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PRESSEKONFERENZ/2043: Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2020 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 12. Juni 2020
Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2020

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Eröffnung des virtuellen "Global Forum 2020" des American Jewish Committee, Kabinettssitzung, Besprechung mit den Regierungschefs und Regierungschefinnen der Bundesländer, Regierungserklärung im Deutschen Bundestag, Gipfel der Europäischen Union mit den sechs Ländern der Östlichen Partnerschaft, Videokonferenz des Europäischen Rats), Kabinettssitzung (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz, Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, Bundesprogramm "Überbrückungshilfe für Kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Corona-Krise ganz oder zu wesentlichen Teilen einstellen müssen"), Logo der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, Nationale Wasserstoffstrategie, Aufbau einer nationalen Reserve an persönlicher Schutzausrüstung, Soforthilfe für Soloselbstständige und Kleinstbetriebe, Nachbesetzung des Botschafterpostens in Slowenien, Status der Hagia Sophia, Lage in Libyen, Corona-Warn-App, Programm "Polizei 2020", Verhalten der Bundespolizei bei Antirassismus-Demonstrationen, geplante Verschärfung des Sexualstrafrechts, Diskussion über eine Streichung des Begriffs "Rasse" aus dem Grundgesetz

Sprecher: StS Seibert, Baron (BMWi), Fichtner (BMU), Wickert (BMZ), Gülde (BMG), Kolberg (BMF), Sting (BMFSFJ), Adebahr (AA), Alter (BMI), Kall (BMJV)


Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Schönen guten Tag! Zu den Terminen der Bundeskanzlerin: Schon jetzt, an diesem Sonntag, dem 14., wird die Bundeskanzlerin zur Eröffnung des virtuellen "Global Forum 2020" des American Jewish Committee eine Video-Grußbotschaft sprechen. Dieses Forum sollte ursprünglich an drei Tagen hier in Berlin stattfinden. Es wurde aufgrund der Pandemieumstände nun zu einer virtuellen Veranstaltung umgewandelt, und die Bundeskanzlerin wird wie gesagt am Sonntag ein Grußwort sprechen.

Am Mittwoch nächster Woche wird wie gewohnt unter Leitung der Bundeskanzlerin um 9.30 Uhr die Sitzung des Bundeskabinetts stattfinden.

Ebenfalls am Mittwoch wird sie um 15 Uhr zu ihrer regulären Besprechung mit den Regierungschefs und Regierungschefinnen der Bundesländer im Bundeskanzleramt zusammentreffen. Man wird tatsächlich zusammentreffen. Das wird also eine Veranstaltung in physischer Anwesenheit sein. Natürlich gelten die strikten Abstandsregeln. Es wird dabei sicherlich erneut um die Auswirkungen der Coronapandemie gehen. Es wird sicherlich einen Austausch über das Konjunkturpaket geben. Weitere Themen sind die Umsetzung der Energiewende, die Beschleunigung des flächendeckenden Mobilfunknetzausbaus, aktuelle europapolitische Fragen wie das Verhältnis zu Großbritannien und die Vorbereitung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die ja am 1. Juli beginnen wird. Im Anschluss wird dann im Bundeskanzleramt eine Pressekonferenz stattfinden.

Am kommenden Donnerstag, den 18. Juni, wird ab 15 Uhr der Gipfel der Europäischen Union mit den sechs Ländern der sogenannten Östlichen Partnerschaft stattfinden. Das sind Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, Moldau und die Ukraine. Das ist eine Videokonferenz. Sie wird unter Leitung des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, stattfinden. Es wird auch dabei um die Bekämpfung der Coronapandemie gehen, um die schon geleisteten umfangreichen europäischen Hilfen für diese Länder rund um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen.

Die strategische Zielsetzung dieser Östlichen Partnerschaft der EU mit diesen sechs Ländern ist ja, einen gemeinsamen Raum der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Stabilität zu schaffen. Ein Gipfel mit persönlicher Anwesenheit und mit einer gemeinsamen Gipfelerklärung soll Anfang des kommenden Jahres nachgeholt werden.

Am Freitag wird die Bundeskanzlerin an der Videokonferenz des Europäischen Rates teilnehmen. Um 9 Uhr am Donnerstag wird sie dazu eine Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag zum Europäischen Rat und zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft abgeben. Wir werden am Donnerstag um 11 Uhr hier ein Briefing zu diesen Themen mit Herrn Corsepius und mir anbieten.

Am Freitag folgt dann also die Videokonferenz des Europäischen Rates, in deren Mittelpunkt thematisch sicherlich der Vorschlag der EU-Kommission für einen europäischen Aufbauplan und einen angepassten mehrjährigen Finanzrahmen stehen wird. Die Kommission hatte diesen Plan ja am 27. Mai mit dem Aufbauinstrument "Next Generation EU" vorgestellt, und darüber werden sich die Staats- und Regierungschefs jetzt erstmals austauschen.

Sie wissen: Deutschland und Frankreich haben mit ihrer Initiative einen wichtigen Baustein für diesen Vorschlag geliefert. Jetzt geht es darum, bis zur Sommerpause eine Einigung zu finden. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass wir hiermit rasch vorankommen. - Das sind die Termine, die für die kommende Woche absehbar sind.

Was den Bericht aus der Kabinettssitzung angeht, kann ich es an manchen Stellen kurz machen, weil zwei Minister die Presse darüber heute ja schon ausführlich informiert haben.

Es ging in dieser Kabinettssitzung - das war ja auch der Grund, warum eine Kabinettssitzung am Freitag zusätzlich angesetzt wurde - darum, die Umsetzung der Maßnahmen, auf die sich der Koalitionsausschuss vergangene Woche geeinigt hatte - das umfassende Konjunktur- und Zukunftsprogramm -, voranzubringen. Die Absicht der Bundesregierung ist, den Großteil der steuerlichen Konjunkturmaßnahmen in einem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz umzusetzen. Dieses Steuerpaket hat die Bundesregierung heute beschlossen. Das ist die zweite Tranche nach dem ersten Corona-Steuerhilfegesetz. Es wird mit schnell wirksamen Maßnahmen nach unserer Überzeugung Kaufkraft und Investitionen stärken und der Wirtschaft insgesamt kräftige konjunkturelle Impulse geben.

Ich erwähne nur Überschriften: die befristete Absenkung der Mehrwertsteuersätze, sowohl des vollen als auch des ermäßigten Steuersatzes, vom 1. Juli bis zum 31. Dezember dieses Jahres, den Kinderbonus in Höhe von 300 Euro, der in zwei Tranchen je 150 Euro für jedes kindergeldberechtigte Kind gezahlt wird - das soll in den Monaten September und Oktober erfolgen - die gestiegene steuerliche Entlastung von Alleinerziehenden, die - das ist für die Unternehmen und ihre Liquidität sehr wichtig - Ausweitung der Verlustverrechnung, verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und die steuerliche Forschungsförderung, die ebenfalls ausgeweitet wird, um einen starken Impuls für mehr unternehmerische Forschung zu setzen. - Aber darüber sind Sie ja wie gesagt von den Ministern schon ziemlich ausführlich ins Bild gesetzt worden.

Der nächste Punkt in der Kabinettssitzung war das Kraftfahrzeugsteuergesetz. Schon im Klimaschutzprogramm 2030 hatte die Bundesregierung ja beschlossen, die Kraftfahrzeugsteuer stärker an den CO2-Emissionen auszurichten und die Steuerbefreiung für Elektro-Pkw zu verlängern. Das hat der Koalitionsausschuss in seinen aktuellen Beschlüssen auch noch einmal bekräftigt. Unser Ziel ist es, Klimaschutz und bezahlbare, sozial gerechte Mobilität miteinander zu vereinen. Heute folgt also die Umsetzung mit diesem vom Kabinett beschlossenen Siebten Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes.

Die Kernmaßnahmen des Gesetzes sind zum einen ein neuer CO2-Tarif für Neuzulassungen ab dem 1. Januar 2021. Oberhalb des schon bekannten Freibetrags von 95 Gramm CO2 pro Kilometer wird es zukünftig eine progressive Besteuerung mit Steuersätzen von zwei bis vier Euro je Gramm CO2 pro Kilometer geben.

Der zweite Tarifbaustein ist, dass die Hubraum-Besteuerung unverändert bestehen bleibt. Es wird aber für Pkw bis zum Schwellenwert von 95 Gramm eine Entlastung durch einen neuen Steuerfreibetrag in Höhe von 30 Euro geben. Wenn also nur eine Steuer auf Hubraum anfällt, dann muss bei diesen besonders emissionsarmen Pkw nur der Betrag gezahlt werden, der über diese 30 Euro hinausgeht. Diese Entlastung soll für Erstzulassungen ab heute bis Ende 2024 gelten, maximal fünf Jahre und längstens bis Ende 2025.

Die Steuerbefreiung für Elektro-Pkw wird fortgeführt. Auch zwischen 2020 und 2025 erstmals zugelassene Elektro-Pkw werden von der Kfz-Steuer befreit. Das soll längstens bis Ende 2030 gelten. - Ich glaube, das reicht jetzt erst einmal an Überschriften. Aber natürlich kann das Ressort noch alle Detailfragen dazu beantworten.

Zum Schluss hat das Bundeskabinett heute Eckpunkte für ein Bundesprogramm beschlossen. Es hat den Titel "Überbrückungshilfe für Kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Corona-Krise ganz oder zu wesentlichen Teilen einstellen müssen". Das haben der Wirtschaftsminister und der Finanzminister gemeinsam vorgelegt.

Es ist ja so, dass bei zahlreichen Kleinen und mittelständischen Unternehmen der Geschäftsbetrieb aufgrund der Pandemie immer noch ganz oder teilweise eingeschränkt ist. Bei dieser Überbrückungshilfe geht es darum, diesen Unternehmen für drei weitere Monate Hilfe bei der Sicherung ihrer Existenz zu geben. Das gilt auch für gemeinnützige Unternehmen, und es gilt auch für Organisationen, die dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig sind. Auch sie gehören zum Kreis derjenigen, die einen Antrag stellen können. Unternehmen, deren Umsatz im April und Mai zusammengenommen um mindestens 60 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten eingebrochen ist, können einen Zuschuss zu den betrieblichen Fixkosten in den Monaten Juni bis August 2020 erhalten. Das Programm hat insgesamt ein Volumen von maximal 25 Milliarden Euro.

