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NORDRHEIN-WESTFALEN/2142: Überkonfessionelles Symposium im Landtag NRW (Li)


Landtag intern 7/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Denkanstöße im Spannungsfeld
Überkonfessionelles Symposium im Landtag NRW

Von Sonja Wand



16. Juni 2014 - Bekenntnisgrundschulen, kirchliches Arbeitsrecht, konfessionelle Kitas, Krankenhäuser und Pflegeheime, nicht zuletzt die Kirchensteuer - so ganz lassen sich Kirche und Staat nicht trennen. Um nicht nur in Hörsälen darüber zu sprechen, wollten die beiden christlichen Kirchen in NRW die Diskussionen in die Öffentlichkeit tragen. Dafür sei der Landtag genau der richtige Ort, meinte Landtagsvizepräsident Eckhard Uhlenberg (CDU). Schließlich sei er das Haus der Bürgerinnen und Bürger - und damit auch der über 12 Millionen Christinnen und Christen in NRW.


Dass das Symposium im Herzen der nordrheinwestfälischen Demokratie stattfinde, zeige, so Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, das gute Verhältnis von Kirche und Staat in NRW. Trotzdem gelte es, dieses Verhältnis immer wieder neu zu justieren.

Und so diskutierten rund 300 hochrangige Gäste aus Kirche, Politik, Wissenschaft, Verwaltung und Medien einen ganzen Tag lang verschiedenste Aspekte der Schnittstellen zwischen Kirche und Staat, konkret dem Land NRW.

Sechs Foren dienten dazu, dies mittels wissenschaftlicher Impulse und politischer Statements vertieft zu erörtern. In einem dieser Foren ging es ums Geld, zum Beispiel um die Kirchensteuer. Perspektivisch sahen hier die Diskutanten der Runde die europäische Gesetzgebung in der Pflicht. Ebenso ging es um staatliche Zuschüsse an die Kirchen. So gab es den Vorschlag, Staatsleistungen einzustellen und die Kirchen im Gegenzug eine Zeit lang steuerfrei zu stellen - wozu aber keine Steuer geeignet sei.

Forum 2 beschäftigte sich mit dem kirchlichen Arbeitsrecht: Muss der Chefarzt einer katholischen Klinik wirklich seinen Posten räumen, wenn er sich scheiden lässt? Eine Mehrheit hielt solches Loyalitätsverlangen seitens kirchlicher Arbeitgeber für überzogen. Die Runde sah Reformbedarf, der aber nicht staatlich verordnet werden, sondern aus der Kirche selbst entstehen solle. Auch Gewerkschaften müssten besser einbezogen werden.

Die christlichen Kirchen und jüdischen Gemeinden haben, anders als andere Religionsgemeinschaften, feste Sendezeiten bei öffentlichrechtlichen Fernseh- und Radiosendern. Über dieses Privileg diskutierte ein drittes Forum im Landtag. Während einige die kirchliche Kernbotschaft ohne solche Senderechte für zu wenig präsent hielten und deshalb daran festhalten wollten, forderten andere ein Recht auf Teilhabe für alle. Zweitens ging es um Feiertage. Der vortragende Wissenschaftler hielt einen muslimischen Feiertag angesichts von 1,5 Millionen muslimisch Gläubigen in NRW für möglich.

Die Vielzahl von konfessionellen Grundschulen, nämlich ein Drittel aller Grundschulen in NRW und größtenteils katholisch, thematisierte das Forum 4. Obwohl nur etwa die Hälfte der Kinder der Konfession angehörten, seien die Schulen sehr beliebt. Somit sei zu fragen, was Eltern zur Anmeldung bewege - vielleicht die Wertevermittlung? Die Zahl der Bekenntnisgrundschulen werde sich verringern, vermutete die Mehrheit der Diskutanten. Auch ein Drittel der Kitas werde von der Kirche betrieben und die Nachfrage steige. Wie aber gehe eine christliche Kita damit um, wenn die Mehrzahl der Kinder einen anderen Glauben habe?

Konfessionelle Kliniken

Forum 5 des Symposiums befasste sich mit der Bedeutung der Kirche für Krankenhäuser und Pflege. So stand die Frage im Raum, ob die vielen konfessionellen Kliniken in NRW einen Mehrwert hätten. Viele Teilnehmende hielten sie für sinnvoll, andere fragten nach dem dortigen medizinischen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen oder Organtransplantationen. Mit dem Thema Pflege, stellte das Forum fest, befasse sich die Gesellschaft insgesamt zu wenig. Chancen sahen einige in der christlichen Wertevermittlung. Auf jeden Fall sei die oft empfundene Mauer zwischen stationärer und ambulanter Pflege einzureißen.

Auch die Kirchen als Kulturträger waren ein Thema. Schließlich habe die Kirche einen Öffentlichkeitsauftrag, und viele Menschen fänden über die Kultur in die Kirche. Gefordert wurde ein Minimum an staatlicher Förderung für offene Häuser. Auch unabhängig von der religiösen Praxis seien die Gebäude wertvoll. Ein bloßes Raumvermietungsprogramm löste allerdings Sorge vor Beliebigkeit aus. Der Denkmalschutz für Kirchengebäude bleibe eine moralische und zugleich herausfordernde Aufgabe. Ob sich eine staatliche Mindestförderung aus der Verfassung ableiten lasse, blieb offen.

Abschließend stellte der CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet fest, dass der Staat gar nicht all das leisten könne, was die Kirche schultere. Und eine multireligiöse Gesellschaft in NRW fordere eher noch dazu heraus, Religion im öffentlichen Raum zuzulassen - anstatt sie zu verdrängen.

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Quelle:
Landtag intern 7 - 45. Jahrgang, 11.7.2014, S. 26
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2014