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PRESSEKONFERENZ/1729: Regierungspressekonferenz vom 20. August 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 20. August 2018
Regierungspressekonferenz vom 20. August 2018

Themen: Aufhebung der Ausreisesperre von Mesale Tolu, wirtschaftliche Lage der Türkei, Sterbehilfe, Einsatz von sogenannten Staatstrojanern, E-Sport, 50. Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings, mögliche Besuche des tschechischen Ministerpräsidenten sowie des tschechischen Staatspräsidenten in Deutschland, Treffen der Kanzlerin mit dem russischen Präsidenten/Syrienkonflikt, Überprüfung des Zustands deutscher Brücken, Forderung des Bundesfinanzministers einer Rentengarantie bis 2040, mögliche UN-Mission in der Ukraine, Gaspipeline Nord Stream 2, AnKER-Zentren, Prüfung positiver Asylbescheide, deutscher Leistungsbilanzüberschuss, Diskussion um "Spurwechsel" vom Asyl- ins Einwanderungsrecht für Asylbewerber, geplante Rücknahmeabkommen mit Griechenland und Italien, Forderung des italienischen Außenministers nach EU-Unterstützung für die Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtlingen

Sprecher: StS Seibert, Hebestreit (BMF), Breul (AA), Einhorn (BMWi), Ewald (BMG), Malachowski (BMJV), Petermann (BMI), Friedrich (BMVI), Ehrentraut (BMAS)


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert und auch an das Auswärtige Amt zu Mesale Tolu im Zusammenhang mit der Aufhebung der Ausreisesperre: Wie beurteilen Sie diesen Schritt der Türkei, Ankaras? Ist das ein weiterer Schritt in Richtung Deutschland und EU?

Im Zusammenhang mit den Wirtschaftsproblemen der Türkei: Was kann Deutschland konkret tun, um den wichtigen Partner Türkei zu stützen?

StS Seibert: Das sind zwei unterschiedliche Fragen.

Zunächst einmal: Wir begrüßen natürlich, dass Frau Tolu die Ausreise aus der Türkei genehmigt worden ist.

Das andere Thema: Wir haben ja in der vergangenen Woche schon mehrfach und durch mehrere Ministerien das deutsche Interesse an einer wirtschaftlichen Stabilität der Türkei geäußert. Die Frage nach deutschen Hilfen für die Türkei, die jetzt am Wochenende hochkam, stellt sich für die Bundesregierung aktuell nicht.

Zusatzfrage: Das betrifft sicher Finanzhilfen. Aber kann man vielleicht auf dem wirtschaftlichen Sektor etwas tun? Wie beurteilen Sie - vielleicht können Sie das kurz zusammenfassen - die Entwicklungen, den weiteren Schritt Ankaras und Erdogans - auch unter dem Druck von Trump - auf die EU, Europa und Deutschland zu? Ist das eine Änderung in der strategischen Ausrichtung der Türkei? Oder sehen Sie das überhaupt nicht? Bedeutet das auch etwas für die Bundeskanzlerin?

StS Seibert: Das waren wiederum verschiedene Fragen.

Die Bundeskanzlerin hatte ja in der vergangenen Woche mit Präsident Erdogan telefoniert. Dabei sind die beiden übereingekommen, dass es vor Präsident Erdogans Besuch in Deutschland noch Kontakte und Gespräche zwischen den jeweiligen Finanz- und Wirtschaftsministern geben soll. Es können Ihnen sicherlich die Kollegen aus den beiden Ressorts sagen, ob es da schon Termine gibt.

Die andere Frage ist ja eine sehr grundsätzliche politische Bewertung, die ich hier nicht vornehmen will. Ich kann für die Bundesregierung sagen: Wir haben wiederholt und immer wieder unser Interesse an guten Beziehungen zur Türkei zum Ausdruck gebracht. Daran werden wir auch konstruktiv arbeiten, vor allem jetzt im Vorfeld des anstehenden Besuchs. Deswegen gibt es ja auch die Treffen der beiden Minister.

Zusatzfrage: Wie steht denn die Bundesregierung zu Finanzhilfen durch den IWF für die Türkei?

An Sie, Herr Seibert, und auch an Herrn Hebestreit die Frage: Es gab die Meldung im "Spiegel", dass Ihr Minister die türkische Seite gedrängt haben soll, ein solches Programm zu akzeptieren. Können Sie das bestätigen? Können Sie mehr zur Position Ihres Ministers sagen?

StS Seibert: Für die Bundesregierung kann ich sagen - aber das wird Sie nicht überraschen -: Es ist Sache eines jeden Staates, ob er einen Antrag beim IWF auf ein mögliches Programm stellt. Dann entscheiden die IWF-Mitgliedstaaten über so einen Antrag.

Darüber hinaus kann ich Ihnen für die Bundesregierung dazu nichts sagen.

Hebestreit: Dann kann ich ergänzen.

Das Thema IWF hat im Telefonat zwischen Herrn Albayrak und Herrn Scholz am vergangenen Donnerstag keinerlei Rolle gespielt. Insofern ist auch die Meldung an der Stelle für mich nicht nachvollziehbar.

Bestätigen kann ich, dass am 21. September - das ist ein Freitag - Herr Albayrak nach Deutschland kommen wird - begleitet wird er meines Wissens vom Transportminister und vom Handelsminister - und gemeinsam mit Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hier in Vorbereitung auf den Staatsbesuch eine Woche später Gespräche führen wird.

Zusatzfrage: Wie steht denn Herr Scholz, der Vizekanzler, zu dem Thema finanzielle Hilfe für die Türkei? Das hat immerhin seine Parteikollegin, Andrea Nahles, ins Gespräch gebracht.

Hebestreit: Ich glaube, die Position der Bundesregierung hat der Regierungssprecher hier umfassend dargelegt.

Breul: Ich bin offensichtlich heute Morgen noch viel zu langsam. Ich wollte eigentlich auf die Frage von dem Kollegen ganz am Anfang noch etwas antworten und kam nicht dazwischen.

Ich wollte nur das ergänzen, was Herr Seibert gesagt hat. Natürlich freuen wir uns für Frau Tolu. Aber es gibt ja noch eine Reihe von anderen Haftfällen, die wir nicht aus den Augen verlieren werden, nur weil es in einem Fall positive Nachrichten gibt.

Ich wollte noch ergänzen - bei aller Zurückhaltung über Informationen zu weiteren Details -, dass die Gerichtsentscheidung, die die Ausreisesperre für Frau Tolu aufgehoben hat, schon einige Wochen zurückliegt und nicht im Zusammenhang mit jüngsten Entwicklungen steht.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert und auch an Herrn Hebestreit.

Die erste Frage an Herrn Seibert. Ich habe leider die Positionen noch nicht verstanden. Wieso stellt sich die Frage nach wirtschaftlichen Hilfen nicht? Wenn Sie das mit "aktuell" ergänzt haben, dann würde ich mich dafür interessieren, was das bedeutet, ob man gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt darüber sprechen möchte.

An Herrn Hebestreit die Frage: Wenn sich die beiden deutschen Minister mit den beiden türkischen Ministern treffen, worüber will man dann dort sprechen? Mit welchen Interessen geht man von deutscher Seite dort hinein?

Eine Frage zur Position von Herrn Scholz: Ist Herr Scholz ebenfalls der Auffassung wie die SPD-Vorsitzende, dass die Deutschen wirtschaftlich helfen müssen?

StS Seibert: Die Frage stellt sich für die Bundesregierung aktuell nicht, weil wir das aktuell nicht verfolgen.

Zusatzfrage: Was bedeutet aktuell?

StS Seibert: Jetzt und den Zeitraum, den ich absehen kann. Ich kann ja hier nie Ewigkeitsaussagen machen, außer bei ganz wenigen sehr grundsätzlichen Themen. Aber das ist nicht unser Fokus und auch nicht der Fokus der Gespräche mit den türkischen Ministern.

