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PRESSEKONFERENZ/1903: Regierungspressekonferenz vom 21. August 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 21. August 2019
Regierungspressekonferenz vom 21. August 2019

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags, Leitlinien deutscher Arktispolitik), Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen des EU-Resettlement-Programms, Frage nach einer möglichen Ausweitung des Format des G7-Gipfels 2020, Reise des Bundesaußenministers nach Moskau, Antrittsbesuch des britischen Premierministers, Aufklärung des Mordfalls Walter Lübcke, Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags über die Festsetzung eines iranischen Tankers vor Gibraltar im Hinblick auf das Seerechtsübereinkommen und die Charta der Vereinten Nationen, Telefonat zwischen der Bundeskanzlerin und dem türkischen Präsidenten, Urteil des Landgerichts Düsseldorf zu Software-Updates von VW, kostenlose Bahnfahrten für Soldaten der Bundeswehr, Forderung der Bundesverteidigungsministerin nach einer Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr im Irak, Sicherheitslage in Afghanistan, Äußerungen des US-Botschafters in Deutschland zu einem möglichen Abzug von US-Truppen aus Deutschland, geplantes Verbot sogenannter Konversionstherapien, Aufnahme von Flüchtlingen vom Schiff Open Arms in Deutschland, Test eines Marschflugkörpers durch die USA, technische Defekte bei ICE-Zügen der Deutschen Bahn, mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Soldaten der Bundeswehr durch uranhaltige Munition, Personalie

Sprecher: StS Seibert, Ruwwe-Glösenkamp (BMI), Breul (AA), Alexandrin (BMVI), Fähnrich (BMVg), Krüger (BMJV), Ewald (BMG), Klein (BMU)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag auch von mir! Ich habe zwei Mitteilungen aus dem Kabinett zu machen.

Zunächst einmal geht es um die Umsetzung eines weiteren Kernprojekts des Koalitionsvertrags: Der Solidaritätszuschlag soll ab dem Jahr 2021 weitgehend entfallen. Das Kabinett hat heute den Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers beschlossen.

Die Inhalte sind weitgehend bekannt: Für 90 Prozent der heutigen Zahler soll der Solidaritätszuschlag ab 2021 in einem ersten großen Schritt vollständig entfallen. Die heutige Freigrenze liegt bei 972 Euro, sie wird auf 16 956 Euro erhöht. Auf diese Freigrenze folgt dann eine Milderungszone, damit eben nicht nach der Freigrenze sofort auf den vollen Steuerbetrag der Soli erhoben wird. Diese Milderungszone wird so verbessert - es gibt ja auch heute schon eine -, dass weitere 6,5 Prozent der Soli-Zahler besser dastehen werden als heute. Im Ergebnis werden dadurch ab 2021 etwa 35,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger mehr Geld zu Verfügung haben. Das Entlastungsvolumen beläuft sich in der vollen Jahreswirkung auf fast 11 Milliarden Euro.

Das zweite Thema bezieht sich auf die "Leitlinien deutscher Arktispolitik". Die Bundeskanzlerin war ja, wie viele von Ihnen mitbekommen haben, gestern und vorgestern in Reykjavík in Island zu einem bilateralen Besuch und dann auch auf Einladung des Nordischen Rates zu dessen dortigen Tagung. Ich kann Ihnen sagen, dass das Thema der Arktispolitik dort eine besonders große Rolle gespielt hat.

Es ist also zeitlich sehr angemessen, dass die "Leitlinien deutscher Arktispolitik" heute im Kabinett beschlossen wurden. Es gibt klimapolitische und umweltpolitische Aspekte, natürlich wirtschaftliche und auch geostrategische Aspekte. Was das Klima betrifft, erinnere ich daran, dass die Arktis sich derzeit etwa doppelt so schnell erwärmt wie der Rest der Erde. Bis Ende dieses Jahrhunderts geht man dort von einem Anstieg des Meeresspiegels von bis zu einem Meter aus. Das hat natürlich ganz unmittelbare Auswirkungen auch auf das Klima und das Wettergeschehen in Europa und Deutschland.

Deutschland muss also mit der Arktispolitik Verantwortung übernehmen. Deshalb hat das Kabinett heute die "Leitlinien deutscher Arktispolitik" beschlossen, um die Grundlinien unseres Handelns in dieser immer wichtiger werdenden Region darzulegen.

Ich will nur einige Stichworte nennen. Da, wo es um Rohstoffgewinnung in der Arktis geht, muss man darauf achten, dass es eine nachhaltige und eine umweltschonende Rohstoffgewinnung ist. Das ist ein wichtiges Element unserer Leitlinien. Ebenso wichtig ist die Ausweisung von Schutzgebieten, um die biologische Vielfalt zu bewahren. Genauso wichtig ist natürlich, dass die Interessen der indigenen Bevölkerung angemessen berücksichtigt werden.

Die Leitlinien beinhalten auch wirtschaftliche Perspektiven in der Region - ich habe das gerade schon gesagt -, denn diese wirtschaftlichen Perspektiven werden durch künftig eisfreie Schiffspassagen und damit erreichbare Rohstofffelder vielfältiger. Auch da gilt, dass das wirtschaftliche Potenzial der Arktis unter Beachtung ihrer ganz besonderen ökologischen Empfindlichkeit genutzt werden soll. Durch Territorial- und Souveränitätsansprüche kommt eben auch der Arktis eine geopolitische Aufmerksamkeit zu. Unser Ziel als Bundesregierung ist es, die Arktis als eine konfliktarme Region zu erhalten. Geltende Schifffahrts- und Durchfahrtsrechte müssen bewahrt werden. Gleichzeitig sind Nato und Europäische Union verstärkt in die arktische Sicherheitspolitik einzubinden.

Wir haben also diese Arktisleitlinien erarbeitet, um zu zeigen, dass wir eine ganzheitliche Herangehensweise in der Arktispolitik haben und dass wir eine gemeinsame Verantwortung aller Akteure für diese ganz besonders sensible Region verspüren.

Das wären meine Berichte aus dem Kabinett.

Frage (zu den "Leitlinien deutscher Arktispolitik"): Herr Seibert, die Kanzlerin sagte in Island, dass der Preis des Nichtstuns höher sein werde als der Preis des Handelns. Hat die Bundesregierung ausgerechnet, wie hoch der Preis für die letzten 20 Jahre Nichtstun war?

