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NORDRHEIN-WESTFALEN/2213: Haushalt 2016 - Etat nach heftigem Schlagabtausch verabschiedet (Li)


Landtag intern 9/2015
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Haushalt 2016: 4 Milliarden für Flüchtlingspolitik
Etat nach heftigem Schlagabtausch verabschiedet

Von Wibke Busch, Sonja Wand und Michael Zabka


16. Dezember 2015 - Mit den Stimmen der rot-grünen Koalitionsfraktionen hat der Landtag den Haushalt für 2016 verabschiedet. Die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und PIRATEN sowie der fraktionslose Abgeordnete Daniel Schwerd lehnten den Entwurf in dritter Lesung ab. Vorausgegangen war ein kontroverser Schlagabtausch über die Finanzpolitik des Landes.


Der Haushalt 2016 (Drs. 16/9300) samt Ergänzung (Drs. 16/10150) hat ein Gesamtvolumen von 69,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für die Flüchtlingspolitik werden im Vergleich zu 2015 auf 4 Milliarden Euro verdoppelt. Die Neuverschuldung sinkt daher weniger als noch Mitte des Jahres vorgesehen - von 1,9 Milliarden Euro 2015 auf 1,8 Milliarden Euro. Zunächst geplant waren 1,5 Milliarden Euro.

"Verfehlte Finanzpolitik"

CDU-Fraktionschef Armin Laschet warf der Landesregierung eine verfehlte Finanzpolitik vor. Seine Fraktion habe immer wieder Vorschläge gemacht, um "Sparpotenziale" zu nutzen. Rot-Grün habe alle abgelehnt. Auch Vorschläge der CDU zur Stärkung der Wirtschafts- und damit der Steuerkraft des Landes seien ignoriert worden. Stattdessen seien die Ausgaben deutlich gesteigert worden. Der Bund und neun Bundesländer hätten dagegen in guten Zeiten finanziell vorgesorgt und könnten nun die Herausforderungen durch den Zustrom von Flüchtlingen leichter stemmen. Laschet betonte, die erste große Aufgabe sei, den Etat "in Ordnung zu bringen". Der Finanzminister solle nicht auf die Idee kommen, die Neuverschuldung mit der Flüchtlingspolitik zu erklären.

Mit dem Haushalt 2016 stelle sich Nordrhein-Westfalen einer historischen Bewährungsprobe, sagte SPD-Fraktionschef Norbert Römer. Trotz der zusätzlich bereitgestellten Mittel für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge verzichte man nicht auf andere wichtige Investitionen. Römer nannte in diesem Zusammenhang u.a. Bildung und "bezahlbaren Wohnraum". So starte die Landesregierung eine Initiative, mit der innerhalb weniger Jahre 120.000 neue Wohnungen geschaffen werden sollen. Auch die Finanzen der Städte und Gemeinden würden weiter gestärkt: "Jeder dritte Euro aus dem Landeshaushalt geht an die Kommunen." Das Land sei stark, die Finanzen seien gesund. Die Hoffnung auf sozialen Aufstieg sei in NRW weitaus realistischer als die Angst vor einem Abstieg.

"Dieser Landeshaushalt entspricht nicht den Anforderungen an eine gestalterische Landespolitik", kritisierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner. Dass die Landesregierung in bewegten Zeiten Flexibilität benötige, erkenne die Opposition an, "aber auf Dauer kann das nicht so weitergehen". Es gelte, Aufgaben und Standards des Staates kritisch zu hinterfragen und gleichzeitig alle wirtschaftlichen Bremsen zu lösen. Trotz finanzpolitischer Ausnahmebedingungen werde der Haushalt in guten Zeiten ruiniert. Lindner warf der Regierung vor, Finanzkosmetik zu betreiben, um den Schein einer sinkenden Neuverschuldung erwecken zu können. Lindners Forderungen: Bürokratieabbau, eine moderne öffentliche, auch digitale Infrastruktur und beste Bildung.

"Gut investiertes Geld"

Mehrdad Mostofizadeh, GRÜNEN-Fraktionschef, nannte die Aussagen Laschets zu den Kosten der Flüchtlingspolitik infam. Ebenfalls kritisierte er mit Blick auf ein Papier der CDU zur Flüchtlingspolitik die "christliche Weihnachtsbotschaft: Hauptsache, mehr Abschiebung". Als zentral im Haushalt beschrieb er die Bildung: Jeder dritte Euro fließe in dieses Zukunftsfeld - von der Kita bis zur Hochschule. In der Flüchtlingspolitik kämen auf jeden Euro vom Bund 2 Euro vom Land. Die Kommunen erhielten für die Unterbringung der Menschen im kommenden Jahr fast 2 Milliarden Euro. "Gut investiertes Geld" - wie der gesamte Etat für Flüchtlingsarbeit, meinte der GRÜNE und verwies auch auf Impulse für die Konjunktur. Wirtschaftliche Chancen sah Mostofizadeh zudem im Klimaschutz, speziell im "Wachstumsmotor Umweltwirtschaft".