Hebestreit: Grob überschlagen sind es noch 32 Tage bis zum Treffen. Bis dahin werde ich mich schlau gemacht haben, mit welcher Erwartung wir in diese Gespräche gehen und es Ihnen rechtzeitig mitteilen.

Zum Thema, was Herr Scholz von den Vorschlägen hält: Herr Scholz und Frau Nahles sind beide, genauso wie die Bundesregierung, der Auffassung, dass man großes Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei hat.

Frage: Herr Hebestreit, ich versuche es noch einmal. War denn der Vorstoß von Frau Nahles jetzt mit Herrn Scholz abgesprochen? Denn er wäre dann ja mit Sicherheit an so einer Finanzhilfe für die Türkei in irgendeiner Form beteiligt.

Was Sie vorher zu dem Telefonat gesagt hatten: Ist das denn ein Dementi der "Spiegel"-Geschichte? Sie sagten, Sie fänden das befremdlich. Heißt das also: Es ist falsch, dass da der IWF Thema war?

Hebestreit: Ich glaube, ich war relativ klar, dass der IWF in diesem Telefonat keine Rolle gespielt hat.

Zusatzfrage : Und Frau Nahles und Herr Scholz? Haben Sie sich abgesprochen oder nicht?

Hebestreit: Ich glaube, ich habe auch da relativ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Frau Nahles und Herr Scholz einer Meinung sind, dass es ein großes Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei gibt.

Frage: Hat die Bundesregierung denn den Willen, dieses Thema Hilfen für die Türkei auf europäischer Ebene ins Gespräch zu bringen? Denn das ist ja vielleicht nicht nur ein bilaterales.

Hebestreit: Ich glaube, wenn man die Äußerungen der Bundeskanzlerin, des Vizekanzlers und vieler anderer Minister zu dem Thema sieht, dass Deutschland Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei hat, muss man jetzt in Gesprächen klären, wie man dazu beitragen kann.

Frage: Herr Seibert, mir geht es wie der Kollegin, dass ich nach Ihrer Aussage noch ein paar Fragezeichen in Bezug auf den Terminus Wirtschaft habe, die Frage von Hilfe stelle sich im Moment nicht. Was beziehen Sie da ein? Wir reden hier über Finanzhilfen. Aber bezieht diese Aussage auch jedwede Vertiefung wirtschaftlicher Kooperation ein? Ich denke da an die Aussagen, die aus dem Wirtschaftsministerium von Herrn Altmaier in den vergangenen Tagen kamen. Widersprechen Sie also Herrn Altmaier, oder ist das eine Aussage von Ihnen, die sich ausschließlich auf die Finanzhilfen konzentriert?

Zweite Frage an Sie und Herrn Hebestreit: Hat es denn aus der türkischen Regierung irgendeine Anfrage in den vergangenen Wochen abseits von Finanzhilfen gegeben, also Bitten, die ein bisschen konkreter sind - in Bezug auf eine Vertiefung wirtschaftlicher Kooperation usw.?

StS Seibert: Ich kann es noch einmal in anderen Worten versuchen. Unser Interesse ist, dass die Türkei ein stabiles und ein prosperierendes Land ist. Dazu tragen gute wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei bei, und daran arbeiten wir wie gewohnt.

Hebestreit: Stimmt.

Zusatzfrage: Die zweite Frage bezog sich auf mögliche Anfragen, Bitten aus der türkischen Regierung.

StS Seibert: Darüber kann ich Ihnen keine Angaben machen.

Frage: Noch eine Frage zum Thema Hilfen. Es gibt die Äußerung des Tourismusbeauftragten der Bundesregierung, der dafür warb, in der Türkei Urlaub zu machen. Ich wollte gern wissen, ob das die Position der Bundesregierung ist. Werben Sie dafür, dass man in der Türkei Urlaub macht, auch vielleicht in dem Sinne, dass das der türkischen Wirtschaft hilft?

Und noch einmal eine Frage speziell an das AA gerichtet: Inwiefern ist es für deutsche Bürger riskant, in der Türkei Urlaub zu machen?

StS Seibert: Als Bundesregierung werben wir nicht für einzelne Urlaubsziele.

Zuruf: Bis auf Deutschland.

StS Seibert: Bis auf Deutschland, und das aus voller Überzeugung.

Zusatzfrage: Wie ist dann die Äußerung von Herrn Bareiß zu verstehen? Als private Einzelmeinung?

StS Seibert: Mir liegt diese Äußerung jetzt im Einzelnen nicht vor. Aber Sie haben doch noch nie gehört, dass wir als Bundesregierung den Bürgern zurufen: Macht Urlaub hier oder macht Urlaub dort! - Ich glaube, das ist auch nicht unsere Rolle.

Einhorn: Herr Bareiß, der im Wirtschaftsministerium Staatssekretär ist, hat nicht für die Türkei geworben, sondern nur gesagt: Es gibt keinen Grund, nicht dorthin zu fahren.

Die Tourismusbranche ist eine wichtige Branche in der Türkei. Insofern gibt es auch keinen Grund dafür, so etwas nicht zu sagen. Ein paar Tage vorher hat er übrigens tatsächlich für Deutschland und explizit für Baden-Württemberg als Urlaubsziel geworben. Insofern war das einfach eine Äußerung angesichts des schönen Sommers, wo es ja um Urlaub ging.

Breul: Bezüglich Ihrer Frage an das Auswärtige Amt möchte ich Sie einfach auf die Reise- und Sicherheitshinweise verweisen, die wir laufend aktuell halten und in denen auch Informationen zu einzelnen Orten enthalten sind. Da finden alle, die Interesse daran haben, in der Türkei Urlaub zu machen, die Informationen, die wir zur Verfügung stellen können.

Grundsätzlich gilt aber: Das Urlaubsziel wählt jeder frei. Wir stellen Informationen zur Verfügung, nicht mehr und nicht weniger.

Zusatzfrage: Das ist mir bekannt mit den Reise- und Sicherheitshinweisen. Wären Sie so freundlich, das noch einmal kurz in einen Satz zu gießen? Wie sicher ist die Türkei gerade als Urlaubsziel?

Breul: Das kann ich Ihnen nicht in einen Satz gießen. Ich wüsste jetzt nicht aus dem Stegreif, wie viele Seiten die Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei umfassen, wie für andere Länder auch. Darum würde ich darauf verweisen, sie zu lesen.

Frage: Herr Seibert, Herr Hebestreit, ich bitte um Verzeihung, aber ich habe es immer noch nicht verstanden. Sie sagen, Herr Seibert: Was wirtschaftliche Hilfen betrifft, sind sie nicht im Fokus. Die Bundesregierung verfolgt sie nicht. - Herr Hebestreit sagt: Wir sind an einer wirtschaftlich stabilen Türkei interessiert. Wie man dabei helfen kann, muss jetzt geklärt werden.

Also klärt ganz offensichtlich doch irgendjemand etwas, und man hat Vorstellungen? Vielleicht könnte das aufgeklärt werden. Vielleicht können Herr Hebestreit oder auch Frau Einhorn einen Satz dazu sagen. Wie könnte denn Deutschland dabei helfen, eine wirtschaftlich und prosperierende Türkei zu erhalten, zu schaffen?

Einhorn: Wie gesagt - Herr Hebestreit hatte schon darauf hingewiesen -, das Gespräch zwischen den türkischen Ministern und ihren deutschen Counterparts wird erst in einigen Wochen stattfinden. Es ist jetzt einfach zu früh, schon konkrete mögliche Instrumente oder so aufzuzählen, die jetzt noch gar nicht im Raum stehen.

Zusatzfrage: Man verschließt sich dem aber nicht?

Einhorn: Ich kann nicht sagen, ob wir uns etwas verschließen, was noch nicht auf dem Tisch liegt. Das ist einfach aktuell noch nicht Gegenstand der Gespräche.

Die wirtschaftlichen Beziehungen der Türkei laufen. Sie laufen mit den bekannten Instrumenten, die wir haben. Das ist eine ganz breite Palette im Wirtschaftsministerium, um Außenwirtschaft zu fördern, um Handel zu fördern. Das ist das, was wir derzeit schon tun.