StS Seibert: Die Prämisse Ihrer Frage muss ich zurückweisen, weil es eine solche Zeit - 20 Jahre des Nichtstuns - nicht gegeben hat.

Zusatz : Die Kanzlerin war ja schon vor 20 Jahren Umweltministerin. Damals hat sie auch schon vom CO2-Ausstoß und den Einfluss auf die Atmosphäre gewusst. Sie ist seit 2005 Kanzlerin, und alle sind sich einig - selbst die Bundesregierung -, dass nicht genug getan wurde.

StS Seibert: Das ist ja etwas anderes.

Zusatzfrage : Wie hoch war der Preis?

StS Seibert: Ich kann Ihnen das hier nicht beziffern. Die Überzeugung der Bundeskanzlerin hat sie selber gestern ausgedrückt. Jetzt - in dieser Situation, in der wir heute sind - nichts zu tun oder auch zu wenig zu tun, wird uns einen höheren Preis kosten, als wenn wir, was wir ja als Bundesregierung am 20. September anstreben, wichtige, weitreichende und tiefgreifende Beschlüsse fassen. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Vorsitzender Mayntz: Das Innenministerium hat eine Ankündigung zu machen.

Ruwwe-Glösenkamp: Wir berichten gelegentlich an dieser Stelle darüber, dass Deutschland und die Bundesregierung in einem substanziellen Umfang den humanitären Verpflichtungen auch dadurch nachkommt, dass es Resettlement- und humanitäre Aufnahmeprogramme von wirklich schutzbedürftigen Personen aus Drittländern durchführt.

Eine der ersten Amtshandlungen des Bundesinnenministers war es, das Engagement Deutschlands im Bereich des Resettlements im Rahmen des EU-Resettlement-Programms für die Jahre 2018 und 2019 noch einmal deutlich zu erhöhen. Zur Erinnerung: Deutschland beteiligt sich mit insgesamt 10 200 Plätzen am EU-Resettlement-Programm 2018/2019.

In diesem Rahmen sind gestern 158 syrische Flüchtlinge aus dem Libanon nach Deutschland eingereist. Das ist der erste Flug und die erste Einreise im Rahmen des klassischen Resettlements in diesem Jahr. Es werden selbstverständlich weitere Flüge folgen. Im Rahmen des klassischen Resettlements werden wir im Rahmen dieses Programms noch Flüchtlinge aus den Ländern Ägypten, Äthiopien, Jordanien und dem Libanon, den ich gerade schon genannt habe, aufnehmen.

Daneben nimmt Deutschland im Rahmen des Eins-zu-eins-Mechanismus der EU-Türkei-Erklärung schutzbedürftige Personen auf. Das waren im letzten und in diesem Jahr bislang rund 4000 Personen. Die Aufnahmen sind fortlaufend.

Dann haben wir knapp 300 Personen über Niger aus Libyen im Rahmen des sogenannten Emergency Transit Mechanism aufgenommen. 300 weitere Aufnahmen in diesem Rahmen werden folgen.

Daneben gibt es noch das sogenannte private Sponsorenprogramm mit rund 500 Plätzen, das wir hier vor einigen Monaten auch vorgestellt haben. - So viel dazu. Vielen Dank!

Frage : Jetzt haben wir Mitte August. Warum war das jetzt erst der erste Flug?

Ruwwe-Glösenkamp: Das EU-Resettlement-Programm bezieht sich auf die Jahre 2018 und 2019, und das Jahr 2019 ist noch nicht abgelaufen. Das hängt auch damit zusammen, dass es eine relativ späte Regierungsbildung gab und nach dieser Regierungsbildung die organisatorischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden mussten, diese Aufnahmen durchzuführen. Es ist gemeinsam mit dem UNHCR ein ausgesprochen komplexer Prozess, der vor Ort in den Lagern und Einrichtungen tätig ist. Der UNHCR erstellt für uns Dossiers, die vom BAMF gesichtet und ausgewertet werden. Dann werden durch unsere Behörden vor Ort Interviews durchgeführt, und am Ende dieses aufwendigen Prozesses folgt der Transfer nach Deutschland. Das ist die Begründung dafür.

Zusatzfrage : Es soll ja nicht nur Flüge aus Libanon, sondern auch aus Jordanien, Ägypten und Äthiopien geben. Wann werden die ersten stattfinden? Wie viele Flüge sind dieses Jahr noch an sich geplant?

Ruwwe-Glösenkamp: Genaue Daten kann ich Ihnen nicht nennen. Das wird in den kommenden Monaten passieren. Die Daten können sich aufgrund organisatorischer Bedingungen immer noch einmal verschieben. Es sind in den kommenden Wochen weitere Flüge aus dem Libanon geplant. Im September ist ein weiterer Flug geplant, und weitere Flüge schließen sich dann an.

Frage: Eine Frage an Herrn Breul oder Herrn Seibert. Wie steht die Bundesregierung dazu, Russland im Jahr 2020 zum G7-Treffen einzuladen?

StS Seibert: Wenn ich anfangen darf: Man muss daran erinnern, dass die G7 2014 gemeinsam beschlossen haben, im G7- statt im G8-Format zu tagen. Das hatte seine Gründe in der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und darin, dass Russland der Destabilisierung der Ostukraine durch Separatisten politische wie militärische Unterstützung bietet.

Sie wissen, wie die Lage heute ist: Beide Situationen bestehen fort und damit auch dieser Beschluss der G7-Partner. Wenn es Aussichten auf Beseitigung dieser Gründe gibt, dann kann auch über eine erneute Änderung des Gipfelformats gesprochen werden. Wir nehmen zur Kenntnis, dass der US-Präsident das Thema in Biarritz aufbringen möchte. Dann wird dieses Gespräch geführt werden.

Breul: Ich habe keine Ergänzungen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Breul. Herr Maas besucht heute Moskau, und Sie haben bereits Themen genannt, die dort besprochen werden sollen. Ich möchte fragen, ob das Thema Normandie-Format dort besprochen wird.

Noch eine Frage an Herrn Seibert. Wie weit sind die Vorbereitungen eines möglichen Gipfels im Rahmen des Normandie-Formats zum Thema Ukraine gediehen?

