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PRESSEKONFERENZ/1768: Regierungspressekonferenz vom 10. Oktober 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 10. Oktober 2018
Regierungspressekonferenz vom 10. Oktober 2018

Themen: Kabinettssitzung (Gesetzentwurf zur fortgesetzten Beteiligung des Bundes an den Integrationskosten der Länder und Kommunen und zur Regelung der Folgen der Abfinanzierung des Fonds "Deutsche Einheit", Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Beitragssatzanpassung in der Pflegeversicherung, Bericht über die Evaluierung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen), Moorbrand auf der Wehrtechnischen Dienststelle bei Meppen, Auswirkungen einer möglichen Änderung der EZB-Zinspolitik auf den Bundeshaushalt, Kohlendioxidgrenzwerte für Neufahrzeuge, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, Zahl der 2018 in Deutschland neu registrierten Flüchtlinge, mögliche Reparationsforderungen Griechenlands an Deutschland, mögliche Ansiedlung einer Batteriezellenproduktion in Deutschland, Vorschläge der Bundesumweltministerin gegen das Insektensterben, Sanktionen für Empfänger von Hartz-IV-Leistungen, Liste der am Jemen-Konflikt beteiligten Staaten, Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Festnahme eines Tatverdächtigen im Fall der Ermordung der Journalistin Victoria Marinova

Sprecher: StS Seibert, Kolberg (BMF), Mänz (BMZ), Wackers (BMG), Fähnrich (BMVg), Fichtner (BMU), Buser (BMVI), Petermann (BMI), Eichler (BMWi), Bürgelt (BMEL), Jäger (BMAS), Krüger (BMJV)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Ich habe Ihnen einige Beschlüsse der Bundesregierung vorzutragen. Es geht los mit finanzpolitischen Beschlüssen. Die Bundesregierung verlängert die Hilfen zur Bewältigung der Flüchtlingskosten um ein Jahr. Sie erhöht die Mittel für den sozialen Wohnungsbau, und sie mildert die Folgekosten aus der deutschen Einheit, aus der Wiedervereinigung ab. Das alles hat das Kabinett heute zugunsten der Länder und Kommunen beschlossen. Die Finanzierung erfolgt im Wesentlichen durch eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung zulasten des Bundes und zugunsten der Länder.

Kurz der Reihe nach: Das hohe Engagement des Bundes für Flüchtlinge setzt sich fort. Die Länder erhalten für den Asylbewerber, die Asylbewerberin 670 Euro je Verfahrensmonat und für abgelehnte Asylbewerber pauschal je Ablehnung 670 Euro. Einschließlich ausstehender Spitzabrechnung und einer Abschlagszahlung für September und Dezember beträgt die weitere Bundesbeteiligung in diesem Jahr 1,6 Milliarden Euro. Für 2019 ist eine Abschlagszahlung an die Länder in Höhe von rund 482 Millionen Euro vorgesehen.

Außerdem stockt der Bund im nächsten Jahr die Integrationspauschale auf rund 2,4 Milliarden auf. Darüber hinaus führt der Bund fort, was er jetzt schon tut, nämlich die vollständige Freistellung der Kommunen von den Kosten für Unterkunft und Heizung für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte. Das wird für ein weiteres Jahr fortgesetzt.

Darüber hinaus geht es um die Abfinanzierung des Fonds "Deutsche Einheit". Die Zinsentwicklung der vergangenen Jahre macht es möglich, dass der Fonds "Deutsche Einheit" schon zum Ende des Jahres 2018, also Ende dieses Jahres, vollständig getilgt ist. Somit kann der Beitrag der Länder an dieser Abfinanzierung des Fonds für das Jahr 2019 entfallen. Dafür wird der Länderanteil an der Umsatzsteuer ab 2019 um jährlich gut 2,2 Milliarden Euro erhöht.

Ich hatte Wohnraumförderung, sozialen Wohnungsbau erwähnt. Der Gesetzentwurf enthält Regelungen zugunsten der sozialen Wohnraumförderung 2019. Da werden den Ländern weitere 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Das nächste Thema klingt ein wenig technisch, hat aber große Bedeutung für eine nicht zu unterschätzende Zahl von Unternehmen und hängt mit dem kommenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, also mit dem Brexit, zusammen. Wir haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Umwandlungsgesetzes beschlossen. Dieses Umwandlungsgesetz regelt inländische oder auch grenzüberschreitende Umwandlungen von Unternehmen in andere Rechtsformen, also zum Beispiel von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft.

Es geht hier um die Unternehmen, die in der britischen Rechtsform einer sogenannten Limited, einer "private company limited by shares", mit Verwaltungssitz in Deutschland ansässig sind. Es gibt davon etwa 8000 bis 10 000. Der Gesetzentwurf schafft nun eine weitere Möglichkeit, eine "Limited" geordnet in eine deutsche Gesellschaftsrechtsform mit beschränkter Haftung zu überführen.

Dann eine Maßnahme des Gesundheitsministers: Jens Spahn hat das dem Kabinett vorgeschlagen, das Kabinett hat es beschlossen. Es geht um gute Pflege. Gute Pflege kostet Geld. Deswegen hat das Kabinett heute den Gesetzentwurf beschlossen, der eine Anhebung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung zum 1. Januar 2019 um 0,5 Prozentpunkte vorsieht.

Sie wissen - wir haben hier häufig darüber gesprochen -: In der letzten Legislaturperiode sind die Leistungen der Pflegeversicherung deutlich ausgeweitet worden. Seit der letzten Legislaturperiode stehen diese Leistungen beispielweise auch Demenzkranken zur Verfügung. Insgesamt werden diese Leistungen nun deutlich stärker als erwartet in Anspruch genommen.

Weitere Kosten für die Pflegeversicherung ergeben sich aus dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz und aus den Erhöhungen der Leistungen der Pflegeversicherung, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart sind, ganz besonders für pflegende Angehörige. Mit der jetzt beschlossenen Beitragserhöhung um 0,5 Prozentpunkte lässt sich sicherstellen, dass alle diese Mehrausgaben in der Pflegeversicherung solide finanziert werden können und dass der Beitragssatz bis 2022 stabil bleibt.

Ein Letztes: Die Evaluierung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahr 2012. Es wurde damals gemacht, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung notleidender Unternehmen zu verbessern, um zu erreichen, dass Insolvenzverfahren stärker als bis dato auch als Chance zur Sanierung verstanden werden und genutzt werden.

Nun ist, wie damals beschlossen, von einer Forschergemeinschaft untersucht worden, wie dieses Gesetz aus dem Jahre 2012 wirkt. Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die durch das damalige Gesetz eingeführten Änderungen positiv zu bewerten sind. Sie schlagen in Einzelfragen Änderungen vor, die aber an der Grundausrichtung des Gesetzes von 2012 nichts ändern.