Hebestreit: Ich glaube, das kann ich nur bestätigen. Wir sind am Anfang von Gesprächen. Wie diese Gespräche ablaufen werden, was sie beinhalten und nicht beinhalten werden, das muss sich auf der Strecke zeigen. Am Ende werden wir Ihnen - wie es die schöne Praxis ist - mitteilen, was herausgekommen ist.

Sirleschtov: Herzlichen Dank.

Hebestreit: Gern.

Frage: Entschuldigung, noch eine kurze Frage an das AA zu Frau Tolu. Sie sagten, die Gerichtsentscheidung liege bereits einige Wochen zurück. Wieso ist das erst jetzt bekannt geworden? Haben Sie dazu Erkenntnisse? Gibt es irgendwelche Neuigkeiten zu den anderen Deutschen, die noch in der Türkei in Haft sitzen?

Breul: Zur zweiten Frage kann ich sagen: Nein. Es gibt keine neuen Erkenntnisse im Vergleich zu dem, was ich hier das letzte Mal vorgetragen habe.

Zu dem Bekanntwerden des Datums: Wie Sie wissen, richten wir uns immer nach dem Wunsch der Betroffenen. In diesem Fall bestand ein Wunsch, über diese Entscheidung zunächst nicht zu informieren. Das erklärt sozusagen die Verzögerung.

Zusatzfrage: Ist Ihnen ein Grund für den Wunsch bekannt? Können Sie ihn uns nennen?

Breul: Das kann ich Ihnen nicht nennen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium zum Thema Sterbehilfe. Das BMG hat ja im Juni, wenn ich es richtig weiß, das Bundesinstitut für Arzneimittel angewiesen, dass grundsätzlich keine Sterbehilfemedikamente ausgegeben werden dürfen. Können Sie mir bitte noch einmal erklären, wie das zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom vergangenen Jahr passt, nach der genau diese Abgabe in extremen Ausnahmefällen möglich sein sollte. Wie passt das für Sie rechtlich zusammen?

Die zweite Frage: Es gibt ja 108 Anträge - ich weiß nicht, ob Sie die Zahl bestätigen können; das war heute im "Tagesspiegel" zu lesen -, die bislang gestellt wurden. Sind sie überhaupt geprüft worden oder werden sie dann pauschal abgelehnt?

Ewald: Sie haben das noch einmal richtig dargestellt. Es gibt ein Brief unseres Staatssekretärs datiert von Ende Juni, in dem er noch einmal ganz klar gesagt hat - das ist sozusagen das Ergebnis einer intensiven Diskussion, auch bei uns im Hause, gewesen -, dass es nicht Aufgabe des Staates sein kann, Selbsttötungshandlungen durch die behördliche verwaltungsmäßige Erteilung von Erlaubnissen aktiv zu unterstützen.

In dem Brief haben wir das sozusagen argumentativ hinterlegt. Wir haben gesagt, dass das geltende Betäubungsmittelrecht keine Selbsttötung als Therapie kennt, als Ziel der Rechtslage.

Wir haben auch darauf hingewiesen - das muss man sich, glaube ich, bei der Diskussion auch immer vergegenwärtigen -, dass nach einer intensiven parlamentarischen Debatte in 2015 zum Thema Sterbehilfe eine Neufassung des 217 Strafgesetzbuch etabliert worden ist, der jegliche Form der organisierten Sterbehilfe ausschließt.

Es ist ja das BfArM, das ein Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters di Fabio auf den Weg gebracht hat. Er hat dort sozusagen unsere Position bestätigt und kommt auch zu dem Schluss - ich lese das einmal vor -:

"Angesichts der grundlegenden und weitreichenden, insbesondere verfassungsrechtlichen Fragen in diesem Zusammenhang kann und darf nach unserer Überzeugung durch eine deutsche Verwaltungsbehörde auf Bundesebene keine staatliche Entscheidung dahingehend getroffen werden, die Tötung eines Menschen durch Erteilung einer Erlaubnis [...] aktiv zu unterstützen."

Das ist sozusagen momentan der Sachstand. Das BfArM hat sich so verhalten, dass es auch dieses Schreiben zum Anlass nehmen wird, entsprechende Anträge momentan nicht zu bescheiden.

Zum Antragsaufkommen und zu der aktuellen Zahl müssen Sie bitte direkt beim BfArM den aktuellen Stand erfragen.

Zusatzfrage: Eine Zusatzfrage an das Justizministerium: Sie beraten ja, glaube ich, auch andere Häuser. Das, was Herr Ewald jetzt erklärt hat, ist sozusagen die Position. Aber sie widerspricht dem, was ein Gericht entschieden hat, das Verwaltungsgericht nämlich. Ist das für Sie hinnehmbar, dass ein Gerichtsurteil durch ein Ministerium dann nicht umgesetzt wird?

Malachowski: Zu diesem konkreten Sachverhalt kann ich Ihnen leider nichts sagen. Da müsste ich mich noch einmal rückversichern.

Soweit ich weiß, gibt es die Möglichkeit der Nichtanwendungserlasse. Aber wie das jetzt hier in diesem Fall, diesem Urteil, ist, das weiß ich leider nicht. Ich kann da wirklich nichts zu dem ergänzen, was der Kollege eben gesagt hat.

Frage: Meine Frage geht auch an das Bundesjustizministerium und betrifft die sogenannten Staatstrojaner. Ich würde gern wissen, wie intensiv diese Software im Moment eingesetzt wird.

Malachowski: Dazu habe ich keine Zahlen. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob wir dazu überhaupt Zahlen haben. Meine Kollegen schauen das nach. Wenn wir Zahlen haben, dann hoffe ich, sie im Laufe der RegPK nachliefern zu können.

Zusatzfrage: Wenn diese "Staatstrojaner" verboten würden, gäbe es dann eine Alternative?

Malachowski: Da bin ich jetzt, ehrlich gesagt, überfragt. Was meinen Sie mit Alternative? Also es gibt andere Ermittlungsmöglichkeiten, ja. Aber dann gibt es halt keine "Staatstrojaner".

Zusatzfrage: Was würde das denn für Sie bedeuten?

Malachowski: Das kann ich jetzt wirklich nicht bewerten. Das tut mir leid.

Frage: Gleich weiter an das BMI. Es gibt ja erhebliche Kritik an diesem "Staatstrojaner". Vorhin war eine Veranstaltung der FDP zum Thema, und der Anwaltsverein hat sich geäußert. Also etliche haben auch über das Wochenende gesagt, das geht überhaupt nicht. - Wie reagieren Sie darauf? Ist das Grund, vielleicht noch einmal darüber nachzudenken?

Petermann: Vielleicht sollten wir erst einmal klären, worüber wir beim Thema "Staatstrojaner" sprechen. Sprechen wir über Quellen-TKÜ, sprechen wir über Onlinedurchsuchung? Das ist erst einmal zu differenzieren.

Zusatzfrage: Aber es gibt ja Kritik daran, jetzt unabhängig von der Differenzierung. Sie sagen, es gibt große Kritik. Ein unverhältnismäßiger Eingriff etc. - das waren heute die Worte, die gefallen sind. Dazu muss das BMI ja eine Haltung haben, vielleicht auch Herr Seibert.

Petermann: Ja, selbstverständlich. Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung sind probate Mittel, die angewendet werden, die letztlich technisch abbilden, was vorher in anderer Weise erfolgte. Bei der Quellen-TKÜ ist es die Telefonüberwachung als Alternativbeispiel, und bei der Onlinedurchsuchung wird jetzt die Wohnungsdurchsuchung auf technischer IT-Basis vorgenommen.

Frage: Ein ganz anderes Thema. Ich weiß gar nicht, wen ich genau fragen muss. Ich frage einmal Sie, Herr Seibert. Können Sie vielleicht etwas zum Thema E-Sport - elektronischer Sport, Computerspiele - sagen? Im Koalitionsvertrag ist ja festgeschrieben, dass das in Zukunft als eigene Sportart anerkannt werden soll. Können Sie mir da den aktuellen Stand sagen?

