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NORDRHEIN-WESTFALEN/2095: Landtag schlägt Alarm - Hebammenversorgung gefährdet (Li)


Landtag intern 4/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Nicht in trockenen Tüchern
Landtag schlägt Alarm: Hebammenversorgung gefährdet

Von Sonja Wand



26. März 2014 - Die Debatte um die Zukunft der Hebammenversorgung und die damit verbundene eventuell gefährdete Wahlfreiheit beim Geburtsort hat in interfraktioneller Einigkeit den Landtag beschäftigt. Grundlage der Debatte waren je separate Anträge, in denen die Fraktion der PIRATEN, die Fraktion der FDP und gemeinsam die Fraktionen von SPD und GRÜNEN sowohl Landes- als auch Bundesregierung dazu aufrufen, sich dringend um das Problem zu kümmern: Vor dem Hintergrund explodierender Haftpflichtversicherungsbeiträge geben immer mehr freiberufliche Hebammen ihren Job und kleinere Kliniken ihre Geburtsstationen auf. Ab Sommer kommenden Jahres könnte möglicherweise keine Versicherung mehr bereit sein, freiberufliche Hebammen zu versichern. Die CDU sieht in einem Entschließungsantrag Lösungsbemühungen des Bundesgesundheitsministers auf einem guten Weg.


Olaf Wegner (PIRATEN) erinnerte an eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2010. Demnach hätten Frauen das Recht auf eine Hausgeburt, und dieses Recht dürfe nicht eingeschränkt werden. Die Schadensersatzforderungen gegenüber Hebammen beziehungsweise deren Haftpflichtversicherern würden allerdings immer höher. Das lasse die Versicherungsbeiträge derart in die Höhe schnellen, dass inzwischen nicht nur freiberufliche, sondern auch festangestellte Hebammen in kleinen Kliniken aufgeben müssten, weil sie beziehungsweise die Krankenhäuser die Prämien nicht mehr bezahlen könnten.

"Die Situation spitzt sich zu", bestätigte Gerda Kieninger (SPD). In Teilen NRWs habe die Hälfte der Hebammen ihren Job aufgegeben. Die Lage komme einem Berufsverbot gleich. Es gelte daher, alle im Raum stehenden Haftungsmodelle zu prüfen. Es gehe um keine kleine Randgruppe freiberuflicher Hebammen, sondern um die Geburtshilfe insgesamt und damit um 100 Prozent der Geburten. Der Anspruch auf Vor- und Nachsorge sowie auf Geburtsbegleitung durch eine Hebamme sei im Sozialgesetzbuch festgeschrieben. Die Bundesregierung müsse den gesetzlich verankerten Ansprüchen gerecht werden.

Mögliche mittelfristige, wenn auch nicht perfekte Lösungen sprach Martina Maaßen (GRÜNE) an: erstens eine Haftungsobergrenze für die Versicherungen, gekoppelt mit einem Haftungsfonds, der einspringe, wenn Ansprüche oberhalb dieser Grenze zu bedienen seien; zweitens eine Beschränkung der Regressansprüche. Darüber hinaus müssten die Krankenkassen Hebammen so entlohnen, dass sie die Versicherung zahlen könnten. Zudem müssten private Versicherungen eine Haftpflichtversicherung für Hebammen anbieten - hier müsse der Gesundheitsminister seinen Einfluss geltend machen.

Verjährungsfrist

30 Jahre lang könnten Hebammen für mögliche Fehler zur Verantwortung gezogen werden - davon "müssen wir weg", forderte Susanne Schneider (FDP). Beispielsweise könnte ärztlicherseits bei der Vorsorgeuntersuchung U8, wenn das Kind vier Jahre alt sei, festgestellt werden, dass eventuelle Erkrankungen nicht mehr auf Geburtsfehler zurückzuführen seien. Gelinge es, eine Haftungsobergrenze festzulegen, seien sicher auch mehrere Versicherer bereit, Hebammen zu vernünftigen Konditionen zu versichern, zeigte sie sich zuversichtlich. Bei Ansprüchen oberhalb der Haftungsgrenze müsse dann ein Fonds greifen.

Den Anträgen könne er sich anschließen, erklärte Peter Preuß (CDU). Falls es keine Lösung gebe, sei zu befürchten, dass es ab Sommer 2015 keine Versicherung mehr für freiberufliche Hebammen gebe. Eine Fondslösung bedeute allerdings nicht automatisch, dass die Versicherungsprämien sänken, gab Preuss zu bedenken. Auch könne es sein, dass ein Haftungsfonds Begehrlichkeiten anderer Berufsgruppen wecke. Eine Lösung dürfe nicht dazu führen, dass der Versicherer sich seiner Haftungspflicht entziehen könne. Trotzdem zeigte sich Preuss zuversichtlich hinsichtlich einer schnellen Lösung.

Frauenministerin Barbara Steffens (GRÜNE) warb dafür, beide Seiten im Blick zu behalten. So müsse dringend eine Lösung für die Hebammen her - fatal wäre es aber auch, die Leistungen bei den Geschädigten zu kappen, warnte sie. Zwar habe man mit den Ländern um den besten Weg gerungen, es gelte aber, die vorliegenden Modelle gut gegeneinander abzuwägen: ein möglicher Staatsfonds, ein Regressverzicht seitens der Sozialversicherungsträger, eine Senkung der Versicherungssteuer sowie eine Einbeziehung der Beleghebammen in die Haftpflichtversicherung der Krankenhäuser.


ABSTIMMUNG
In direkter Abstimmung gab es für den Antrag der PIRATEN (Drs. 16/5229) keine Mehrheit, für den Antrag von SPD und GRÜNEN (Drs. 16/5285) hingegen schon. Der Entschließungsantrag der CDU (Drs. 16/5406) wurde abgelehnt. Über den Antrag der FDP (Drs. 16/5228) soll der Gesundheitsausschuss weiter beraten. Mitberatend tätig wird der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 45. Jahrgang, 9.4.2014, S. 4
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2014