Frage: Herr Seibert, zur Ratspräsidentschaft: Haben Sie uns Informationen über die Kosten des Logos mitgebracht?

StS Seibert: Ach so! Nein, die habe ich heute nicht dabei. Aber ich verspreche, mich zu bemühen, Sie möglichst - - - Ich habe es, ehrlich gesagt, vergessen. Ich bemühe mich!

Frage: Herr Seibert, bei der Ministerpräsidentenkonferenz werden wahrscheinlich, wie Sie sagten, auch Energiefragen angesprochen werden. Dabei wird wahrscheinlich auch der Kohleausstieg eine Rolle spielen. Wie wichtig ist denn aus Ihrer Sicht die Frage, Strukturhilfen usw. sehr schnell zu beschließen und vielleicht noch vor der Sommerpause im parlamentarischen Verfahren zu einem Ende zu kommen? Hilfsweise stelle ich die Frage auch an das Umweltministerium und das Wirtschaftsministerium.

StS Seibert: Ja, da würde ich einmal das Umwelt- und das Wirtschaftsressort darum bitten, diesen Punkt vielleicht zu übernehmen.

Baron: Ich kann gerne beginnen. Das Kohleausstiegsgesetz und das Strukturstärkungsgesetz sind natürlich zwei zentrale Anliegen der gesamten Bundesregierung; denn wir gestalten ja damit den Strukturwandel über die nächsten Jahrzehnte hinweg bis zum Jahr 2038, in dem der Kohleausstieg gelingen soll. Beides befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Deshalb ist die Zeitplanung natürlich auch Aufgabe der parlamentarischen Organe. Ziel der Bundesregierung war immer, das möglichst im ersten Halbjahr zu verabschieden. Das ist auch weiterhin unser Ziel. Aber ich kann nur noch einmal sagen: Die Zeitplanung liegt jetzt nicht in unseren Händen, sondern in denen des Parlaments.

Fichtner: Ich kann das nur unterstreichen und vielleicht noch ergänzen, dass natürlich viele der Projekte, die jetzt Teil dieser Strukturentwicklung sind, auch für den Klimaschutz ganz bedeutend sind. Ein Beispiel ist zum Beispiel PtX-Technologien, also Wasserstofftechnologien, die wir in der Region Lausitz ansiedeln wollen. Das sind Dinge, bei denen es darauf ankommt, auch möglichst schnell damit loszulegen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, wird das bei der Ministerpräsidentenkonferenz ein größeres Thema sein?

StS Seibert: Ich habe gesagt, dass Themen der Energiewende Themen sein werden. Ansonsten würde ich Sie darauf verweisen, dass das anschließend in der Pressekonferenz besprochen werden wird. Der gesamte Energiekomplex war ja eigentlich bereits im März als ein Thema für eine Ministerpräsidentenkonferenz geplant gewesen. Dann kam die Pandemie und hat natürlich notwendigerweise die ganze Aufmerksamkeit der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen gefordert. Aber es war immer klar, dass dieses Thema ganz oben auf der Prioritätenliste bleibt und deswegen auch alsbald behandelt werden muss.

Frage: Sie hatten erwähnt, dass auch Corona ein Thema sein werde. Ist geplant, dass es dann auch neue Beschlüsse über die Umsetzung von Coronamaßnahmen geben wird? Thüringen ist da ja jetzt wieder einen Schritt weiter nach vorne gegangen. Vielleicht können Sie das bitte noch einmal sagen.

StS Seibert: Ich muss Sie erst einmal auf den Tag verweisen, an dem es passieren wird. Bund und Länder stehen ständig miteinander in Kontakt, was den Stand der Pandemie angeht und was die Umsetzung von gemeinsam beschlossenen Maßnahmen angeht. Zunächst einmal wissen Sie, dass der letzte Beschluss, der am 27. Mai gemeinsam gefasst wurde, beispielsweise Kontaktbeschränkungen bis zum 29. Juni festgeschrieben hat. Das ist also der Rahmen, in dem wir uns bewegen, und zwar natürlich auch bei einer zunehmenden Übernahme von Verantwortung durch die einzelnen Länder. Ich kann den Besprechungen und Beratungen hier nicht vorgreifen.

Frage: Meine Frage zum Thema Wasserstoff geht gleichermaßen an BMWi und BMU. Im Moment haben wir es im Wesentlichen noch mit sogenanntem grauen Wasserstoff zu tun. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist dessen Energieeffizienz im Grunde miserabel. Können Sie sicherstellen, dass zukünftig Wasserstoff aus "renewables", also grün erzeugt wird?

Fichtner: Diese Frage geht ein bisschen weit weg vom ursprünglichen Anlass. Sollen wir das trotzdem jetzt behandeln?

Vorsitzender Feldhoff: Machen Sie!

Fichtner: Die Wasserstoffstrategie - das wird das Wirtschaftsministerium bestimmt auch gleich sagen - fokussiert sich auf grünen Wasserstoff. Dieser Wasserstoff wird aus Wind- und Sonnenstrom hergestellt.

Grauen Wasserstoff gibt es. Er wird jetzt nicht verboten, aber er wird auch nicht staatlich gefördert. Wir setzen darauf, dass sich durch die Entwicklung, die wir jetzt anschieben, am Ende grüner Wasserstoff am Markt durchsetzen wird.

Baron: Ich kann das nur unterstreichen. Wir haben die Wasserstoffstrategie diese Woche vorgelegt. Darin liegt der Fokus natürlich auf grünem Wasserstoff. Übergangsweise wird es auch grauen Wasserstoffs bedürfen. Aber diesen Übergang müssen wir eben gehen, um auf den Weg zu grünem Wasserstoff zu kommen und dann eben wirklich zur Nummer eins in der Welt bei Wasserstofftechnologien zu werden.

Zusatzfrage: Mir ist bewusst, dass das am Mittwoch schon Thema war, als Sie die Wasserstoffstrategie vorgelegt haben. Aber gerade deswegen: Wie sieht der Pfad aus? Sie sagen, Sie hofften darauf, Sie setzten darauf. Welche Zeitdimensionen haben Sie, um tatsächlich in Deutschland eingesetzten Wasserstoff als nicht mehrheitlich grauen, sondern als mehrheitlich grünen definieren zu können?

Baron: Der Pfad, den die Wasserstoffstrategie beschreibt, geht über Handlungsfelder. Die Handlungsfelder sind so gewählt, dass man sagt: Wir müssen dort mit dem Einsatz beginnen, wo die Kosten am realistischsten sind, wie zum Beispiel bei industriellen Anwendungen oder im Schwerlastverkehr, da, wo man mit den Kosten schnell heruntergehen kann, um eben auch den Markt dafür zu bereiten, dass es über grünen Wasserstoff funktionieren kann. Dieses Ziel definiert die Wasserstoffstrategie, nämlich über Handlungsfelder vorzugehen und dort den Pfad klar zu bestimmen, um einen Markt zu entwickeln. Dazu muss man eben in den Handlungsfeldern beginnen, in denen die Kosten realisierbar sind.

Fichtner: Alles das stimmt. Ein Beispiel für ein Feld, das wir regulieren werden, ist der Luftverkehr. Dort können wir zum Beispiel über Quoten vorschreiben, wie viel grüner Wasserstoff eingesetzt werden muss. Bisher gibt es ihn auf dem Markt noch nicht. Deswegen ist ein gewisser Vorlauf nötig. Aber das haben wir jetzt in der Wasserstoffstrategie angelegt, und das wird dann auch als ordnungsrechtliche Vorschrift kommen.

StS Seibert: Sie wissen ja auch, wenn ich das noch sagen darf - vielleicht haben es die beiden Kollegen auch gerade schon gesagt -, dass wir ja auch die Befreiung der Produktion grünen Wasserstoffs von der EEG-Umlage anstreben. Auch darin liegt ein klarer Förderaspekt.

Der grüne Wasserstoff wird natürlich unsere Verbindungen auch zu Ländern beispielsweise Nordafrikas verstärken. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat mit Marokko ja bereits ein erstes Abkommen zu diesem Thema unterschrieben.

Zusatzfrage: Wird es technisch möglich sein, in Nordafrika oder anderswo erzeugten grünen Wasserstoff über die Liquid-Gas-Terminals an der Nordseeküste, die in Deutschland sehr umstritten sind, zu importieren, oder verbietet sich das technologisch?

Baron: Diese Frage kann ich jetzt nicht abschließend beantworten. Das ist eine Möglichkeit. Wie sich die Märkte entwickeln werden, kann ich jetzt nicht vorhersagen.

Das konkrete Projekt, das wir diese Woche mit Marokko vorgestellt haben - ich weiß nicht, ob die Kollegen vom Entwicklungsministerium ergänzen wollen -, ist jetzt ein erstes Projekt, das den Fokus auf Marokko legt, um auch Dinge auszuprobieren und zu testen. Aber konkret kann ich die Frage jetzt nicht mit Ja oder Nein beantworten.

Fichtner: Was die internationale Zusammenarbeit zum Beispiel mit Marokko angeht, ist auch wichtig, dass es nicht darum geht, dass diese Länder alles, was sie produzieren, exportieren, sondern es geht auch darum, die Energiewende in diesen Ländern selbst voranzutreiben. Wenn Marokko selbst jetzt zum Teil auch mit deutscher Hilfe und deutschen Anlagen grünen Wasserstoff herstellen und damit wiederum seine Ammoniakproduktion, die dort bedeutend ist, unterstützen kann, dann hilft das natürlich auch dem Klimaschutz in anderen Ländern. Export und Import sind am Ende natürlich ein Teil der Geschichte, aber eben auch nur ein Teil.

Was die Terminals angeht, kommt es tatsächlich darauf an, dass sie so technologieoffen angelegt sind, dass auch die grünen, klimafreundlichen Optionen möglich bleiben.

Vorsitzender Feldhoff: Will das BMZ noch etwas ergänzen?