StS Seibert: Dann haben Sie doch den Falschen gefragt. Aber ich verstehe, dass ich mich da einmal auf den Stand bringen lassen sollte und werde Ihnen das nachreichen. Ich habe das jetzt nicht im Detail im Blick.

Frage: Guten Tag, ich hätte eine Frage an Herrn Seibert. Morgen wird es genau 50 Jahre sein, dass der Prager Frühling gewaltsam beendet wurde. Deswegen wollte ich fragen, wie die Bundeskanzlerin heute die damaligen Ereignisse sieht und welche Bedeutung sie für sie haben.

StS Seibert: Es ist gut, dass Sie mit Ihrer Frage an diesen Jahrestag erinnern. Morgen ist es tatsächlich 50 Jahre her, dass der Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in Prag, in der Tschechoslowakei damals, einer Bewegung ein gewaltsames Ende setzte, die sich vorgenommen hatte, den Sozialismus mit menschlichem Antlitz zu schaffen.

Aus unserer Sicht, aus Sicht der Bundesregierung, ist das ein trauriger Höhepunkt der Unterdrückungspolitik der Sowjetunion und ihrer Verbündeten. Man muss es in einer Reihe sehen mit dem Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953, mit der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 und im Grunde auch mit Ereignissen, die danach kamen, beispielsweise der Verhängung des Kriegsrechts in Polen, 1981 das Vorgehen gegen die Solidarnosc. Allen diesen sehr unterschiedlichen historischen Ereignissen ist ja gemeinsam, dass Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden wollten, das ihnen von kommunistischen Parteieliten oktroyiert worden war.

Wenn es 1968 in der CSSR um den sogenannten Sozialismus mit menschlichem Antlitz ging, so war darin ja zumindest im Kern das enthalten, was dann 1989 geschah, also dem Jahr des großen Umbruchs, in dem sich dann eben der ausdrückliche Wille der Völker durchsetzte, das kommunistische System insgesamt zu überwinden und in Demokratie und Freiheit leben zu können.

Heute sind wir, wie die Bundeskanzlerin oft gesagt hat - Deutschland wie Europa -, zu unserem Glück vereint. Es ist ganz klar, dass die tapferen Menschen im heutigen Tschechien und in der heutigen Slowakei dazu viel beigetragen haben - mit ihrem passiven Widerstand gegen die Besatzer, mit ihrem aktiven Kampf für die Umsetzung der KSZE-Schlussakte. Ich nenne als Stichwort die "Charta 77". Sie haben so lange zäh durchgehalten, bis sich dann eben doch das Tor ins freie Europa geöffnet hat.

Es ist in diesen Tagen sicherlich auch wert, daran zu erinnern, dass viele politische Flüchtlinge, viele Publizisten, viele Künstler aus der damaligen CSSR hier in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem in Bayern, Aufnahme gefunden haben, dass sie unbürokratisch Aufnahme bekamen, dass ihnen Asyl gewährt wurde. Viele dieser Menschen sind aus dem kulturellen und politischen Leben unseres Landes nicht wegzudenken. Als dann 1989 die Grenzen fielen, da wurden sie auch zu Brückenbauern zwischen Deutschland, Tschechien und der Slowakei.

Zusatzfrage: Wird die Kanzlerin morgen irgendwie offiziell an diese Ereignisse erinnern?

StS Seibert: Ich habe mich hier heute ja auch für die Kanzlerin geäußert. Es gibt eine ganze Reihe von Veranstaltungen, bei denen wir mit unseren heutigen europäischen Partnern über die damaligen Ereignisse reflektieren. Es gibt eine Veranstaltung von Deutschland, Tschechien und Frankreich, die aus Mitteln des Deutsch-Französischen Kulturfonds aufgelegt wird und das Thema bearbeiten wird. Mit Blick auf 1968 gibt es in Frankreich, Deutschland und Tschechien ein gemeinsames Erbe. Offizielle Vertreter der Bundesregierung nehmen auch in Bratislava, also der slowakischen Hauptstadt, am Gedenken für die Opfer der Okkupation teil. Es gibt eine Vielzahl von solchen Aktivitäten.

Frage: Ich habe noch eine kurze Frage zu den deutsch-tschechischen Beziehungen. Es wurde bekanntgegeben, dass im September der tschechische Ministerpräsident Babis Berlin und die Bundeskanzlerin besuchen solle. Der Pressesprecher des Staatspräsidenten Zeman hat gesagt, dass auch Herr Zeman Berlin im September besuchen solle, und es ist auch von einem möglichen Treffen mit der Bundeskanzlerin die Rede. Sind der deutschen Seite die Details dieser Besuche bekannt? Sind Sie im Gespräch mit der tschechischen Seite, auch hinsichtlich eines möglichen Treffens von Herrn Zeman mit der Bundeskanzlerin?

StS Seibert: Ich kann Ihnen jetzt nur ganz allgemein sagen, dass es Pläne für Besuche gibt. Dazu müssten Sie im Fall des tschechischen Präsidenten natürlich auch das Bundespräsidialamt fragen. Wir werden die Termine der Bundeskanzlerin wie üblich rechtzeitig, aber eben in der Vorwoche bekanntgeben.

Frage: Herr Seibert, ich habe noch einmal eine Frage zu dem Treffen der Kanzlerin mit dem russischen Präsidenten am Wochenende: Nach dem Treffen hat der Kreml-Sprecher verlauten lassen, dass sich die beiden grundsätzlich auf ein neues Gesprächsformat zum Syrienkonflikt verständigt hätten. Meine Frage wäre: Können Sie das bestätigen? Falls es stimmt: Können Sie dazu noch Näheres sagen, auch zu Termin, Ort und Ziel eines möglichen Gesprächs in diesem Format?

Wäre Deutschland eigentlich auch bereit, sich wie von Putin gefordert an der Aufbauhilfe für Syrien zu beteiligen?

StS Seibert: Zuerst würde ich sagen wollen, dass es die Vereinten Nationen und Herr de Mistura sind, die sozusagen die eigentliche Verantwortung haben, den politischen Prozess zur Beendigung dieses Konflikts zu leiten und dann auch den Prozess einer politischen Transformation voranzutreiben.

Es gibt zwei etablierte Formate: Das eine ist das Astana-Format, an dem wir nicht teilnehmen, und das andere ist die sogenannte "Small Group", an der Deutschland zusammen mit Frankreich, Großbritannien, den USA, Jordanien und Saudi-Arabien - ich hoffe, ich habe sie alle aufgezählt - beteiligt ist. Diese beiden Gruppen, und damit auch wir innerhalb der "Small Group", arbeiten sehr eng mit Herrn de Mistura zusammen und versuchen, den von ihm geleiteten und verantworteten Prozess auch zu fördern.

Die Bundeskanzlerin hatte ja schon vor dem Treffen mit Präsident Putin gesagt: Trotz allem, was ich gerade auf diese beiden Gremien bezogen gesagt habe, kann es sinnvoll sein, dass sich Deutschland, Frankreich, die Türkei und Russland auch austauschen. So etwas muss gut vorbereitet sein, und das war tatsächlich auch Thema mit Präsident Putin in Meseberg. Insofern ist man übereingekommen, die Vorbereitungen auf einen solchen möglichen Termin voranzutreiben. Ich kann Ihnen aber noch keine Termine nennen.

Zusatzfrage : Und zum Thema Aufbauhilfe?

StS Seibert: Da gibt es keine neue Haltung der Bundesregierung; ich habe das in der vergangenen Woche schon gesagt, und auch meine Kollegen haben das hier in den letzten Wochen getan. Wir stellen derzeit vielleicht in der einen oder anderen Region ein Abflauen der Kämpfe fest, es besteht aber immer noch das Risiko einer wirklichen humanitären Katastrophe im Bereich Idlib; das heißt, wir haben noch keinen Frieden. Es geht uns und der Weltgemeinschaft darum, in Syrien erst einmal so etwas wie Frieden zu erreichen. Ein politischer Friedensschluss ist das, was jetzt einfach angestrebt werden muss, und insofern ist es für die Bundesregierung jetzt nicht naheliegend, sich schon mit der Frage eines danach notwendigen Wiederaufbaus zu befassen.

