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NORDRHEIN-WESTFALEN/2114: Arbeit an der Pflege der Zukunft (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Arbeit an der Pflege der Zukunft
Anhörung: Viel Kritik an Verordnungsentwurf

Von Christian Wolf



7. Mai 2014 - Das Land NRW stellt sich auf eine erhebliche Zunahme an pflegebedürftigen Menschen ein. Die Zahl der momentan 550.000 Betroffenen soll bis zum Jahr 2050 auf mehr als 900.000 steigen. Höchste Zeit also, die Pflege zukunftssicher zu machen. Die Landesregierung hat dafür ein Alten- und Pflegegesetz auf den Weg gebracht. Der dazugehörige Entwurf für eine Verordnung (Vorlage 16/1795) zur Ausführung des Gesetzes wurde unter Fachleuten im zuständigen Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales diskutiert. Deren Botschaft: Der vorliegende Entwurf gefährde die Versorgungssicherheit.


Mit der Verordnung sollen die Finanzierung und Förderung stationärer, teilstationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen geregelt sowie das Verfahren des künftigen Landesausschusses Pflege und Alter festgelegt werden. Der dazugehörige Gesetzentwurf ist derzeit noch in der parlamentarischen Beratung und soll die Alten- und Pflegepolitik verbinden. Er will die Mindeststandards für Pflege und Wohnangebote reformieren, bedarfsorientierte ambulante Unterstützungsangebote regeln, die Fokussierung quartiersnaher Pflege-, Betreuungs- und Beratungsstruktur erreichen, pflegende Angehörige unterstützen sowie die Selbstbestimmung älterer und pflegebedürftiger Menschen stärken.

Eindringlich warnten die Vertreter der Freien Wohlfahrtspflege NRW davor, die Durchführungsverordnung in ihrer jetzigen Form Realität werden zu lassen. Durch restriktive Finanzierungsmodalitäten werde eine bedarfsgerechte Anpassung des heutigen Platzangebots an die Erfordernisse für die stationäre Pflege massiv behindert, hieß es. Anstatt dass es mehr Plätze in den stationären Einrichtungen gebe, wie dies angesichts des demografischen Wandels notwendig sei, müsse mit einem zurückgehenden Angebot gerechnet werden. Maßnahmen, die dazu dienen sollen, eine Einbettzimmer-Quote von 80 Prozent zu erreichen, hätten einen Platzabbau zur Folge. Ein weiterer Vorwurf: mehr Bürokratie. Nach Einschätzung der Freien Wohlfahrtspflege führt die Umsetzung der Verordnung zu einem erheblich höheren Verwaltungsaufwand. Verantwortlich dafür seien neue Formen der Datenaufbereitung und -darstellung sowie neue Nachweispflichten. Der Verband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen in NRW warnte, dass die zusätzlichen Kosten für die Bürokratie zu Umschichtungen führten, die am Ende die Betroffenen zahlten. Aus den Reihen der kommunalen Spitzenverbände wurde befürchtet, dass es in Zukunft zu höheren Investitionskosten bei Umbaumaßnahmen kommt. Dadurch würden Selbstzahler ihr einzusetzendes Vermögen schneller verbrauchen und somit frühzeitiger auf Pflegewohngeld und Sozialhilfe angewiesen sein. Am Ende führe dies zu einer weiteren Mehrbelastung der kommunalen Familie, hieß es.


Zu starre Grenzen

Kritik wurde auch an der Festlegung einer Obergrenze für die förderfähige Nettogrundfläche pro Heimbewohner auf 50 Quadratmeter laut. Der Sozialverband Deutschland erinnerte daran, dass sich aus der Landesbauordnung und der UN-Behindertenrechtskonvention die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung stationärer Pflegeeinrichtungen ergebe. Ob die räumlichen Voraussetzungen dafür mit der Verordnung geschaffen werden können, bleibe zweifelhaft, sagte Michael Spörke. Auch andere Sachverständige sprachen von zu starren Grenzen und verlangten mehr Spielraum.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste rechnete vor, dass in den kommenden Jahren 20.000 Pflegeplätze wegfallen könnten. Die Durchführungsverordnung sei daher "absolut nicht praktikabel", sagte Christof Beckmann. Private Einrichtungen seien auf Investoren angewiesen. Allerdings sei zu erwarten, dass sich diese aufgrund unattraktiver Ertragsmöglichkeiten, unzuverlässiger Rechtsgrundlagen und nicht mehr sicher planbarer Finanzierungen aus dem Pflegemarkt zurückzögen. Vor allem die neuen Regelungen zur Refinanzierung der Investitionskosten vollstationärer Pflegeeinrichtungen seien inakzeptabel und wirtschaftlich nicht tragfähig. Wirtschaftsprüfer Karl Nauen sagte: "Wir laufen Gefahr, dass wir die Träger vom Kapitalmarkt abkoppeln." Zudem müsse mit vermehrten Insolvenzen gerechnet werden. Ein weiteres Problem sei, dass der befürchtete Platzabbau auch zu einem Personalabbau führe.

Für die Landesseniorenvertretung NRW sagte Jürgen Jentsch: "Wir sehen die Verordnung als Schritt in die richtige Richtung." Es sei richtig, sich für neue Wohnmodelle zu öffnen. Allerdings sei eine intensive Kontrolle nötig, damit kleine Einrichtungen dieselben Qualitätsstandards erfüllten wie größere Einrichtungen. Thomas Paal vom Sozialdezernat der Stadt Münster sprach sich für eine stärkere Förderung neuer Einrichtungen wie Wohngemeinschaften aus - dazu gehörten auch finanzielle Impulse.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 18
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2014