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NORDRHEIN-WESTFALEN/1911: Zur Bekämpfung von Alkoholexzessen in der Öffentlichkeit (Li)


Landtag intern 2/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Die Freiheit aller respektieren
Anhörung zur Bekämpfung von Alkoholexzessen in der Öffentlichkeit

Von Christoph Weißkirchen


12. Januar 2012 - Alkohol ist Genuss- und Rauschmittel zugleich. Ein in den letzten Jahren verändertes Konsumverhalten in der Öffentlichkeit stellt einige Kommunen vor Probleme. Im Zentrum der Kritik: Trinkgelage größerer Gruppen und deren Folgen. Wie Städte und Gemeinden darauf reagieren können und sollen, war Thema einer Anhörung im Innenausschuss (Vorsitz: Monika Düker, Grüne). "Wir wollen ein fröhliches Miteinander aller sichern", begründete die CDU ihre Gesetzesinitiative, mit der sie es den Kommunen ermöglichen will, räumlich und zeitlich begrenzte Alkoholverbote zu verhängen. Im Ziel, Auswüchse zu Lasten der Allgemeinheit zu vermeiden, waren sich die Fachleute einig. Unterschiede gab es bei der Frage, welche Maßnahmen sinnvoll und rechtlich möglich sind.


"Bitte geben Sie uns ein neues Instrument an die Hand", appellierte Detlev Fröhlke vom Ordnungsamt der Stadt Aachen an die Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag auch im Namen zahlreicher großer und mittelgroßer Städte, aber auch von Anwohnerinnen und Anwohnern. Es gebe eine Veränderung des gesellschaftlichen Lebens dahin, dass immer mehr Freizeitaktivitäten im öffentlichen Raum stattfänden. Gerade in größeren Städten sei es dabei vor allem bei jüngeren Menschen zu einer neuen Qualität des Alkoholkonsums gekommen. Dies habe teilweise "erschreckende" Züge, wies Fröhlke auf die Folgen hin: Belästigungen von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Verunreinigungen der betroffenen Straßen und Plätze, auch in Folge von fehlenden Sanitäranlagen. Man brauche Möglichkeiten, um für alle Beteiligten eine gute innerstädtische Aufenthaltsqualität zu gewährleisten.

Vorbeugung

Die geltende Rechtslage erlaube keine vorbeugenden Maßnahmen, erläuterten Regine Meißner und Anne Wellmann für die Kommunalen Spitzenverbände. Daher begrüßten sie die Gesetzesinitiative. Um an den nachgewiesenen Problembrennpunkten tätig werden zu können, brauchten Städte und Gemeinden Handlungsoptionen wie ein räumlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot. Meißner regte an, dies um ein mögliches Verbot von Glasbehältern sowie die Möglichkeit, den Alkoholverkauf einzuschränken, zu ergänzen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass manche Menschen mit der Freiheit, die zum Beispiel Flatrate-Trinkangebote und rund um die Uhr geöffnete Läden böten, nicht umgehen könnten. Es gehe nicht darum, den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zu steuern, sondern um präventive Möglichkeiten für Extremsituationen, ergänzte Wellmann.

Für Köln sehe er derzeit nicht die Notwendigkeit für ein Alkoholverbot, betonte demgegenüber Stadtdirektor Guido Kahlen. Er unterschied zwischen der allgemeinen Szene auf öffentlichen Plätzen, angemeldeten Großveranstaltungen und Open-Air-Partys auf öffentlichen Plätzen. Bei letzteren könnten teilweise bis zu 2.000 Menschen das "mediterrane Flair" genießen wollen, was eine nicht zumutbare Lärmkulisse bedeute. Als Abhilfe hielt daher auch Kahlen ein zeitlich begrenztes Verbot des Alkoholverkaufs für sinnvoll. Des Weiteren sprach er sich grundsätzlich für ein Glasverbot aus, da man mit diesem Ansatz gerade auch bei Großveranstaltungen, wie beim Karneval, gute Erfahrungen gemacht habe. Es sei zu überlegen, ob der Landtag hierzu nicht eine gesetzliche Grundlage schaffen müsse. Ein Alkoholverbot könne er sich nur als an hohe Anforderungen geknüpfte "ultima ratio" vorstellen.

Diese Anforderungen sind laut Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Clemens Arzt kaum zu erfüllen. Das Verbot des Alkoholkonsums im öffentlichen Bereich stelle nicht nur eine Beschränkung des Gemeingebrauchs von öffentlichen Straßen und Plätzen, sondern auch einen Eingriff in ein Grundrecht dar. Die Gefahrenvorsorge gestatte einen solchen Eingriff aber nur zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter. Die Folgen von Alkoholgenuss und damit verbundene Ordnungswidrigkeiten gehörten seiner Meinung nach nicht dazu. Im vorliegenden Gesetzentwurf fehle ihm zudem eine nachweisbare, durch Daten belegte Darlegung der zu bekämpfenden Gefahren und eine Abwägung der Einschränkung der Grundrechte, kritisierte Arzt. Er warnte davor, eine Erwartungshaltung zu schaffen, die man nicht erfüllen könne. Seiner Meinung würden die Kommunen trotz einer gesetzlichen Handhabe am Ende nicht in der Lage sein, einen Gefahrenverdacht vor Gericht hinreichend nachzuweisen.

Zielgruppe Jugendliche

Die Frage, wer das im Antrag vorgeschlagene Alkoholverbot durchsetzen soll, stellte auch Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Polizei stoße bereits heute personell an ihre Grenzen. Er warnte vor einer bloßen räumlichen Verlagerung des Problems. Notwendig seien vielmehr weitergehende Konzepte und eine umfassende Vorbeugung, um gerade Jugendliche vom übermäßigen Alkoholkonsum abzuhalten.


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Quelle:
Landtag intern 2 - 43. Jahrgang, 08.02.2012, S. 11
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2012