Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/2017: Bessere Bürgerbeteiligung (Li)


Landtag intern 6/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Bessere Bürgerbeteiligung
Zukunftsforum wirft Fragen auf: "Darf der Staatsbeamte twittern?"
Plenarbericht

Von Christoph Weißkirchen



17. Mai 2013 - Mit den neuen Möglichkeiten zu Information und Beteiligung beschäftigte sich ein Zukunftsforum von Landtag und Landesregierung. Dabei ging es um die Nutzung neuer technischer Möglichkeiten, vor allem aber um ein Umdenken und einen Kulturwandel hinsichtlich der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger.


"Wie weit sind wir bereit, sie in die Vorgänge staatlichen und parlamentarischen Handelns nicht nur Einblick nehmen zu lassen, sondern sie einzubinden, um Teil der Verwaltung, Organisation und Willensbildung des Landes zu sein?", diese Frage stellte Parlamentspräsidentin Carina Gödecke mit Blick auf die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Sie betonte deren Wunsch nach mehr Einbeziehung in die Verwaltung des Staates. Daher setze auch der Landtag NRW über sein vielfältiges Informationsangebot in gedruckter und digitaler Form auf transparentes Parlamentshandeln. Gödecke hob aber auch hervor, dass nie alle Menschen dieselbe digitale Kompetenz besitzen würden. Digitale Bürgerbeteiligung sei ein zusätzliches Element der Transparenz und Mitwirkung, könne aber die repräsentative Demokratie und die Formen demokratischer Entscheidung und Kontrolle nicht ersetzen.

Im Plenarsaal des Landtags, der "Herzkammer der Demokratie", trat auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft für mehr Beteiligung und Transparenz ein. Vor diesem Hintergrund sah Kraft die bewährten demokratischen Entscheidungsverfahren des 21. Jahrhunderts nicht als der Weisheit letzten Schluss. So wertete Kraft ergänzende Online-Dialoge als gute Sensoren für die Belange der Bürgerinnen und Bürger. Notwendig sei jetzt eine nachhaltige Open-Government-Strategie; diese werde von einer Projektgruppe "opennrw" erarbeitet. Die Eckpunkte seien bereits im Internet nachzulesen, um frühzeitig eine breite Diskussion zu ermöglichen. Kraft strebt eine aktive Beteiligung aller Interessierten und einen Dialog auf Augenhöhe an. Auch die Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern mit der Verwaltung müsse offener und transparenter werden.

Innenminister Ralf Jäger betonte, die Bürgerinnen und Bürger wollten politische Entscheidungen begreifen und mitgestalten. Wichtig sei, die Informationen so aufzubereiten, dass die Menschen sie verstehen und bewerten könnten. Franz-Josef Lersch-Mense, Leiter der Staatskanzlei, regte eine verstärkte Nutzung von Online-Konsultationen an. Ein Transparenzgesetz solle diese neue Verwaltungskultur sicherstellen.


Informationsfreiheit

Prof. Dr. Jörn von Lucke (Zeppelin Universität Friedrichshafen) verwies auf vorhandene "Datenschätze", die zugänglich gemacht werden müssten, auch um neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen und Arbeitsplätze zu schaffen. Die notwendige Daten- und Informationsfreiheit bedeute jedenfalls eine Abkehr von heutigen Verfahrensabläufen. Die Bürgerinnen und Bürger stünden vor der Herausforderung, sich mit den Themen auch auseinanderzusetzen. Für Menschen, die das Internet nicht nutzten, könnten Beratungsstellen oder Call Center sinnvoll sein, die dann die Meinungsäußerungen digital aufnehmen könnten.

"Open Data" bedeute die Bereitstellung von Daten, die von Behörden erhoben würden, erläuterte Stefan Gehrke (Verein Open Data Network). So könnten Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen teilhaben. Die Grenzen der Offenheit lägen dabei bei personenbezogenen Daten und vertraulichen Informationen, ergänzte Geraldine de Bastion (Projektmanagerin, Newthinking Communications). So müsse auch nicht jede interne E-Mail der Verwaltung veröffentlicht werden. Allerdings falle Deutschland bei dem ganzen Themenkomplex international gesehen durch eine Blockadehaltung auf.

Neue Kommunikationsformen eröffneten auch Möglichkeiten eines besseren Austauschs innerhalb der Verwaltung, so Gehrke. "Darf der Staatsbeamte twittern?", verwies er allerdings auch auf Grenzen, die sich aus heutigen Verwaltungshierarchien im Hinblick auf soziale Medien ergäben. Verstärkte Bürgerbeteiligung sei in jedem Fall eine Chance gegen Politikverdrossenheit, wandte sich Stefan Gehrke an die Abgeordneten.

Obwohl bereits heute fast alle Ausschusssitzungen und viele Beratungsunterlagen öffentlich zugänglich seien, forderten die Landtagsabgeordneten Alexander Vogt (SPD), Thorsten Schick (CDU), Matthi Bolte (GRÜNE), Dirk Wedel (FDP) und Frank Herrmann (PIRATEN) mehr Offenheit im Parlamentsbetrieb, vor allem bei der Beratung von Gesetzesvorhaben. Bürgerinnen und Bürger bei politischen Vorhaben mitzunehmen, gehöre zu den Aufgaben eines Parlaments, betonten die Volksvertreter. Die heutige Holschuld mit Blick auf politische Informationen müsse in eine Bringschuld umgewandelt werden. Allerdings dürfe eine solche Offenheit nicht mit dem Grundrechts- und Datenschutz kollidieren. Daher sei über Chancen und Grenzen der neuen Möglichkeiten zu diskutieren.

*

Quelle:
Landtag intern 6 - 44. Jahrgang, 26.6.2013, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -23 04, -21 07, -23 09,
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2013