahrt geben, was die Schadstoffbelastung betrifft. Der Verband der Binnenschifffahrt sagt aber, dass es überhaupt keine Motoren gibt, die dafür sorgen können, dass die Grenzwerte eingehalten werden, beziehungsweise dass diese viel zu teuer sind. Teilen Sie die Einschätzung des Verbandes?

Wie sehen Sie den Stand der Umrüstungen bei Binnenschiffen?

Friedrich: Ich muss ehrlich gestehen, dass ich jetzt passen muss. Das ist ein sehr spezielles Thema. Sie hatten, meine ich, auch eine schriftliche Anfrage an uns gerichtet. Das müssten wir nachreichen.

Zusatz: Ich stelle die Frage hier ja nicht umsonst. Es geht auch darum, dass wir diese Anfrage am Dienstag gestellt haben und dass es bei Ihrem Hause wiederholt vorkommt, dass man gar keine Antworten oder Antworten erst nach Wochen bekommt. Wie Sie wissen, ist dieser Zustand rechtswidrig. Ihre Kollegen geben regelhaft eigentlich immer im Laufe des gleichen Tages Antworten, und zwar zu den komplexesten Sachverhalten - ein Lob dafür an dieser Stelle -, aber es ist auffällig, dass es bei Ihnen und Ihrem Hause permanent vorkommt, dass man keine Antworten bekommt beziehungsweise dass man Antworten erst nach Tagen bekommt.

Friedrich: Ich kann verstehen, dass Sie mit der Situation unglücklich sind. Ich kann mich dafür nur entschuldigen, dass es im Einzelfall dazu gekommen ist und dass Sie jetzt davon betroffen sind. Es ändert aber nichts an der Situation, dass ich zu dem Thema hier in diesem Moment nicht sprechfähig bin. Ich nehme es aber gern mit. Meine Kollegen sehen ja auch, dass dieses Thema in der RegPK angesprochen wird. Das heißt, wir werden uns darum jetzt direkt kümmern.

Aber ich muss auch noch einmal um Verständnis bitten. Die Besetzung aller Positionen auf der leitenden Ebene bei uns im BMVI ist noch nicht abgeschlossen. Das heißt, ich muss sie an dieser Stelle um Verständnis und vielleicht auch um eine Sekunde Geduld bitten. Aber ich werde mich darum kümmern.

Vorsitzende Wefers: Vielen Dank für den Geduldsappell, aber vielleicht können wir es ganz praktisch machen. Bis wann können wir mit einer Antwort rechnen?

Friedrich: Umgehend. Ich gehe davon aus, dass ich das heute Nachmittag übersenden kann. Ich werde mich darum persönlich kümmern.

Haufe: Ich kann vielleicht schon einmal einen ersten Baustein für diese Antwort liefern. Auch die Binnenschifffahrt steht davor, dass sie neue Grenzwerte für die Luftreinhaltung einhalten muss. Diese Diskussion ist der Branche durchaus bekannt. Es gibt auch schon Projekte, bei denen über die Motorenentwicklung gesprochen wurde. Es gibt auch Forschungsprojekte, an denen auch das Bundesverkehrsministerium beteiligt ist und in denen zu emissionsärmeren Motoren geforscht wird. Das ist kein neues Thema für die Branche.

Zusatzfrage: Danke für die Antwort. - Gibt es dabei Hilfen der Bundesregierung auch finanzieller Art?

Haufe: Ja, die gibt es. Es gibt, wie gesagt, Forschungsprojekte, die sich genau dieser Thematik widmen. Die Branche ist dabei also durchaus einbezogen.

Zusatzfrage: Zahlen Sie so etwas wie eine Abwrackprämie für alte Binnenschiffe?

Haufe: Ich denke, das steht nicht zur Diskussion.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt und das Innenministerium: Ende März sind sechs türkischstämmige Lehrer aus dem Kosovo in einer geheimen Aktion in die Türkei gebracht worden, um sie als Gülen-Anhänger zu verfolgen. Die türkische Regierung sprach deshalb davon, dass der türkische Geheimdienst MIT bisher Gülen-Anhänger in 18 Ländern - ich zitiere - eingepackt und in die Türkei gebracht habe.

Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung und ihre Ministerien, ob zu diesen 18 Ländern auch Deutschland gehört, und wie bewerten Sie diese Praxis?

Breul: Ich kann mit dem Kosovo anfangen. Das hat für einige Wellen gesorgt, sogar, wie ich meine, zum Rücktritt von Ministern im Kosovo, weil es dort sozusagen unterschiedliche Auffassungen darüber gab, was dort stattgefunden hat. Teilweise war von einer Auslieferung die Rede, teilweise von einer Entführung. Das kann ich von hier aus beim besten Willen nicht weiter kommentieren. Ich würde Sie bitten, dazu beim Kosovo oder bei der Türkei selbst nachzufragen.