Wir werden jetzt diese Forschungsergebnisse mit den betroffenen Kreisen diskutieren. Wenn sich daraus gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt, könnte dem Rechnung getragen werden, wenn beispielsweise ein zurzeit auf EU-Ebene verhandelter Richtlinienentwurf umgesetzt werden muss. Der Bericht wird dem Bundestag und dem Bundesrat zugeführt.

Frage: Herr Seibert, fließen die 1,6 Milliarden Euro für Flüchtlinge in diesem Jahr auch wieder in die offiziellen Entwicklungshilfeausgaben ein?

StS Seibert: Was ich heute vorgetragen habe, sind Maßnahmen für die Länder und Kommunen. Ach so, Sie meinen die Anrechnung für die ODA-Quote. Da müsste ich den Kollegen vom Finanzministerium fragen.

Kolberg: Wir haben ja eben ausgeführt, welche Kosten jetzt zusätzlich übernommen werden. Die Frage, ob das auf die ODA-Quote anrechenbar ist, müsste das BMZ gegebenenfalls beantworten.

Mänz: In Teilen können die Versorgungsleistungen für Asylbewerber - das ist die wichtige Unterscheidung, glaube ich - im Inland auf die ODA-Quote angerechnet werden. Sehen Sie es mir nach, wenn ich jetzt die exakten Quoten usw. nicht parat habe; die müssen wir nachliefen. Es ist auf jeden Fall nur ein Teil der Leistungen und - ganz wichtig - nur im ersten Jahr.Frage: Herr Kolberg, der Deutsche Städtetag hat als Reaktion auf den Kabinettsbeschluss auch eine Finanzierung für geduldete Flüchtlinge gefordert. Mir war neu, dass das überhaupt getrennt wurde. Ist es so, dass das getrennt wird, was die Finanzierung angeht? Wenn ja, gibt es eine Debatte, auch geduldete Flüchtlinge zu finanzieren?

Kolberg: Das geht auf Beschlüsse von 2016 zurück. Seit 2016 unterstützt der Bund die Länder auf unterschiedliche Weise bei der Bewältigung der Aufnahme und Integration von Schutzsuchenden. Mit dem Beschluss, der heute im Bundeskabinett gefasst wurde, werden diese Hilfen im Jahr 2019 fortgesetzt und damit der Koalitionsvertrag umgesetzt.

Sehen Sie mir nach, dass ich die aktuelle Debatte, auf die Sie anspielen, nicht kenne. Ich kann aber sagen, dass die Hilfen, die bisher geleistet wurden, weitergeführt werden und entsprechend dem Koalitionsvertrag noch zusätzliche Unterstützung geleistet wurde. Das wurde heute im Bundeskabinett beschlossen.

Frage: Ich habe eine Frage zu der Anhebung des Pflegebeitrags und eine Frage ans Gesundheitsministerium. Im Koalitionsvertrag war festgeschrieben, dass 8000 neue Pflegekräfte eingestellt werden sollen. Wie ist da der Stand? Wie weit ist man da schon vorwärtsgekommen? Woher kommen diese Pflegekräfte? Gibt es eine Quote oder so etwas, wie viele aus Deutschland sind, wie viele nicht? Da würde mich mal der "Wasserstand" interessieren.

Wackers: Der Stand mit den 8000 Kräften ist insofern überholt, als dass das Kabinett im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz schon längst beschlossen hat, dass 13 000 neue Pflegekräfte eingestellt werden sollen. Das betrifft die stationäre Altenpflege. Das soll ab 01.01 2019 gelten.

Zusatzfrage: Gibt es da jetzt schon genug Bewerber? Oder suchen Sie noch? Wie sieht es da aus?

Wackers: Um das noch mal klarzustellen: Es ist ja nicht das BMG, das diese Kräfte einstellt. Wir schaffen die Voraussetzungen, dass diese Stellen in den Einrichtungen geschaffen werden. Sie werden dann von den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt. Die Einrichtungen können diese Kräfte ab 01.01.2019 anstellen.

Fähnrich: Ich möchte ganz gerne die Information weitergeben, die wir heute von der Einsatzstelle der Feuerwehr aus Meppen bekommen haben, dass der Moorbrand in Meppen auf der Wehrtechnischen Dienststelle gelöscht ist. An dieser Stelle möchte ich auch allen Helferinnen und Helfern sowie den zivilen und ehrenamtlichen Einsatzkräften der Feuerwehr, des THW sowie des Roten Kreuzes ganz ausdrücklich danken.

Frage: Herr Fähnrich, es geht um das Testen der Luftqualität und der verbrauchten Munition dort. Sie hatten gesagt, dass Uranmunition dort niemals getestet wurde. Aber was ist mit Wolframmunition?

Fähnrich: Auf das eine haben wir uns ja schon eingelassen, hinsichtlich der Ermittlung und auch der Untersuchung des Grundwassers, die keine chemischen Rückstände davon zulassen. Wir haben jetzt nicht auf sämtliche Werte untersucht. Ich würde an dieser Stelle einfach mal sagen: Das, was wir nicht gesagt haben, ist ja nicht falsch. Das heißt, bisher hatten wir keinen Anlass, dass in diesem Gebiet Verseuchungen oder irgendwelche Rückstände sein sollten, die Anlass zur Sorge geben.

Zusatzfrage: Haben Sie denn Wolframmunition dort getestet und benutzt?

Fähnrich: Darüber habe ich keine Kenntnis.

Zusatzfrage: Können Sie das nachreichen?

Fähnrich: Werde ich prüfen.

Frage: Der Hintergrund sind, wie Sie wissen, Medienberichte, denen zufolge entweder die Bundeswehr oder Partner oder Rüstungsfirmen diese Munition zumindest getestet haben könnten, die sich beim Aufprall zerlegt und dann auch zerstäuben kann. Wolfram als Stoff an sich ist wohl toxisch. Das ist der Hintergrund. Darüber haben Sie aber, so verstehe ich Sie, im Moment keine eigenen Erkenntnisse?

Fähnrich: Nein.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Kolberg. Es gibt einen Medienbericht, wonach Ihr Minister prüfen lässt, was ein Ende der EZB-Nullzinspolitik für die schwarze Null bedeuten würde. Können Sie das bestätigen? Lässt Herr Scholz das vielleicht auch für Italien und Frankreich prüfen?