Wickert: Mit der Anlage in Marokko wollen wir natürlich einerseits die Situation dort stabilisieren. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen und jungen Menschen auch Visionen geben. Wir wollen natürlich auch die Umwelt entlasten, weil dadurch zig Tonnen CO2 eingespart werden.

Wie das dann in das deutsche Netz eingespeist werden kann, wenn exportiert werden wird, ist noch nicht abschließend geklärt.

Frage: Können Sie sagen, wann und wie der Wasserstoff aus Marokko nach Deutschland kommen soll?

Werden die industriellen Anlagen, die Deutschland zu entwickeln hofft, nur grünen Wasserstoff produzieren, oder können Sie in anderen Ländern auch grauen produzieren?

Fichtner: Was die Technik angeht, geht es um Elektrolyse. Das ist kein Hexenwerk. Man nimmt Wasser und Strom. Wenn man Ökostrom nimmt, dann wird daraus grüner Wasserstoff.

Zusatzfrage: Das ist mir klar. Aber man könnte die Anlage ja auch mit Brennstoffen betreiben. Das haben wir ja gerade gehört. Das ist ja grauer Wasserstoff.

Ist das ausgeschlossen?

Fichtner: Bei Elektrolyseuren funktioniert es so, wie ich es gerade beschrieben habe. Das ist etwas anderes, als wenn man Pyrolyse oder so etwas betreibt.

Wickert: Zum Zeitplan kann ich noch nichts Genaues sagen.

Zusatzfrage: Warum nicht?

Wickert: Weil es mir gerade nicht vorliegt. Das könnte ich noch nachreichen.

Zusatz: Aber das ist verabschiedet worden. Es gibt detaillierte Pläne.

Wickert: Ich kann Ihnen das nur nachreichen. Ich habe es nicht dabei.

Frage: Die beiden Minister haben gerade schon sehr viel erläutert. In Punkt 54 im Konjunkturprogramm, direkt vor dem Punkt zum Stallumbau, geht es um den Aufbau der nationalen Reserve für persönliche Schutzausrüstung und die gesetzliche Verpflichtung der Bundesländer zum Aufbau ähnlicher Reserven, also von Beständen an tauglichen Atemschutzmasken, persönlicher Schutzausrüstung wie Schutzanzügen und Desinfektionsmitteln.

Daher die Frage: Wie viel von den Lockdownmaßnahmen hätte man sich sparen können, und wie viel von dem heute vorgestellten Konjunkturprogramm wäre nicht nötig gewesen, wenn, wie seit mehr als zehn Jahren von allen Fachleuten, Bundesgremien und auch Landesgremien empfohlen, beim Ausbruch der Pandemie der nationale oder der Ländervorrat an persönlicher Schutzausrüstung vorhanden gewesen wäre? Es gab immerhin schon einmal eine Pandemiestrategie eines Bundesministers für Gesundheit.

Die Frage geht an das Gesundheitsministerium, an den Regierungssprecher und an wen auch immer, der noch antworten will.

Gülde: Ich kann gern anfangen. Zu der Strategieplanung des Bundes haben wir uns hier schon mehrfach geäußert. Dem hätte ich jetzt eigentlich gar nichts weiter hinzuzufügen.

Die Schutzreserve ist - das haben wir bereits bestätigt - im Aufbau.

Inwieweit eine bundesweite Schutzreserve beziehungsweise auch eine Landesbevorratung mit Desinfektionsmitteln und Masken tatsächlich Lockdownmaßnahmen verhindert hätte, vermag ich jetzt wirklich nicht zu sagen. Ich denke auch, dass man das tatsächlich voneinander trennen muss. Das eine sind die Schutzausstattungen, die von den Kliniken und im ambulanten ärztlichen Bereich vorgehalten werden. Was die Eindämmung des Virus und des Ausbruchs anbelangt, sind das Maßnahmen, die darüber hinaus getroffen werden müssen. Ich denke, man muss vorsichtig sein, dieses Thema nicht zu stark zu vermengen.

Zusatz: Ich darf Sie aber daran erinnern, dass in den Kliniken, für die diese Vorräte bestimmt gewesen wären - - - Nach großen Pandemieübungen wurde das in der Pandemiestrategie von Gesundheitsminister Daniel Bahr und in anderen Papieren ausdrücklich empfohlen, weil im Pandemiefall auf dem Weltmarkt so schnell kein Ersatz beschafft werden kann.

Das hat dazu geführt, dass in deutschen Kliniken und in Arztpraxen ein eklatanter Mangel an Schutzausrüstungen, an einfachen OP-Masken, an Desinfektionsmitteln geherrscht hat. Der musste dann von den Beschaffern gefüllt werden.

Vorsitzender Feldhoff: Darf ich an die Frage erinnern?

Zusatzfrage: Die Frage kommt. Aber der Sprecher sagte gerade, dass er dazu nichts weiter sagen müsse und dass ich dabei irgendetwas vermengen würde. Ich denke nicht, dass ich irgendetwas vermengt habe, sondern es ist dazu gekommen, dass für die normale Bevölkerung keine tauglichen Masken vorhanden waren.

Daher noch einmal die Frage: Wenn wir diese Vorräte für Kliniken und für andere sowie eine Beschaffungsstrategie gehabt hätten, wie sie immer gefordert worden ist, wie viel von dem Lockdown und von den heute vorgestellten Konjunkturmaßnahmen hätte man dann sparen können?

Gülde: Dazu kann ich Ihnen keine Aussage treffen. Dazu liegen mir keine Informationen vor.

StS Seibert: Ich denke, dass niemand eine hypothetische Rückbetrachtung dieser Art seriös anstellen kann. Deutschland stand wie auch andere europäische und fast alle Länder auf der Welt einer gewaltigen Herausforderung gegenüber. Diese Herausforderung hieß, unsere Bevölkerung zu schützen, unser Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen, einer Überlastung, die in anderen Ländern leider eingetreten ist.

Mit einer großen gemeinsamen - ich würde fast sagen: nationalen - Anstrengung zwischen allen Ebenen des Staates und vor allem mit dem aktiven Mitziehen von Millionen von Menschen ist es gelungen, diese Überlastung für unser Gesundheitssystem zu vermeiden und bisher relativ glimpflich durch diese schwere Gesundheitskrise zu kommen. Wenn ich sage "relativ glimpflich", dann füge ich hinzu, dass achteinhalbtausend Menschen, die ihr Leben verloren haben, natürlich achteinhalbtausend Fälle von Familien, die trauern, sind und dass das nicht geringzureden ist.

Jetzt sollten wir uns, denke ich, freuen, dass wir an dem Punkt stehen, an dem die täglichen Infektionszahlen in einer Weise zunehmen, die wir handhaben können, an dem es noch gerade möglich ist, die Infektionskettennachverfolgung durch die Gesundheitsämter und den öffentlichen Gesundheitsdienst zu betreiben.

Ja, die Beschaffung von Schutzausrüstung hat hohe Priorität. Dazu hat das Bundesgesundheitsministerium enorm viel unternommen. Aber niemand kann Ihnen heute eine Antwort auf die Frage "Was wäre gewesen, wenn ...?" geben. Das ist hier schlicht nicht seriös zu beantworten.

Frage: Es geht um die Frage der Hilfe für Soloselbstständige und Kleinfirmen. Uns erreichen immer wieder Berichte und Anfragen von Menschen, die in diese Kategorie fallen und die sagen, es werde Soforthilfe versprochen, es gebe Programme, und dann warteten sie zwei Monate und länger auf die Soforthilfe und hätten eben nicht die Rücklagen, um das irgendwie auffangen zu können, wie es größere Unternehmen vielleicht könnten. Es ist ein Unterschied zwischen der Ankündigung eines Ministers und der Realisierung der Hilfe vor Ort.

Wer ist dafür zuständig? Wie wird gemonitort? Wie kann gewährleistet werden, dass solche Prozesse in der Umsetzung nicht die Ausmaße annehmen, die sie offenbar haben?

Ich weiß nicht, wer die Frage beantworten kann, aber ich finde, sie stellt sich.

Baron: Sie sprechen die geltenden Vollzugshilfen für Kleine Unternehmen und Soloselbstständige an. Heute sind im Kabinett noch die Überbrückungshilfen für den Mittelstand dazugekommen, die diese Hilfen noch einmal erweitern.

Für all diese Hilfen gilt, dass die Auszahlung über die Landesbehörden erfolgt. Für die Soforthilfen, die bis Ende Mai galten, haben wir diese Liste von Anfang an auf unserer Webseite veröffentlicht. Das sind in einigen Bundesländern die Landesinvestitionsbanken; in anderen Bundesländern sind es andere Institutionen, die die Auszahlung und Abwicklung übernehmen. Es entspricht der föderalen Zuständigkeit, dass der Bund das Programm und die Mittel zur Verfügung stellt, während die Abwicklung und Auszahlung über die Bundesländer und die dort genannten zuständigen Stellen erfolgt.

Dabei kann es Beispiele geben, wie Sie sie nennen. Es gibt aber auch sehr viele Beispiele in die andere Richtung. Wir haben auch sehr viele Beispiele dafür bekommen, dass ein Antrag am Montag der einen Woche gestellt wurde und das Geld am Montag der darauffolgenden Woche auf dem Konto war. Insofern gibt es sicherlich Beispiele in jeder Richtung. Ich kann die Einzelfälle nicht beurteilen. Ob es an fehlenden Informationen im Antrag lag, ob der Antrag korrekt ausgefüllt wurde, all das kann ich nicht beurteilen, sondern es ist Aufgabe der zuständigen Landesbehörden, das zu beurteilen.

Das Antragsvolumen der Abrufung dieser Sofortprogramme und Zuschüsse ist jedenfalls sehr hoch. Rund 13 Milliarden Euro von den Soforthilfen für Kleine Unternehmen und Soloselbstständige, die bis zum 31. Mai galten, wurden bewilligt. Daran sehen Sie, dass die Mittel abgerufen werden und auch fließen.

Woran es bei den von Ihnen genannten Beispielen liegt, vermag ich nicht zu beurteilen.

Zusatzfrage: Wie wird überprüft, ob die Definition, wofür Mittel eingesetzt werden können, die Sachlage tatsächlich trifft?