Breul: Sie haben vollkommen recht: Der Bundesaußenminister befindet sich jetzt auf dem Weg nach Russland und wird dort heute Gespräche führen, unter anderem mit dem Außenminister. Wie immer berichten wir nicht im Vorhinein ausführlich über mögliche Gesprächsinhalte. Aber ich kann Ihnen dennoch versichern, wie es der Minister auch in seinem Abflugstatement gesagt hat, dass die Ukraine bestimmt ein Thema sein wird und dann natürlich auch die Frage des Normandie-Formats. Das war ja auch ein Thema bei dem Besuch des russischen Präsidenten in Frankreich. Von daher steht das auf der Agenda. Aber über mögliche Ergebnisse oder mögliche nächste konkrete Schritte möchte ich hier nicht spekulieren.

StS Seibert: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage: War die Annäherung von Herrn Macron an Russland, die sich jetzt in den Gesprächen zeigt, mit der Bundeskanzlerin oder der Bundesregierung abgesprochen? Wussten Sie davon, dass Herr Macron sozusagen einen - in Parenthese - Annäherungskurs fahren würde?

StS Seibert: Wie Sie die Ergebnisse des Gesprächs zwischen Herrn Macron und dem russischen Präsidenten beurteilen, muss ich natürlich Ihnen überlassen. Die Bundesregierung und die französische Regierung sind über alle wichtigen internationalen Entwicklungen und außenpolitischen Fragen im ständigen Kontakt.

Zusatzfrage: Begrüßt die Bundesregierung, dass sich offenbar eine Klimaverbesserung zwischen Frankreich und Russland anbahnt?

StS Seibert: Für uns stehen die Sachfragen im Vordergrund. Es gibt Sachfragen in der internationalen Politik - Syrien ist ein Beispiel -, bei denen man über den Kontakt und das Gespräch mit Russland versuchen muss, auch Lösungen herbeizuführen, wovon wir allerdings noch weit entfernt sind. Es gibt andere Sachfragen - ich habe sie gerade genannt: die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland, die militärische und politische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine durch Russland - , über die die Meinungsverschiedenheiten fortbestehen.

Frage: Zwei Fragen an Herrn Breul und Herrn Seibert zum heutigen Besuch von Boris Johnson. Erwartet sich die Bundesregierung von diesem Besuch konstruktive und konkrete Vorschläge für einen Deal oder sehen Sie das eher als einen Wahlkampftermin?

Zweitens. Wenn man nachhakt heißt es immer, Berlin sei auf einen No-Brexit-Deal sehr gut vorbereit. Was konkret heißt das? Wie sieht diese Vorbereitung aus, vor allem vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel die britische Handelskammer in diesem Fall vor einem Chaos warnt?

StS Seibert: Erstens zu dem heute anstehenden Besuch des britischen Premierministers: Es wird ja heute eine Pressebegegnung geben, bei der Fragen gestellt werden können. Das heißt, ich will dem hier nichts vorwegnehmen.

Unsere Haltung in Sachen Brexit ist hier Mal um Mal ausgeführt worden. Wir haben immer gesagt: Ein geordneter Austritt Großbritanniens aus der EU ist einem ungeordneten in jeder Hinsicht vorzuziehen. Aber wir müssen mit Realitäten leben und müssen uns auch auf mögliche Realitäten vorbereiten. Deswegen werden sowohl auf europäischer als auch auf national deutscher Ebene die notwendigen Vorbereitungen - gesetzlich wie untergesetzlich - für einen ungeordneten Brexit intensiv betrieben. Es geht dabei um ganz viele Aspekte. Die Ministerien werden jeweils in ihrem Wirkungsbereich diese notwendigen Vorbereitungen für einen Fall, von dem wir hoffen, dass er nicht eintritt, intensiv weiterfahren.

Frage: Eine Frage an das Bundesinnenministerium zum Fall Lübcke. Auf eine Kleine Anfrage der Linken ist von Ihnen erklärt worden, dass es in dem Fall mittlerweile 30 Durchsuchungen gab, eben auch in Niedersachsen und Baden-Württemberg, und 46 Waffen gefunden wurden. Können Sie sagen, bei wem genau welche Art von Waffen gefunden wurden?

Ruwwe-Glösenkamp: Sie haben recht: Wir haben in der Tat auf eine Kleine Anfrage geantwortet, dass bei den drei Beschuldigten, gegen die derzeit ein Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit dem Mord an Regierungspräsident Lübcke geführt wird, insgesamt 46 Schusswaffen gefunden worden sind. Diese werden im Moment kriminaltechnisch untersucht - das andauert noch an -, und auch die waffenrechtliche Einordnung im Einzelfall ist noch nicht ganz abgeschlossen.

Es gibt weitere aufgefundene Gegenstände im Zusammenhang mit den Durchsuchungen, so zum Beispiel Chinaböller, Messer oder auch Sportbögen. Wenn Sie fragen, wo genau und bei wem diese aufgefunden worden sind, kann ich Ihnen dazu leider keine Details nennen. Das ist Gegenstand des Ermittlungsverfahrens. Deswegen können wir weitere Details dazu nicht nennen.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage: Stehen diese 30 Durchsuchungen alle im Zusammenhang mit den drei Beschuldigten?

Ruwwe-Glösenkamp: Ich kann Ihnen sagen, dass diese 46 aufgefundenen Schusswaffen in der Tat im Zusammenhang mit diesen drei Beschuldigten stehen. Was die Zahl von 30 Durchsuchungen angeht, so muss ich das noch einmal prüfen; das habe ich im Moment nicht präsent. Möglicherweise haben wir das in Tat auf die Kleine Anfrage geantwortet. Das reiche ich im Laufe der Pressekonferenz noch nach.

Frage: Damit sich in unseren Köpfen nicht etwas Falsches festsetzt: Wenn Sie "im Zusammenhang mit den drei Beschuldigten" sagen, heißt das dann, mit einem der drei oder mit allen dreien? Wenn der eine mit illegalen Waffen gehandelt hat, dann ist er ein Waffenhändler, der vielleicht auch an Stephan E. über einen Dritten Waffen verkauft hat. Wenn aber alle drei gemeint sind, heißt das, dass diese Waffen in großer Zahl im Zusammenhang mit einer möglichen Mordserie, die geplant war, oder was auch immer steht. Wenn Sie das einmal klären könnten.

Ruwwe-Glösenkamp: Ergänzend dazu: Im Moment ermittelt der Generalbundesanwalt im Zusammenhang mit dem Mord an Herrn Lübcke gegen drei Beschuldigte. Bei diesen Beschuldigten wurden insgesamt 46 Schusswaffen aufgefunden. Ich rede von den Beschuldigten, gegen die im Moment vom Generalbundesanwalt ermittelt wird. So ist es auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage aufgeführt.

Frage: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt in einem aktuellen Völkerrechtsgutachten zu dem Ergebnis - ich zitiere sinngemäß -, dass die Festsetzung des iranischen Tankers am 4. Juli 2019 durch britische Marinekommandos in der Straße von Gibraltar keine Rechtsgrundlage im Seevölkerrecht findet. Die Bundesregierung hat expliziert hier in der BPK immer diese Festsetzung unterstützt und auch darauf verwiesen, dass dies legal und im Einklang mit dem Völkerrecht geschehen ist. Revidiert die Bundesregierung angesichts des vorliegenden Völkerrechtsgutachtens ihre bisherige Haltung und Unterstützung für die Festsetzung des Tankers?

Breul: Nein.

Zusatzfrage: Das ist ja nun ein profundes Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, das ganz klar zu dem Ergebnis kommt, dass die Festsetzung völkerrechtswidrig war. Wenn Sie so schnell mit "Nein" antworten, müssten Sie eine ebenso profunde Auseinandersetzung mit dem geltenden internationalen Seerecht vorgenommen haben und dieses Gutachten entsprechend falsifizieren oder widerlegen können.

Breul: Sie können davon ausgehen, dass wir uns profund darauf vorbereiten, wenn wir Position beziehen, insbesondere mit Blick auf rechtliche Fragen und völkerrechtliche Fragen. Das haben wir in diesem Fall getan. Wie immer möchten wir hier keine akademische Debatte mit dem Wissenschaftlichen Dienst über Auslegungsfragen und die Gutachten an sich führen. Wir haben das zur Kenntnis genommen. Wir haben unsere Position hier klar dargestellt. Wir haben vollstes Vertrauen in den Rechtsstaat Gibraltar, der EU-Sanktionen anwendet. Genau das ist unsere Position, und daran hat sich durch das Gutachten nichts geändert.

Frage : Herr Breul, auf welche Rechtsgrundlage des Seevölkerrechts stützen Sie sich?

Breul: In Bezug auf was?

Zusatz : Darauf, dass Sie sagen, dass das jetzt nicht völkerrechtswidrig, sondern völkerrechtskonform sei, nehme ich an.

Breul: Wir sagen, dass das völkerrechtskonform ist, ja.

Zusatzfrage : Warum?

Breul: Herr Kollege, ich möchte hier mit Ihnen keine völkerrechtliche Debatte führen.

Zusatz : Sie können das gerne nachreichen, wenn Sie wollen.

Breul: Wir können uns gerne noch einmal darüber unterhalten. Ich könnte Ihnen vielleicht abseits dieser Pressekonferenz auch ein paar Recherchehinweise geben.

Zusatz : Ich möchte gerne öffentlich von Ihnen hören, warum das laut der Bundesregierung nicht völkerrechtswidrig ist, wenn Sie das so sagen.

Breul: Letztlich stellen Sie die gleiche Frage noch einmal. Wir haben hier, und wir tun gut daran, immer wieder abgelehnt, öffentliche Debatten über wissenschaftliche Gutachten des Bundestages zu führen, die zu einer Einschätzung kommen. Wir kommen zu einer anderen Einschätzung. Ich kann Ihnen gerne noch einmal Rechtsgrundlagen nachreichen. Ich kann Ihnen auch gerne im Anschluss an dieser Pressekonferenz noch ein paar Recherchehinweise geben.

Frage: Das ist ja jetzt nicht das erste Mal. Die Rechtsgutachten des Bundestags kamen ja in letzter Zeit auch im Fall von Guaidó oder zuvor im Fall von Syrien zu dem Schluss, dass die Bundesregierung Völkerrecht gebrochen hat. Jetzt ist der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages eine der zentralen Instanzen der Legislative, um als Vertreter derselbigen auch Sie, die Exekutive, zu kontrollieren. Deswegen bin ich ein bisschen verwundert, mit welcher Nonchalance Sie zentrale Völkerrechtsgutachten, die mit enormen Ressourcen ausgestattet sind, hier an die Wand spielen, aber uns im Gegenzug nichts Gleichwertiges vorlegen. Deswegen stelle noch einmal meine Bitte: Können Sie bitte darlegen, auf welcher Völkerrechtsgrundlage das Auswärtige Amt sagt "Jawohl, das war entgegen der Einschätzung der Völkerrechtler des Bundestages sehr wohl völkerrechtlich abgesichert"?

StS Seibert: Ich will, wenn ich darf, ganz kurz einen Hinweis zur Gewaltenteilung in Deutschland geben: Die Bundesregierung wird vom Deutschen Bundestag kontrolliert, vom Parlament, nicht von dessen Wissenschaftlichen Dienst.

Zusatz: Aber die Legislative bedient sich der Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes, um Sie kontrollieren zu können. Mehr habe ich ja nicht gesagt!

Breul: Ich empfehle Ihnen die Lektüre des wissenschaftlichen Gutachtens, wenn Sie es schon nicht gelesen haben.

Zuruf: Habe ich!

Breul: Darin gibt es auf der ersten Seite auch immer einen Hinweis darauf, wie das einzuordnen ist, nämlich so, dass das keine offizielle Position des Bundestages ist, sondern eine Meinung des Verfassers des jeweiligen Gutachtens. Wir haben hier - das ist gute Praxis; Herr Seibert hat es gesagt - nicht den Anspruch, über diese Gutachten mit Ihnen eins zu eins zu diskutieren.

Ich habe noch einmal wiederholt, und ich möchte es gerne noch einmal tun, dass das letztlich eine Frage des Rechtsstaats Gibraltar ist, der eine EU-Verordnung im Rahmen der Sanktionsgebung umsetzt. Wir haben keinerlei Veranlassung, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens von Gibraltar zu haben.

Frage: Ich wüsste gerne, Herr Seibert, etwas zum Telefonat zwischen der Kanzlerin und Präsident Erdogan. Wer hat das initiiert?

Wie beurteilt die Bundesregierung die Absetzung der Bürgermeister in der Türkei?

Vielleicht ging es ja auch um ein anderes Thema. Herr Breul, ich wüsste gerne, ob Sie inzwischen bei der Verifizierung von Berichten über erzwungene Rückführungen aus der Türkei nach Syrien weitergekommen sind?

StS Seibert: Zu Telefonaten kommt es immer dann, wenn zwei Seiten, die Bundeskanzlerin und die andere Seite, sich dazu verabreden, zu telefonieren. So war es natürlich auch diesmal.

Die Themen des Telefonats von gestern Abend mit dem türkischen Staatspräsidenten waren im Wesentlichen die Konflikte in Syrien und in Libyen. Darüber hinaus kann ich Ihnen - das sind ja immer vertrauliche Gespräche - hier keine Angaben machen.

Breul: Ich habe keinen neuen Stand für Sie.

Zusatzfrage: Die abgesetzten Bürgermeister? Wer fühlt sich von Ihnen für die abgesetzten Bürgermeister zuständig?

Breul: Bezieht sich die Frage auf das Telefonat der Kanzlerin oder auf Allgemeines?

Zusatz: Ich möchte allgemein wissen, wie die Bundesregierung das beurteilt.

Breul: Das habe ich von hier aus nicht weiter zu kommentieren.

Frage : Waren die Bürgermeister denn im Telefonat ein Thema, Herr Seibert?

StS Seibert: Zu dem Telefonat und seinen Themen, soweit ich sie öffentlich mache, habe ich mich ja gerade geäußert.

Zusatzfrage : Sie verraten ja nicht immer alles. Darum frage ich ja nach!

Herr Breul, können Sie uns die aktuelle Zahl der deutschen Gefangenen in der Türkei nennen, vielleicht sogar der politischen Gefangenen?

Breul: Die habe ich nicht dabei, aber reiche ich Ihnen gerne nach.

Vorsitzender Mayntz: Herr Seibert?

StS Seibert: Ich habe zu dem Telefonat alles gesagt.

Zusatz : Also hat die Kanzlerin nicht über die Bürgermeisterabsetzungen gesprochen.

Ruwwe-Glösenkamp: Sie hatten ja eben nach der Anzahl der Durchsuchungen gefragt. Ich kann jetzt bestätigen, dass es in Zusammenhang mit den Ermittlungen an dem Mord an Lübcke bislang insgesamt 21 Durchsuchungen nach entsprechenden ermittlungsrichterlichen Anordnungen gegeben hat. Weitere neun Durchsuchungen erfolgten mit Zustimmung der Betroffenen. Die Maßnahmen wurden im Zeitraum vom 8. Juni bis zum 19. Juli 2019 vollzogen, und die Durchsuchungsobjekte befanden sich in den Ländern Hessen, NRW, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Diese Zahl 30, die Sie, glaube ich, eben genannt haben, ist also zutreffend.

Frage: An das Verkehrsministerium: Es gibt ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf, demzufolge auch die VW-Software-Updates bei Dieselfahrzeugen manipuliert worden sind. Wie bewertet das Verkehrsministerium dieses Urteil, das ja weitreichende Konsequenzen hätte?

Alexandrin: Dazu kann ich gerade noch nichts sagen. Das würde ich aber gegebenenfalls nachreichen.

Zusatz: Zu den Konsequenzen, um da die Richtung anzudeuten, würde unter anderem gehören, dass, wenn jetzt auch das Update als manipuliert bewertet wird, in dem Fall sämtliche Diskussionen über Verjährungsfristen, die zuvor in der Diskussion waren und die aus der primären Manipulation abgeleitet worden waren, damit auch obsolet geworden wären. Das ist sozusagen die Richtung der Dimension. Es wäre schön, wenn Sie etwas nachreichen könnten.

Frage: Meine Frage geht an Herrn Fähnrich oder hilfsweise an das Verkehrsministerium. Es gibt ja jetzt die Regelung, dass die Soldaten kostenlos Bahnfahren dürfen. Ist eine ähnliche Regelung für den Luftverkehr angedacht? Gibt es die? Wenn nicht, was ich vermute - ich möchte mir eigentlich nur das offizielle Nein abholen -, ist das angedacht?

Fähnrich: Die Frage habe ich jetzt gerade nicht verstanden. Um welchen Zweig geht es?

Zusatzfrage: Dürfen Soldaten in Uniform innerdeutsch umsonst fliegen?

Fähnrich: Diese Vereinbarung mit der Deutschen Bahn, wie der Name auch sagt, besteht mit der Deutschen Bahn AG, und genau mit der Deutschen Bahn AG und ihren Regionalvertretern ist das auch angezeigt.

Zusatzfrage: Also nichts mit Fliegen?

Fähnrich: Nein.

Frage: (Anfang ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) Die Verteidigungsministerin will das verlängern. Es gibt offensichtlich Skepsis bis Widerstand in der SPD. Wie steht das Auswärtige Amt dazu? Auf welchem Stand sind überhaupt die Abstimmungs- und Koordinierungsprozesse innerhalb der Bundesregierung im Moment?

Breul: Vielen Dank für die Frage. - Ihnen ist sicherlich bekannt, dass das große Engagement Deutschlands durch unsere Partner in der Region als ein wichtiger Beitrag zum Kampf der internationalen Gemeinschaft gegen den sogenannten "Islamischen Staat" anerkannt wird. Das ist auch bei der Reise der Verteidigungsministerin noch einmal klar und deutlich geworden. Wir haben hier mehrfach betont, dass der Kampf gegen den IS nicht vorbei ist. Im Gegenteil: Zuletzt waren eine Zunahme von IS-Anschlägen sowie wieder sich verfestigende Untergrundstrukturen zu beobachten. Von entscheidender Bedeutung ist natürlich auch die Stabilisierung der vom IS befreiten Gebiete. Das ist der Grund dafür, dass wir als Bundesregierung und auch die Bundeswehr in der Region aktiv sind.

Das Mandat des Bundestages gilt bis zum 31. Oktober. Zu gegebenem Zeitpunkt wird die Bundesregierung gemeinsam einen Vorschlag dazu machen, wie es weitergehen soll. Diese Gespräche laufen und finden statt; das hat der Bundesaußenminister gestern in einer Pressekonferenz auch noch einmal deutlich gemacht. Das ist der Stand. Dieser Vorschlag der Bundesregierung wird dann vom Bundestag beraten werden, und der Bundestag wird eine Entscheidung treffen.

Zusatzfrage: Ich habe es noch nicht ganz verstanden. Ist der Außenminister für eine Mandatsverlängerung oder nicht?

Breul: Der Außenminister hat deutlich gemacht, dass die Gespräche darüber laufen.

StS Seibert: Sowohl die Erkenntnisse des Außenministers, die er aus seiner Reise gezogen hat, die, glaube ich, im Juni stattfand, als auch die Erkenntnisse und die Lageeinschätzung der Verteidigungsministerin, die gerade in der Region war, werden in diese Gespräche innerhalb der Bundesregierung und die Entscheidung der Bundesregierung einfließen.

Frage: Da Sie eine Zunahme der Aktivitäten des IS konstatiert haben - die drückt sich ja auch in massiven Anschlägen aus, zum Beispiel jüngst auf die Hochzeitsgesellschaft in Kabul -, frage ich: Wird das zu einer Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan führen?

Breul: Wir sind jetzt bei einem anderen Thema, aber das übernehme ich gerne. - Die Sicherheitslage - - -

Zuruf: Der Link ist der IS. Der ist ja sozusagen auch grenzüberschreitend tätig.

Breul: Die Sicherheitslage in Afghanistan bewerten wir laufend, also tagtäglich, natürlich gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium und anderen Akteuren der Bundesregierung. Insofern spielt das natürlich eine Rolle.

Zusatzfrage: Aber es gibt noch keine neue Formulierung "Es herrscht jetzt sozusagen ein höheres Risiko" oder so etwas. Das gibt es noch nicht?

Breul: Nein.

Frage : Herr Fähnrich, könnten Sie uns aktuelle Zahlen der letzten vier Wochen und des bisherigen gesamten Jahres dazu nennen, wie viele Tankflugeinsätze und wie viele Aufklärungsflüge von deutscher Seite es gab?

Fähnrich: Ja, die Zahlen gibt es. Ich möchte Sie einfach bitten, dafür die zuständige Stelle anzurufen beziehungsweise der Stelle zu schreiben, bevor wir hier täglich diese Flüge zählen.

Zuruf : (akustisch unverständlich)

Fähnrich: Dafür gibt es eine Pressestelle im Einsatzführungskommando, die sämtliche Einsätze der Bundeswehr - - -

Zusatzfrage : Die haben Sie uns hier immer genannt. Warum jetzt nicht?

Fähnrich: Ich habe hier in den letzten eineinhalb Jahren keine Zahlen genannt.

Zuruf : Natürlich!

Fähnrich: Ich könnte sie jetzt nachreichen. Ich möchte aber nur, dass wir nicht dazu kommen, über Ecke und Bande zu spielen, sondern möchte bitten, sich einfach dort, wo die Zahlen auch aktuell und frisch erhoben werden, ein aktuelles Bild zu holen.

Zusatz : Entschuldigung, aber wenn Sie hier ein Mandat verlängern wollen, dann müssen Sie uns doch auch sagen können, was aktuell passiert!

Fähnrich: Das kann ich sicherlich tun. Ich werde es auch versuchen. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass es Stellen gibt, an denen es diese Informationen aktuell und ohne Zeitverzug gibt.

Frage: Herr Breul, Herr Seibert, der US-Botschafter in Deutschland Richard Grenell - der gilt ja in gewisser Weise auch sozusagen als Sprachrohr von Herrn Trump - hat ja vor Kurzem gefordert oder damit gedroht, Teile der US-Truppen aus Deutschland abzuziehen und sie nach Polen zu verlegen. Seit heute ist durch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken klar, dass sich die Bundesregierung auch erheblich - mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag - an den Kosten der Stationierung der US-Truppen beteiligt. Wie reagiert die Bundesregierung denn auf diese Drohung? Was würde ein Teilabzug der US-Truppen für Deutschland bedeuten?

StS Seibert: Ich will nur ganz grundsätzlich sagen: die Tatsache, dass US-Truppen in Deutschland stationiert sind, ist ein deutliches, sichtbares Zeichen unserer engen Sicherheitspartnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese US-Truppen sind hier willkommen. Sie sind gut integriert. Ihre Stationierung dient sowohl unseren deutschen, den europäischen als auch den amerikanischen Sicherheitsinteressen.

Zusatzfrage: Herr Breul, vielleicht?

Breul: Ich kann vielleicht nur kurz die Zahlen einordnen, die da kursieren. Die sind im Übrigen nicht neu und auch keine Geheiminformation. Es ist grundsätzlich so, dass Frage der Kostenverteilung für ausländische in Deutschland stationierte Truppen im Nato-Truppenstatut und im Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut geregelt ist. Demnach tragen die ausländischen Streitkräfte die Kosten für die Stationierung ihrer Truppen in Deutschland grundsätzlich selbst. Dazu gehören so etwas wie Dienstbezüge und Kosten für Unterbringung und Versorgung. Deutschland trägt wie andere Nato-Staaten auch, in denen fremde Streitkräfte stationiert sind, lediglich bestimmte Verteidigungskosten. Hinsichtlich der genauen Zahlen sind dann die Kollegen vom BMF auskunftsfähig. Ich wollte das jetzt sozusagen nur einordnen. Das ist jetzt nichts Außergewöhnliches, das ist auch nichts Deutschland-US-Spezifisches, sondern es ist das Nato-Truppenstatut, das hier angewendet wird.

Frage: Herr Seibert, Sie haben noch einmal betont, dass die US-Truppen in Deutschland gut integriert seien. Woran machen Sie denn diese gute Integration fest?

StS Seibert: An dem guten Verhältnis zwischen den gastgebenden Kommunen und den amerikanischen Streitkräften dort.

Zusatz: Aber US-Truppen sind kaserniert, und ihre Kinder gehen in Schulen, in die kein deutsches Kind gehen kann. Das sind also geschlossene Infrastrukturen. Deswegen will ich einfach nur sagen: Ein gutes Verhältnis lässt sich ja nicht messen. Sie müssen die gute Integration bei so einer Aussage irgendwie empirisch belegen können.

StS Seibert: Sprechen Sie mit den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen der Kommunen, in denen oder in deren Nähe amerikanische Streitkräfte sind. Dann werden die Ihnen sagen, was sie an dieser Stationierung haben.