Kolberg: Grundsätzlich kann ich sagen, dass selbst bei einer Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Regierungsentwurf und der Finanzplan gut abgesichert sind. Das gilt auch für die Zinsen. Die Zinsausgabeansätze für den Regierungsentwurf 2019 und die Finanzplanung 2020 berücksichtigen die aktuelle Entwicklung und die Volatilität bei den Zinsen. Allerdings wird für den Finanzplanungszeitraum ein Anstieg der durchschnittlichen Refinanzierungszinsen unterstellt, sodass die neue Finanzplanung bereits eine Vorsorge für einen Zinsanstieg enthält.

Hinzu kommt noch, dass der Bund weiterhin die niedrigen Zinssätze nutzt, um das Schuldenportfolio eher langfristig auszurichten. Die durchschnittliche Zinsbildungsdauer des Schuldenportfolios des Bundes wurde in den vergangenen Jahren moderat erhöht. Sie beträgt aktuell 6,8 Jahre. Zum Vergleich: 6,4 Jahre waren es 2010. Die Strategie des Schuldenmanagements des Bundes trägt somit zu einer langfristigen Sicherung des niedrigen Zinsniveaus und zu einer Verringerung der Auswirkungen eines Zinsausstieges auf den Bundeshaushalt bei.

Zusatzfrage: Was ich eigentlich wissen wollte, ist, ob Herr Scholz das gerade trotzdem konkret prüfen lässt und ob er das auch für Italien und für Frankreich prüfen lässt.

Kolberg: Zu Italien haben wir uns hier bereits häufig geäußert. Das Haushaltsaufstellungsverfahren läuft. Wie Sie ja wissen, muss jeder Mitgliedstaat der Eurozone seinen Haushalt und seine Planungen im Entwurf der Kommission vorlegen. Am 15. Oktober läuft die Frist dafür ab. Dann wird die Kommission eine Stellungnahme dazu abgeben. Diesem Verfahren kann ich hier nicht vorgreifen; das gilt auch für alle anderen Mitgliedstaaten. Die Zinsentwicklung haben wir natürlich im Auge.

Zusatzfrage: Das ging immer noch nicht auf meine Frage ein, ob das für Italien überprüft wird. Rechnen Sie durch, was diese Zinsentwicklung für den italienischen Haushalt bedeuten wird?

Kolberg: Ich habe Ihnen doch eben gesagt, dass der Haushalt noch gar nicht vorliegt, dass er der Kommission am 15. Oktober vorgelegt werden muss. Daher habe ich Ihre Frage ganz genau beantwortet. Das Verfahren läuft noch. Die Kommission wird dann eine Stellungnahme zu dem Haushalt vorlegen. Dann kann man sich dazu äußern, wie die Haushaltsplanung in Italien ist und welche Auswirkungen möglicherweise Entwicklungen haben, auf die Sie jetzt anspielen.

Für Deutschland kann ich sagen, dass wir die Zinsentwicklung im Auge haben. Deswegen habe ich auch darauf hingewiesen, dass wir im Haushalt dafür Vorsorge treffen, dass wir beim Schuldenmanagement dafür Vorsorge treffen. Das ist Teil einer verantwortlichen Haushaltspolitik; die betreiben wir. Deswegen haben wir natürlich die Zinsentwicklung ganz klar im Auge.

Frage: Ich habe zunächst eine Frage zum EU-Umweltrat. Herr Seibert, ich wüsste gerne von Ihnen, wie die Bundeskanzlerin den Kompromiss im Umweltrat bewertet, weil das, wenn ich das richtig verstanden habe, über dem liegt, was die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Wenn ich Frau Merkel vom Tag der Deutschen Industrie noch richtig im Ohr habe, hat sie da gesagt: Alles, was über dem Vorschlag der Kommission liegt, würde die Autoindustrie aus Europa vertreiben. Darum meine Frage an Sie, wie die Kanzlerin das bewertet.

StS Seibert: Wie Sie wissen - Sie wissen es ganz offensichtlich -, hat der EU-Umweltrat sich gestern am späten Abend darauf verständigt, dass die Kohlendioxidgrenzwerte für neue Pkw bis 2030 um 35 Prozent gegenüber 2020/21 gesenkt werden sollen. Als Bundesregierung begrüßen wir, dass die Umweltminister und Umweltministerinnen der EU sich auf eine gemeinsame Position geeinigt haben. Das heißt nämlich, dass noch heute die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament im Trilog aufgenommen werden können. Ein zügiger Abschluss der Verhandlungen ist wirklich wichtig. Wir brauchen Planungssicherheit, sowohl für das Erreichen der Klimaziele als auch für die Wirtschaft.

Wie ist es zu diesem Beschluss gekommen? Wie Sie wissen, hatte die EU-Kommission nach Abwägung aller Gesichtspunkte den Vorschlag gemacht, den durchschnittlichen Ausstoß bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Diesen Vorschlag hatte die Bundesregierung unterstützt. Für diesen Vorschlag gab es im Rat der Umweltminister keine ausreichende Unterstützung. Die Bundesregierung hat dann als gemeinsame Position den Kompromissvorschlag der österreichischen Ratspräsidentschaft mitgetragen. Dabei haben wir insbesondere auch eine gute Zusammenarbeit mit Frankreich gepflegt. Das ist das, was ich dazu sagen kann.

Fichtner: Ich kann das nur unterstreichen. Unsere größte Befürchtung war, dass es beim Umweltrat keine Einigung gibt. Dann hätten wir auch keine neuen Grenzwerte gehabt. Deswegen ist die Umweltministerin sehr froh, dass wir das abwenden konnten und dass es eine Einigung gab und wir jetzt in die Triloggespräche zwischen Kommission, Parlament und Rat gehen können.

Zusatzfrage: Das heißt, Herr Seibert, die Kanzlerin wird nicht darauf drängen, dass am Ende der Vorschlag der Kommission durchgesetzt wird, sondern dass es bei diesen 35 Prozent bleibt. Ich frage, weil das ja nicht ihrer Position entsprach.

StS Seibert: Selbstverständlich. Wir haben jetzt einen europäischen Kompromiss. Wir begrüßen diesen europäischen Kompromiss. Ich habe Ihnen erklärt, wie er zustande gekommen ist, und wir wollen jetzt, dass im Trilog mit dem Europäischen Parlament möglichst schnell dies dann auch so beschlossen wird, damit Planungssicherheit in alle Richtungen besteht.

Frage: Nur eine Klärung im Wording: Es heißt unterschiedlich, "bis 2030" und "ab 2030". Verstehe ich es richtig, dass es bedeutet, dass im Jahr 2030 der durchschnittliche Flottenverbrauch um 35 Prozent reduziert sein muss?

Fichtner: Da Sie "muss" sagen: Es ist ja noch nicht das Ergebnis, sondern das ist die Position, mit der der Rat in die Gespräche geht.

Zusatz: Das ist schon klar. Wenn es denn so kommt.