Ein konkretes Beispiel: Ein freier Musiker meldet sich und sagt: Mit den Hilfen könnten wir zwar neue Instrumente kaufen, die brauchen wir aber gar nicht, sondern der Lebensunterhalt ist bedroht, weil wir nicht auftreten und spielen können. Dafür können wir diese Mittel aber nicht einsetzen.

Wie wird überprüft, ob die zur Verfügung gestellten Mittel tatsächlich so eingesetzt werden können, dass sie dem Ziel der Existenzsicherung am besten dienen?

Baron: Auch hier müssen wir zwischen den Soforthilfen unterscheiden, die bis zum 31. Mai galten. In den Fällen sind die Bedingungen im Antragsformular genannt, dass sie eben für Betriebskostenausgaben dienen, und diese sind glaubhaft zu versichern. Das ist also ähnlich, als wenn Sie in einer Steuererklärung Angaben machen. Auch da müssen Sie Angaben versichern. Wenn Sie sie bewusst falsch wählen, dann ist das dann zu prüfen, auch von den zuständigen Behörden vor Ort. Natürlich müssen Sie glaubhaft versichern, dass die Angaben zutreffen und Sie diese wahrheitsgemäß abgeben.

Heute sind im Kabinett ja erweiterte Hilfen verabschiedet sind. Es geht um Überbrückungshilfen für den Mittelstand mit einem Gesamtvolumen von 25 Milliarden Euro. Da wird die Systematik des Antrags eine etwas andere sein, weil es eben auch um größere Summen geht. Im Einzelfall ist der Maximalbetrag, der möglich ist, 150 000 Euro für drei Monate, wiederum ohne den Nachweis von Betriebskosten, die geltend gemacht würden, und fehlenden Umsätzen in den genannten Zeiträumen.

Da muss ein zweistufiges Verfahren durchgeführt werden. In der ersten Stufe muss über die Steuerberater in einer Plausibilitätsprüfung, die am Ende auch noch einmal abgerechnet werden kann, eine Angabe von Betriebskosten gemacht werden. Dieses zweistufige Verfahren in diesen Überbrückungshilfen ist jetzt neu und unterscheidet sich etwas von dem der Vollzugshilfen, die bis zum 31. Mai galten.

Frage: Ich hätte ganz gern eine Frage an das BMU zur Kfz-Steuer als Teil des Pakets gestellt.

Herr Fichtner, ich hätte gern gewusst: Ist die Nachbesserung, die es jetzt gab, aus umweltpolitischer Sicht, also vom Klimaeffekt her, aus der Sicht Ihrer Ministerin ausreichend oder nicht zu gering? Wer profitiert eigentlich davon? Sind das nicht vor allem französische und italienische Autos, also Kleinwagen mit einem relativ geringen COissionsvolumen?

Fichtner: Die Frage, wer davon profitiert, ist jetzt keine umweltpolitische Frage. Deshalb haben wir dazu auch keine BMU-Position.

Insgesamt hat sich die Ministerin gestern schon einmal zur Kfz-Steuer geäußert. Sie hat das einen Kompromiss genannt, den sie mittragen kann. Es ist kein Geheimnis, dass sie sich auch größere Fortschritte für den Klimaschutz hätte vorstellen können. Aber mit Blick auf das Gesamtbild ist das eine tragbare Reform. Denn für den Klimaschutz ist ja nicht entscheidend, wie viel Kfz-Steuer man bezahlt, sondern entscheidend ist, dass man sich beim nächsten Autokauf für ein sparsameres, klimafreundlicheres Fahrzeug entscheidet. Da ist die Kfz-Steuer nur eine von vielen Rahmenbedingungen. Es gibt noch einige mehr, die wir in der Bundesregierung in den letzten Monaten auf den Weg gebracht haben.

Ganz zu Anfang würde ich die Innovationsprämie als Teil des Konjunkturprogramms nennen. Sie wurde im letzten Jahr schon mit dem Klimapaket erhöht und verlängert und wird jetzt mit dem Konjunkturpaket noch einmal verdoppelt - 6000 Euro vom Staat. Das ist tatsächlich ein starkes Signal, das gezielt für emissionsfreie Fahrzeuge wirkt.

Ein zweites Beispiel ist die Ausweitung der steuerlichen Vorteile für Elektroautos bei der Dienstwagensteuer. Das ist auch ein ganz wichtiger Hebel im Neuwagenbereich, wo Dienstwagen ja einen großen Teil einnehmen.

Sie erinnern sich, dass wir 2021 den COeis einführen. Das heißt, jeder Verbraucher weiß, Benzin und Diesel werden künftig Jahr für Jahr teurer. Im Gegenzug werden Strompreise entlastet, sodass sich das Stromtanken künftig auch im Vergleich rechnen wird.

Die Ausweitung der Förderung der Ladeinfrastruktur ist ein weiterer Punkt.

All das zusammen sind wichtige Faktoren, die dazu führen, dass sich der Kauf von Elektroautos künftig stärker lohnen wird denn je.

Zusatzfrage: Darf ich den zweiten Teil der Frage dann an das Wirtschaftsministerium weiterreichen? Wer profitiert am meisten von allem davon? Sind es Kleinwagen, die dann vor allem aus Italien und Frankreich kommen? Haben Sie da irgendwelche Untersuchungen gemacht?

Baron: Sie müssen die Frage noch einmal wiederholen. Beziehen Sie sich jetzt auf die Kfz-Steuer oder fragen Sie zur Kaufprämie?

Zusatzfrage: Eigentlich zur Kfz-Steuer. Das ist ja auch noch einmal eine Entlastung für die besonders emissionsarmen Autos, die einen geringen COsstoß haben. Sind das nicht oft Kleinwagen, die davon profitieren, vor allem Hersteller aus Frankreich oder Italien?

Baron: Eine solche Bewertung liegt mir jetzt nicht vor, welche Automodelle da besonders betroffen sind. Der Gesetzentwurf wurde ja auch vom Finanzministerium eingebracht. Ich kann dazu jetzt nichts ergänzen. Ich könnte nur prüfen, ob wir dazu Informationen haben. Ich weiß aber nicht, ob die Kollegen eventuell ergänzen können.

Vorsitzender Feldhoff: Herr Kolberg schüttelt mit dem Kopf.

Frage: Ich würde zum einen gern wissen, warum erst ab dem 96. Gramm COe Klimakomponente greift? Sind also die ersten 95 Gramm COsstoß dann immer noch "for free"? Warum wird das nicht ab dem ersten Gramm so gehandhabt?

Da der Kollege gerade nach den Profiteuren fragt, frage ich einmal nach denen, die dabei angeblich verlieren, also nach der Lenkungswirkung. Wer soll jetzt davon abgehalten werden, einen SUV, einen Porsche oder einen Ferrari zu kaufen? Wenn man sich die Zahlen von Ihnen ansieht und das auf die Autos überträgt, dann würde ein Audi Q8, ein riesiger SUV, im Jahr 42 Euro mehr kosten. Wenn ein Porsche 911 gekauft wird, würde das den Porsche-Fahrer 100 Euro pro Jahr mehr kosten. Wenn Sie einen Ferrari 812 kaufen, wären das satte 350 Euro mehr. Glaubt die Bundesregierung, dass diese Zahlen, diese paar hundert Euro mehr, irgendeinen Ferrari- oder Porsche-Käufer von einem Neukauf abhalten würden? Das ist ja Ihre Intention, korrekt?

Fichtner: Es ist ja so, wie ich es gerade gesagt habe. Es ist tatsächlich nur eine von mehreren Rahmenbedingungen. Ich habe jetzt vier andere aufgezählt. Am Ende ist das Ziel, dass das Gesamtbild dazu führt, dass sich Menschen eher für sparsamere, klimafreundlichere Fahrzeuge entscheiden.

Kolberg: Das kann ich nur so unterschreiben. Wir wollen durch eine Vielzahl von Maßnahmen und nicht nur durch eine einzige Maßnahme eine Lenkungswirkung erzeugen. Diese Maßnahmen sind aufeinander abgestimmt und erzielen die Wirkung, die eben vom Umweltministerium geschildert wurde.

Zusatzfrage: Gut, Sie zweifeln nicht die Zahlen an, die ich Ihnen gerade vorgetragen habe.

Ich habe noch die Frage gestellt, warum erst ab dem 96. Gramm CO- -

Kolberg: Am Ende muss man natürlich immer irgendwo eine Grenze ziehen. Sie wurde hier an dieser Stelle gezogen, um eben diese Wirkung zu erzielen, über die wir gesprochen haben.

Es ist ein abgestimmtes Paket, um Mobilität in eine klimafreundliche Richtung zu drängen. Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Auch im Klimapaket sind Maßnahmen enthalten. Wir haben die Elektromobilität durch Kaufprämien unterstützt und sorgen so dafür, dass klimafreundliche Mobilität in Deutschland vorangebracht wird.

Fichtner: Ich kann noch ergänzen: 95 Gramm sind auch der COelwert, der auf europäischer Ebene als Flottengrenzwert festgelegt wurde. Wenn Sie sich einmal von Umweltverbänden oder vom Umweltbundesamt Informationen geben lassen, welche Autos 95 Gramm und weniger ausstoßen, dann sehen Sie, das sind schon sehr saubere und sparsame Fahrzeuge.

Baron: Ich habe nichts zu ergänzen.

Frage: Eine kurze Frage zu der COsteuerung. Es gäbe ja die Möglichkeit, den C.A.R.E.-Diesel zuzulassen, also diesen Biodiesel zweiter Generation, der - salopp gesagt - aus altem Frittenfett und eben nicht aus Palmöl hergestellt wird. Gibt es dafür Pläne, den dann auch für neue Verbrennungsmotoren zuzulassen? Damit ließe sich der COsstoß von modernen Verbrennungsmotoren um bis zu zwei Dritteln senken.

Die Frage zur Klimabilanz: Die Elektroautos werden heute so besteuert und so behandelt, als würden sie mit 100 Prozent Ökostrom fahren. Sie werden befreit. Sie fahren aber nicht mit 100 Prozent Ökostrom. Ist da irgendetwas geplant? Einige Hersteller von Verbrennungsautos sprechen da von einer Ungleichbehandlung vor dem Steuerrecht, zumal die Klimabilanz von E-Autos auch umstritten ist, von der Schraube bis zu 150 000 Kilometern.

