Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE


NORDRHEIN-WESTFALEN/2234: Wenn der Einzelhandel online geht (Li)


Landtag intern 3/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Wenn der Einzelhandel online geht
Chancen und Herausforderungen Thema im Wirtschaftsausschuss

Von Michael Zabka


13. April 2016 - Ein Kunde kommt ins Fachgeschäft, lässt sich ausführlich beraten - und kauft die neue Kamera später im Internet. Einzelhändler kennen das Phänomen und ärgern sich regelmäßig darüber. Die Fraktionen von SPD und GRÜNEN regen nun an, Online-Handel und klassischen Einzelhandel zu verbinden. Ihr Vorschlag: In allen fünf Regierungsbezirken des Landes Nordrhein-Westfalen sollten entsprechende Modellprojekte gestartet werden. In einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses haben sich Sachverständige dazu geäußert.


"In der öffentlichen Debatte über die zunehmende Digitalisierung des Handels stehen in erster Linie die Bedrohungen und Risiken für den stationären Einzelhandel und somit für die Innenstädte im Vordergrund", heißt es im Antrag von SPD und GRÜNEN ("Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken - Innerstädtische Quartiere und ländliche Räume brauchen Vielfalt und Versorgungssicherheit", Drs. 16/10072). Tatsächlich aber könnten die Umsätze bei einer Verknüpfung von Online- und klassischem Einzelhandel ("Multi-Channel-Vertrieb") gesteigert werden. Speziell für den alteingesessenen, inhabergeführten Einzelhandel sei dieser Wandel eine "große Herausforderung, der ohne entsprechende Unterstützung und Beratung kaum zu bewältigen ist".

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund) unterstützte den Vorstoß. Allerdings sollten die Kommunen "als maßgebliche Akteure der zukünftigen Entwicklungen" stärker einbezogen werden. Bei der Auswahl der Projekte sei es ratsam, "die sehr unterschiedlichen Ausgangslagen zu berücksichtigen".

Der Online-Handel sei der Umsatztreiber im Einzelhandel schlechthin, hieß es in der Stellungnahme des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen. Jeder Händler sei heute gefordert, sich um eine Internet-Präsenz zu kümmern. Andernfalls bestehe die Gefahr, "von der zunehmend digital agierenden Kundschaft nicht mehr wahrgenommen zu werden". Der Einstieg in die digitale Welt sei nicht nur in Sortimentsnischen interessant. Auch gut sortierten Händlern biete er die Möglichkeit, "durch ergänzende Online-Umsätze einen Standort erfolgreich betreiben zu können, der als rein stationäres Geschäft aufgrund der begrenzten Kaufkraft vor Ort nicht wirtschaftlich wäre".

Von einem "sinnvollen Vorhaben" sprach auch Prof. Dr. Stephan Zielke (Bergische Universität Wuppertal) in seiner Stellungnahme. Die Konzepte müssten jedoch dem begrenzten Know-how und den Ressourcen kleinerer Unternehmen Rechnung tragen. Wichtig sei zudem eine Einbindung ins Citymarketing.

Die Industrie- und Handelskammern unterstützten den Antrag und erklärten sich bereit, bei der Umsetzung und Auswertung mitzuarbeiten. Der Nordrhein-Westfälische Handwerkstag, der Westdeutsche Handwerkskammertag und der Unternehmerverband Handwerk NRW wiesen in einer gemeinsamen Stellungnahme auf eine Umfrage des Zentralverbands des deutschen Handwerks von 2014 hin. Ihr zufolge setzten lediglich 8,1 Prozent der befragten Betriebe das Internet zum Direktverkauf ein. Es gebe aber bereits vielversprechende Ansätze - "zum Beispiel weg von 'Wir haben nur, was da hängt' hin zu Kombinationen von Showrooms mit Zentrallager, wobei digitale Tools oder Apps genutzt werden, um für einen Gesamtüberblick des Kunden zu sorgen".


Zusammenarbeit mit eBay

Die Programmierung und Pflege eines eigenen Online-Shops seien für viele Einzelhändler schwierig, so die Wirtschaftsförderung Mönchengladbach. Man habe sich deshalb mit eBay Deutschland auf eine Zusammenarbeit verständigt und eine lokale Seite auf der Plattform eingerichtet. Vom ersten Tag an hätten die Händler Umsatz gemacht. Nach 5 Monaten seien über 53.000 Waren im Wert von mehr als 2 Millionen Euro verkauft worden. Jeder Händler, der mindestens 50 Artikel in seinem Shop anbiete, werde im Jahresdurchschnitt rund 90.000 Euro zusätzlichen Umsatz erwirtschaften.

Die Wirtschaftsförderung Wuppertal sah in der Kombination von stationärem Einzelhandel und Online-Handel eine Herausforderung und Chance zugleich. Begleitung und Schulung seien dabei erforderlich. Die Ergänzung durch neue Online-Kanäle könne dazu beitragen, die Attraktivität der Städte zu sichern.

Die Firma Metro begrüßte den Antrag, wies aber darauf hin, dass der Handel einen "raschen und flächendeckenden Ausbau der Versorgung mit Breitband" und in Ballungszentren freies WLAN brauche. Vor allem der inhabergeführte Einzelhandel scheine das Thema "Digitalisierung" nicht ernst genommen zu haben, so der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (bitkom). Entscheidend sei der "Wille zur Veränderungsbereitschaft", meinte der Wirtschaftspublizist und Innovationsberater Andreas Haderlein. Innovative Projekte bräuchten zwar klassische Werbekanäle und -formen, insbesondere aber die Unterstützung städtischer Institutionen.

*

Quelle:
Landtag intern 3 - 47. Jahrgang, 26.04.2016, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-2472, -2324, -2304, -2309
Telefax (0211) 884-2250
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang