Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/2108: Was kann Cannabis? (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Was kann Cannabis?
Krank machen? Chancen verbauen? Legalisiert werden?

Von Sonja Wand



10. April 2014 - Der unbeschränkte Genuss von Cannabis ist verboten, der von Tabak und Alkohol nicht. Das findet die PIRATEN-Fraktion aus gesundheitlicher Sicht unverhältnismäßig und fordert in einem Antrag die Legalisierung des Rauschmittels. Die anderen Fraktionen warnen vor Cannabis als Einstiegsdroge und lehnen die Forderung ab.


Cannabis sei weit weniger sucht- und gesundheitsgefährdend als Alkohol und Tabak, erklärte Lukas Lamla (PIRATEN). Er forderte das Ende einer gescheiterten Straf- und Verbotspolitik, die die Jugend kaum schütze, Gerichte überlaste und Steuergelder verschwende. Anstelle einer wissenschaftlich nicht haltbaren Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Stoffen forderte der Abgeordnete eine objektive Bewertung aller psychoaktiven Substanzen anhand ihres Gefährdungspotenzials. Eine bisherige Kriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten sei zu beenden, der damit verbundene Schwarzhandel durch kontrollierte Erwerbsstrukturen zu ersetzen.

"Cannabis ist nach wie vor Einstiegsdroge und löst neben psychischer Abhängigkeit auch physische Schäden aus", verwies Marion Warden (SPD) auf das kürzlich im Ausschuss beratene erste Monitoring der Sucht- und Drogenhilfe NRW. Es gebe keine Entwarnung. Je jünger jemand beim Einstieg in Rauschmittel sei, desto schneller begännen Störungen. Deshalb werde ihre Fraktion dem Vorschlag einer Legalisierung von Cannabis nicht zustimmen. Vielmehr gelte es, zielgruppenspezifische und niedrigschwellige Angebote zu stärken und das Landessuchtprogramm weiterzuentwickeln. Die Politik müsse sich mit den verschiedenen Aspekten, Ursachen und Auswirkungen von Suchtmitteln befassen.

Eine Freigabe von Cannabis legalisiere nicht nur den bisherigen Konsum, sondern schaffe auch eine neue Nachfrage, begründete Christian Möbius (CDU) seine Ablehnung. In Ausnahmefällen, etwa bei starken Schmerzen, sei Cannabiskonsum unter ärztlicher Aufsicht zwar sinnvoll, aber gerade jüngere Menschen müssten von dem Rauschmittel ferngehalten werden. Schließlich seien Nebenwirkungen des Stoffs, dass sich Konsumierende den Anforderungen immer weniger gewachsen und verpflichtet fühlten und dem Alltag immer gleichgültiger gegenüberstünden. Möbius warnte auch vor einer im Antrag geforderten Anhebung der Eigenbedarfsgrenze von 10 auf 30 Gramm Cannabis.


Entkriminalisierung

Die NRW-Drogenpolitik konzentriere sich keineswegs nur auf Verbote und Strafverfolgung, stellte Arif Ünal (GRÜNE) klar. Oberste Ziele seien Prävention, Hilfe und Entkriminalisierung. Gerade letzteres hielt Ünal in Bezug auf Cannabis für wichtig. Trotz gegenteiliger Anweisung durch das Bundesverfassungsgericht vor 20 Jahren laufe eine Kriminalisierung von Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten weiter, kritisierte er. Die Cannabis-Eigenbedarfsgrenze von 6 auf aktuell 10 Gramm erhöht habe übrigens die rot-grüne Landesregierung. Angesichts einer komplexen Problemlage bedürfe es in puncto Legalisierung von Cannabis aber einer differenzierten fachlichen Debatte.

"Vor 20 Jahren hätte ich den vorliegenden Antrag zumindest in Teilen unterstützt", erklärte Susanne Schneider (FDP). Heute aber schwanke der Wirkstoffgehalt von Cannabis stark und sei häufig wesentlich höher als damals. Vor diesem Hintergrund zeigte sie Sympathie für eine kontrollierte Abgabe des Stoffs. Der Antrag aber ziele auf eine Legalisierung von Cannabis mit Hinweis auf Gesundheitsaspekte. Tatsächlich träten hingegen - sogar teils ab dem ersten Joint - vermehrt Psychosen auf, die selbst Fachleute kaum von einer Schizophrenie unterscheiden könnten. Bei dauerhaftem Konsum drohten Schäden, die letztlich die Chancen auf Bildung beeinträchtigen könnten.

Auch Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) bezeichnete die Behauptung, die Regierung setze rein auf Verbote und Strafverfolgung, als schlichtweg falsch. Im Gegenteil sei sie mit ihrem Engagement - Prävention und Hilfe statt Strafverfolgung - bundesweit führend. Kutschaty bedauerte, dass im Antrag differenzierte Lösungsvorschläge ausgeschlossen würden und stattdessen die pauschale Legalisierung von Cannabis gefordert werde. Man könne nicht ignorieren, dass die Suchtmediziner vor einem erheblichen Gefahrenpotenzial des Stoffs gerade für junge Menschen warnten. Mehr Drogen-Angebot gegen deren Gefährlichkeit, das sei wie Schokoriegel gegen Übergewicht.


FACHBERATUNG Weiter beraten und über den Antrag (Drs. 16/5478) abstimmen soll der Gesundheits- und Sozialausschuss. Mitberatend tätig werden Innen-, Rechts- und Jugendausschuss. Sie geben jeweils ein Votum an den federführenden Ausschuss ab.

*

Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 8
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -23 04, -21 07, -23 09,
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2014