Fichtner: Zum C.A.R.E-Diesel müsste ich kurz in mein Tablet sehen. Die Frage kann ich später beantworten. Die Frage hatten wir vor ein paar Monaten schon einmal.

Zu der anderen Frage: Es geht ja hier um Markteinführung. Wir können nicht warten, bis der deutsche Strommix bei 100 Prozent Ökostrom ist und danach erst anfangen, Elektroautos einzuführen, sondern wir müssen das parallel machen. Sie wissen, dass wir das Ziel haben, uns komplett mit Ökostrom zu versorgen. Dann wollen wir gern auch Elektroautos auf den Straßen sehen, und das muss beides gleichzeitig passieren, nicht nacheinander.

Zusatzfrage: Die Frage richtet sich auch eher an das Finanzministerium, das für die Besteuerung zuständig ist. Warum werden die Autos heute so behandelt, als würden sie mit 100 Prozent Ökostrom fahren, obwohl sie es ja nun nachweislich nicht tun oder man nicht sehen kann, womit der Elektrowagen gerade betankt oder geladen wird? Wenn es der deutsche Energiemix ist, müssten sie anders besteuert werden.

Kolberg: Wir handeln hier als eine Bundesregierung. Der Sprecher des Umweltministeriums hat Ihnen eben die Erläuterung gegeben, was hinter dieser Entscheidung steht. Dem kann ich mich nur anschließen.

Frage: Wäre es eine sinnvolle lenkungswirkende Maßnahme, wenn Dienstwagen ab Überschreiten des Zielwerts, also mit einem Ausstoß von mehr als 95 Gramm COom Steuerprivileg befreit würden, wenn sie dann also nicht mit dem ersten Gramm "ab dann" besteuert würden, sondern generell gesagt würde, dass Dienstwagen, die die Zielmarke reißen, keine Steuerprivilegien mehr genießen? Ist das Bestandteil von Planungen, des Paketes? Wenn nein, warum nicht?

Kolberg: Das kann ich mir gleich noch einmal ansehen. Da komme ich auf Sie zurück.

Vorsitzender Feldhoff: Herr Fichtner, haben Sie in Ihrem Tablet etwas gefunden?

Fichtner: Der Kollege hat mir gerade angeboten, ihm die Mail einfach weiterzuleiten, wenn das jetzt nur für ihn von Interesse ist.

Frage: An das Familienministerium: Ihre Ministerin hat heute vor dem Kanzleramt gesagt, der Familienbonus werde im Jahr 2020 für jedes Kind ausgezahlt. Jetzt habe ich vielleicht eine Spezialfrage: Gilt das auch für Kinder, die im Februar schon 18 Jahre alt geworden sind, dann ihre Ausbildung beenden und jetzt kein Kindergeld mehr bekommen? - Das wäre so eine Frage.

Dann habe ich heute Morgen irgendwo etwas zur Auszahlung gelesen. Geplant war doch einmal eine Auszahlung in drei Raten von 100 Euro. Ist das nach wie vor richtig?

Sting: Ich sage einmal kurz etwas Allgemeines. Herr Seibert hat sich ja schon zu den Summen und auch zur Auszahlung geäußert. Ministerin Giffey hat sich heute auch noch einmal dazu geäußert.

Es ist so, dass jedes Kind, das 2020 einen Kindergeldanspruch hat, diesen Kinderbonus automatisch mit dem Kindergeld ausgezahlt bekommt. Dafür muss kein eigener Antrag gestellt werden. Das funktioniert ganz automatisch für jedes kindergeldberechtigte Kind, und zwar in zwei Raten. Das war in der vergangenen Woche noch ein bisschen unklar. Jetzt steht fest, dass es zwei Raten in der Höhe von 150 Euro sein werden. Voraussichtlich werden diese im September und im Oktober ausgezahlt. Das ist der Plan. So hat es die Ministerin auch gerade erläutert.

Zusatzfrage: Das würde jetzt die folgende Frage aufwerfen: Wenn die Rate quasi mit dem Kindergeld zusammen ausgezahlt wird, dann bekommt ein Kind, für das die Eltern keinen Kindergeldanspruch mehr haben, keine Rate, wenn es die Ausbildung schon im Laufe des Jahres abgeschlossen hat. Die Frage ist: Gilt das sozusagen auch rückwirkend für jedes Kind, das im Jahr 2020 Kindergeldanspruch hatte?

Sting: Das müsste ich mit unserem Fachreferat klären. Vielleicht kann hier der Kollege übernehmen.

Ich kann nur noch eine Sache ergänzen:

Auf uns sind Fragen zugekommen, was für Menschen gilt, die gerade ein Kind erwarten. Dazu hat sich die Ministerin auch geäußert. Auch wenn Familien erst im November oder im Dezember ein Kind bekommen, der Anspruch betrachtet das ganze Jahr 2020. Wenn jemand im November ein Kind bekommt, dann bekommt die Familie in zwei Raten 150 Euro. Wer im Dezember ein Kind bekommt, bekommt einmalig 300 Euro. Alle in diesem Jahr sind versorgt.

Kolberg: Genau. Das ist ja in dem Steuergesetz enthalten, das wir heute ins Kabinett gebracht haben. Das steht auch in der Pressemitteilung, die wir herumgeschickt haben. Das hat der Minister heute auch in der Pressekonferenz noch einmal erwähnt.

Die Regelung ist so, dass im September und Oktober 2020 ausgezahlt wird. Das ist entschieden, und das ist auch klar. Die Kinder, für die im September 2020 kein Anspruch auf Kindergeld besteht, werden ebenfalls berücksichtigt, wenn für sie in einem anderen Monat des Jahres 2020 ein Kindergeldanspruch besteht. Es geht also um den Kindergeldanspruch, und daran knüpft sich dann auch die Auszahlung des Bonus.

Frage: Ich habe zwei Fragen an das Auswärtige Amt. Es geht um die neuen Botschafter für die deutsche Botschaft in Slowenien. Können Sie erklären, wie die Entsendung funktionieren wird? Wo sieht das Auswärtige Amt die Vorteile einer solchen Entsendung?

Dann noch die zweite Frage: Über Gleichberechtigung wird in der deutschen Politik viel gesprochen. Wie funktioniert sie im Auswärtigen Amt? Wie hoch ist der Anteil von Botschafterinnen, und wie wird sie gefördert?

Adebahr: Wir freuen uns, dass Frau Kauther und Herr Pollmann erstmals in der 150-jährigen Geschichte des Auswärtigen Amtes als Botschafterehepaar einen Botschafterposten gemeinsam ausüben werden.

Ich möchte dazu sagen: Es gibt im Auswärtigen Amt dieses Jobsharing-Modell auf hohen Positionen schon jetzt - das ist uns wichtig zu betonen -, und zwar an Auslandsvertretungen, im Generalkonsulat in Montreal und als stellvertretende Botschafter in Stockholm und Ottawa. Auch diese Botschaften und das Generalkonsulat sind derzeit auf diesen Posten mit Ehepartnern besetzt, die sich den Job in dem klassischen Jobsharing teilen.

Frau Kauther und Herr Pollmann haben sich überlegt - da waren sie in der Ausgestaltung frei -, dass jeder von ihnen ein Dreivierteljahr den Botschafterposten übernehmen will. Dann wechseln sie, und dann kommt der andere an die Reihe.

Ich kenne die beiden. Das sind ganz tolle Botschafter, die dorthin gehen. Für sie war auch das Argument, dass dadurch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben sein wird, ausschlaggebend, um sich dieses Modell zu überlegen.

Zur generellen Frage der Gleichberichtigung und wie es im Auswärtigen Amt aussieht: Das Auswärtige Amt, insbesondere der Bundesaußenminister, fühlt sich diesem Ziel verpflichtet. Wir streben bis 2025 eine paritätische Besetzung der Führungspositionen an.

Zur Wahrheit gehört auch: Die Ausgangslage dafür war beziehungsweise ist im Auswärtigen Amt nicht ganz leicht. Das Diplomatengeschäft war häufig klassisch männlich dominiert. Das hängt auch mit der Einstellungspraxis in das Auswärtige Amt in den vergangenen Jahrzehnten zusammen. Die Frauen, die man in den 80er- und 90er-Jahren nicht eingestellt hat, hat man heute nicht auf solchen Posten. Wir sind aber da dran und versuchen jetzt, bei der Einstellungspraxis strikt auf die Parität zu achten. Wir konnten in den letzten fünf Jahren den Frauenanteil in Führungspositionen schon ziemlich gut steigern. Im Inland machen Frauen in Führungspositionen etwas mehr als ein Drittel aus. Im Ausland werden 42 Vertretungen von Frauen geleitet; das sind knapp 20 Prozent. Das ist okay, aber nichts, worauf wir uns ausruhen wollen. Das muss noch viel, viel mehr werden.

Wir haben im Auswärtigen Amt ein ganzes Bündel von Maßnahmen aufgesetzt, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen: flexible Arbeitszeiten, Jobsharing-Modelle im In- und Ausland und - das ist mein persönlicher Eindruck - das Homeoffice, das wir in den letzten Monaten kennengelernt haben. Ich hoffe, davon werden wir viel hinübernehmen und uns weiter flexibilisieren. Es gab vorher Teleheimarbeit, und jetzt reden alle, glaube ich, nur noch von Homeoffice. Ich hoffe, wir werden weiter zu einem Ausbau dieses Modells kommen.

Es gibt seit dem letzten Jahr - auch das ist eine Initiative des Außenministers - eine Anlaufstelle für Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit im Auswärtigen Amt. Wir versuchen, uns darum ganz doll zu kümmern.

Frage: Wie kommentiert die Bundesregierung die kürzlich gemachten Aussagen türkischer Offizieller, die Hagia Sophia in eine Moschee umzuwandeln?

Wie kommentiert die Bundesregierung die Berichte, dass türkische Kriegsschiffe die Kontrolle eines Frachtschiffs im Rahmen der EU-Marinemission IRINI behindert haben?

Adebahr: Ich kann mit dem Thema IRINI anfangen. Die andere Frage ist wahrscheinlich eine religionspolitische Frage, für die ich mich nicht ganz zuständig fühle.

