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NORDRHEIN-WESTFALEN/1949: Das Rauchverbot und seine Grenzen (Li)


Landtag intern 10/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Das Rauchverbot und seine Grenzen
Verschärfter Nichtraucherschutz im Fokus der Fachleute

Von Daniela Braun



26. September 2012 - In den Medien bereits stark diskutiert, stand er nun auch im Fokus einer Anhörung im Landtag: der Entwurf für einen strikten Nichtraucherschutz (Drs. 16/125). Nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung sollen Glimmstängel in der Gastronomie, an Schulen, auf Spielplätzen und bei Brauchtumsfesten künftig Tabu sein. Das Echo der geladenen Fachleute fiel erwartungsgemäß geteilt aus.


"Ein absolut richtiger Schritt in die richtige Richtung", lobte Dr. Stephan Keller von den Kommunalen Spitzenverbänden. Mit den derzeitigen Ausnahmen hätten die Ordnungsämter erheblich zu kämpfen. Der vorliegende Entwurf schließe die Lücken, sodass keine Vollzugsprobleme mehr auftreten dürften, meinte Dr. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Auch verfassungsrechtlich sei alles einwandfrei, so Ex-Verfassungsrichter Dr. Jürgen Brand: Laut Bundesverfassungsgericht müsse die Berufsfreiheit zurücktreten, wenn sich der Gesetzgeber entscheide, Gesundheit und Leben mit einem Rauchverbot höher zu stellen.

Je strikter der Nichtraucherschutz, desto größer auch der positive Effekt auf die Gesundheit, betonte Prof. Dr. Susanne Schwalen von der Ärztekammer. Rund ein Viertel der Bevölkerung sei Passivrauch ausgesetzt, 700 Menschen stürben daran jährlich allein in NRW. "Rauchen ist gefährlich, Passivrauchen ist gefährlich", sagte auch Klaus Hübenthal von der Dehoga NRW. Deshalb gebe es das aktuelle Gesetz samt Frieden zwischen Rauchern und Nichtrauchern.

"Insgesamt müssen wir feststellen, dass Deutschland nicht gerade ein Vorreiter bei der Tabakkontrollpolitik ist", konstatierte Dr. Katja Bromen von der Europäischen Kommission. Probleme gebe es vor allem in Ländern mit vielen Ausnahmen. Bei umfassendem Nichtraucherschutz hingegen sei die Akzeptanz für die Regelung meist groß.

Wahlfreiheit & Akzeptanz

"Warum sollten wir den mündigen Wahlbürger entmündigen?", fragte Günther Guder vom Bundesverband des deutschen Getränkefachgroßhandels. Raucher dürften auch mit dem neuen Gesetz weiter rauchen, aber eben vor der Tür, entgegnete Dr. Pötschke-Langer. Hingegen hätte ein Nichtraucher aktuell keine Wahl - 80 Prozent der Kneipen seien verqualmt. Doch, er habe eine Wahl, entgegnete Jürgen Witt vom Verband rheinisch-westfälischer Brauereien: "Er kann vorbeigehen."

Unverständnis auch vom Vertreter der mittelständischen Tabakwirtschaft, Marc Benden: Es gebe Zigarrenlounges, in denen die Menschen mit dem neuen Gesetz entweder nicht rauchen oder nicht trinken dürften. Aber welcher Nichtraucher solle hier überhaupt geschützt werden, fragte Benden. Zudem sähen die Bürger keinen Grund für ein absolutes Rauchverbot, betonte Bodo Meinsen vom Verein "Bürger für Freiheit und Toleranz". Dem hielt Dr. Pötschke-Langer entgegen: Quer durch alle Wählerschichten gebe es eine breite Zustimmung zum Rauchverbot in der Gastronomie.

Wirtschaftliche Existenz

"Kneipenbesitzer sind keine Millionäre", warnte Hübenthal. Mit dem neuen Gesetz drohe 20 Prozent der Kneipen und etwa fünf Prozent der sonstigen Gastronomie das Aus. Witt forderte: Kneipen und Wirte, die einen Raucherraum einrichten könnten, sollten weiter die Wahlfreiheit haben. Die Kollateralschäden bei einem absoluten Rauchverbot seien groß, befürchtete auch Heike Maria Lau vom Tabakproduzenten JTI.

Anders Dr. Bromen: "Unter dem Strich sehen wir hier keinen Nachteil." Zudem sei nicht ein Rauchverbot, sondern der Strukturwandel im Gastgewerbe Ursache für das Kneipensterben, betonte das Krebsforschungszentrum. Stefan Bohne vom Kölner Verband Klubkomm begrüßte gar den schärferen Nichtraucherschutz: Klare Regeln verhinderten Wettbewerbsverzerrungen. Allerdings fühlten sich die Gastronomen bei der Umsetzung bislang alleine gelassen: Mehr Raucher vor der Türe bedeuteten mehr Lärm, Müll und "Wildpinkeln", zählte Bohne auf.

Kinderspielplätze

Auch Dr. Keller von den kommunalen Spitzenverbänden befürchtet mit dem vorgelegten Entwurf neue Probleme: die Kontrolle des Rauchverbots auf Spielplätzen sowie im öffentlichen Nahverkehr. "Das werden wir von den Ressourcen her schlicht und einfach nicht schaffen."

Gleichzeitig bedeute das Rauchverbot zwischen Schaukel und Rutsche einen Paradigmenwechsel: Der Nichtraucherschutz weite sich über geschlossene Räume hinaus aus. Dies habe jedoch eher etwas mit Prävention als mit Passivrauchen zu tun, so Dr. Keller. "Ich würde dafür plädieren, dass wir diesen Schritt nicht gehen." Dem widersprach Dr. Pötschke-Langer: Schon Hinweisschilder auf Spielplätzen ohne zusätzlich Kontrolle brächten eine ganze Menge.

Brauchtumsveranstaltungen

Auch bei Prunksitzungen und Co. sei insbesondere der Nichtraucherschutz von Kindern wichtig, betonte Marlies Herterich vom Kinderschutzbund: Die Tanzauftritte in verqualmten Räumen seien echte "Lungenreißer". Der Gesetzentwurf belaste die Vereine allerdings übermäßig, warnte Klaus Stallmann vom Westfälischen Schützenbund 1861. Außerdem drohe ein Stück Kultur und Geselligkeit verloren zu gehen. Auch Rolf Peter Hohn vom Bund deutscher Karneval sagte: "Wir befürchten schon, dass es einen Besucherschwund geben wird." Die Sorge sei grundlos, meinte hingegen Dr. Pötschke-Langer: Das Oktoberfest funktioniere doch weiterhin "fantastisch" - auch ohne Qualm.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 43. Jahrgang, 07.11.2012, S. 12
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2012