Frage : Herr Seibert, eine Mehrheit der Deutschen ist ja seit Jahren für den Abzug der US-Truppen aus Deutschland. Wie lange, wie viele Jahre oder Jahrzehnte, sollen die denn noch hierbleiben?

Die dunkle Seite der US-Truppen sind ja Ramstein und die weltweiten Drohnenmorde. Gehört das auch zu den deutschen Sicherheitsinteressen, die die Amerikaner erfüllen und von denen Sie gerade gesprochen haben, Herr Seibert?

StS Seibert: Zu dem Thema Ramstein haben wir hier ja auf Ihre ständigen Fragen hin auch immer wieder geantwortet. Dazu habe ich heute keinen neuen Stand vorliegen.

Ich habe davon gesprochen, dass es deutschen, europäischen und transatlantischen - also auch amerikanischen - Sicherheitsinteressen entspricht, dass amerikanische Truppen in Deutschland stationiert sind, und das sind wichtige Argumente.

Zusatzfrage : Aber die werden ja nicht ewig hierbleiben. Wie lange sollen die hierbleiben?

StS Seibert: Was ist schon ewig?

Vorsitzender Mayntz: Uns gibt es auch schon 70 Jahre!

StS Seibert: Das ist toll! Das BPA auch.

Vorsitzender Mayntz: Aber wir sind ein paar Tage älter! - Frau Kollegin!

Frage: Themenwechsel: Ich würde gerne vom Bundesgesundheitsministerium und vom Bundesjustizministerium wissen, wie der Stand hinsichtlich des geplanten Verbots von Konversionstherapien ist. Woran hakt es? Ursprünglich hieß es ja einmal, schon vor der Sommerpause könne ein neuer Stand vorliegen.

Krüger: Vielleicht fängt das federführende Ressort an.

Ewald: Vielen Dank. Ich fange am besten einmal an. - Einen neuen Stand kann ich Ihnen hier und heute nicht nennen. Ich kann aber sagen: Wir arbeiten intensiv daran, eine entsprechende Regelungen für ein wirksames Verbot dieser sogenannten Konversionstherapien auf den Weg zu bringen.

Sie wissen ja, dass wir im April eine Kommission beauftragt haben. Da gibt es ja sozusagen einen Zwischenstand, den wir auch im Rahmen dieser öffentlichkeitswirksamen Pressekonferenz verkündet haben. Die Kommission wird ja von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld begleitet. Die wird Ende August ihren abschließenden Bericht vorlegen. Parallel dazu sind wir auch bereits im Austausch mit dem Justizministerium.

Wir arbeiten, wie gesagt, intensiv daran, aber das sind eben auch komplexe rechtliche Fragestellungen - das haben die Diskussionen in der Kommission, die breit aufgestellt war, auch erwiesen -, die es zu lösen gilt.

Krüger: Dem kann ich mich voll und ganz anschließen. Das BMJV verfolgt genau das gleiche Ziel wie das BMG hinsichtlich dieses Themenkomplexes. Sie kennen ja unserer Auffassung zu diesem Thema. Homosexualität ist aus unserer Sicht das Gleiche und genauso normal wie Heterosexualität, und genauso wenig ist es etwas, das man ändern kann. Sogenannte Therapien dagegen verstoßen eben aus unserer Sicht auch ganz klar gegen die Menschenwürde.

Wir sind in der Tat mit dem Gesundheitsministerium im Gespräch darüber, zu prüfen, wie hier eine Regelung aussehen kann. Dabei geht es halt ganz vorrangig um die Frage, welches das richtige oder geeignete Rechtsgebiet ist. Man könnte dabei zum Beispiel an das Berufsrecht der Therapeuten - das läge in der Federführung des Gesundheitsministeriums - oder gegebenenfalls an das Strafrecht - dafür läge die Federführung dann beim BMJV - denken.

Zusatzfrage: Welche juristischen Herausforderungen sehen Sie? Liegt das also eben daran, das richtige Gebiet zu finden, in dem man das regelt, oder sind dabei auch noch Definitionsfragen und dergleichen zu klären?

Krüger: Wollen Sie sich dazu einlassen?

Ewald: Ja. Wie gesagt: Das betrifft eine ganze Bandbreite an juristischen Fragestellungen. Es gibt ja sozusagen einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens darüber, dass diese Therapien künftig verboten werden sollen. Die Frage, wie man das rechtlich regelt und wie man die Regelung sozusagen auch hinreichend klar und präzise - auch im Hinblick auf die Abgrenzung - abfasst, ist aber sozusagen der neuralgische Punkt. Da muss man eben sehr sorgfältig schauen, in welchem Rechtsgebiet und wie man das konkret regelt, damit das dann sozusagen auch in der Praxis konkret Anwendung findet und den Betroffenen dann auch entsprechend die Erleichterung bringt, die da auch zugesagt worden ist.

Frage: Ich wüsste vom Innenministerium gern, ob man schon sagen kann, in welcher Größenordnung Deutschland Menschen von dem Schiff Open Arms aufnehmen wird.

Ruwwe-Glösenkamp: Die Bundesregierung hat bereits am 9. August dieses Jahres in Aussicht gestellt, Personen von dem Schiff Open Arms aufzunehmen. Diese Zusage gilt selbstverständlich weiterhin. Vergangene Nacht sind die 83 auf diesem Schiff verbliebenen Personen ausgeschifft worden. Die Verteilung wird jetzt organisiert werden. Ich kann Ihnen noch keine genaue Zahl nennen. Wenn wir sie haben, dann nenne ich sie Ihnen gern. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen noch keine Zahl nennen. Aber unsere Zusage, dass wir von dem Schiff Open Arms Flüchtlinge beziehungsweise Migranten aufnehmen, steht selbstverständlich.

StS Seibert: Ich will sagen, dass es gut ist, dass die Open Arms mit ihren Menschen an Bord nun endlich in einem sicheren Hafen anlegen konnte.

Frage: Herr Breul, das Auswärtige Amt hat auch hier immer wieder betont, die USA hätten ihre Pflichten aus dem INF-Vertrag während seiner Gültigkeit immer eingehalten. Am Sonntag haben die US-Amerikaner einen bodengestützten Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 500 km erfolgreich getestet, abgeschossen von dem Mk-41-System, das auch in Polen und in Rumänien stationiert ist. Das war ein Vorwurf, den Russland immer erhoben hat. Die Amerikaner haben ihn dementiert. Jetzt ist klar, dass davon tatsächlich Marschflugkörper abgeschossen werden können.