Fichtner: Was auch immer am Ende beim Trilog herauskommt, ist dann die Zahl, um die der Flottengrenzwert niedriger sein muss im Vergleich zu 2020 oder 2021. Da ist eine Kleine Unklarheit, weil das aktuelle Ziel bis 2020 und 2021 geht.

Es gibt aber auch ein Zwischenziel. Das ist im Jahr 2025. Da haben sich die Umweltministerinnen und Umweltminister gestern auf 15 Prozent verständigt. Die Existenz dieses Zwischenziels im Jahr 2025 zeigt noch mal mehr, wie wichtig es ist, eine schnelle Einigung zu bekommen, denn die Autohersteller müssen sich ja jetzt schon darauf einstellen, welche Autos sie im Jahr 2025 oder in den Jahren davor verkaufen.

Zusatzfrage: Verstehe ich es richtig, dass der Reduktionswert 35 Prozent, wenn es denn so kommt, im Jahr 2030 erreicht sein muss?

Fichtner: Inklusive des Zwischenziels. Es ist natürlich dann ein Weg, den man dahin geht.

Frage: Eine Frage an das BMVI: Inwiefern waren die 35 Prozent mit dem BMVI abgestimmt? Gegangen ist man in die Verhandlungen ja mit 30 Prozent. Wie zufrieden sind Sie denn mit der Verhandlungsführung von Frau Schulze?

Buser: Wie Herr Seibert auch gesagt hat: Man hat sich jetzt auf einen europäischen Kompromiss geeinigt. Mehr habe ich dem nicht hinzuzufügen.

Zusatzfrage: War Herr Scheuer in die 35 Prozent eingeweiht, oder wurde er nicht noch einmal kontaktiert?

Buser: Wie gesagt, man hatte sich auf eine gemeinsame Haltung der Bundesregierung im Vorfeld verständigt. Frau Schulze hat dann dort das Ganze mit vertreten.

Zusatzfrage: Das heißt, die 35 Prozent waren vorher ausgemacht?

Fichtner: Noch mal zur Aufklärung, was das Verkehrsministerium angeht: Die Gesprächspartner waren vor allem das Wirtschaftsministerium und das Kanzleramt, wegen der Zuständigkeit für die Automobilindustrie eher das Wirtschaftsministerium.

Sie haben gefragt, wie wir in die Verhandlungen gegangen sind. Wie es in der letzten Regierungspressekonferenz auch schon gesagt wurde: mit 30 Prozent. Dann hatten wir allerdings gestern im Verlaufe des Tages in enger Absprache mit dem Kanzleramt die Möglichkeit, auf 35 Prozent zu gehen, und konnten somit als Brückenbauer zwischen den einzelnen sehr unterschiedlichen Positionen der Mitgliedstaaten fungieren.

Es war auch europapolitisch eine gute Sache, dass wir keine Spaltung zwischen Ost- und Westeuropa erleben mussten, sondern dass wir es geschafft haben, ein ganz breites Bündnis hinter diesen Kompromiss der österreichischen Ratspräsidentschaft zu versammeln.

Frage: Beim BDI hatte die Kanzlerin, wie der Kollege schon richtig sagte, gesagt, dass alles über 30 Prozent der deutschen Autoindustrie oder der europäischen Autoindustrie schaden würde. Steht denn diese Aussage der Kanzlerin? Wenn das so ist, dann muss im Grunde die Bundesregierung bei den Verhandlungen jetzt schon darauf dringen, dass es wieder auf 30 Prozent geht.

StS Seibert: Ich habe schon ganz klar gesagt, dass die Bundesregierung zu diesem gefundenen Kompromiss steht und ihn natürlich auch vertreten wird. Das ist doch selbstverständlich.

Die Aussagen der Bundeskanzlerin beim Tag der Deutschen Industrie sind natürlich auch sehr stark vor dem Hintergrund des Votums des Europäischen Parlaments zu sehen, das gerne eine 40-prozentige Reduzierung bis 2030 gesehen hätte. Sie spricht davon, dass so etwas die Gefahr birgt, dass wir die Automobilindustrie aus Europa vertreiben und sie dann anderswo Autos produziert, die wir dann hier kaufen. Das will sie nicht. Dazu steht sie.

Jetzt haben wir einen Kompromiss. Wir stehen zu diesem Kompromiss und sind auch der österreichischen Ratspräsidentschaft dankbar, dass sie in diese Richtung gewirkt hat.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und an das Bundesverkehrsministerium. Der SPD-Abgeordnete Bartol fordert, dass die Bundesregierung, speziell Herr Scheuer, noch einmal darüber nachdenken sollte, Strafzahlungen gegenüber den Autokonzernen zu verhängen, die manipulierte Fahrzeuge in Verkehr gebracht haben, die berühmten 5000 Euro.

Hat sich die Position von Herrn Scheuer inzwischen geändert, der ja diese Forderung immer wieder abgelehnt hat, obwohl es rechtlich möglich wäre?

Herr Seibert, wie bewertet die Bundeskanzlerin diese Forderung?

Buser: Zum Thema Strafzahlungen an sich: Erst einmal ist abzuwarten, dass die Behörden, die für Strafverfolgung zuständig sind, ihre Strafverfahren abschließen. Da gibt es momentan noch sehr viele laufende Prozesse. Diese bleiben jetzt erst einmal abzuwarten. Wir als Bundesverkehrsministerium sind nicht für die Strafverfolgung als solche zuständig.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat sich in den vergangenen Tagen ja klar geäußert; ich wiederhole das gerne noch einmal. Sie erwartet von den Autokonzernen, dass diese in den nächsten Tagen ihre Pläne zu attraktiven Prämien und Umtauschprogrammen für die betroffenen Dieselfahrer der Öffentlichkeit vorlegen und dass sie auch das Angebot zur Hardwarenachrüstung für die infrage kommenden Dieselhalter in den besonders stark betroffenen Städten machen, entsprechend den Kriterien im Koalitionsbeschluss vom 1. Oktober.

Wir erwarten auch, dass die Softwareupdates an bis zu 6,3 Millionen Dieselfahrzeugen, wie zugesagt, bis Ende 2018 durchgeführt sind.

Zusatzfrage: An das Verkehrsministerium: Es gibt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Dieses Verfahren läuft ja nicht gegen die Staatsanwaltschaften, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland, weil die EU-Kommission der Ansicht ist, dass bislang keine Sanktionen verhängt worden sind. Deswegen verstehe ich diese Äußerung nicht.

Heißt das, Sie warten das ab und denken darüber nach, oder Sie denken jetzt schon darüber nach und machen noch nichts, weil die Staatsanwaltschaften noch nicht zu Ergebnissen gekommen sind?

