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NORDRHEIN-WESTFALEN/2178: Yaşanan Dostluk, das heißt "Gelebte Freundschaft" (Li)


Landtag intern 2/2015
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Yaşanan Dostluk, das heißt: Gelebte Freundschaft

Von Michael Zabka


Gladbeck und Alanya verbindet seit 1993 eine Städtepartnerschaft. Es war die erste ihrer Art in Nordrhein-Westfalen.


Gladbeck, nördliches Ruhrgebiet. 75.000 Einwohner, 11,8 Prozent Migranten, die meisten von ihnen aus der Türkei. Ihre Familien kamen, als auf den Zechen noch Kohle gefördert wurde. Das ist lange her. "Graf Moltke", die letzte Schachtanlage, schloss 1971. Viele derer, die Tausende Kilometer von daheim entfernt Brot und Arbeit fanden, sind jedoch geblieben, andere dazugekommen. "Wir pflegen ein gutes Miteinander", sagt Wolfgang Röken. Der 71-Jährige war Bürger- und Oberbürgermeister der Stadt Gladbeck, er saß für die SPD im Landtag und ist heute Ehrenvorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-Türkei. Das gute Miteinander in Gladbeck - Röken führt es auch auf die Städtepartnerschaft mit Alanya zurück.


Idee im Urlaub geboren

"Dies ist eine Geschichte, die Geschichte zweier Städte. Eine Geschichte, die auf Freundschaft, auf Liebe, auf Teilen aufgebaut ist." Hasan Sipahioğlu, damals Bürgermeister von Alanya, sagte dies 2003 zum zehnten Geburtstag der Städtepartnerschaft. Noch einmal zehn Jahre später erschien eine große Festschrift, der Untertitel: Eine gelebte Freundschaft. Yaşanan Dostluk, wie es auf Türkisch heißt.

Gladbeck gilt als erste Stadt Nordrhein-Westfalens, die eine offizielle Partnerschaft mit der Türkei besiegelt hat. "Wobei man anmerken muss, dass andere NRW-Städte schon länger Kontakte in die Türkei pflegen", räumt Röken ein und nennt den Bonner Stadtbezirk Bad Godesberg, die Städtefreundschaft mit Yalova bestehe bereits seit 1969. Aber eine Städtefreundschaft sei etwas anderes als eine Städtepartnerschaft, letztere intensiver. Doch zurück nach Gladbeck. Die Idee zur Partnerschaft wurde nicht im Rathaus geboren, sondern im Urlaub an der türkischen Riviera. "Eine Gladbeckerin hatte dort immer ihre Ferien verbracht", erzählt Röken, "sie wusste, dass Alanya eine deutsche Partnerstadt sucht." Und so stellte die Urlauberin die ersten Kontakte her.

Es gab da aber ein kleines Problem: Alanya ist ein Badeort, keine vom Bergbau geprägte Stadt wie Gladbeck. Und die Gladbecker Türken stammten auch aus anderen Regionen, vor allem aus dem Raum Zonguldak an der Schwarzmeerküste. "Andererseits war aber auch klar, dass eine Städtepartnerschaft nur dann mit Leben gefüllt werden kann, wenn sich die Menschen auch begegnen und kennenlernen", berichtet der Gladbecker "Alt-OB". Aus dieser Sicht habe vieles für Alanya gesprochen. Der erste Besuch des stellvertretenden Bürgermeisters von Alanya in Gladbeck erfolgte weitgehend inkognito. "Ich hatte ihn am Bahnhof Gladbeck-West abgeholt", erinnert sich Röken. Weil man im Ruhrgebiet gut feiern kann, nahm Röken den Besucher aus der Türkei dann auch gleich mit zum großen Haldenfest. Man verstand sich auf Anhieb und vereinbarte die ersten offiziellen Begegnungen.

Ursprünglich wollte der Gladbecker Rat die Städtepartnerschaft am 1. Juli 1993 beschließen. Er tat es aber schon in einer Sondersitzung am 14. Juni - einstimmig, um ein Zeichen zu setzen für die Freundschaft zwischen Türken und Deutschen. Hintergrund: Zwei Wochen zuvor waren bei einem Brandanschlag in Solingen fünf türkischstämmige Menschen ums Leben gekommen. Die Täter: Rechtsradikale. Ihr Motiv: Fremdenhass.