Bleibt die Bundesregierung angesichts des Marschflugkörpertests von vergangenem Sonntag bei ihrer Einschätzung, dass die USA den INF-Vertrag immer eingehalten hätten?

Breul: Ja. Zunächst einmal würde ich mir die Einordnung, wie Sie sie in Ihrer Frage vorgenommen haben, insbesondere mit Blick auf in Rumänien stationierte Systeme nicht zu eigen machen.

Wir haben Kenntnis über den Test eines Marschflugkörpers durch die USA. Eine Entscheidung, solche konventionellen Systeme zu entwickeln und zu testen, ist eine nationale Entscheidung der USA. Die US-Regierung hat schriftlich wie mündlich wiederholt klargestellt, dass es sich hierbei um konventionelle Systeme handelt, nicht um nukleare. Der INF-Vertrag, den es leider nicht mehr gibt, hat solche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an Marschflugkörpern erlaubt, nicht jedoch Flugtests. Daher hatten die USA keine Tests unternommen, solange die Kündigung nicht wirksam geworden ist. Schon im Dezember 2017 - Stichwort "Transparenz"; auch da unterscheiden sich die Amerikaner von anderen Staaten - haben die USA angekündigt, eigene konventionelle Systeme im Mittelstreckenbereich zu entwickeln, sollte Russland nicht in Vertragstreue zurückkehren, was ja leider nicht stattgefunden hat.

Zusatzfrage: Heißt das, dass Sie argumentieren, dass der INF-Vertrag die Entwicklung von bodengestützten Marschflugkörpern mit einer Reichweite von mehr als 500 km erlaubt hat?

Breul: Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit war im INF-Vertrag erlaubt, ja.

Zusatzfrage: Können Sie mir diese Stelle bitte nachreichen?

Breul: Die Passage können wir Ihnen gern geben.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium: Aus der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage geht hervor, dass im Juni mehr als die Hälfte aller eingesetzten ICE technische Defekte und Einschränkungen hatte. Zum Beispiel funktionierten die Reservierungsanzeige und die Steckdosen nicht.

Ist das aus Ihrer Sicht ein befriedigender Zustand? Wer trägt die Schuld? Was kann man dagegen eventuell unternehmen?

Alexandrin: Zunächst können wir festhalten, dass der Bahnverkehr einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten wird. Deshalb kommt er in diesem Haushalt auch sehr breit vor. Der Minister hat das Zukunftsbündnis Schiene ins Leben gerufen. Das heißt, wir steuern an verschiedenen Stellschrauben nach, um den Bahnverkehr attraktiver zu machen, und investieren sehr großflächig in die Bahn, um auch bei Unzulänglichkeiten wie denen, die Sie genannt haben, nachzubessern.

Zusatzfrage: Ist es denn ein befriedigender oder ein unbefriedigender Zustand? Diese Einschätzung können Sie ja trotzdem mitliefern.

Alexandrin: Wie ich schon gesagt habe, wollen wir die Bahn attraktiver machen. Darum investieren wir massiv in sie. Mehr gibt es an dieser Stelle nicht zu ergänzen.

Breul: Ich kann zwei Dinge nachreichen.

Zunächst möchte ich zur Frage der Bürgermeister in der Türkei darauf verweisen, dass sich die EU am 19. August geäußert und zum Ausdruck gebracht hat, dass wir mit Sorge auf Entwicklungen blicken. Wir als EU-Mitgliedsland teilen diese Position natürlich. Mit Bezug auf die Kommunalwahl im Mai haben wir wiederholt darauf hingewiesen - das gilt natürlich grundsätzlich -, dass wir die Türkei auffordern, sich an die rechtsstaatlichen Standards zu halten, zu denen sie sich verpflichtet hat.

Dann möchte ich dem Kollegen noch die aktuellen Zahlen aus der Türkei nachreichen. Insgesamt 60 deutsche Staatsangehörige befinden sich in türkischer Haft. Wie Sie wissen, machen wir hier aufgrund der niedrigen Fallzahl keine präzisen Angaben zu den Fällen, die sich aufgrund politischer Vorwürfe in Haft befinden. Die Zahl dieser Fälle bewegt sich nach wie vor im niedrigen einstelligen Bereich.

Frage : Sind Sie mit allen Gefangenen in konsularischem Kontakt? Gibt es eine konsularische Betreuung?

Breul: Die Antwort müsste ich Ihnen noch einmal nachreichen. Entschuldigung, diese Information habe ich hier nicht dabei.

Frage: Herr Fähnrich, eine aktuelle parlamentarische Anfrage hat ergeben, dass bis zum heutigen Tag über 200 Bundeswehrsoldaten Entschädigungen für mutmaßliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch US-Uranmunition, insbesondere bei Einsätzen in Bosnien und im Kosovo, beantragt haben. Alle diese Anträge sollen abgelehnt worden sein.

Können Sie ausführen, warum alle diese Anträge pauschal abgelehnt wurden?

Fähnrich: Diese parlamentarische Anfrage sagt mir aktuell nichts. Ich werde die Antwort dazu nachreichen.

Klein: Ich möchte mich heute bei Ihnen verabschieden. Das war heute meine letzte Regierungspressekonferenz. Ich werde mich künftig wieder der Juristerei zuwenden.

Gehen will ich nicht, ohne mich zu bedanken, zunächst bei Ihnen für all Ihre kritischen Fragen, dann auch bei den Pressestellen der anderen Ressorts für die stets kollegiale Zusammenarbeit, die mir viel Freude bereitet hat. Danke möchte ich auch dem Team sagen, in dem ich gearbeitet habe, allen meinen lieben und wunderbaren Kolleginnen und Kollegen beim Bundesumweltministerium. Danke möchte ich auch der Bundespressekonferenz für die stete Gastgeberschaft sagen. Machen Sie es gut!

Vorsitzender Mayntz: Wir wünschen Ihnen ebenfalls alles Gute. Man weiß ja nie, in welcher Funktion man sich einmal wiedersieht.

Mittwoch, 21. August 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 21. August 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom-21-august-2019-1662624
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2019

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