Zu IRINI: Die Medienberichte über diesen Zwischenfall sind uns bekannt. Nach den uns vorliegenden Informationen wollte ein Schiff der Operation IRINI im Rahmen seines Auftrags am Mittwoch ein Frachtschiff kontrollieren und ist von türkischen Schiffen davon abgehalten worden. Das sind die Berichte, die wir im Moment kennen.

Was passiert jetzt? Die Leitung der Operation IRINI wird Informationen zu diesem Vorfall sammeln, zusammentragen und diese Unterlagen - so ist es in den Regularien der Sicherheitsratsresolution und der Operation IRINI vorgesehen - zur Bewertung an einen Experten oder an das zuständige Expertenpanel der Vereinten Nationen übermitteln. Dort wird dann eine Bewertung der Sache vorgenommen werden, die ich hier heute "obviously" nicht vornehmen kann, weil das eine Sache ist, die gerade noch im Anlaufen ist.

Was ich gerne tue, ist, in diesem Zusammenhang noch einmal erneut an die Zusagen von allen Beteiligten der Berliner Libyen-Konferenz, die damals dabei waren, zu erinnern und den Appell an alle beteiligten Staaten zu erneuern, die Zufuhr von Waffen und Kämpfern nach Libyen zu unterbinden und die einschlägigen Sicherheitsratsresolutionen dazu zu respektieren.

StS Seibert: Die Diskussion über den Status der Hagia Sophia ist ja nicht neu. Ich persönlich kenne, offen gestanden, diese letzte Wendung nicht und kann deswegen dazu auch nicht Stellung nehmen.

Alter: Das Gleiche gilt für uns. Ich kenne die Äußerung nicht. Ich weiß nicht, von wem sie kommt, was sie beinhaltet und möchte sie an dieser Stelle auch nicht kommentieren.

Frage: Frau Adebahr, zwei Fragen zu dem Komplex Libyen. Der deutsche Botschafter hat mit Herrn Haftar gesprochen. Können Sie dazu Näheres sagen?

Das Treffen fand vor dem Hintergrund statt, dass vor Kurzem mehrere Massengräber mit hunderten von Toten in Gebieten, die bis vor Kurzem unter der Kontrolle der Truppen von Herrn Haftar waren, entdeckt worden sind. Gibt es dazu eine Stellungnahme?

Kann Herr Haftar vor diesem Hintergrund überhaupt noch Teil einer politischen Lösung für Libyen sein?

Adebahr: Was die Massengräber angeht: Wir teilen die Sorge der Vereinten Nationen und der UN-Mission UNSMIL über diese Massengräber. Diese befinden sich in der von der Zentralregierung vor Kurzem wieder eingenommenen und zuvor von der LNA und den verbündeten Milizen gehaltenen Stadt Tarhuna. Wie die Vereinten Nationen begrüßen auch wir die Einsetzung eines Ausschusses durch das Justizministerium der Regierung der Nationalen Einheit, mit denen die Identität der Opfer festgestellt und vor allen Dingen auch die Hintergründe dieses Fundes aufgeklärt werden. Das ist uns, wie auch den Vereinten Nationen, ein sehr großes Anliegen. Das sollte möglichst schnell geschehen.

Zur Frage in Bezug auf Herrn Haftar: Ja, es ist richtig: Der deutsche Botschafter für Libyen hat in den letzten Tagen in Ost- und West-Libyen Gespräche mit einer ganzen Reihe von Akteuren geführt. Auch das gehört zu unserem Engagement als Follow-up des Berliner Prozesses dazu.

So viel kann ich aus den vertraulichen Gesprächen berichten: Ja, wir haben bei allen Seiten eine Bereitschaft festgestellt und hoffen, an den 5+5-Gesprächen, die ja hier schon viele Male Thema waren, teilzunehmen. Auf diesen Weg arbeiten wir in diesen vertraulichen Gesprächen diplomatisch hin. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass es jetzt sehr schön wäre, wenn diese ohne Verzögerung unter der Leitung der Vereinten Nationen fortgesetzt werden könnten.

Frage: Frau Adebahr, ich würde ganz gerne auf das Waffenembargo zurückkommen. Die Türkei hat in den letzten Wochen massiv Waffen nach Libyen geliefert. Russland hat Kampfflugzeuge nach Libyen verlegt. Es ist ja nicht so, dass die Appelle der Bundesregierung und anderer erhört worden wären. Deswegen noch einmal konkret die Frage: Was kann man tun? Glauben Sie, dass IRINI das wirklich stoppen kann?

Eine andere Frage: Die amerikanische Seite hat vorgeschlagen, künftig zwei Libyen-Beauftragte zu haben, wenn ich das richtig sehe: einen UN Special Envoy sowie einen Beauftragten für den innerlibyschen Prozess. Ist das eine Vorstellung, die die Bundesregierung teilt?

Adebahr: Zur Frage des Waffenembargos und des Unterlaufens: Sie haben, glaube ich, gehört - und haben den Zusammenhang, in dem ich das gesagt habe, wahrgenommen -, dass wir noch einmal an alle appellieren, dass dieses Waffenembargo eingehalten und umgesetzt wird. Glauben wir, dass IRINI dazu einen Beitrag leistet? Ja, klar. Wir haben sehr dafür geworben, dass diese Mission auf EU-Ebene entsteht. Wir werden uns für ihre gute und planmäßige Operation sehr einsetzen und diese unterstützen.

Ich will Sie gerne noch einmal auf die Erklärung hinweisen, die die Außenminister Deutschlands, Italiens und Frankreichs gemeinsam mit Herrn Borrell vor, glaube ich, zwei oder drei Tagen abgegeben haben, in der wir auch noch einmal darauf gedrungen haben, jetzt die 5+5-Militärkommission tagen zu lassen, um Verhandlungen über einen Waffenstillstand herbeizuführen, indem wir noch einmal aufgerufen haben, sämtliche militärische Operationen sofort einzustellen und dies auf der Grundlage des Waffenstillstandsabkommens vom 23. Februar zu tun. Denn es ist ja nicht so, dass es nichts gibt. Wir arbeiten weiter für die Umsetzung der Beschlüsse der Berliner Konferenz. Die politischen Gespräche, die es in dem Zusammenhang gibt, und auch die Einigkeit und diese Erklärung, die Sie dort sehen, sind klare Stellungnahmen und Positionierungen, die wir vornehmen.

Zur Frage des Special Envoy: Es gibt - das wurde hier, glaube ich, schon von Herrn Burger ausgeführt - unterschiedliche Vorstellungen zur Ausgestaltung des Engagements der Vereinten Nationen in Libyen. Wir beteiligen uns in New York ganz intensiv daran, dazu unter den Mitgliedern des Sicherheitsrats einen Konsens zu finden. Man muss ehrlich hinzufügen: Das Ganze kostet Zeit. Das ist eigentlich Zeit, die wir gerade nicht haben, weil wir vorankommen wollen. Insofern sind wir da dran, sind guten Mutes, haben Hoffnung und setzen uns sehr dafür ein, dass es dafür bald eine Lösung gibt.

Ich nehme jetzt nicht zu einzelnen Vorschlägen, die in der Diskussion sind, Stellung. Uns leitet in dieser Debatte das Ziel, Frieden für die Menschen in Libyen und schnell eine handlungsfähige Mission der Vereinten Nationen hinzubekommen. Das ist das Ziel, an dem sich hoffentlich auch alle orientieren. In diesem Geiste sind wir in den Gesprächen aktiv.

Frage: Zwei Lernfragen und eine Verständnisfrage.

Frau Adebahr, mit welchen Akteuren hat der deutsche Botschafter für Libyen in den letzten Tagen neben Herrn Haftar geredet? Sie sagten, es seien mehrere Akteure gewesen. Können Sie diese benennen?

Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie Sorge über die Massengräber geäußert haben?

Adebahr: Ich glaube, ich brauche das, was ich zu den Massengräbern gesagt habe, nicht zu wiederholen.

Zu den Gesprächen, die der Botschafter geführt hat, habe ich gesagt: Er hat in Ost- und in Westlibyen Gespräche geführt. Dabei würde ich es in diesem Forum gerne belassen.

Zusatzfrage: Ist geheim, mit wem er dort geredet hat? Wollen Sie das nicht öffentlich machen?

Adebahr: Das hatten wir auch schon oft: Das sind vertrauliche diplomatische Gespräche mit Vertretern in Ost- und in Westlibyen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung das Seerechtsübereinkommen zwischen Griechenland und Italien, das eine griechisch-italienische Wirtschaftszone erweitert hat, was auch Auswirkungen auf Libyen und die Ölverbindung zwischen Libyen und Italien hat?

StS Seibert: Dazu müsste ich Ihnen etwas nachreichen.

Frage: Herr Seibert, ich wollte fragen, ob Sie schon sagen können, an welchem Tag die Corona-Warn-App vorgestellt wird. Falls nicht, können Sie sagen, wann Sie bekanntgeben, an welchem Tag sie vorgestellt wird?

StS Seibert: Die zweite Antwort ist natürlich: rechtzeitig - und wirklich rechtzeitig. Die Entwicklung der App ist abgeschlossen. Es ist jetzt sozusagen die Zeit der allerletzten Praxistestungen. Das alles läuft auf die nächste Woche zu. In genau diesem Zielkorridor sind wir. Wir lassen Sie es sehr rechtzeitig wissen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium, und zwar, was aus dem Bund-Länder-Projekt "Polizei 2020" geworden ist.

Alter: Das Projekt läuft. Allerdings habe ich den aktuellen Stand jetzt nicht parat. Ich müsste Ihnen dazu etwas nachreichen.

Zusatzfrage: Was heißt, dass das Projekt läuft?

Alter: Das Projekt "Polizei 2020" hat insbesondere zum Inhalt, dass auch der Informations- und Datenaustausch zwischen den Polizeien auf Bund- und Länderebene verbessert werden kann. Das hat viel damit zu tun, dass die Datenverfügbarkeit und der konzeptionelle Ansatz des Datenaustauschs verändert werden. Das ist ein Projekt, das auf mehrere Jahre angelegt ist. Ich kann Ihnen jetzt ad hoc nicht sagen, was der aktuellste Projektstand ist.