Buser: Zu dem Hintergrund: Wir versuchen ja auch, mit dem "Sofortprogramm Saubere Luft" und dem neuen Konzept, das gemeinsam mit dem Umweltministerium vorgestellt wurde, die Städte sauberer zu machen. Das war ja auch Anlass dieses Vertragsverletzungsverfahrens. Da sind wir, wie gesagt, mit Hochdruck dran, haben jetzt auch weitere Förderrichtlinien, die erarbeitet werden, sind auch im ständigen Austausch mit den Herstellern, um genau mit diesen Prämien noch weiter daran zu arbeiten. Das heißt, das Ganze setzt man jetzt im Detail einfach um.

Deswegen sind es verschiedene Punkte, die in Ihrer Frage nicht zusammenpassen. Das heißt, wir haben ein schlagkräftiges Konzept erarbeitet, und das wird jetzt einfach Stück für Stück umgesetzt. Damit erreichen wir auch, dass es keine Fahrverbote für Euro 4 und Euro 5 geben muss und die Städte die Grenzwerte einhalten werden.

StS Seibert: Wenn ich vielleicht auch ganz kurz etwas sagen darf: Sie fragen das sicherlich vor dem Hintergrund des Verwaltungsgerichtsurteils in Berlin gestern. Da ist Folgendes zu bedenken: Die Gerichtsurteile in Berlin und auch in Frankfurt sind auf der Grundlage von Luftreinhaltungsplänen der Kommunen gefällt worden, die schon Jahre alt sind, die also nicht den aktuellen Stand der Maßnahmen und Möglichkeiten zur Schadstoffbegrenzung enthalten.

Insofern besteht jetzt nach diesen Urteilen, auch nach dem Berliner Urteil, die Chance, neue Luftreinhaltungspläne zu erarbeiten, in die die Maßnahmen der Bundesregierung und ihr positiver schadstoffsenkender Effekt eingearbeitet werden.

Nun will ich noch mal grundsätzlich sagen, weil das gelegentlich nicht genügend bedacht wird: Die Erstellung von Luftreinhalteplänen und die Umsetzung dieser Pläne ist in Deutschland Sache und Verantwortung der Länder, nicht des Bundes. Der Bund unterstützt durch die vielfachen Maßnahmen, die wir hier in den vergangenen Monaten und auch am 01.10. noch mal vorgestellt haben.

Frage: Noch eine Nachfrage an das BMVI: Auf welcher Rechtsgrundlage könnte man denn Bußgelder verhängen?

Wie groß ist der Anteil von Euro-5- und Euro-6-Dieseln, die jetzt quasi Betrugsdiesel wären, an allen Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen?

Buser: Sie vermischen an dieser Stelle verschiedene Punkte, zum einen die Fälle, in denen betrogen wurde, und zum anderen die Fälle, in denen es um das Thema der Luftreinhaltung geht. Deswegen muss man auch da vielleicht noch ein bisschen präziser werden.

Dort, wo betrogen wurde, wurden Softwareupdates durchgeführt, wie wir es mit einer relativ hohen Quote in dem verbindlichen Rückruf auch schon durchgeführt haben. Das andere sind Kriterien, die man mit den Grenzwerten jetzt festsetzt, wonach Euro 4 und Euro 5 jetzt auch noch sauberer werden, damit die Städte noch stärker entlastet werden. Es sind also verschiedene Diskussionen, die dort mit hineinlaufen. - Sie schütteln den Kopf?

Zusatz: Ja. Das war nicht meine Frage. Meine Frage drehte sich um die Bußgelder und darum, welche rechtliche Grundlage es aus Ihrer Sicht für die Bußgelder gäbe.

Buser: Bußgelder können nur verhängt werden, wenn festgestellt wurde, dass etwas nachweislich nicht in Ordnung war. Dazu ermitteln derzeit, wie gesagt, noch die Strafverfolgungsbehörden.

Zusatzfrage: Wie groß ist der Anteil der Euro-5- und Euro-6-Betrugsdiesel? Um wie viele Fahrzeuge handelt es sich dabei?

Buser: Das müsste ich noch im Detail nachschauen.

Zusatz: Es wäre schön, wenn Sie das nachreichen könnten.

Buser: Das kann ich prüfen.

Frage: Herr Seibert, Sie hatten gerade das Berliner Urteil von gestern angesprochen. Wie geht die Bundesregierung denn mit der möglichen Beeinträchtigung des Regierungsfuhrparks um? Ein Teil der Flotte wäre von dem Verbot in Berlin ja betroffen. Würde dadurch die Regierungsarbeit beeinträchtigt?

StS Seibert: Ich gehe davon aus, dass nicht. Aber ich kann Ihnen jetzt keine Einzelauskünfte über die Flotte der Bundesregierung machen. Das müsste ich gegebenenfalls nachreichen.

Frage: Erstens eine Frage zu den Plänen zur Nachrüstung und zum Dieselkonzept: Die Umtauschprämie sollte sofort starten. Herr Seibert hat gerade gesagt, sie sei noch nicht gestartet, sei für Kunden noch nicht verfügbar und in den Autohäusern noch nicht im Angebot. Gibt es eine Vereinbarung mit den Autoherstellern, wann sie überhaupt starten soll?

Zweitens noch einmal zur Frage der Bußgelder: Sie sagten gerade, sie könnten nur dann eingefordert werden, wenn illegale Aktivitäten festgestellt worden seien. Das hat das Verkehrsministerium ja festgestellt, etwa im Fall Mercedes mit einigen hunderttausend illegalen Abschalteinrichtungen. Wie ist in dieser Situation die Frage von Bußgeldern zu bewerten? Kommen sie?

Buser: Um die Frage der Bußgelder vielleicht zu Ende zu führen: Grundsätzlich wird sich die Frage nach Bußgeldern erst dann stellen, wenn die Strafverfolgungsbehörden ihre Untersuchung und ihre Schlüsse finalisiert haben und wenn dazu rechtskräftige Urteile feststehen. Erst dann würden wir weiterdenken, inwiefern wir mit Bußgeldern an der Stelle umgehen.

Auch was die Umtauschprämie angeht, stehen wir mit den Herstellern natürlich in engem Austausch. Der Minister hat bei der Vorstellung des Konzepts gesagt, die Details würden jetzt noch erarbeitet. Auch die Prämie als solche wird sehr zeitnah zur Verfügung stehen.

Zusatzfrage: Heißt das, dass es keine Vereinbarung mit den Herstellern gibt, bis wann sie eingeführt und den Kunden zur Verfügung gestellt werden müssen?

Buser: Wie gesagt, geht es darum, relativ zeitnah Maßnahmen zu finden, die wirken, damit die Städte entlastet werden. Man ist mit Hochdruck daran.