Was die Praxis in Deutschland angeht, würde ich gern an das BMI abgeben.

Kock: Ich kann das gern ergänzen. Uns liegen keine entsprechenden Erkenntnisse, Deutschland betreffend, vor.

Zusatzfrage: Welche anderen Aktivitäten des MIT in der Sache der Verfolgung von Gülen-Anhängern in Deutschland sind der Bundesregierung bekannt? Wenn sie nicht verschleppen, was tun sie dann hier? Was wissen Sie dazu?

Kock: Das können Sie sehr gern im Verfassungsschutzbericht bereits für das Jahr 2016 nachlesen. Darin ist eine ganze Seite auch zu diesen Bestrebungen.

Zusatz: Es ist ja schon einige Zeit vergangen. Gibt es neue Erkenntnisse?

Kock: Dann müssen Sie sich ein wenig gedulden. Über derartige Erkenntnisse - auch das wissen Sie - berichten wir den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages.

Frage: Wie sehen Sie jetzt die Sicherheitslage regierungskritischer Journalisten aus der Türkei, die hier in Deutschland leben?

Kock: Das ist ja kein neues Thema. Dieses Thema haben wir immer wieder auch hier an dieser Stelle diskutiert. Ich denke, es hat stark zugenommen seit dem Putschversuch in der Türkei und auch der Flucht vieler Menschen. Wir haben uns hier auch schon ausführlich zum Thema Asyl geäußert, das türkischen Flüchtlingen hier in Deutschland gewährt wurde.

Grundsätzlich sind die deutschen Sicherheitsbehörden für den Schutz aller hier lebenden Menschen zuständig. Sie nehmen das sehr ernst und setzen sich dafür ein.

Zusatzfrage: Hat sich auch im Lichte dieser neuen Erkenntnisse - Stichworte "Kosovo" und "80 Fälle insgesamt" - aus Ihrer Sicht keine neue Erkenntnis ergeben?

Kock: Es gibt keine Veränderung der Bedrohungslage.

Frage: Ich möchte zum Thema Israel kommen, zuerst zum Thema des UNHCR-Deals von Herrn Netanjahu. Er hatte ja, nachdem er den Deal verkündet und bevor er ihn endgültig abgeblasen hatte, behauptet, dass ein Teil der Menschen auch nach Deutschland kommen würde. Die Bundesregierung hat dementiert, dass es dazu irgendwelche Kontakte gab.

Gab es seitdem bilaterale Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Israelis darüber, wie es zu solch einem, gelinde gesagt, Missverständnis kommen konnte?

Breul: Zum UNHCR und zu den Fragen des Resettlements müsste ich an das BMI weitergeben.

Das Büro des Premierministers hat noch am Montagabend die Klarstellung vorgenommen - das ist in den deutschen Medien etwas weniger wahrgenommen worden -, dass die Länder, die der Premierminister nannte, beispielhaft genannt wurden. Aus unserer Sicht gab es danach keinen weiteren Redebedarf.

Kock: Ich müsste das nachreichen. Ich habe es nicht dabei.

Zusatzfrage: Angesichts einer heute wieder zu erwartenden Eskalation am Gazastreifen würde mich interessieren, ob es diese Woche bilaterale Kontakte bezüglich des israelischen Einsatzes von scharfer Munition im Gazastreifen gab. Hat die Bundesregierung die Israelis zum Beispiel wie die UN und andere Organisationen dazu aufgefordert, das zu unterlassen?

Breul: Ich kann dazu gern noch einmal Stellung nehmen. Wir verfolgen auch die Ereignisse in Gaza sehr aufmerksam und mit Sorge. Gerade laufen die ersten Meldungen ein, dass wieder Demonstrationen stattfinden und dass sie vonseiten des israelischen Militärs aufgelöst werden.

Wir rufen alle Beteiligten dazu auf, zu einer Deeskalation vor Ort beizutragen. Natürlich gibt es das Recht auf Meinungsäußerung und friedlichen Protest. Dieses Recht darf aber nicht missbraucht werden. Wir erwarten von denjenigen, die im Gazastreifen Sicherheitskontrolle ausüben, dafür zu sorgen, dass die Grenzen nicht verletzt werden, wie es in der vergangenen Woche zum Teil geschehen ist.