Frage: Herr Alter, können Sie sagen - oder gegebenenfalls auch nachreichen - , wann dieses Projekt beschlossen worden ist und ob alle Bundesländer dabei mitmachen?

Alter: Auch das werde ich nachreichen. Vielleicht bekomme ich in dieser Pressekonferenz noch die Information. Wenn ich auf die Uhr schaue, ist es allerdings nicht wahrscheinlich, dass wir die Information noch bekommen. Ich reiche das aber gerne nach.

Frage: Am Montag war hier die Polizeigewalt vom Wochenende Thema. Eine Frage war offengeblieben, die Sie bisher nicht nachgereicht haben: War die Bundespolizei am Wochenende bei Antirassismus-Demos in Städten vor Ort? Es gibt viele Bildbeweise, die das belegen. Haben Sie Berichte über Polizeigewalt der Bundespolizei?

Alter: Nein. Uns liegen keine Berichte über Polizeigewalt der Bundespolizei vor. Die Frage, die offengeblieben war, war die, ob die Bundespolizei im Rahmen dieser Demonstrationen im Einsatz war. Das ist schon deswegen nicht auszuschließen, weil die Bundespolizei im Bereich des Bahnverkehrs originär zuständig ist. Wenn Demonstrationsteilnehmer zu einem Demonstrationsort anreisen, nutzen sie auch häufig diese Verkehrsmittel. Insofern kann man die Frage mit "Ja" beantworten. Allerdings war es nach unserer Kenntnis jedenfalls so, dass die Bundespolizei nicht für Landespolizeien an konkreten Demonstrationsorten im Einsatz war.

Zusatzfrage: Herr Seibert, haben Sie mittlerweile die Bilder von Polizeigewalt in mehreren Städten gesehen?

StS Seibert: Es ist wie neulich: Ich habe einzelne Bilder gesehen. Ich halte es - wie bei allen Polizeieinsätzen - weiterhin für richtig, dass das örtlich entschieden wird, dass das da, wo es Beschwerden, Klagen oder Kritik an Einsätzen gibt, örtlich mit der Kenntnis dessen, was wirklich vor Ort im gesamten Zusammenhang geschehen ist, geklärt wird. Dafür gibt es ja die Möglichkeiten.

Frage: Eine Frage an das Bundesjustizministerium: Frau Lambrecht hat gestern angekündigt, Maßnahmen zur Verschärfung des Sexualstrafrechts beim schweren Missbrauch vom Kindern und beim Besitz von Kinderpornografie zu ergreifen. Kann man da konkret sagen, was geplant ist und bis wann die ersten Schritte passiert sein sollen?

Kall: Ja das kann man sagen und das hat die Bundesjustizministerium gestern auch in Interviews gesagt. Ich kann das gleich gerne noch einmal erläutern. Sie sprachen nur gerade vom schweren sexuellen Missbrauch: An der Stelle ändert sich nichts und muss sich nichts ändern, weil das schwere und schwerste Verbrechen nach dem Strafgesetzbuch sind und gerade keine "Vergehen", wie es in dieser Woche in Ihrer Zeitung manchmal hieß. Es sind schwere Verbrechen. Wenn beispielsweise Kinder vergewaltigt werden, dann liegt das Mindeststrafmaß nicht unter zwei Jahren und die Höchststrafe bei 15 Jahren, und es gibt die Möglichkeit der Sicherheitsverwahrung. Wenn Kinder körperlich misshandelt werden, dann beträgt das Mindeststrafmaß fünf Jahre und die Höchststrafe 15 Jahre, ebenfalls mit der Möglichkeit der Sicherungsverwahrung. Sie haben ja zum Beispiel an den Urteilen im Fall Lügde - 13 Jahre und Sicherungsverwahrung - gesehen, dass diese Strafen auch verhängt werden. Das sind also schwere und schwerste Verbrechen. Die Bundesjustizministerin hat gestern gesagt: Schlimmere Taten kann es kaum geben.

Die Frage "Vergehen oder Verbrechen?" unterscheidet sich ja im Strafrecht danach, ob es ein Jahr Mindeststrafe gibt, und beim Grundtatbestand des sexuellen Kindesmissbrauchs liegt der Strafrahmen bisher zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Diese Taten sind nicht mit sexueller Gewalt verbunden, jedenfalls nicht mit körperlicher Gewalt - das muss man immer erklären -, sondern zum Beispiel - so hat es auch die Justizministerin gestern gesagt - mit Berührungen in sexueller Weise. Das ist überhaupt nicht irgendwie zu verharmlosen, aber man muss es von solchen Taten unterscheiden, wie ich sie vorher genannt habe und die alle, wie gesagt, nach dem Strafgesetzbuch schwere Verbrechen sind. Mit Blick auf diesen Grundtatbestand hat die Ministerin gestern angekündigt, einen Vorschlag zu machen beziehungsweise einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die Mindeststrafe auf ein Jahr anzuheben - die Höchststrafe beträgt zehn Jahre. Wie gesagt, der sexuelle Kindesmissbrauch, der nicht mit Gewalt, nicht mit Misshandlung verbunden ist, sondern mit den Formen, die ich gerade genannt habe, wäre damit, wenn es der Bundestag dann so beschließt, auch ein Verbrechen.

Die zweite, ganz konkrete Änderung, die Frau Lambrecht angekündigt hat, ist im Bereich der Kinderpornografie die gewerbs- und bandenmäßige Verbreitung. Kurz gesagt: Wer damit Geld verdient oder kriminelle Tauschringe betreibt - die Gegenleistung muss nicht in Geld bestehen, sondern kann auch im Austausch von kinderpornografischen Bildern oder Videos bestehen -, soll auch als Verbrecher mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bestraft werden. Bisher beträgt dort die Mindeststrafe sechs Monate und das Höchstmaß zehn Jahre. Künftig würde das, wenn es denn so künftig, bei ein bis zehn Jahren liegen.

Insofern hat Frau Lambrecht gestern ganz konkrete Vorschläge gemacht, die ich Ihnen hier jetzt noch einmal nennen konnte. Sie hat gleichzeitig gesagt, dass es eine permanente Aufgabe ist, jeden Tag für den bestmöglichen Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt und sexueller Misshandlung zu sorgen und dass da ganz viele Bereiche gefordert sind: Jugendämter, die Familiengerichte, der Kinderschutz und eben natürlich auch das Strafrecht und die strafrechtlichen Grundlagen.

Ich kann vielleicht noch darauf hinweisen, dass erst vor zwei Monaten, Mitte März, die letzten Strafrechtsverschärfungen in diesem Bereich in Kraft getreten sind. Das eine betrifft die Ausweitung des sogenannten Cybergroomings, also wenn Erwachsene den Kontakt zu Kindern anbahnen und Kindern WhatsApp-Nachrichten oder SMS schicken, um einen Kontakt aufzubauen. Auch das ist jetzt schon eine Tat, die sich im rechtlichen Sinne sexueller Kindesmissbrauch nennt, und das ist erst im März ausgeweitet worden. Die zweite Änderung war, die Ermittlungsmöglichkeiten dadurch deutlich auszuweiten, dass es Ermittlern ermöglicht wurde, computergenerierte Kinderpornografie - also keine echten Missbrauchsabbildungen - zu nutzen, um sich Zugang zu Darknet-Portalen zu verschaffen, die so etwas als Zugangshürde verlangen. Wie gesagt, diese beiden Änderungen sind erst Mitte März in Kraft getreten. Das zeigt, glaube ich, ganz gut, dass es eine permanente Arbeit ist und auch wir permanent daran arbeiten, das Strafrecht weiterzuentwickeln.

Zusatzfrage: Können Sie noch sagen, bis wann der Gesetzentwurf vorliegen soll und was dazu geführt hat, dass die Ministerin zumindest in diesen zwei Punkten auf die Forderungen, die die Innenminister der Länder ja schon im vorigen Jahr erhoben haben und die im Mai auch die Jugendminister aller Länder unterstützt haben, einzugehen? Was hat sie also bewegt, aktuell doch in diesen zwei Punkten ihre Position zu verändern?

Kall: Zu Ihrer ersten Frage. Die Ministerin hat es gestern Abend im "heute journal" gesagt: Das kann sehr schnell gehen. Unser Haus, das Justizministerium, hat den Auftrag, den Gesetzentwurf sehr schnell zu erarbeiten und vorzulegen. Das sind die Worte von Frau Lambrecht von gestern Abend.

Zu Ihrer zweiten Frage kann ich nur noch einmal wiederholen: Es ist eine Daueraufgabe, eine permanente Aufgabe, und wir arbeiten permanent daran. Insofern gibt es auch keine Veränderungen. Die letzten Strafrechtsverschärfungen gab es vor zwei Monaten, und gestern hat Frau Lambrecht die beiden genannten konkreten Ankündigungen gemacht.

Zusatzfrage: Die Ministerin vorher aktiv gesagt: Nein, das sei mit ihr nicht zu machen. Diese zwei Punkte, die sie gestern vorgestellt hat, hat sie monatelang nicht angefasst, auch auf Bitten unter anderem aus der Bundesregierung heraus und auf Forderungen von allen Jugendministern der Länder und allen Innenministern dieses Landes nicht.

Kall: Ich kann jetzt nur noch ein drittes Mal wiederholen: Wir arbeiten permanent daran, im Strafrecht die Grundlagen dafür zu schaffen, dass sexueller Kindesmissbrauch bestmöglich bekämpft werden kann.

Ich bitte auch noch einmal, zu differenzieren: All die schrecklichen Taten aus den letzten Monaten, über die öffentlich diskutiert wird, sind schwere Verbrechen, und das alles nach heutiger Rechtslage.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium zum Thema Streichung des Begriffs "Rasse" aus dem Grundgesetz: Der Minister hat sich dazu geäußert, allerdings ein bisschen abwartend beziehungsweise unklar. Deshalb noch einmal die Frage: Teilen Sie, teilt der Minister die Auffassung, dass es keine menschlichen Rassen gibt und dass deshalb der Begriff nach heutigem Verständnis, so wie er in der Verfassung steht, falsch ist? Das würde ja nahelegen, dass man ihn zumindest ersetzt. Würde Ihr Haus das unterstützen?