Frage: Frau Buser, wie will es die Bundesregierung schaffen, dass diese Umtauschprämie nicht dazu führt, dass wieder die Unternehmen davon profitieren? Bei der letzten Umtauschprämie während der Finanzkrise haben die Autokonzerne davon profitiert. Jetzt sind sie die Übeltäter. Man will die Konzerne ja nicht noch dafür belohnen, dass sie betrogen haben.

Buser: Zum einen würde ich gern darauf eingehen, was denn überhaupt der Sinn dieser Umtauschaktion ist. Ziel dieser Umtauschaktion ist, dass wir die Städte damit sauberer machen, dass man dort schnell verfügbare Lösungen schafft, damit mehr saubere Dieselfahrzeuge auf die Straße kommen und auch die Flotten damit erneuert werden. Das ist der Hintergrund des Ganzen.

Man ist jetzt daran, dieses Konzept sukzessive umzusetzen, um die Luft in den Städten jetzt sehr, sehr schnell sehr, sehr viel besser sauberer zu machen.

Zusatz: Meine Frage bezog sich nicht darauf, dass Sie die Städte sauberer machen wollen, sondern darauf, dass Sie ja nicht die Unternehmen profitabler machen wollen.

Buser: Es geht darum, dass die Hersteller den einzelnen Dieselfahrern wirklich attraktive Angebote machen können. Das heißt, zum Beispiel ein Euro-4-Diesel hat einen gewissen Restwert. Darauf kämen dann durchschnittlich um die 5000 Euro - ich sage das jetzt relativ pauschal, ohne den genauen Einzelfall zu betrachten - als Umtauschprämie. Dann käme gegebenenfalls, wenn der Halter sich entscheiden sollte, ein Elektrofahrzeug anzuschaffen, noch eine weitere Prämie oben darauf. Dann hat man wirklich Angebote, die für den Einzelnen attraktiv sind.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium zu den Berichten über das, was der Minister gestern in der Fraktionssitzung zu den erwarteten Flüchtlingszahlen gesagt hat: Können Sie die Zahl von 100 000 für die Nettozuwanderung, die kolportiert wird, bestätigen und sie erklären? Offensichtlich ist die Zahl der Flüchtlinge, die kamen, mit der Zahl derer, die abgeschoben wurden beziehungsweise freiwillig ausgereist sind, gegeneinander aufgerechnet worden.

Die zweite Frage: Geht das Ministerium davon aus, dass der im Koalitionsvertrag ausgemachte Korridor in diesem Jahr nicht erreicht wird?

Petermann: Der Minister hat in der Fraktionssitzung gestern diese Äußerungen getätigt. Er hat gesagt, dass netto bis zum Zeitpunkt gestern bei uns 120 000 Asylanträge eingegangen seien und dass man bei Abzug der Abgeschobenen und derer, die freiwillig ausgereist sind, in etwa - so hat er es gesagt - auf die Zahl von 100 000 bis Stand gestern kommt.

Zusatzfrage: Geht das Ministerium fest davon aus, dass bis zum Jahresende die Zahl von 180 000 bis 200 000 nicht erreicht wird?

Petermann: Prognosen sind immer schwierig. Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass in den Monaten August, September, Oktober die Zahlen noch ansteigen. So war es bisher. Das Gegenteil ist aber der Fall. Sie sind im September nicht angestiegen, sondern gesunken. Insofern gehen wir nach den jetzigen Zahlen davon aus, dass dieser Korridor auf keinen Fall überschritten wird.

Frage: Es gibt wohl erneut Reparations- und Entschädigungsforderungen seitens der griechischen Regierung. Was hält die Bundesregierung dieses Mal von solchen Forderungen?

StS Seibert: Wir haben diese Frage hier wirklich vielfach besprochen. Unsere Haltung ist, dass die Frage nach deutschen Reparationen juristisch wie politisch abschließend geregelt ist. An dieser Haltung hat sich nichts geändert.

Im Übrigen gibt es keinen offiziellen Vorstoß der griechischen Regierung.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung Informationen darüber, dass der Vorstoß dieses Mal eventuell in Absprache mit der polnischen Regierung erfolgen könnte?

StS Seibert: Ehrlich gesagt, habe ich darüber keine Informationen. Es wäre auch erstaunlich, wenn ich Informationen über mögliche Absprachen zwischen Polen und Griechenland hätte. Ich habe sie nicht.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium zum Thema der Batteriezellenproduktion. Nach einem Bericht des "Tagesspiegels" finalisieren sich die Pläne des Ministers zur Ansiedelung einer solchen Produktion in Deutschland. Es ist die Rede von einer Anschubfinanzierung in Höhe von einer Milliarde Euro und davon, dass sich VARTA Microbattery und Ford an dieser Produktion beteiligen. Können Sie das so bestätigen? - Danke.

Eichler: Danke für die Frage. - Wir haben uns zu dem Thema hier schon häufiger geäußert. Etwas Neues kann ich dazu nicht sagen. Es bleibt dabei, dass wir dazu in Gesprächen sind, dass Herr Altmaier sehr daran interessiert ist, das Thema der Batteriezellenproduktion in Deutschland voranzubringen, und dass wir zuversichtlich sind, dass wir bis Ende des Jahres konkrete Ergebnisse haben. Zu den Details des Artikels möchte ich mich hier nicht äußern.

Zusatzfrage: Sie sagten: bis Ende des Jahres. - Ich meine, der Minister hatte von Ende November gesprochen. Im Bericht des "Tagesspiegels" wird ein Treffen am 15. November erwähnt. Können Sie diesen Termin vielleicht bestätigen?

In dem Zusammenhang wüsste ich gern, wie sich die Bemühungen der Bundesregierung in die europäischen Bemühungen einbetten. Dort gibt es ja die Batterieallianz. Am 15. Oktober soll es dazu ein Treffen geben, dass der Energiekommissar einberufen hat. Gibt Deutschland die europäischen Bemühungen auf, um eine deutsche Batteriezellenproduktion voranzutreiben, oder läuft das parallel?

Eichler: Das läuft selbstverständlich parallel. Wir sind auf nationaler und auf europäischer Ebene mit den Beteiligten im Austausch darüber.

Zu Ihrer Frage nach dem konkreten Datum möchte ich bei der Auskunft "bis Ende des Jahres" bleiben.

Frage: Ich habe eine Frage an das Landwirtschaftsministerium zur Initiative von Frau Schulze gegen das Insektensterben. Inwiefern begrüßen Sie den Vorstoß von Frau Schulze, der ja in das, was die Landwirtschaftsministerin tut, hineinregiert? Unter anderem geht es ja darum, eine grundlegend andere Verwendung von Pestiziden anzustreben.

