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NORDRHEIN-WESTFALEN/1980: Kommunalwahlrecht auf dem Prüfstand (Li)


Landtag intern 2/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Kommunalwahlrecht auf dem Prüfstand
Fachleute beraten über Anträge aller Fraktionen
Ausschussbericht

Von Christoph Weißkirchen



1. Februar 2013 - Die kommunale Demokratie war Thema einer Anhörung des Ausschusses für Kommunalpolitik (Vorsitz Christian Dahm, SPD). Im Mittelpunkt standen verschiedene Aspekte des Kommunalwahlrechts. Bei aller Unterschiedlichkeit lag dabei letztendlich die Frage zugrunde, wie die Mitwirkung und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden können.


So schlagen die PIRATEN in einem Gesetzentwurf vor, dass zukünftig bei einer Wiederholungswahl, die später als sechs Monate nach der ursprünglichen Wahl stattfindet, auch neue Kandidatinnen und Kandidaten zugelassen werden sollten. SPD und GRÜNE beabsichtigen ebenfalls in einem Gesetzentwurf, die mit der Kommunalrechtsreform 2007 eingeführte Trennung der Wahl von kommunalen Räten einerseits und Bürgermeisterinnen bzw. Bürgermeistern andererseits wieder rückgängig zu machen.

In einem Änderungsantrag empfiehlt die CDU, diese Wahlen ab dem Jahr 2020 zusammenzulegen; die Amtszeiten von Räten, Kreistagen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Landrätinnen und Landräten sollen dauerhaft auf sechs Jahre verlängert werden. Außerdem möchte sie zur Steigerung der Handlungsfähigkeit kommunaler Parlamente eine Hürde von drei Prozent einführen. Die FDP dagegen spricht sich in einem Entschließungsantrag dafür aus, die bestehenden getrennten Wahlen beizubehalten und die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten auf acht Jahre zu verlängern.

Reaktion der Sachverständigen

Die angestrebte Zusammenlegung der Wahlen traf bei vielen Sachverständigen auf Zustimmung. Damit könnten die Wahlbeteiligung gesteigert und die Kosten gesenkt werden, betonten Dr. Helmut Fogt (Städtetag Nordrhein-Westfalen), Hans-Gerd von Lennep (Städte- und Gemeindebund) und Dr. Marco Kuhn (Landkreistag).

Ablehnend äußerte sich dagegen Jochen Dürrmann (Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker). Im Mittelpunkt der Kommunalwahlen solle seiner Meinung nach die ehrenamtliche Arbeit der Räte stehen und nicht mögliche "Showkämpfe" einer Bürgermeisterwahl. Auch die Stellungnahmen zweier Bürgermeister zu diesem Punkt waren unterschiedlich: Dr. Wolfgang Honsdorf (Bad Salzuflen) hob die Verantwortungsgemeinschaft von Rat und Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister als tragendes Prinzip der kommunalen Demokratie hervor. Dies werde durch die Zusammenlegung der Wahlen gestärkt. Werner Becker-Bloningen (Wiehl) verwies hingegen darauf, dass in Nordrhein-Westfalen auf kommunaler Ebene Entscheidungs- und Umsetzungsbefugnis lange Zeit getrennt gewesen seien.

Von einer "Konkurrenzdemokratie" sprach Prof. Dr. Emanuel Richter (RWTH Aachen) mit Blick auf das Verhältnis von Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister und Räten. Die Argumente Effizienzsteigerung, Kostenminimierung und Stärkung der kommunalen Demokratie standen dagegen für seinen Kollegen von der Uni Würzburg, Prof. Dr. Kyrill Schwarz, im Vordergrund.

Übergangsregelungen

Besonderes Augenmerk legten die Sachverständigen auf die im rot-grünen Gesetzentwurf vorgesehenen Übergangsregelungen. Diese sehen vor, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, deren Amtszeit zwischen dem Beginn der neuen Kommunalwahlperiode 2014 und dem 20. Oktober 2015 endet, das Recht auf vorzeitige Amtsniederlegung haben sollen. Der Städtetag sah hier verfassungsrechtliche wie auch beamtenrechtliche Risiken, zum Beispiel hinsichtlich des Gebots der Gleichbehandlung. Der Landkreistag verwies darauf, dass dies eine nachträgliche Veränderung einer vom Wahlvolk erteilten Ermächtigung darstellen könne. Für vertretbar hielt die vorgeschlagenen Übergangsregelungen dagegen der Städte- und Gemeindebund. Den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern werde ein eigenes Entscheidungsrecht eingeräumt, und mit einem Rücktritt werde die Entscheidungsmacht außerdem in die Hand des Wahlvolks zurückgegeben. Das Kommunalwahlrecht sei kein Instrument zur Lösung dienstrechtlicher Probleme, sprach sich auch Bernhard Daldrup (Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik, SGK) für die Synchronisation der Wahlzeiten aus. Diese stärke die Verantwortungsgemeinschaft von Räten und Bürgermeisterinnen bzw. Bürgermeistern, wie auch Volker Wilke (Grüne/Alternative in den Räten NRW) betonte.

Sperrklausel

Die von der CDU vorgeschlagene Einführung einer Drei-Prozent-Hürde werteten insbesondere Landkreistag, Städte- und Gemeindebund und SGK angesichts der bestehenden Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs als nicht durchführbar. Prof. Richter hielt demgegenüber eine Sperrklausel auf niedrigerem Niveau, zum Beispiel von 2,5 Prozent, für denkbar. Prof. Schwarz meinte, dass man erst die Gefahr einer Funktionsstörung kommunaler Parlamente nachweisen müsse, bevor man eine solche Sperrklausel einführen könne.

Wiederholungswahl

Den Vorschlag der PIRATEN, bei einer Wiederholungswahl, die später als sechs Monate nach der Hauptwahl stattfinde, neue Kandidaten zuzulassen, griff insbesondere Rechtsanwalt Stan Pieczka (Dortmund) auf. Immerhin gehe es bei einer Wahl um die Ausübung der staatlichen Gewalt durch das Volk. Dieses Recht müsse gewährleistet werden. Nach einer Frist von sechs Monaten zähle dies mehr als das Argument des "Bestandsschutzes" der Ausgangssituation bei der vorausgegangenen Wahl.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 44. Jahrgang, 27.2.2013, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2013