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NORDRHEIN-WESTFALEN/2205: Privat gebaut - öffentlich genutzt (Li)


Landtag intern 7/2015

Privat gebaut - öffentlich genutzt
Experten äußern sich zu ÖPP-Projekten bei Bundesfernstraßen

Von Wibke Busch


22. September 2015 - Wie kann der Sanierungsstau beim Bau und Erhalt von Bundesfernstraßen in NRW aufgelöst werden? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Mitglieder des Verkehrsausschusses in einer Sachverständigenanhörung. Konkret ging es um Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) - also die Zusammenarbeit von privaten Unternehmen und öffentlicher Hand bei Bauvorhaben.


Grundlage der Anhörung war ein Antrag der CDU-Fraktion (Drs. 16/8643). Damit unterstützt sie die Pläne der schwarz-roten Bundesregierung für die Gründung einer zentralen "unabhängigen Infrastrukturgesellschaft", die die Finanzierung und Planung von Bauvorhaben in Deutschland übernehmen soll. Die Gesellschaft soll dabei auch auf private Finanzierungsmöglichkeiten für Straßenbauprojekte zurückgreifen können - in ÖPP-Projekten.

In dem Antrag heißt es, dass Nordrhein-Westfalen als verkehrsreichstes Bundesland auf ein leistungsfähiges Fernstraßennetz angewiesen sei. Der Bund habe 5 Milliarden Euro zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur bis 2017 bereitgestellt. Bis 2018 seien weitere 10 Milliarden Euro geplant. Um die Sanierung und den Ausbau des Bundesfernstraßennetzes voranzutreiben, müssten vorhandene Mittel "effektiver genutzt und darüber hinaus zusätzliche Mittel generiert werden". Die Landesregierung wird aufgefordert, die Pläne des Bundes zu unterstützen.

Die Projektmanagementgesellschaft DEGES, die nach Angaben von Dirk Brandenburger im Auftrag von acht Bundesländern ÖPP-Straßenbauprojekte - also Vorhaben in Zusammenarbeit von Öffentlicher Hand und privaten Unternehmen - begleitet hat, zog eine positive Bilanz. Die vertraglichen Bauzeiten seien eingehalten oder unterschritten worden. Ein Projekt in Thüringen sei ein Jahr früher beendet worden als geplant. Bei allen Vorhaben sei der Kostenrahmen eingehalten worden. Bau, Erhaltung und Betrieb der Straßen wiesen eine gute Qualität auf.

Der Naturschutzverband BUND sprach sich gegen ÖPP-Projekte aus. Dieter Donner vom BUND sagte in der Anhörung, nach bisherigen Erkenntnissen seien die Projekte unwirtschaftlich. Einzelne Vorhaben seien bis zu 46 Prozent teurer gewesen als konventionelle. Oft werde das Konzept ÖPP "schöngerechnet". Donner kritisierte zugleich eine Fokussierung auf den Straßenbau in der Debatte. Dieser sei "kein Selbstzweck". Es müssten alle Verkehrsträger in den Blick genommen werden. Auch müssten Klima- und Umweltfragen eine Rolle spielen.


Investitionsbedarf

Prof. Beate Wiemann vom Bauindustrieverband NRW hob hervor, dass im vergangenen Jahr 2,8 Prozent der Investitionen in Bundesfernstraßen als ÖPP-Projekte realisiert worden seien. Bis 2018 werde der Anteil auf maximal 8 Prozent anwachsen bei gleichzeitig steigendem Investitionsbedarf. Es gehe darum, für jedes Vorhaben die "beste Lösung" zu finden, und zwar nicht die preisgünstigste, sondern die wirtschaftlichste. Hier könne ÖPP Vorteile haben, beispielsweise wegen "Termin- und Kostentreue". Ziel müsse daher sein, diese Partnerschaften als sinnvolle Alternative zu etablieren.

Kritik kam hingegen von der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen. Annette Zülch warnte für den Verband vor Nachteilen für mittelständische Betriebe bei ÖPP-Projekten. Bei diesen beschränke sich der Wettbewerb auf eine geringe Zahl ausländischer Baukonzerne sowie in- und ausländischer Großbanken und Betriebe. Dies fördere die Bildung von Oligopolen - Marktformen, bei denen wenige Anbieter sich eine Branche aufteilen. Wenn ÖPP politisch gewollt sei, müsse es mittelstandsgerechte Vergabe- und Finanzierungsvorgaben geben.

Vorteile durch gemeinsame Bauprojekte von privaten Unternehmen und Öffentlicher Hand sieht die ÖPP Deutschland AG - ein vom Bund gegründetes Beratungsunternehmen für öffentliche Auftraggeber zur ÖPP-Förderung. Bernward Kulle betonte, die Projekte zeichneten sich u.a. durch einen erheblich höheren Grad an Termintreue und die Einhaltung der veranschlagten Kosten aus. Auch gebe es bei den Kosten eine höhere Transparenz. Insgesamt seien die Wirtschaftlichkeitsvorteile "deutlich".

Für die Gewerkschaft Komba NRW warnte dagegen Eckhard Schwill davor, die Straßeninfrastruktur als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge für den Wettbewerb zu öffnen. Mit Blick auf das Vorhaben des Bundes, eine zentrale Infrastrukturgesellschaft zu gründen, fragte er, welche Möglichkeiten die Bundesländer dann noch hätten, auf Bundesprojekte Einfluss zu nehmen. Zugleich bestehe die Gefahr, dass bewährte Strukturen beim Landesbetrieb Straßen NRW aufgelöst würden. Die Beschäftigten dort machten "einen guten Job".

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Quelle:
Landtag intern 7 - 46. Jahrgang, 6.10.2015, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2015

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