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INNEN/4841: Lindner-Statement - Es war ein Fehler


FDP-Pressemitteilung vom 7. Februar 2020

LINDNER-Statement: Es war ein Fehler


Zu den Ergebnissen der außerordentlichen Bundesvorstandssitzung anlässlich der Ereignisse vor, während und nach der Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten Thomas L. Kemmerich gab der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner heute folgendes Statement ab:

"Wir haben im Bundesvorstand eine sehr intensive, sehr offene Aussprache, die auch noch andauert und die wir jetzt für eine kurze Information unterbrochen haben.

Wir sind uns in der grundlegenden Bewertung des Sachverhaltes und der Lage allerdings insoweit einig, dass wir die für mich wichtige politische Vertrauensfrage vorziehen konnten, vor das Ende der Aussprache, weil wir eben in wesentlichen Punkten in der Bewertung übereinstimmen. Ich bin meiner Partei dankbar, dass sie mir heute hier im Bundesvorstand mit einem sehr starken Ergebnis das Vertrauen ausgesprochen hat. Das ist wichtig, dass wir uns darüber auch verständigt haben, über den Kurs der Freien Demokraten und über unseren gemeinsamen Wertekonsens.

Thüringen war ein Ernstfall und ist unverändert ein Ernstfall für die politische Kultur insgesamt und insbesondere für die FDP. Die Entscheidungen und Ereignisse in Thüringen, die wir verantworten, haben Zweifel bei Vielen an der Grundhaltung der FDP ausgelöst. Diese Zweifel an der grundlegenden Orientierung unserer Partei bedauern wir zutiefst.

Wir haben im Deutschen Bundestag bei unseren Parteibeschlüssen in den letzten Jahren und Monaten immer eine klare Grenze zur AfD gezogen. Die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag etwa kooperieren nicht mit der AfD bei Initiativen, nutzen nicht gemeinsame Möglichkeiten, etwa Klagen einzureichen beim Verfassungsgericht, wie wir das etwa mit Grünen und Linkspartei tun. Also insofern haben wir ganz klare Abgrenzungen immer zur AfD gezogen.

Wir wollen nicht in einen wie auch immer gearteten Zusammenhang mit der AfD geraten. Das erklärt sich aus den Grundwerten: Die AfD ist eine Partei, die ein völkisches Gedankengut hat, während wir eine liberale, eine an das Individuum glaubende Partei sind. Die AfD setzt auf Ausgrenzung, wo wir auf Toleranz setzen. Die AfD setzt auf Abschottung, wo wir für Weltoffenheit plädieren. Wir sehen uns also, wie ich das in den letzten Jahren vielfach gesagt habe, als einen scharfen Kontrast zu dieser Partei. Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass diese klare Position der FDP durch die letzten Tage nicht mehr sichtbar gewesen ist.

Wir reklamieren für uns, eine Partei der politischen Mitte zu sein. Wir sehen viele Sachfragen der Politik anders als Union, SPD und Grüne. Und dennoch gehören wir zum demokratischen Zentrum der politischen Landschaft und essenziell ist die Abgrenzung zu den Rändern und insbesondere zur AfD. Gerade weil wir bestimmte Fragen anders einschätzen als unsere Mitbewerber von Union, SPD und Grünen, ist es für uns essenziell, für unsere Glaubwürdigkeit unverzichtbar, dass klare Grenzen gezogen werden, die jetzt in dieser Weise in Frage gestellt worden sind.

Auch in Thüringen haben unsere Kollegen und Thomas Kemmerich an der Spitze ja immer eine klare Grenze zur AfD gezogen. Ganz im Gegenteil: Seine Absicht war, durch eine Kandidatur gegen Linkspartei und gegen AfD ein Signal für die Mitte zu senden und zu zeigen, dass es in diesem Parlament auch eine Position der Mitte gibt. Dieses lautere Motiv, aus der Mitte heraus Politik zu machen und ein Symbol zu haben, dieses lautere Motiv ist leider in für uns katastrophaler Weise in das Gegenteil verkehrt worden.

Wir haben heute miteinander beraten, Thomas Kemmerich selbst hat das ausgesprochen, auch die Vertreter des Landesverbandes hier und es war auch die einmütige Auffassung des Bundesvorstands der Freien Demokraten. Nach Lage der Dinge, wie sie sich entwickelt haben, war es ein Fehler, im dritten Wahlgang angetreten zu sein. Und es war auch ein Fehler, dann eine Wahl unter diesen Bedingungen angenommen zu haben.

Wir haben uns in der AfD geirrt. Ich bin auch selbst einer Fehleinschätzung der AfD erlegen. Ganz offensichtlich gibt es einen neuen parlamentarischen Umgang, der mit der AfD jetzt danach nötig ist. Wir haben nicht, ich selber auch nicht, damit gerechnet, dass diese Partei so weit geht, Kandidaten nur zum Schein vorzuschlagen, um dann plötzlich ganz anders zu votieren in einer geheimen Wahl. Diese, unsere Fehleinschätzung wird und darf sich nicht wiederholen.

Zugleich ist das aber eine große Herausforderung für alle Kräfte des demokratischen Zentrums, also auch Union, SPD, Grüne, wie für uns. Wie geht man dann in Parlamenten mit der Mehrheitsbildung um, wenn die AfD so stark ist und man zentrale Entscheidungen, wie beispielsweise die Zusammensetzung einer Regierung oder Gesetzgebung, nicht alleine abhängig davon macht, dass die AfD mit eben einer ganz anderen weltanschaulichen Orientierung zustimmt beziehungsweise Einfluss nimmt?

Wir tragen Verantwortung für die Lage in Thüringen und darüber hinaus für die Debatte in Deutschland. Und wir übernehmen auch die Verantwortung für diese Lage. Erstens hat Thomas Kemmerich ja angekündigt, dass er zurücktreten wird. Er wird jetzt in Kürze, was das Verfahren angeht in Thüringen rechtlich nicht vollständig trivial, er wird jetzt in Kürze - oder zur Stunde ist er das sogar schon - mit der Landtagspräsidentin vor die Öffentlichkeit treten, um den Fahrplan der Übergabe der Verantwortung zu beschreiben. Er hat übrigens bereits klargemacht, dass er die ihm zustehenden Bezüge aus der kurzen Amtszeit als Ministerpräsident selbstverständlich nicht annehmen beziehungsweise spenden wird.

Zweitens: Wir übernehmen Verantwortung für die Lage durch eine glasklare und prinzipielle Abgrenzung zur AfD. Mit der FDP wird es keine angestrebte und verhandelte, aber auch nicht unfallweise, aus Versehene Kooperation mit der AfD geben. Bereits bei meinem ersten Statement am Mittwoch habe ich deutlich gemacht, dass mein Amt, meine persönliche Rolle als Vorsitzender der FDP daran gebunden ist, dass es eine solche Zusammenarbeit mit der AfD nicht gibt. Und an dieser Position halten wir als Partei insgesamt fest.

Wir erwarten in dem Zusammenhang aber auch von anderen ihren Umgang mit der AfD zu klären. Noch am Mittwoch gab es einen Beschluss der CDU-Landtagsfraktion in Thüringen, die anders als wir dauerhaft die Möglichkeit einer Minderheitsregierung gesehen hat. In diesem Beschluss wurde die Zusammenarbeit mit der AfD nicht prinzipiell ausgeschlossen, sondern zeitlich und sachlich konditioniert. Für uns hingegen ist prinzipiell eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. Auch nicht irgendwann mal oder wenn sie Beschlüsse gefasst hätten.

Und drittens: Die Freien Demokraten in Thüringen bieten eine Initiative an zur Selbstauflösung des Landtags, um den Bürgerinnen und Bürgern jetzt wieder das Wort zu geben, damit diese die Verhältnisse bewerten können. Damit ist ein hohes politisches Risiko verbunden. Und dennoch unterstützen wir diese Entscheidung und halten sie für richtig. Das hatte ich in meinem ersten Statement am Mittwoch ja ebenfalls in Aussicht gestellt, dass das eine notwendige Konsequenz sein könnte. Wir begrüßen, dass die CDU gestern in Ihrem Präsidium und dass auch die SPD im Thüringer Landtag darin einen gangbaren Weg sehen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Union im Thüringer Landtag hingegen eine solche klare Entscheidung nicht treffen will, sondern stattdessen darüber nachdenkt, sich an einer Regierungsbildung zu beteiligen. Und dort wird nun geschaut, wer das tun kann.

Wir glauben, dass nach der Lage, wie sie sich dargestellt hat, der klarste Weg wäre, wie viele Parteien jetzt über uns hinaus gesagt haben, wenn man den Wählerinnen und Wählern wieder das Wort geben würde, um Legitimation herzustellen und Vertrauen zurück zu kämpfen. Das war das Meinungsbild bei uns aus dem Bundesvorstand."

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Quelle:
Presseservice der Liberalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2020

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