Breul: Das hätte ich so, aber wahrscheinlich in weniger schönen Worten, auch gesagt. Mir verbleibt nur der Hinweis, dass das im Übrigen die Position der Europäischen Union ist, also aller Mitgliedstaaten.

Frage: Ich möchte noch einmal zu diesem neuen Format nachfragen. Wenn Sie sagen, die Vorbereitungen für ein solches Treffen würden vorangetrieben: Folgere ich da richtig, dass das ein Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs sein wird, also auf der Topebene und nicht zum Beispiel auf der Ebene der Außenminister?

StS Seibert: Na ja, dies könnte dann der übernächste Schritt sein. Der nächste Schritt ist aber die Vorbereitung auf der Ebene der außenpolitischen Berater und Experten.

Frage: An das Bundesverkehrsministerium: Der Minister hat am Wochenende angekündigt, dass es einen neuen, vertieften Brücken-TÜV geben soll. Könnten Sie vielleicht erläutern, ob es da um die periodische Prüfung von Brücken geht oder um das Brückennachrechnungsprogramm, also ob da etwas neu aufgesetzt wird?

Eine ergänzende Frage dazu: Gilt das dann nur für Bundesfernstraßenbrücken oder auch für die Brücken in Baulast anderer Gebietskörperschaften?

Friedrich: Zum Thema Brücken hat sich der Minister ja umfangreich in der "Bild am Sonntag" geäußert; darauf beziehen Sie sich ja gerade. Er hatte angekündigt, dass Ende 2018 ein neuer, weiterentwickelter Prüfungsindex vorgelegt werden soll. Die Details werden natürlich noch erarbeitet, deshalb kann ich Ihnen noch nichts Genaueres im Detail sagen. Fakt ist aber, dass der Zustand einer Brücke bislang schon als schlecht bewertet wird, wenn auch nur eine Sprosse im Geländer fehlt oder wenn Beton auf der Fahrbahn abgeplatzt ist. Das wollen wir jetzt ändern, künftig soll vor allem die Tragfähigkeit bei der Benotung im Vordergrund stehen.

Inwiefern das ausgeweitet wird oder inwiefern das auch die Wasserstraßen oder auch die Eisenbahnbrücken betrifft, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Auch diese Details werden geklärt.

Zusatzfrage: Ich meine zum Beispiel Brücken im Zuge von Landesstraßen. Kommen die da mit rein?

Friedrich: Landesstraßen fallen in die Baulast der Länder, das heißt, die sind nicht im Bereich des Bundes. Ich müsste mich noch einmal schlau machen, ob es mit den Ländern Gespräche darüber gibt, dort auch etwas zu ändern. Der Minister spricht aber in erster Linien über die Baulast des Bundes, und das sind eben die Bundesfernstraßen, das heißt, die Bundesstraßen und auch die Autobahnen.

Zusatzfrage: Und es geht nicht um das Brückennachrechnungsprogramm, sondern um die periodischen Prüfungen?

Friedrich: Es geht jetzt erst einmal um die Zustandsnoten beziehungsweise auch um ebendiesen Brücken-TÜV, wie er eben bekannt ist, das heißt, mit der Hauptprüfung, den einfachen Prüfungen und auch den anderen Details, die ich bereits in der letzten Woche in der RegPK genannt hatte. Darüber hinaus werden die Details erarbeitet; da muss ich Sie einfach um ein bisschen Geduld bitten. Der Minister hat ja selber angekündigt, dass das bis Ende 2018 vorliegen soll.

Frage: Ich habe zwei Fragen an das Bundesfinanzministerium zum Thema Rente.

Herr Hebestreit, es gab ja den interessanten Vorstoß Ihres Ministers und Vizekanzlers für eine garantierte Rente bis in die 30er-Jahre hinein. Auf welcher Grundlage hat er diesen Vorstoß gemacht?

Damit man einmal eine Größenordnung bekommt: Gibt es in Ihrem Haus eine Art Schätzung, in welche Höhen dann der Bundeszuschuss in die Rentenkasse steigen wird, wenn auf der anderen Seite der Beitragssatz nicht erhöht würde?

Hebestreit: Die Koalition hat sich darauf verständigt, eine Rentenkommission einzusetzen, um die künftige Ausgestaltung der Rente zu besprechen. Der Bundesfinanzminister macht sich seinerseits - auch mit Blick darauf, dass ja auch Steuermittel in die Rentenkassen fließen - darüber Gedanken und hat in der "Bild am Sonntag" am Wochenende darauf hingewiesen, dass ein heute 17-Jähriger 50 Jahre Arbeitsleben vor sich hat und sich sicher sein können muss, dass er am Ende dieses Arbeitslebens eine stabile, auskömmliche Rente hat. Er hat sich so eingelassen, dass stabile Renten das beste Mittel gegen populistische Politiker wie den amerikanischen Präsidenten seien.

Jetzt sind wir mitten in der politischen Diskussion. Es gibt unterschiedliche Reaktionen darauf, das haben die vergangenen Stunden gezeigt. Sie haben auch gezeigt, dass das keine wissenschaftliche Debatte, sondern eine politische Debatte ist; insofern sollte man diese politische Diskussion auch zulassen. Eine Regierungskommission tagt auch nicht im politisch luftleeren Raum, und ein Beitrag war eben der Beitrag des Bundesfinanzministers dazu. Aber auf Ihre konkrete Frage, ob es bereits Berechnungen im Hause des Bundesfinanzministers gibt, kann ich nur antworten: Die gibt es natürlich nicht.

Zusatzfrage: Warum greift dann der Vizekanzler der von Ihnen auch angesprochenen Rentenkommission vor? Denn er präjudiziert das ja gewissermaßen.

Hebestreit: Er stößt eine politische Debatte an, weil ihm klar ist, dass Regierungskommissionen nicht im politisch luftleeren Raum hantieren, sondern eben in einem politisch aufgeladenen, wenn man so will. Da gibt es unterschiedliche Positionen, die zusammenfinden müssen.

Frage: Wenn der Vizekanzler eine Debatte anstößt, dann interessiert natürlich, was die Kanzlerin davon hält.

Nur, damit ich das auch richtig verstehe: Dem, was Sie gesagt haben, entnehme ich, dass der Vizekanzler in seiner Eigenschaft als Vizekanzler und nicht als SPD-Vizevorsitzender gesprochen hat. Ist das richtig?

Hebestreit: Grundsätzlich sind es keine gespaltenen Persönlichkeiten, die dieses Land führen, und insofern kann man das eine vom anderen nie so ganz trennen.

StS Seibert: Die Bundesregierung geht in dieser Sache natürlich auf Basis des Koalitionsvertrags vor. Alle Partner in dieser Koalition wissen ja, dass das System der Alterssicherung vor erheblichen Herausforderungen steht, dass ab den 20er-Jahren sehr starke Jahrgänge in Rente gehen werden und dass darüber hinaus glücklicherweise die Lebenserwartung weiter ansteigt. Das sind Entwicklungen, die eben langfristige Auswirkungen auf die Grundlagen unserer Alterssicherung haben. Wir sind uns alle in dieser Bundesregierung einig, dass wir Maßnahmen ergreifen wollen, die die Alterssicherung auch nach 2025 leistungsfähig und auch tragfähig bewahren. Deswegen haben wir im Juni diese Kommission eingesetzt. Sie soll ihren Bericht bis zum Frühjahr 2020 vorlegen. Klares Ziel aller in der Bundesregierung ist, die soziale Sicherheit für alle Generationen eben auch nach 2025 verlässlich auszugestalten. Die Kommission wird die Arbeit daran jetzt intensiv vorantreiben.