Alter: Der Minister hat sich für eine Diskussion um diese Frage offen gezeigt. Er hat aber auch darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass unsere Verfassung so formuliert ist, wie sie im Moment formuliert ist, auch historische Gründe hat. Artikel 3 des Grundgesetzes ist keine auch nur scheinbare Akzeptanz von Rassekonzepten zu entnehmen. Vielmehr ist es so, dass mit dieser Diskriminierungsvorschrift zum Ausdruck gebracht werden soll, dass vermeintliche Rassekonzeptionen nicht akzeptabel sind und eine Diskriminierung aufgrund solcher Gedankenmodelle nicht zulässig sind. Den Vätern und Müttern des Grundgesetzes war es eben gerade nach der Nazizeit wichtig, deutlich zu machen, dass das nicht geht; denn unmittelbar zuvor sind ja durch diese Gedanken Millionen von Menschen in die Vernichtung getrieben worden.

Das ist der historische Hintergrund für diese Formulierung. Der Minister hat gesagt: Wir können darüber reden, allerdings müssen wir die Diskussion unter Berücksichtigung aller Argumente führen. Das Ergebnis hat er ausdrücklich offen gelassen.

Kall: Ich würde für die Justizministerin und unser Ministerium gerne noch ergänzen, dass wir für eine Ersetzung des Begriffs "Rasse" in Artikel 3 Absatz 3 offen sind und dass auch wir finden, dass es eine breite Diskussion braucht, so wie es, wenn es Veränderungen an den Grundrechten, an den ersten 20 Artikeln des Grundgesetzes gab - Sie wissen, dass das sehr selten ist -, breite Diskussionen im parlamentarischen Raum und in der Öffentlichkeit darüber gegeben hat. Wir wollen darauf hinweisen, dass man, wenn man den Begriff "Rasse" ersetzt, der ja die historischen Gründe hat, die Herr Alter gerade genannt hat, natürlich dafür sorgen muss, dass der neue Begriff, den man einfügt, den gleichen breiten Schutz vor jeglicher rassistischer Diskriminierung beinhaltet und von den Gerichten in jedem Fall in der gleichen Breite ausgelegt wird, wie es bisher der Fall ist.

Frage: Herr Seibert, wie steht die Kanzlerin zu dieser Debatte? Ist sie dafür, den Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen?

StS Seibert: Zunächst einmal würde ich gern festhalten, dass das Ziel, uns jeder Form von Rassismus entgegenzustellen, uns alle eint - und ich denke, auch die Menschen auf beiden Seiten dieser Debatte eint. Es ist richtig vom Kollegen, dass man auch noch einmal auf den historischen Zusammenhang der Formulierungen des Artikel 3 hinweist. Die Verfasser des Grundgesetzes haben nach Jahren, in denen ein staatlicher Rassenwahn unser Land und den ganzen Kontinent in namenloses Unglück gestürzt hat, 1949 mit dieser Formulierung ein ganz klares Zeichen gesetzt. Ich denke, dafür muss man ihnen, wie für das gesamte Grundgesetz, dankbar sein.

Jetzt, 71 Jahre später, gibt es eine gesellschaftliche und auch eine parteipolitische Debatte. Diese Debatte ist wichtig, und auf beiden Seiten dieser Debatte kommen nachdenkenswerte Argumente. Insofern ist die Bundeskanzlerin wie auch der Bundesinnenminister und die Bundesjustizministerin für diese Debatte grundsätzlich offen. Aber da gibt es mancherlei zu bedenken.

Zusatzfrage: Was genau?

StS Seibert: Das ist ja hier genannt worden: Der historische Zusammenhang, die Tatsache, dass mit Streichen oder nicht Streichen eines Begriffes das Problem vielleicht noch nicht gelöst ist. Es ist eine Debatte. Die Bundeskanzlerin ist offen für eine solche Debatte. Was man von beiden Seiten hört, macht durchaus nachdenklich.

Alter: Wenn ich nur noch einen Satz ergänzen darf: Es ist beispielsweise auch zu berücksichtigen, dass diese Begrifflichkeit auch in vielen internationalen Grundsatzdokumenten enthalten ist, beispielsweise in der Genfer Flüchtlingskonvention oder in der Menschenrechtskonvention. Das macht deutlich, dass wir hier keine isolierte Diskussion führen können. Wir können die Diskussion führen, allerdings unter Berücksichtigung der Komplexität, die dieses Thema mit sich bringt.

Frage: Das Justizministerium und das Innenministerium haben eine Studie zum "racial profiling" bei der Polizei aufgelegt. Können Sie sagen, von wann diese Studie ist, also wann sie beschlossen haben, diese Studie zu machen, und ob alle Bundesländer da mitmachen?

Alter: Ich würde gern beginnen, und zwar zunächst einmal mit der Position des BMI zum Thema. Die ist nämlich sehr klar: "racial profiling" ist unzulässig, und die diskriminierungsfreie Anwendung polizeilicher Befugnisse ist ein wesentlicher Bestandteil der polizeilichen Ausbildung von der ersten Ausbildungsstunde an. Gleichwohl wissen wir, dass es Einzelfälle gibt, die uns berichtet werden. Wir haben hier auch Stellung genommen. Es sind nicht viele Fälle, aber es sind Fälle, die uns zum Teil extern, aber in großer und überwiegender Anzahl durch interne Hinweise bekannt werden.

Es ist natürlich auch so, dass die Thematik auch von externen unabhängigen Gremien betreut wird, die sich mit vielen Staaten auseinandersetzen, so etwas der UN-Ausschuss zur Beseitigung von Rassendiskriminierung oder die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, die sich in regelmäßigen Abständen mit Staaten beschäftigen - damit auch mit der Polizei - und dann ihre Berichte vorlegen. Im Rahmen dessen wird die Thematik "racial profiling" immer benannt. Wir beschäftigen uns seit vielen Jahren damit. Ich habe hier dargestellt, was wir auch aktiv tun, etwa dadurch, dass wir in der Aus- und Fortbildung mit NGOs zusammenarbeiten und versuchen, die Betroffenenperspektive mit einzubinden, um eine höhere Sensibilisierung für das Thema zu erreichen.

Im März 2020 ist der Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz vorgelegt worden, der mehrere Empfehlungen enthält, unter anderem auch die Empfehlung zu diesem Thema, eine Studie zu machen, um die Faktenlage zu diesem Thema noch etwas stärker herauszustellen. Wir beschäftigen uns mit diesen Empfehlungen routinemäßig, auch in diesem Jahr, und sind daher mit dem Bundesjustizministerium in Gesprächen und denken darüber nach, wie man diese Empfehlung umsetzen kann.

Zusatzfrage: Aber die Studie läuft ja schon, oder nicht?

Alter: Es gibt noch keine Studie und es ist auch noch nicht klar, wie diese Studie konkret ausgestaltet werden soll. Auch das Studiendesign ist noch offen. Ich will es noch einmal sagen: Diese konkrete Empfehlung ist vom 17. März 2020, und wir sind dazu in Gesprächen.

Zusatzfrage: Haben Sie schon mit den Bundesländern darüber gesprochen, ob die mitmachen würden?

Alter: Nein, diese Gespräche sind nach meiner Kenntnis noch nicht geführt worden. Es findet jetzt zunächst einmal auf Bundesebene ein Austausch statt, wie man das realisieren kann. Es ist Ausdruck dessen, was wir hier mehrfach gesagt haben, nämlich dass wir uns dieser Thematik nicht grundsätzlich verweigern, damit einhergehend aber auch nicht sozusagen die Botschaft aussenden wollen, wir hätten ein Riesenproblem zu lösen. Wir beschäftigen uns vielmehr ganz neutral damit - das ist auch angemessen -, und auf der Grundlage der Empfehlungen führen wir jetzt die Gespräche.

Kall: Ich kann das, was Herr Alter gesagt hat, für uns nur unterstreichen: Diese Studie steht am Anfang, das hören Sie heraus. Es ist aber klar, dass es diese Studie geben soll. Das ist aus unserer Sicht auch sehr wichtig, und wir haben uns dafür gerade aufgrund der Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz sehr eingesetzt. Dabei geht es vor allem auch darum, das, was von Rassismus Betroffene über Fälle von "racial profiling" berichten, ernst zu nehmen, wissenschaftlich zu dokumentieren und diesem Phänomen wirklich eine klare Faktenbasis zu geben, um darauf aufbauend über mögliche Gegenmaßnahmen diskutieren zu können. Insofern ist das aus unserer Sicht eine wichtige Studie, an der wir uns beteiligen.

Kolberg: Ich möchte noch etwas zu der Frage mit den Dienstwagen nachreichen. Da sind zwei Punkte auseinanderzuhalten: Erstens gibt es im Corona-Steuerhilfegesetz, das wir heute auf den Weg gebracht haben, eine Verbesserung für Dienstwagen. Sie bezieht sich auf die Besteuerung privater Nutzung im Bereich der Einkommensbesteuerung, und da geht es nur um Dienstwagen ohne CO2-Emissionen. Zweitens: Im Kraftfahrzeugsteuergesetz gibt es keine spezielle Regelung; da wird zwischen der privaten Nutzung und der Nutzung als Dienstwagen grundsätzlich nicht unterschieden. Die Besteuerung knüpft da an den Hubraum und die CO2-Emissionen an - darüber haben wir eben ja schon gesprochen. Dabei spielt also grundsätzlich keine Rolle, ob es sich um einen Dienstwagen oder um einen Privat-Pkw handelt.

Frage: Das bedeutet - und das war ja der Inhalt meiner Frage -, eine mögliche Lenkungswirkung dadurch, dass man beschließt, Dienstwagen, die den Richtwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer überschreiten, nicht mehr zu fördern oder absetzbar zu machen, wird als Maßnahme nicht in Aussicht genommen?

Kolberg: Ich habe ja eben gesagt: Im Einkommensteuergesetz ist es schon so. Die Förderung, die wir jetzt zusätzlich machen, bezieht sich nur auf Fahrzeuge ohne CO2-Emissionen.

Freitag, 12. Juni 2020

*

Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2020
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-12-juni-2020-1760062
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2020

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