Minarett gespendet

Die Städtepartnerschaft zwischen Gladbeck und Alanya besteht seit bald 22 Jahren. "Natürlich engagiert sich immer nur ein Bruchteil der Bevölkerung", sagt Wolfgang Röken. Dennoch hätten sich die Beziehungen auch abseits offizieller Begegnungen verbessert. Beim Gottesdienst zum "Tag der Arbeit" sei in Gladbeck immer auch ein Imam dabei, denn: "Der Islam gehört nicht nur zu Deutschland, sondern vor allem auch zu Gladbeck." Das Minarett der Moschee an der Wielandstraße sei eine Spende der Stadt Alanya, die auch beim Appeltatenfest, einem großen Stadtfest, stets präsent sei. Und, nur am Rande: In Alanya stehen evangelischen Christen Räume für Gottesdienste zur Verfügung, auch ein christliches Gräberfeld sei angelegt worden. Röken: "Diese Städtepartnerschaft ist keine Einbahnstraße."

Der Austausch auf Verwaltungsebene funktioniere, Ärzte brächten sich ein, die Feuerwehr, Sportvereine; und auch die Schulen seien aktiv. "Wenn wir die Jugendlichen erreichen, dann legen auch die Eltern und Großeltern mögliche Vorbehalte ab", sagt Röken, der gemeinsam mit Müzeyyen Dreessen auch Vorsitzender des 2013 gegründeten Freundeskreises Gladbeck-Alanya ist. Der Verein organisiert kombinierte Bildungs- und Erholungsreisen nach Alanya, Vortragsabende, christlich-islamische Dialoge. Immer im Mittelpunkt dabei: Verständnis füreinander wecken, Vorurteile abbauen. "Wir leben in gegenseitigem Respekt miteinander", sagt Röken. Vielleicht sei man in Gladbeck deshalb auch vor Bewegungen weitgehend gefeit, die eine "Islamisierung des Abendlandes" befürchten.

Mustafa Kemal Ugur (40) kam vor 16 Jahren aus Alanya nach Gladbeck, er leitet heute ein Reisebüro und ist auch Gründungsmitglied des Freundeskreises, dem er einen Raum als Treffpunkt zur Verfügung gestellt hat. Er sagt: "Viele, die die Türkei kritisieren, waren noch nie da, haben nicht einmal türkische Nachbarn. Diese Städtepartnerschaft hilft, Vorurteile abzubauen." Wolfgang Röken nickt.


KASTEN
 
Begegnungen mit "Brückenbauern"

Freundschaft leben, voneinander lernen, Brücken bauen - mehr als 20 Kommunen an Rhein und Ruhr haben sich dies zum Motto gemacht und pflegen eine Städtepartnerschaft mit einer Kommune in der Türkei. Anlass genug für den Landtag, diese Kooperationen zu würdigen, über Herausforderungen zu diskutieren und die Akteure bei der Vernetzung untereinander zu unterstützen.


Und so konnte Landtagspräsidentin Carina Gödecke, zugleich Vorsitzende der Parlamentariergruppe NRW-Türkei, am 17. März 2015 mehr als 300 Gäste zu einer "Parlamentarischen Begegnung Städtepartnerschaften NRW-Türkei" im Plenarsaal begrüßen. Extra angereist war eine Delegation der Großen Nationalversammlung der Türkei, an der Spitze die Vorsitzende der dortigen Türkisch-Deutschen Parlamentariergruppe, Çiğdem Münevver Ökten. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung sowie der Stiftung Mercator.

Gödecke betonte, dass Städtepartnerschaften "das beste Mittel" seien, "um Vorurteile abzubauen und diffusen Ängsten vor fremden Kulturen im direkten Miteinander entgegenzuwirken". Die Präsidentin gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass der Erfahrungsaustausch bei dieser Veranstaltung kein Einzelprojekt bleibe, sondern eine Initialzündung für weitere Projekte der Vernetzung sei. Und auch Ökten lobte die Städtepartnerschaften. Aus den Kooperationen entstehe gegenseitiger Respekt.

Zu den Gästen der Parlamentarischen Begegnung gehörten auch Bürgermeister und Oberbürgermeister aus Partnerstädten sowie zahlreiche Vertreter der türkischen Community und von ehrenamtlich tätigen Partnerschaftsvereinen - darunter Wolfgang Röken, Vorsitzender des Freundeskreises Gladbeck-Alanya und Ehrenvorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-Türkei. Ihm wurde bei der Veranstaltung die Ehre zuteil, mehrfach als "Vater" aller Kooperationen mit türkischen Städten betitelt zu werden (siehe Haupttext).

Mehr Informationen zu der Veranstaltung sowie ein Video finden Sie im Internet unter www.landtag.nrw.de.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 46. Jahrgang, 18.3.2015, S. 14-15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2015

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