Zusatzfrage: Verstehe ich das richtig, dass Sie angesichts dessen eigentlich diese Diskussion auch begrüßen müssen? Denn das ist ja ein Grundsatzproblem, und die Kommission will das ja auch klären.

StS Seibert: Na ja, es gibt ja auch etwas zu diskutieren, deswegen haben wir eine Kommission eingesetzt. Ich werde zu dieser Diskussion jetzt nichts beitragen, denn die Bundesregierung hat sich ja einen Koalitionsvertrag gegeben, auf dessen Basis sie gemeinsam vorgeht.

Frage: Herr Hebestreit, Ihre Aussage zu den Berechnungen hat mich gewundert, denn es wird ja doch um immense Kosten gehen - vielleicht nicht für die erste Rentengarantie bis 2024/25, aber danach wird es ja richtig teuer. Das heißt, der Vizekanzler unterstützt diese Forderung oder trägt diese Forderung vor, ohne es berechnet zu haben, und er unterstützt diese Forderung, egal wie teuer das wird?

Hebestreit: Herr Weise, da das Interview ja in Ihrem Hause erschienen ist, haben Sie es sicherlich auch gründlich gelesen. Da steht auch drin, dass er vorschlägt beziehungsweise die Bundesregierung dazu auffordert, dass man neben diesem Ziel, das er formuliert hat, auch ein belastbares Finanzierungskonzept erarbeitet. Insofern sind wir auch da am Anfang einer Debatte, die ein klares Ziel hat, und jetzt muss man sich unter anderem darüber unterhalten, wie man das finanziert bekommt und ob man sich auf dieser Ebene einigen kann.

Frage: Herr Hebestreit, wenn der Finanzminister und Vizekanzler der Auffassung ist, dass auch ein heute 17-Jähriger, wenn er dann einmal in Rente geht, eine auskömmliche Alterssicherung haben soll, dann ist Ihnen natürlich klar, dass das einen Haufen Geld kostet. Ist der Vizekanzler der Auffassung, dass der Staat durch zusätzliche Zuschüsse die Finanzlücke auffüllen soll, oder erwartet er auch einen Beitrag von dem 17-Jährigen, der ja, bis er in Rente geht, einen Beitrag zahlen muss?

Hebestreit: Ich könnte es mir jetzt einfach machen und Ihnen die gleiche Antwort geben, die ich Herrn Weise gegeben habe, nämlich dass das Finanzierungskonzept ja Teil der Debatte ist. Ihnen ist natürlich auch klar, dass der 17-Jährige einen Beitrag leistet, indem er Rentenbeiträge abführt.

Zusatzfrage: Das ist schon klar, ja. Aber der Finanzminister wird ja eine Zielrichtung haben. Einen Wunsch zu formulieren, dass alle eine auskömmliche Rente haben, ist ja sehr schön, aber er wird ja eine Auffassung dazu haben. Vielleicht können Sie mir die mitteilen?

Hebestreit: Die Auffassung hat er ja in dem Interview formuliert, in dem er sagt, dass es eine auskömmliche Rente sein muss und dass es ein Finanzierungskonzept geben muss, das das auch möglich macht - sowohl für diejenigen, die die Beiträge leisten, als auch diejenigen, die die Beiträge erhalten.

Frage: Ich möchte noch einmal zum Treffen mit Präsident Putin am vergangenen Samstag zurückkommen. Herr Seibert, war es tatsächlich so, dass Frau Merkel den Gesprächspartnern vor dem Gespräch angekündigt hat, über das Thema Uno-Mission für die Ukraine zu sprechen? Falls ja: Gibt es Annäherungen bei diesem Thema?

Zweite Frage: Wie bewertet die Frau Bundeskanzlerin das Gespräch am Samstag insgesamt?

StS Seibert: Ich fange einmal mit der zweiten Frage an: Die Bundeskanzlerin hatte ja vor dem Gespräch in ihrer Stellungnahme vor der Presse die Punkte benannt, die ihr wichtig waren, und diese Punkte - die großen internationalen Konflikte wie auch das Bilaterale wie auch die Frage der Menschenrechte - haben dann auch in dem Gespräch eine Rolle gespielt. Dieses Gespräch ist ja nicht für sich alleine zu sehen, sondern auch als eine Fortsetzung des sehr intensiven Austauschs vor exakt drei Monaten in Sotschi. Insofern wurde der Gesprächsfaden bei all diesen Themen, die für beide Seiten wichtig sind, intensiv weitergeknüpft.

Zum Thema der Ukraine kann ich Ihnen bestätigen: Ja, als eine Möglichkeit einer Befriedung dieser ja immer noch sehr unbefriedigenden Situation im Konfliktgebiet Donbass sind sich beide Seiten einig - aber auch das nicht erst seit Samstag -, dass eine Blauhelmmission da Chancen bieten könnte. Die Frage ist, wie man sie genau beauftragt, mit welcher Reichweite und mit welchem genauen Mandat. Darüber ist intensiv weiter gesprochen worden.

Zusatzfrage: Ein weiteres Thema, das von russischer Seite nach dem Gespräch bemüht worden ist, war das der Gaspipeline Nord-Stream-2, nämlich dass man diese Leitung gemeinsam gegen Angriffe von anderer Seite verteidigen wolle. Macht sich die Bundeskanzlerin diese Diktion zu eigen, die ja offenbar auf den amerikanischen Präsidenten und seine Sanktionspolitik zielt?

StS Seibert: Ich kann hier eigentlich nur die Haltung wiederholen, die wir hier zu Nord Stream 2 nun vielfach eingenommen haben und die ja bekannt ist: Das ist aus unserer Sicht in erster Linie ein Projekt der Wirtschaft. Gleichzeitig hat die Bundesregierung immer betont, dass wir Klarheit darüber brauchen, wie es mit der ukrainischen Transitrolle für russisches Gas nach 2019 weitergeht. Wir begrüßen, dass darüber inzwischen Gespräche zwischen der EU, Russland und der Ukraine angelaufen sind. Auch unser Wirtschaftsminister, Herr Altmaier, hat sich da bereits eingebracht. Auch das war ein Thema, das die Bundeskanzlerin mit Präsident Putin besprochen hat. Es liegt im Interesse Deutschlands und anderer EU-Mitgliedstaaten, dass die Ukraine weiterhin eine Rolle als Transitstaat für russisches Gas spielt, und so hat die Bundeskanzlerin es dem russischen Präsidenten auch noch einmal mitgeteilt.

Frage: Herr Seibert, ich möchte daran noch einmal anknüpfen.

Erste Frage: Hat der russische Präsident ein neues Angebot für das Volumen des Transits mitgebracht? Wie ich erfahren hatte, lag das bisher bei etwa einem Drittel des bisherigen Volumens; das würde aber nicht ausreichen, um das Gasnetz auskömmlich zu betreiben.

Zweite Frage: Haben die beiden, Merkel und Putin, auch besprochen, dass die USA schon Sanktionen gegen Nord Stream 2 vorbereiten? Es gab dazu am Wochenende eine Berichterstattung des "Wall Street Journal".

StS Seibert: Grundsätzlich bleibt es dabei, dass die Gespräche der Bundeskanzlerin - so auch das mit Präsident Putin am Samstag - vertraulich geführt werden und ich hier nicht Wort-für-Wort-Protokolle wiedergebe. Es gibt Gespräche zwischen der Ukraine, Naftogaz und Gazprom auf der russischen Seite; es gibt die Bemühungen des Kommissionsvizepräsidenten Sefcovic, zwischen beiden Partnern zu vermitteln oder nach einer tragfähigen Lösung zu suchen. Ich kann Ihnen hier über Zahlen keine Auskunft geben. Klar ist - und auch das haben wir in der Vergangenheit schon gesagt -: Die Ukraine muss natürlich auch bei der Reform ihres Gastransitsystems vorankommen, um geeignete Rahmenbedingungen für einen langfristigen Transit zu schaffen.