Dazu gehört natürlich auch, dass alle Maßnahmen zur Verteidigung von Israels Sicherheitsinteressen, also insbesondere zum Schutz der Grenze, verhältnismäßig sein müssen. Demonstranten dürfen nicht beschossen werden. Ich sage das so klar, weil uns glaubhafte Berichte über eine hohe Zahl an Verletzten in Krankenhäusern von Gaza vorliegen, die am vergangenen Freitag Schussverletzungen an den Extremitäten erlitten haben. Die große Anzahl an Schussverletzten lässt sich kaum mit einer maßvollen Anwendung des Rechts auf Selbstverteidigung in Einklang bringen. Wir erwarten - das habe ich hier schon am Mittwoch unterstrichen -, dass diese Vorfälle aufgeklärt werden.

Frage: Unterstützt die Bundesregierung die Initiative von Frau Mogherini, die eine unabhängige Untersuchung des Gebrauchs scharfer Schusswaffenmunition und der damit verbundenen Tötungen fordert? Es gibt Bilddokumente, die zeigen, dass Menschen von den Scharfschützen in den Rücken geschossen wurde. Das tut man ja nicht, wenn man einen Angriff abwehrt.

Breul: Wir haben auch die Berichte über eine hohe Zahl von Schussverletzungen an den Extremitäten gesehen. Wenn diese Berichte zutreffen, dann ergibt sich ein Bild von gezielten Schüssen, das vor allem in Kombination mit der großen Zahl der Verletzten nicht ohne Weiteres mit dem Grundsatz einer gezielten und maßvollen Anwendung in Einklang zu bringen ist.

Was die Verhältnismäßigkeit angeht, so liegt es zunächst einmal in Verantwortung der zuständigen israelischen Behörden, die erforderlichen Fakten aufzuarbeiten.

Zusatz: Die Frage war: Unterstützen Sie die Mogherini-Initiative, und halten Sie den Einsatz von scharfer Munition - es sind bislang eben 22 Tote; das sind nicht nur Verletzungen an Extremitäten - generell für verhältnismäßig?

Breul: Dazu habe ich mich gerade geäußert: Wir sehen das mit großer Sorge, und wir sehen die Verhältnismäßigkeit durch die hohe Anzahl der Opfer - der Toten und der Verletzten; das wollte ich nicht unter den Tisch fallen lassen - in Zweifel gezogen. Wir sind der Meinung, dass jetzt zunächst die israelischen Behörden aufgerufen sind, diese Fakten aufzuarbeiten und aufzuklären.

Frage: War die Forderung der EU-Beauftragten Mogherini nicht mit der Bundesregierung abgestimmt? Sie fordern ja zwei verschiedene Dinge.

Breul: Nein, ich denke nicht, dass das zwei unterschiedliche Dinge sind. Im Übrigen kann sich die Hohe Vertreterin zu internationalen Entwicklungen äußern und braucht nicht die Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten für jeden Punkt und jedes Komma.

Zusatz: Frau Mogherini fordert eine unabhängige Untersuchung, und Sie fordern, dass die Israelis selbst das aufklären.

Breul: Wir fordern Aufklärung, beide.

Zusatzfrage : Von wem?

Breul: Das habe ich schon gesagt.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium zum Stichwort "Afghanistan": Am Mittwoch war der Luftangriff bei Kundus durch die afghanischen Streitkräfte hier schon Thema. Nun hat das 209. Korps der afghanischen Armee bekanntgegeben, dass dort pakistanische Militärberater aufseiten der Taliban ums Leben gekommen seien. - Jetzt schauen Sie so, als hätten Sie davon noch nie gehört.

Da die Bundeswehr in der Beratung "Train, Advise, Assist" genau dieses 209. Korps engagiert ist: Kommt so etwas auch bei der Bundeswehr an? Haben Sie eine Bewertung? Oder werden die Trainer darüber nicht informiert?

Neumann: Diese Information müsste ich Ihnen nachreichen. In der Tat überraschen Sie mich mit dieser Frage. Ich habe keine Kenntnis über den Vorgang, den Sie gerade beschrieben haben. Das müsste ich gegebenenfalls nachreichen.

Kock (zur Vereinbarung zwischen Israel und dem UNHCR zur Umsiedlung von Flüchtlingen): Sie wollten Zahlen. Was genau wollten Sie zum Thema UNHCR und Resettlement wissen? Ich habe jetzt die Unterlagen dazu gefunden.

Frage: Ich wollte keine Zahlen haben. Es ging darum, dass Netanjahu behauptet hat, dass der UNHCR-Deal, dass Menschen aus Israel nach Deutschland kommen würden, mit Deutschland abgesprochen gewesen sei.

Kock: Dazu kann ich Ihnen sagen, dass das dem BMI nicht bekannt war.

SRSin Demmer: Es gab dazu keine Anfragen.

Freitag, 6. April 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 6. April 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/04/2018-04-06-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
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Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2018

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