Michele Marsching, Fraktionschef der PIRATEN, sprach von einem "Haushalt der verpassten Chancen". "Investition, Integration und Innovation" bezeichnete er als "Säulen der Zukunft unseres Landes", die im Etat nicht ausreichend berücksichtigt seien. Er warf der Landesregierung Konzept- und Ideenlosigkeit vor. Wichtig seien u.a. Investitionen in Bildung und Digitalisierung. Ein Schwerpunkt seiner Rede war das schnelle Internet, die "Grundlage der modernen Wissensgesellschaft". Marsching forderte, alte Kupferkabel zügig durch moderne Glasfaserkabel zu ersetzen. Auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik warf Marsching der Landesregierung Versäumnisse vor. Die PIRATEN hätten bereits 2012 eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme gefordert.

Landesfinanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) wies die Kritik der Opposition an der Finanzpolitik zurück. Es gehe um eine Reduzierung der Neuverschuldung bei gleichzeitiger Sicherstellung der Aufgaben des Landes und nicht um "konzeptloses Streichen", so wie es die Opposition fordere. Der Minister warb dafür, gemeinsam die Weichen für eine gelingende Integration von Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen zu stellen. Dies werde "teuer" und sei nur zu schaffen, wenn investiert werde. Dafür habe die Landesregierung die Voraussetzungen geschaffen, indem die Neuverschuldung in den vergangenen fünf Jahren "kontinuierlich" reduziert worden sei. Zugleich setze Rot-Grün Schwerpunkte, beispielsweise durch mehr Geld für die Bildung oder für Krankenhäuser.


Die Eckpunkte des Etats

Das Land Nordrhein-Westfalen verdoppelt im kommenden Jahr seine Ausgaben für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen. Wurden in diesem Jahr rund 1,9 Milliarden Euro dafür aufgebracht, so werden es 2016 rund 4 Milliarden Euro sein. Das sieht der Haushalt vor, den der Landtag am 16. Dezember 2015 in dritter Lesung beschlossen hat. Nach Angaben des Innenministeriums werden bis Ende 2015 rund 300.000 Schutzsuchende ins bevölkerungsreichste Bundesland kommen.

Der Bund trägt nach Angaben des Finanzministeriums NRW mit rund 800 Millionen Euro etwa 19,6 Prozent dieser Kosten. Von den insgesamt 4 Milliarden Euro sollen 2,6 Milliarden Euro an die Kommunen gehen. Davon sind 1,95 Milliarden Euro pauschale Zuweisungen. Weitere 613 Millionen Euro werden für die Übernahme von Landesaufgaben gezahlt. Der Haushalt hat insgesamt ein Volumen von 69,6 Milliarden Euro - 3,3 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Davon sollen 52,5 Milliarden Euro über Steuereinnahmen finanziert werden.

Die Neuverschuldung liegt bei 1,8 Milliarden Euro im Vergleich zu 1,9 Milliarden Euro 2015. Sie sinkt damit wegen der steigenden Kosten für die Flüchtlingsunterbringung geringer als zunächst geplant (1,5 Milliarden Euro). NRW-Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hält an seinem Plan fest, ab 2019 keine neuen Kredite mehr aufzunehmen. Die Gesamtverschuldung des Landes liegt derzeit bei etwa 142 Milliarden Euro.

Für Investitionen werden im kommenden Jahr 6,2 Milliarden Euro eingeplant (2015: 5,7 Milliarden Euro). Die Personalausgaben steigen von 24,4 auf 25,4 Milliarden Euro.

Am 3. und 4. Dezember 2015 hatten die Abgeordneten in zweiter Lesung insgesamt mehr als 13 Stunden lang in kontroverser Debatte über die Einzelpläne beraten.

In der Grundsatzdebatte zum Auftakt der zweiten Lesung fragte Dr. Marcus Optendrenk (CDU): "Wo ist eigentlich die Tatkraft der Ministerpräsidentin beim Haushalt 2016?" Die einzige klare Linie, die er im Etatentwurf sehe, sei das Geldausgeben - je mehr, desto besser.

Es handle sich um keine gewöhnlichen Haushaltsberatungen, erklärte Stefan Zimkeit (SPD) und verwies auf die vielen Flüchtlinge, die Zuflucht suchten. Der Haushalt zeige: Die Landesregierung stelle sich dieser Herausforderung.

"Das Haltbarkeitsdatum Ihrer Haushaltsplanung entspricht dem eines ablaufenden Bechers Joghurt", kritisierte Ralf Witzel (FDP) Nachtragshaushalte des Finanzministers, auch die der letzten Jahre. Zudem verschleiere der Minister das Ausmaß der Verschuldung.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) sprach von einem "gelungenen Dreiklang" aus Konsolidierung, besserer finanzieller Ausstattung der Kommunen und Investitionen in zentrale Zukunftsfelder wie Bildung, Forschung und Innovation.

Die geplanten Ausgaben für Flüchtlinge basierten auf falschen Zahlen, hielt Dietmar Schulz (PIRATEN) dagegen. Die Landesregierung gehe von 800.000 Asylsuchenden im nächsten Jahr aus. Fachleuten zufolge seien es aber bis zu 350.000 mehr.

Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) sprach von einem "soliden Haushalt 2016". Rot-Grün sei seit fünfeinhalb Jahren in der Verantwortung. Nie zuvor sei "so kontinuierlich konsolidiert worden".

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Quelle:
Landtag intern 9 - 46. Jahrgang, 22.12.2015, S. 4-5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2016

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