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NORDRHEIN-WESTFALEN/2106: Gesetzentwurf für neuen Strafvollzug (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Das Leben nach dem Knast
Regierung bringt Gesetzentwurf für neuen Strafvollzug ein

Von Daniela Braun



9. April 2014 - Das Justizministerium hat dem Landtag einen Gesetzentwurf für den Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Als oberstes Ziel beschreibt die Regierung darin, Gefangene für die Zeit nach dem Gefängnis zu einem Leben ohne Straftaten zu befähigen. Dies sei der beste Opferschutz, betonten die regierungstragenden Fraktionen bei der ersten Lesung im Plenum. Luft nach oben machten hingegen die Oppositionsfraktionen aus. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 dürfen die Länder den Strafvollzug eigenständig regeln. Mit der Vorlage des Gesetzentwurfs will die NRW-Landesregierung nun von diesem Recht Gebrauch machen.


Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) unterstrich den aktivierenden Charakter des angestrebten Strafvollzugs für NRW. Es gehe darum, die Gefangenen stetig zur Mitarbeit zu motivieren - Basis für eine erfolgreiche Resozialisierung. Schließlich habe die Justiz kein Interesse an einer langfristigen Kundenbindung, betonte der Minister. Vorwürfe, bei den Regierungsplänen handele es sich um einen "Kuschelvollzug", wies Kutschaty zurück. Zudem betonte er die große Bedeutung des Opferschutzes: "Opfer von Straftaten müssen eigene Rechte haben." So räume der Gesetzentwurf ihnen etwa das Recht ein, sich über Freigänge und die Entlassung des Täters zu informieren.

Dies sei das wichtigste Verfahren in der NRW-Rechtspolitik, ordnete Sven Wolf (SPD) den angestoßenen Gesetzgebungsprozess ein. Die Regierung entwickle darin ihre im Sommer 2012 aufgestellten Leitlinien zum Strafvollzug konsequent weiter. Eine aktivierende Gefängnisarbeit fordere die Inhaftierten und strenge sie an, machte der Abgeordnete deutlich und unterstrich: "Ganz am Anfang steht die Diagnostik." Nur so sei es möglich, einen sinnvollen Vollzugsplan samt Therapie aufzustellen. Besonders lobend hob Wolf den Opferbezug des Gesetzentwurfs hevor. Der neue Strafvollzug werde aber auch zusätzliche personelle und finanzielle Herausforderungen mit sich bringen.

Kritik für den aus Sicht der CDU lückenhaften und verspäteten Gesetzentwurf gab es von deren Sprecher Jens Kamieth. Bereits im vergangenen Jahr habe seine Fraktion einen Vorschlag für den Strafvollzug gemacht. Auch inhaltlich sei das rot-grüne Gesetzesvorhaben kein großer Wurf. Kamieth warf der Landesregierung vor, vieles von der CDU-Vorlage sowie von Ländern mit eigenem Strafvollzug abgekupfert zu haben. "Opferschutz vor Täterschutz" sei seit jeher der Grundsatz seiner Fraktion. Im Regierungsentwurf wiege die Wiedereingliederung gegenüber dem Opferschutz jedoch zu schwer. Zudem lasse Rot-Grün die Beschäftigten im Umgang mit Verstößen seitens der Inhaftierten im Regen stehen.


Aktivierende Täterarbeit

"Aktivierende Täterarbeit ist der beste Opferschutz für morgen", hielt Dagmar Hanses (GRÜNE) ihrem Vorredner entgegen. Insgesamt bezeichnete die Abgeordnete den Entwurf der Regierung als zeitgemäß, auch hinsichtlich der darin beschriebenen Disziplinarmaßnahmen. Anders als der CDU-Vorstoß aus dem vergangenen Jahr gebe er eine klare Richtung vor: "Das Ziel muss selbstverständlich die Resozialisierung und ein Leben ohne Straftaten sein", unterstrich die GRÜNEN-Abgeordnete den Grundtenor. Zudem berücksichtige der Gesetzentwurf die unterschiedlichen Lebenslagen der Gefangenen, wie etwa die sexuelle Orientierung, einen möglichen Migrationshintergrund oder auch eine Behinderung.

"In der Tat enthält der Gesetzentwurf manche durchaus positiven Ansätze", meinte Dirk Wedel (FDP). Doch werfe er auch einige Fragen auf. So befürchtete der FDP-Sprecher unter anderem, dass die Kapazität der einzelnen Anstalten zukünftig darüber bestimme, wie der Vollzug vor Ort aussehe: "Sie passen die Rechtslage der tatsächlichen Lage an." Damit gebe die Regierung ihren Gestaltungsanspruch zum Teil auf. Die Besuchszeiten für Kinder inhaftierter Eltern sollten laut Entwurf zwar um zwei Stunden pro Monat steigen. Ansonsten bleibe Rot-Grün in dem Punkt aber weit hinter ihren Ankündigungen zurück, kritisierte Wedel. Insgesamt gebe es noch reichlich Klärungsbedarf.

Auch Dietmar Schulz (PIRATEN) kam zu dem Schluss, dass die Landesregierung an der einen oder anderen Stelle - etwa beim offenen Vollzug - noch etwas nachjustieren müsse. Lobend hob er den aktivierenden Ansatz sowie den Opferschutzgedanken hervor, schloss hier aber auch mit Kritik bei den geplanten Auskunftsrechten an: "Denn Datenschutz und auch Persönlichkeitsschutz enden nicht im Strafvollzug und ganz sicherlich nicht nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe." Zudem wies Schulz darauf hin, dass die für die Sozialtherapie veranschlagten 63 zusätzlichen Personalstellen derzeit noch nicht im Landeshaushalt auftauchten. Da müsse man finanziell wohl noch nachlegen.


WEITERE BERATUNG
Der Gesetzentwurf (Drs. 16/5413) wird federführend vom Rechtsausschuss weiter behandelt.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 6
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2014