Frage: Haben die Frau Bundeskanzlerin und der Herr Präsident beschlossen, das Gespräch dazu weiterzuführen, oder war das eine einmalige Aktion?

StS Seibert: Nein, es war natürlich keine einmalige Aktion. Ich glaube, die "Süddeutsche Zeitung" hatte sich die Mühe gemacht, nachzuzählen, wie viele Treffen und wie viele Telefonate es alleine seit 2010 gab. Ich habe die Zahl nicht mehr ganz in Erinnerung, aber es waren mindestens 54 Telefonate und - ich weiß es nicht; das können Sie ja nachlesen - 17 Treffen. Das letzte Treffen in Sotschi ist drei Monate her.

Wir wissen, dass Russland ein unverzichtbarer Akteur ist, wenn man bestimmte große Konflikte lösen will. Wir haben davon abgesehen ohnehin als Bundesrepublik Deutschland ein Interesse an guten Beziehungen zu Russland. Die Differenzen, die Kontroversen, die Aktionen Russlands, die ganz und gar gegen unsere Überzeugungen und in einigen Fällen auch gegen das Völkerrecht liefen, sind ja bekannt, und die haben auch zu den bekannten Konsequenzen geführt. Gleichwohl wird die Bundesregierung und wird ganz besonders auch die Bundeskanzlerin - aber das gilt auch für den Außenminister - immer wieder den Dialog mit der russischen Führung suchen. Gerade wenn es schwierig ist, muss man miteinander reden.

Frage: Noch einmal zu Nord Stream 2: Würde Deutschland den Bau der Pipeline auch unterstützen, wenn die Amerikaner Sanktionen gegen das Projekt verhängen würden?

StS Seibert: Es gibt keine neue Haltung zu diesem Projekt, das für uns ein Projekt der Wirtschaft ist. Hypothetische Fragen möchte ich hier nicht beantworten.

Frage: Frau Petermann, ich muss Sie noch einmal nerven, und zwar in Sachen AnKER-Zentren. Es gibt ja diverse Signale aus den Ländern, beispielsweise aus Sachsen und aus Brandenburg, wo gesagt wird: Wir wissen gar nicht, was wir damit anfangen sollen. Hat das BMI inzwischen eine Haltung dazu, und kann es uns einmal kurz konkret über den Sachstand informieren? Mit welchen Bundesländern gibt es da vielleicht schon Einigungen, und welche haben bei Ihnen nachgefragt und sehen noch Klärungsbedarf?

Petermann: In der vorangegangenen Regierungspressekonferenz habe ich dazu, glaube ich, schon etwas gesagt, gerade was - von Ihnen erwähnt - Sachsen betrifft. Sachsen hat zwei AnKER-Zentren in Dresden eingerichtet; die waren, wie auch Bayern, sehr frühzeitig sehr engagiert in dieser Frage und haben solche Zentren eingerichtet.

Zum Sachstand mit Blick auf die übrigen Länder: Es hat ein Staatssekretärstreffen gegeben - im Juni war das, glaube ich -, in dem unser zuständiger Staatssekretär noch einmal darüber informiert hat, aus welchen Gründen wir gerade nicht das von einigen geforderte Konzept zu den AnKER-Zentren vorlegen, sondern dass erstens der Koalitionsvertrag schon sehr hinreichende Aussagen zu den AnKER-Zentren trifft und wir zum Zweiten aus Respekt vor dem Föderalismus den Ländern gerade nicht vorschreiben möchten, wie ein AnKER-Zentrum auszusehen hat, sondern in jedem Einzelfall mit jedem Bundesland darüber gesprochen wird, welche Maßnahmen beziehungsweise welche Angebote dieses in einem AnKER-Zentrum haben möchte. Wir als Bund können also nicht bestimmen, wie ein AnKER-Zentrum auszusehen hat, sondern wir machen ganz konkrete Angebote.

Ein Angebot von Bundesseite, für das wir auch zuständig sind, ist selbstverständlich, die Mitarbeiterzahl in einem AnKER-Zentrum des BAMF. Sie muss natürlich hinreichend hoch sein, um schnelle Entscheidungen möglich zu machen. Denn es ist das Ziel des AnKER-Zentrums, dass dort in einer ganz kurzen Zeit durch die Zusammenführung aller am Prozess Beteiligten ein schnelles Verfahren möglich ist, zuzüglich der zumindest aus unserer Sicht und nach dem Koalitionsvertrag vorgesehenen Residenzpflicht und dann der Rückführung von dort aus.

Frage: Noch ein Thema für Sie, Frau Petermann: Es geht um das BAMF und die Zahlen zur Prüfung von Asylbescheiden, über die die "Süddeutsche Zeitung" heute berichtet und die sich auf die Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion beziehen.

Erstens. Können Sie diese Zahlen so bestätigen, wie sie in der "SZ" berichtet werden?

Zweitens. Welche Konsequenzen ziehen Ihr Haus und Ihr Minister daraus, dass es offenbar sehr wenige Betrugsfälle gibt und der vermeintliche Skandal sehr viel Kleiner geworden ist, als er ursprünglich schien?

Drittens. Wenn die Prüfung bei der Bremer Außenstelle nun zu Ende zu sein scheint, wie in der "SZ" berichtet wird, heißt das dann, dass die Bremer Außenstelle wieder Asylanträge prüfen darf?

Petermann: Ich glaube, hier kommt sehr viel zusammen. Ich möchte deshalb losgelöst von der Berichterstattung in der "SZ" darauf antworten.

Die Mitarbeiter der Bremer Außenstelle sind anderweitig beschäftigt. Das hatten wir hier an dieser Stelle schon öfters mitgeteilt. Sie sind vorwiegend mit Maßnahmen der Integration beschäftigt, und daran ändert sich auch nichts.

Die Zahlen, die heute durch die Presse gingen, betreffen eine Vielzahl von überprüften Verfahren. Positiv entschiedene Asylverfahren sind nach drei Jahren immer zu prüfen. Das ist eine gesetzliche Pflicht. Daneben gibt es eine Prüfung einzelner Verfahren aufgrund von besonderen Umständen wie zum Beispiel aufgrund der Bremer Umstände. Diese können aber in den Zahlen noch gar nicht enthalten sein.

Diese Überprüfung ist eine gesetzliche Pflicht. Bei diesen Überprüfungsverfahren haben wir das Problem, dass zumindest bisher eine Mitwirkungspflicht des Betroffenen nicht gesetzlich fixiert ist. Deswegen haben wir nur in ca. 30 Prozent der Verfahren eine Mitwirkung der Betroffenen und haben deswegen den Gesetzentwurf zur Mitwirkungspflicht im Widerrufsverfahren ins Kabinett eingebracht. Das Kabinett hat diesen Gesetzentwurf bestätigt.

Zusatzfrage: Jetzt ist nicht ganz klar geworden, ob Sie die Zahlen, die die "SZ" heute nennt, bestätigen können.

Petermann: Ich kann sie im Augenblick nicht bestätigen. Ich kann nur allgemeine Aussagen dazu treffen.

Zusatzfrage: Wenn es aber so ist, dass in 99 Prozent der überprüften Fälle kein Fehler festgestellt worden ist, heißt das dann, dass das Problem in der öffentlichen Darstellung größer gemacht worden ist, als es tatsächlich ist?

Petermann: Soweit ich weiß, ging es bei den Zahlen, die heute durch die Presse liefen, nicht um die Bremer Fälle, sondern um ganz normale Überprüfungsverfahren, die nach drei Jahren stattfinden müssen, um festzustellen, ob sich die Umstände geändert haben - nicht aber um die Bremer Fälle.

Mehr kann ich dazu im Augenblick nicht sagen. Deswegen möchte ich weder bestätigen noch dementieren. Wir müssten uns die Zahlen noch einmal genauer anschauen. Wir können das gern vielleicht per E-Mail oder telefonisch am Nachmittag klären.

