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NORDRHEIN-WESTFALEN/2068: Keine Macht den Masern (Li)


Landtag intern 1/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Keine Macht den Masern
Ein paar Prozent fehlen noch bis zur Herdenimmunität
Plenarbericht

Von Sonja Wand



19. Dezember 2013 - Der Landtag diskutiert über die Notwendigkeit von Masernimpfungen. Grundlage hierfür ist ein Antrag der FDP-Fraktion, worin sie die Landesregierung auffordert, ein aufsuchendes Impfangebot bereitzustellen und dies mit einer Informationskampagne zu kombinieren. Dazu sollen Rahmenbedingungen mit den Krankenkassen geschaffen werden. Es gab breite Zustimmung zum Ziel, aber unterschiedliche Einschätzungen zur Wirkung des Impfmobils.


Viele Menschen hätten die Gefahr einer Maserninfektion, an der alle Ungeschützten erkranken könnten, nicht mehr vor Augen, meinte Susanne Schneider (FDP). Das Risiko einer Impfung sei hundertfach kleiner als das einer Infektion. "Masern sind keine harmlose Krankheit", betonte sie. In zehn Prozent der Erkrankungen träten Begleiterscheinungen auf, manchmal sogar Hirnentzündungen oder spätere tödliche Folgeschäden. "Wir können in den Arztpraxen warten, bis die Bürger kommen, um sich impfen zu lassen", sagte die Abgeordnete. Für besser hielte sie es aber, die Menschen selbst aufzusuchen, beispielsweise mit einem Impfmobil, das die Gesundheitsministerin ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Masernneuinfektionen abgeschafft habe.

Der Abgeordnete und Kinderarzt Dr. Roland Adelmann (SPD) dankte der FDP für den Antrag, denn jeder Diskussionsbeitrag führe den Menschen das Thema vor Augen, informiere und rege zum Handeln an. Auch er unterstrich, dass Masern eine schreckliche Erkrankung seien, dass sie Nervenzellen erheblich schädigen und auch nach Jahren noch töten könnten. Wenn bald 95 Prozent aller Menschen geimpft seien, schütze das auch Säuglinge, alte und schwache Menschen, die man nicht impfen könne. Der Antrag greife allerdings Punkte auf, die die Regierung ohnehin schon angehe, erklärte der Sozialdemokrat. Das Impfmobil hingegen bezeichnete Adelmann als reine Geldverschwendung. Rot-Grün wolle dieses Geld lieber für effektivere Maßnahmen einsetzen.

"Allein von 2012 bis 2013 hat sich in der Bundesrepublik die Anzahl der Masernfälle verzehnfacht", zeigte sich Walter Kern (CDU) alarmiert. Er beklagte eine immer größere Impflücke, gerade bei Kleinkindern. Dabei steige mit dem Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder und von Ganztagsschulen die Wichtigkeit der Impfung - fürs Kind persönlich und darüber hinaus aus gesellschaftlicher Verantwortung, um niemanden anzustecken. Es gelte, auch die Erwachsenenimpfung noch einmal ins Bewusstsein zu rücken sowie Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und in schwierigen sozialen Lagen zu erreichen. "Das Ziel für uns alle heißt: Masernerkrankungen verhindern, Aufklärung und Impfschutz für alle Generationen verbessern!", so Kern.

Zum Zeitpunkt der Einschulung seien 94,1 Prozent der Kinder gegen Masern geimpft, erklärte Arif Ünal (GRÜNE). NRW liege damit auch über der Quote der anderen Bundesländer. Impflücken gebe es vor allem bei den nach 1970 Geborenen, was darauf zurückzuführen sei, dass damals eine einzige Impfung als ausreichend empfohlen worden sei. Das Impfmobil sei wegen mangelnder Nachfrage abgeschafft worden, so Ünal. Nachhaltig die Durchimpfungsrate erhöhen könnten Einzelmaßnahmen ohnehin nicht. Eine wesentliche Bedeutung komme den Ärztinnen und Ärzten zu. Auch der NRW-Impftag rücke das Thema alle anderthalb Jahre in den Fokus. In den weiteren Ausschussberatungen werde man gemeinsam diskutieren, welche Maßnahmen außerdem sinnvoll seien.

Seine Fraktion stehe dem Antrag sehr aufgeschlossen gegenüber, erklärte Olaf Wegner (PIRATEN). Ausgehend von den im Antrag genannten Zahlen rechnete er vor, dass alle 35 bis 70 Jahre ein Mensch an den Folgen einer Masernerkrankung sterbe. Daher sehe er "eine solche Dramatik in diesem Fall nicht" - auch wenn zweifellos jeder vermeidbare Tod eines Menschen einer zu viel sei. Wichtig sei aber, sich um die Hauptgefährdungsgruppe, nämlich die 10- bis 19-Jährigen zu kümmern, erklärte der Abgeordnete. 3,6 Prozent gingen zwischen der Erst- und Zweitimpfung "verloren". Da es regionale Unterschiede in der Durchimpfungsrate gebe, hielt Wegner es für sinnvoll, das Impfmobil in bestimmten Regionen zielgenau einzusetzen.

"Es ist unumstritten, dass Masern zu den ansteckendsten humanen Infektionskrankheiten gehören", sagte auch Gesundheitsministerin Barbara Steffens (GRÜNE). Die Landesregierung strebe aber eine wirklich selbstbestimmte Impfentscheidung der Menschen an, keine Pflicht. "Wir wollen die Menschen aufklären", fügte sie hinzu. Die Ziele seien eine hohe Informationsdichte und eine positive Impfentscheidung. Umfassend vorbereitet werde eine Jugendinformationskampagne, um auch Heranwachsende mit Migrationshintergrund und aus unterschiedlichen sozialen Lagen zu erreichen. "Wir setzen hier nicht auf 'schnell mal eben'", betonte Steffens. Beim Impfmobil aber stünden Aufwand und Wirkung in keinem Verhältnis, erklärte sie.


ÜBERWEISUNG
Der Landtag hat den Antrag (Drs. 16/4583) einstimmig an den Gesundheitsausschuss zur weiteren Fachberatung überwiesen.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 45. Jahrgang, 29.1.2014, S. 6
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2014