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NORDRHEIN-WESTFALEN/1915: Wohin mit dem Atommüll? (Li)


Landtag intern 3/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Wohin mit dem Atommüll?
Landtag debattiert über radioaktives Material aus Jülich

Von Daniela Braun



8. Februar 2012 - Rund 300.000 Brennelementekugeln lagern derzeit im Forschungszentrum Jülich. Doch wie lange noch? Mitte nächsten Jahres läuft die Genehmigung aus. Bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder sie wird verlängert oder die insgesamt 152 Castor-Behälter werden gut 170‍ ‍Kilometer durch Nordrhein-Westfalen transportiert: ins Zwischenlager Ahaus. Eine Frage, die auch den Landtag beschäftigt.


"Wir erwarten von der Landesregierung Antworten, keine Verunsicherungen", betonte Lutz Lienenkämper (CDU) in der von seiner Fraktion beantragten Plenardebatte (Drs. 15/3956). Die Landesregierung müsse endlich sagen, wie es mit dem Atommüll weitergehe: Soll es in Jülich ein zweites Zwischenlager geben? Gibt es überhaupt eine entsprechende Risikoanalyse? Und wer trägt am Ende die Kosten? Dazu habe die Bundesforschungsministerin in einem Brief an die Ministerpräsidentin jüngst auch Gespräche angeboten.

Fragenkatalog

Mit ihrem Fragenkatalog schaffe die CDU mehr Unklarheit als Klarheit, kritisierte der SPD-Abgeordnete André Stinka. Auch Landeswirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD) betonte: Das Forschungszentrum habe schon im Juni 2007 eine Anschlussgenehmigung beantragt. Und es sei der Bund gewesen, der den Antrag über seine Gesellschafter-Mehrheit beim Zentrum (s. Infokasten) drei Jahre später ausgesetzt habe - offenbar weil Berlin damals im Gegensatz zu Rot-Grün in NRW den Transport nach Ahaus präferiert habe, so Voigtsberger. Dabei könnten die Castoren in Ahaus gar nicht endlagerfähig verpackt werden, weitere Transporte wären nötig, kritisierte der Grüne Hans Christian Markert. Die Landesregierung habe alles getan, um diese "absurde Atommüll-Schieberei" zu vermeiden.

Landeswirtschaftsminister Voigtsberger begrüßte daher den Kurswechsel, der sich aus seiner Sicht im Brief der Bundesministerin abzeichne. "Die Bundesregierung mit Frau Schavan als verantwortlicher Ministerin bekommt kalte Füße", bewertete Stinka diese Richtungsänderung. Es gebe wohl zeitliche Probleme: Zwar liege dem Bundesamt für Strahlenschutz ein Antrag für den Transport nach Ahaus vor. Doch: "Ein Ende des Verfahrens ist nicht absehbar." Nun könne sich die Bundesregierung auf einmal vorstellen, dass die Castor-Behälter in Jülich bleiben, sagte Stinka. Und er machte klar: "Das setzt eine Ertüchtigung dieses Zwischenlagers voraus."

Die Kosten hierfür wolle der Bund aber offenbar nicht tragen, erklärte sich Markert dessen anfängliche Blockadehaltung gegenüber der Jülicher Lösung. Denn für eine Ertüchtigung des Lagers müsste dieser entsprechend des Vertrags 70 Prozent der Kosten tragen, erläuterte der Abgeordnete. Die Kosten für die Transporte nach Ahaus hingegen fielen allein in Nordrhein-Westfalen an. Auch Michael Aggelidis (Linke) stellte in Richtung CDU fest: "Es geht ums Geld." Offenbar solle das Land die Kosten für Bau und Betrieb des Zwischenlagers übernehmen.

Die Genehmigung für Jülich laufe deshalb aus, weil vor 20 Jahren davon ausgegangen worden sei, dass dann ein Endlager existiere, entgegnete FDP-Sprecher Holger Ellerbrock. "Durch Ihre Parteigenossen, durch Trittin ist all dies weit nach hinten verschoben worden." Zudem habe der Landeswirtschaftsminister es nun versäumt, im Jülicher Aufsichtsrat konkrete Schritte für die Ertüchtigung des Lagers zu skizzieren. Es sei daher konsequent, dass das Gremium sich für die alten Verträge und den Ahaus-Plan entschieden habe, erklärte Ellerbrock. Sowohl er als auch Lienenkämper betonten: Rot-Grün könne die Verantwortung jetzt nicht einfach nach Berlin abschieben.

Die CDU dürfe aber ebenso wenig von der Verantwortung des Bundes ablenken, forderte Aggelidis. Zwar müsse die Landesregierung maximale Klarheit über die Zukunft des Atommülls schaffen. Doch: "Wer hat denn angesichts der Mehrheitsverhältnisse bei den Eignern den meisten Einfluss in Jülich?", fragte der Linke. Gleichzeitig betonte er: "Das Versagen bei der Suche nach einem geeigneten Endlager verantwortet in erster Linie die Bundesregierung." Da sei es nur gerecht, wenn der Bund die Kosten für ein neues Zwischenlager übernehme.

FORSCHUNGSZENTRUM JÜLICH
Das Forschungszentrum beschäftigt sich mit Schlüsseltechnologien in den Bereichen Gesundheit, Energie, Umwelt und Information. Der Gesamtbestand an Schutzrechten lag Ende des Jahres 2010 bei knapp 14.800 Stück.
Gesellschafter des Zentrums sind die Bundesrepublik Deutschland (90 Prozent) und das Land Nordrhein-Westfalen (10 Prozent). Insgesamt arbeiten in Jülich rund 4.800 Beschäftigte.
Im Juni 2011 hat der Landtag einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der sich mit der Diskussion um (angeblich) verschwundene Brennelementekugeln im Forschungszentrum Jülich beschäftigt.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 43. Jahrgang, 14.03.2012, S. 4
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2012