Fichtner: Ich möchte das vielleicht kurz einordnen. Zur Stunde findet hier im "dbb Forum Berlin" das Nationale Forum zur biologischen Vielfalt statt. Dort stellt die Bundesumweltministerin eine Ideensammlung für den Insektenschutz vor. Das befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium. Wir haben bei uns im Haus nach allen möglichen Ideen gesucht, was man tun kann, damit es Insekten in Zukunft besser geht. Das betrifft vor allem die Art, wie wir Landwirtschaft fördern. Es betrifft auch den Einsatz von Pestiziden.

Heute stellen wir das der Öffentlichkeit vor und fragen die Öffentlichkeit, ob es noch weitere gute Ideen dafür gibt. Dazu soll es eine Onlinebeteiligung geben. Erst danach wird ein überarbeiteter Entwurf in die Ressortabstimmung gehen. Ziel ist es, dass wir im Frühsommer damit im Kabinett sind, damit es dann ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz geben wird, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

Bürgelt: Ich sehe keinen Widerspruch zum Bundesumweltministerium. Denn schon im Koalitionsvertrag wurde beispielsweise festgelegt, dass man sich für Insektenschutz einsetzt. Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner hat sich dazu bereits in dieser Legislaturperiode tätig gezeigt und wird das fortsetzen. Wir sind dazu unter anderem in Gesprächen mit dem BMU. Ich sehe also keinerlei Widerspruch.

Zusatzfrage: Grundsätzlich weniger Pestizide zu verwenden, das findet das Landwirtschaftsministerium also super?

Bürgelt: Das finden wir super. Das haben wir auch schon gesagt. Die Bundesministerin hat betont, dass wir zum Beispiel bei der Erarbeitung einer Ackerbaustrategie sind, die eben auch vorsieht, mithilfe neuer Technologien den Düngemitteleinsatz und den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren. Wir schauen also in dieselbe Richtung, ja.

Frage: An das Arbeitsministerium: Die Bundesagentur für Arbeit hat neue Zahlen zu Hartz-IV-Sanktionen veröffentlicht. Die Quote ist mit etwa drei Prozent gleich geblieben. Von den Sozialverbänden kommt trotzdem einige Kritik an den Sanktionen.

Deshalb die Frage an das Haus: Gibt es Pläne, sie abzumildern, zum Beispiel für bestimmte Personengruppen?

Jäger: Es ist kein Regierungshandeln, daran etwas zu ändern. Allerdings gibt es bei uns im Haus sehr wohl Bemühungen, sich die Sanktionen anzuschauen. Der Minister hat sich dazu schon mehrfach geäußert, speziell was den Aspekt von Sanktionen, die sich an Menschen unter 25 Jahren richten, anbelangt. Insofern behalten wir das im Blick.

Frage : An das Wirtschaftsministerium: Der Wirtschaftsminister hatte versprochen, dass bis zum Ende des dritten Quartals, also bis Ende vorletzter Woche, die Liste mit den am Jemen-Krieg beteiligten Staaten vorliegen werde. Ich weiß immer noch nichts davon. Wann können wir damit rechnen?

Eichler: Sie beziehen sich auf die Äußerungen von Herrn Altmaier in der Bürgerpressekonferenz anlässlich des Tags der offenen Tür. Wir haben uns das noch einmal angeschaut und nicht gefunden, dass er dort gesagt hat, er wolle eine Liste vorlegen, sondern er hat gesagt, dass er sich auf eine gemeinsame Position der Bundesregierung mit allen beteiligten Kollegen verständigen werde und dass diese dann - hoffentlich bald - vorliegen werde.

Zusatzfrage: Er hatte schon davon gesprochen, dass wir das dann in der Öffentlichkeit erfahren würden. Das wird dem Parlament vorgelegt werden.

Gibt es die gemeinsame Position denn schon, Herr Seibert?

StS Seibert: Es gibt Gespräche.

Zusatzfrage: Wie lange dauern sie noch?

StS Seibert: Darüber kann ich Ihnen keine Vorhersage machen.

Frage: Eine Frage zu den Gesprächen, die jetzt ja schon eine ganze Weile dauern: Vielleicht können Sie ein wenig beschreiben, wo denn die Knackpunkte bei diesen Gesprächen, die ja bisher offenbar nicht zu einem Ergebnis geführt haben, sind.

StS Seibert: Nein, ich werde Ihnen jetzt hier über interne Gespräche in der Bundesregierung keine weiteren Informationen geben.

Frage: Eine Lernfrage: Herr Seibert, warum müssen dazu überhaupt Gespräche geführt werden? Es ist ja keine Meinungssache, wer daran beteiligt ist, sondern es sind ja Fakten. Sie müssen ja nur zusammengetragen werden.

StS Seibert: Das ist Ihre Ansicht.

Zusatzfrage: Ist es aus Sicht der Bundesregierung also Meinungssache, wer dort beteiligt ist?

StS Seibert: Nein, darum geht es überhaupt nicht. Natürlich beobachten wir die Situation dort sehr genau. Das weiß auch das Auswärtige Amt. Wir sprechen in der Bundesregierung darüber, wie wir die Entwicklung in der gesamten Region, wie wir die Entwicklung im Jemen-Konflikt, wie wir die Beteiligung einzelner Staaten am Jemen-Konflikt bewerten und welche Auswirkungen das auf unsere Politik hat.

Frage: Herr Seibert, was können Sie uns über das Telefonat, das die Kanzlerin gestern offenbar mit Herrn Abbas geführt hat, sagen? Wie lange hat es gedauert?

Offenbar wurde nicht über die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen gesprochen. Ist das richtig?

StS Seibert: Wie lange hat es gedauert? Ich glaube, das wäre das erste Mal, dass ich hier Minutenangaben mache.

Zuruf: Nein.

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hatte im Zuge der deutsch-israelischen Konsultationen - ich meine, auch bei der Pressekonferenz - in Jerusalem angekündigt, dass sie im Anschluss daran, binnen weniger Tage, auch mit Mahmud Abbas sprechen werde. Genau das hat sie getan. Sie hat ihm von den deutsch-israelischen Konsultationen berichtet, hat mit ihm über die Situation gesprochen und hat noch einmal die deutsche Haltung bekräftigt, wie sie sie auch in Israel bekräftigt hatte, dass wir eine ausgehandelte Zwei-Staaten-Lösung als den Weg zu einer friedlichen und sicheren Zukunft in der Region sehen. Das ist es, was ich Ihnen über dieses Gespräch sagen kann.

Zusatzfrage: Die Kanzlerin hat ja auch angekündigt, dass sie Fragen zur Situation im Gazastreifen stellen werde. Können Sie uns sagen, ob es da einen neuen Informationsstand gibt, der über das bislang Bekannte hinausgeht?