Frage: Ich möchte das Wirtschaftsministerium fragen. Es gibt neue Berechnungen des ifo-Instituts zum deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Danach wird Deutschland für das laufende Jahr 2018 zum dritten Mal in aufeinanderfolgenden Jahren den weltweit höchsten Leistungsbilanzüberschuss aufweisen. Gerade auch mit Blick auf die Handelskonflikte und den Vorwurf des IWF, dass Deutschland mit seinen hohen Ungleichgewichten eine Mitschuld für diese Konflikte trägt: Was tut die Bundesregierung, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten? Wie bewertet die Bundesregierung selbst, dass es ihr trotz aller Bekundungen nur marginal gelingt, einen geringeren Leistungsbilanzüberschuss auszuweisen?

Einhorn: Vielen Dank für die Frage. - Zu Prognosen einzelner Institute - das wissen Sie wahrscheinlich - äußern wir uns hier grundsätzlich nicht.

Die Bundesregierung hat sich zuletzt in ihrer Frühjahrsprojektion zum Leistungsbilanzüberschuss geäußert und dargestellt, dass wir davon ausgehen, dass der Leistungsbilanzüberschuss bis auf 7,5 Prozent des BIP weiter sinken wird. Das nächste Mal werden wir uns in unserer Herbstprojektion zu dem Thema und zu den aktuellen Aussichten äußern.

Wir haben hier auch schon oft ausgeführt, dass der Leistungsbilanzüberschuss keine politische Zielvariable ist und sich demnach durch Faktoren, die in unserer Hand liegen, auch nur bedingt beeinflussen lässt. Die Leistungsbilanz - in unserem Falle der Leistungsbilanzüberschuss - ist das Ergebnis von marktbasierten Angebots- und Nachfrageentscheidungen von Unternehmen und Konsumenten auf den weltweiten Märkten und auch abhängig von Faktoren wie zum Beispiel dem Ölpreis, der demografischen Entwicklung und den Wechselkursen. All das liegt nur sehr bedingt in unserer Hand.

Gleichzeitig versuchen wir natürlich vor allem durch die Stärkung der Binnenmarktnachfrage dazu beizutragen, dass der Leistungsbilanzüberschuss weiter sinkt. Wir haben das in der vorangegangenen Legislaturperiode auch mit verschiedenen Maßnahmen getan wie zum Beispiel dem Mindestlohn und der Stärkung der privaten sowie der öffentlichen Investitionen. Auch für die jetzige Legislaturperiode gibt es natürlich weiterhin das Ziel, die Binnennachfrage zu stärken, die Rahmenbedingungen hierfür noch weiter zu verbessern und auch Investitionen weiter anzuregen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium zu dem sogenannten Spurwechsel. Herr Pistorius hatte sich dazu noch einmal zu Wort gemeldet und gesagt, man könnte diese Möglichkeit ausschließlich für Menschen in Betracht ziehen, die schon hier seien. Inwiefern wäre das eine Regelung, bei der womöglich auch das Bundesinnenministerium mitgehen könnte?

An die bei dem Fachkräftezuwanderungsgesetz beteiligten Häuser Innen und Wirtschaft: Wäre das womöglich ein Kompromiss, um den Spurwechsel mit hineinzunehmen?

Petermann: Bei dem Spurwechsel geht es ja um die Personen, die schon im Land sind - ansonsten hat es ja keinen Sinn -, die also hier geduldet sind. Ich denke also, dass dieser Personenkreis gemeint ist.

Ich habe in der jüngsten Regierungspressekonferenz schon gesagt, dass das BMI gegen eine Vermischung von Fragen der Zuwanderung durch Asyl und der Zuwanderung durch Arbeitsmigration, also von humanitärer Zuwanderung und Arbeitsmigration, ist, weil wir die Verfahren und die Zuwanderung insgesamt steuern wollen. Das können wir nicht tun, wenn wir Arbeitsmigration und humanitäre Migration miteinander vermischen.

Im Übrigen - auch darauf habe ich schon aufmerksam gemacht - gibt es mehrere Formen der Erwerbstätigkeit auch von Geduldeten, die schon eine ganze Reihe von Jahren hier leben und bestimmte Voraussetzung erfüllen - ich glaube, es sind die Paragrafen 25a und 25b des Aufenthaltsgesetzes. Darüber hinaus gibt es die Ausbildungsduldung. Es gibt also schon zahlreiche Instrumente. Darüber hinaus sehen wir keine Notwendigkeit.

Ehrentraut: Vielleicht kann ich noch ergänzen. Arbeitsminister Heil hat sich am vergangenen Wochenende dazu geäußert und gesagt, dass ihm auch daran liegt, diejenigen Potenziale zu nutzen, die bereits hier sind, sich gut integriert haben und einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben, und dass ihm daran gelegen ist, nicht die Falschen zurückzuschicken, er aber auf praktische Lösungen setzt. Er ist sehr zuversichtlich, dass die Koalition in dieser Frage zu einer Lösung kommt.

Zusatzfrage: Gibt es schon eine Idee, wie diese praktische Lösung aussehen könnte?

Ehrentraut: Vergangene Woche wurde ja schon gesagt, dass bald Eckpunkte vorgelegt werden und sie bald im Kabinett sein werden. Sie werden dann verabschiedet. Dann wird man noch einmal darüber reden. Der Minister ist, wie gesagt, zuversichtlich, dass es hierbei auch zu praktischen Lösungen kommen kann.

Frage: Eine Frage an Frau Petermann zu Migranten. Ich möchte wissen, ob es einen neuen Stand in den Verhandlungen mit Italien gibt. Ich habe Freitag gehört, dass es einen gewissen Optimismus gibt, dass dieses Abkommen zustande kommt. Gibt es jetzt, Montag, etwas Neues zu berichten?

Eine zweite Frage: Wie bewerten Sie die neue Position von Matteo Salvini, der von Europa Unterstützung für das Schiff "Diciotti" fordert und sagt: "Wenn das nicht kommt, dann werden wir die Flüchtlinge nach Libyen zurückbringen"? Das ist eine neue Drohung, die heute so in den Zeitungen berichtet wird.

Petermann: Zur ersten Frage: Zu Italien gibt es noch keinen neuen Sachstand.

Aber vielleicht kann ich bei der Gelegenheit noch sagen, dass die bilaterale Vereinbarung mit Griechenland zustande gekommen ist. Ich hatte am Freitag nur angekündigt, dass die Vereinbarung steht, aber jetzt ist sie auch unterzeichnet.

Zu Italien gibt es keinen neuen Stand.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich die Äußerungen von Herrn Salvini hier nicht kommentieren möchte.

Zusatzfrage: Will vielleicht Herr Seibert etwas dazu sagen?

StS Seibert: Nein. Auch ich möchte diese Äußerungen nicht kommentieren. Wir haben im Zusammenhang mit der "Aquarius" in der vergangenen Woche schon gesagt, dass diese Aufnahme einzelner Flüchtlinge eine humanitäre Geste der Bundesregierung war, wie auch andere europäische Regierungen sie gemacht haben, dass es aber gleichwohl wirklich wichtig bleibt, dass wir in Europa zu dauerhaften und verlässlichen, zu europäischen und solidarischen Lösungen kommen, was die Asylverfahren und was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft, und dass es wirklich notwendig ist, auf europäischer Ebene bei der Erarbeitung dieser Lösungen voranzukommen. Deutschland wird bei dieser Arbeit seinen Beitrag leisten.

Vorhin hat mich ein Kollege nach E-Sports gefragt. Frau Petermann, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Meine Kollegen sagen mir, E-Sports falle in den Bereich des Sportministeriums. Das hatte ich vorhin nicht so im Blick. Vielleicht führen Sie Ihr Gespräch dazu bilateral weiter.

Petermann: Ich hatte leider, weil ich mich mit meinem Nachbarn unterhalten hatte, nicht verstanden, worum es im Zusammenhang mit Sport ging. Ich habe mich nur gewundert, dass ich nicht angesprochen wurde. - Ich kann dazu aber leider im Augenblick auch überhaupt nichts sagen.

Montag, 20. August 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 20. August 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/08/2018-08-20-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2018

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