StS Seibert: Sie hat sich, wie wir in der kurzen Presseerklärung auch gesagt haben, mit Mahmud Abbas, dem Präsidenten, auch über den Stand des innerpalästinensischen Versöhnungs- oder Annäherungsprozesses unterhalten.

Zusatzfrage: Ist es, da sich ja die USA zurückgezogen haben und als möglicher Vermittler eigentlich nicht mehr zur Verfügung stehen, eine Perspektive, dass die EU oder auch speziell Deutschland zunehmend in eine solche Vermittlerposition zwischen Israel und den Palästinensern hineinwachsen könnte?

StS Seibert: Das halte ich jetzt für eine Spekulation. Ich sage auch: Das, was Sie jetzt über die USA gesagt haben, ist zunächst einmal eine Meinungsäußerung.

Deutschland hat ein ganz großes Interesse an einer gesicherten und sicheren Existenz des Staates Israel, und aus diesem Interesse heraus halten wir die ausgehandelte, verhandelte Zwei-Staaten-Lösung, die auch den Palästinensern ihren eigenen Staat gibt, für den besten - eigentlich den derzeit einzig denkbaren - Weg. Das ist die Haltung, die wir vertreten und die wir auch in die europäische Politik einbringen. Mehr kann ich Ihnen dazu jetzt nicht sagen.

Mänz: Sie hatten ja nach der Anrechnung der Inlandsflüchtlingskosten auf die ODA-Quote gefragt. Ich kann das jetzt noch einmal präzisieren. Wie ich also schon gesagt habe, ist nur ein Teil der Kosten anrechenbar, die für die Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland aufgewendet werden. Anrechenbar sind vor allen Dingen die Leistungen für Unterkunft und Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und für die Inobhutnahme unbegleiteter Minderjähriger sowie die Kosten für Grund- und Sekundärbildung, also beispielsweise für den Besuch von Kindertagesstätten, von Schulen und von Sprach- und Integrationskursen. Aber wichtig ist die Einschränkung "bis zu zwölf Monate", also im Regelfall für die ersten zwölf Monate. Diese Kosten werden derzeit - noch eine Einschränkung - nur für Flüchtlinge aus Entwicklungsländern berücksichtigt und auch nur für solche Entwicklungsländer, die nicht als sichere Herkunftsstaaten eingeschätzt werden.

Frage: Können Sie uns sagen, wie groß der Anteil dieser Kosten in diesem Jahr zum Beispiel an den 1,6 Milliarden Euro ist, die Herr Seibert vorhin genannt hat?

Mänz: Das kann ich Ihnen nicht beziffern. Die ODA-Quote wird, glaube ich, ja immer mit großer Verzögerung berechnet, nämlich erst dann, wenn alle Gesamtausgaben nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder und Kommunen vorliegen, im Regelfall mit einer Verzögerung von eineinhalb Jahren. Das heißt, das kann ich Ihnen für diesen sozusagen künftigen Zeitraum jetzt noch nicht sagen.

Frage: Ich befürchte, das war jetzt auch fast mit beantwortet worden, aber ich stelle die Frage trotzdem: Nachdem Deutschland die ODA-Quote jetzt einmal erreicht hatte, war mein Stand, dass sie in den kommenden Jahren wieder nicht erreicht werden wird. Hat die Aufstockung der Flüchtlingskosten darauf Auswirkungen? Könnte man sie doch wieder erreichen, oder lässt sich diese Prognose noch nicht stellen?

Mänz: Noch einmal: Die endgültigen ODA-Zahlen erhalten wir immer erst mit großer Verzögerung. Sie haben recht: Im Jahr 2016 hat Deutschland das 0,7-Prozent-Ziel der ODA-Quote tatsächlich erstmals erreicht. Wir haben aber auch immer sehr deutlich darauf hingewiesen, und auch der Minister hat das getan, dass das unter anderem eben auch daran liegt, dass die Flüchtlingskosten im Inland so hoch waren und sich natürlich auf die Quote niedergeschlagen haben. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen - das haben Sie ja auch mitbekommen -, ist rückläufig, und entsprechend wird auch der Anteil sinken, der auf die ODA-Quote angerechnet wird; aber wie genau, kann ich Ihnen nicht sagen.

Fähnrich: Es gab noch eine Frage zum Thema Wolfram. Nach unseren Informationen handelt es sich bei Wolfram um einen Stoff, der selbst dann, wenn er verschossen wird, oder dann, wenn er sich dabei zerlegt, keine schädigende Wirkung im Rahmen einer Strahlung zur Folge hat, die somit auch nicht gemessen werden kann.

Frage: Aber Sie wissen noch nicht, ob Wolframmunition dort verschossen wurde?

Fähnrich: Die Information haben wir, dass Wolframmunition dort verschossen wurde. Das ändert aber nichts an der Einschätzung der Gefährdungslage beziehungsweise an der Messbarkeit.

Frage: Frau Petermann, können Sie uns etwas über die Festnahme des offenbar dringend Tatverdächtigen im Fall der ermordeten bulgarischen Journalistin Viktoria Marinova sagen?

Petermann: Ja. Ich kann dazu sagen, dass es zwischenzeitlich in Niedersachsen Presseerklärungen oder sogar eine Pressekonferenz zu dem Fall gab. Es war aber auch so, dass im Vorfeld umfangreiche Koordinierungsarbeiten sowohl zwischen den bulgarischen Behörden und den Zielfahndungsdienststellen beim BKA als auch mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen über einen BKA-Verbindungsbeamten in Sofia erfolgt sind und zu diesem Erfolg zumindest mit beigetragen haben.

Zusatzfrage: Befindet sich der Tatverdächtige noch in Deutschland, oder wird er schon nach Bulgarien zurückgeführt? Wie ist die Situation?

Petermann: Dazu, wo er sich im Augenblick befindet, kann ich nichts sagen. Er ist ja jetzt erst einmal festgenommen worden. Entschuldigung, vielleicht kann das BMJV das ergänzen.

Krüger: Ja, das ergänze ich sehr gerne: Das wäre dann eine Frage der Auslieferung, und es ist so, dass das Verfahren jetzt in den Händen der niedersächsischen Justiz liegt. Dort ist die Generalstaatsanwaltschaft Celle zuständig. Über eine etwaige Auslieferung nach Bulgarien auf Grundlage des Europäischen Haftbefehls hätte eben das OLG Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu entscheiden. Sie sehen: Das ist etwas, das sicherlich nicht heute passiert, zumindest nicht, was das gesamte Verfahren betrifft. Deswegen wären weitere Fragen jetzt eben auch an die Justizbehörden in Niedersachsen zu richten.

Mittwoch, 10. Oktober 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 10. Oktober 2018
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom-10-oktober-2018-1536442
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2018

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