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NORDRHEIN-WESTFALEN/2270: Der Bund, die Länder und das Geld (Li)


Landtag intern 9/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

PLENUM
Der Bund, die Länder und das Geld
Diskussion über die Reform der Finanzbeziehungen

Von Daniela Braun, Sonja Wand, Michael Zabka, Dr. Stephan Malessa


9. November 2016 - Der Bund und die Länder haben sich auf eine neue Verteilung der Steuermittel ab dem Jahr 2020 geeinigt. Der Kompromiss sieht u. a. steigende Hilfen des Bundes vor. Gleichzeitig geben die Länder Kompetenzen ab. Geplant ist zudem die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes, die Investitionen ins Fernstraßennetz bündeln soll. Im Plenum des Landtags bewerteten die Fraktionen die Einigung unterschiedlich.


Ziel der Verhandlungen sei es gewesen, den Föderalismus transparenter zu machen, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Dies sei gelungen: Der Länderfinanzausgleich in der heutigen Form werde abgeschafft, NRW behalte ab dem Jahr 2020 rund 1,4 Milliarden Euro jährlich mehr von den eigenen Einnahmen, so Kraft. Zudem hätten sich Bund und Länder u. a. darauf geeinigt, eine privatrechtliche Infrastrukturgesellschaft zu gründen, gleichzeitig aber das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festzuschreiben, betonte Kraft. "Das heißt: Schluss mit der Privatisierung."

"NRW bleibt Nehmerland"

CDU-Fraktionsvorsitzender Armin Laschet bezeichnete die Reform als wichtig, um Konflikte zwischen den Ländern zu beseitigen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass NRW weiterhin Nehmerland im Länderfinanzausgleich bleibe. Der Fraktionsvorsitzende forderte die Landesregierung auf, ihre Hausaufgaben zu machen, indem sie die Wirtschafts- und Steuerkraft Nordrhein-Westfalens stärke. Nur so könne das Bundesland wieder zu einem Geberland werden. Im Hinblick auf die geplante Umverteilung von Kompetenzen in Richtung Bund warnte Laschet: "Die Länder müssen aufpassen, dass sie nicht immer mehr Kompetenzen abgeben und der Bund das mit Geld bezahlt."

Laschets Kritik gründe auf einer falschen Wahrnehmung, sagte Stefan Zimkeit (SPD): NRW sei nicht schwach, sondern stark. "Deshalb können wir solidarisch mit anderen Ländern sein." Zum Aspekt "Infrastruktur" merkte er an, dass die Wünsche des Bundes nach mehr Einfluss nicht auf dem Rücken der Beschäftigten beim Landesbetrieb Straßenbau NRW (Straßen.NRW) ausgetragen werden dürften. Bei der Digitalisierung wie auch bei der Steuerverwaltung mahnte er an, die NRW-Standards beizubehalten. Und was die befürchteten Belastungen der Kommunen im Rahmen des Unterhaltsvorschusses angehe, so dürfe die CDU sich gern in die aktuellen Verhandlungen gewinnbringend einschalten.

Ralf Witzel (FDP) sah beim Verhandlungsergebnis "viele Verlierer", etwa die Bürgerinnen und Bürger, weil Entlastungen ausgeblieben seien: Knapp 30 Jahre nach der Deutschen Einheit sei der "Soli" verzichtbar. Zweitens verliere der Gesamtstaat, weil "etliche Fehlanreize" fortbeständen. Es gebe mehr Zentralismus statt mehr Wettbewerbsföderalismus. "NRW partizipiert unterdurchschnittlich vom warmen Regen des Bundes", kritisierte Witzel außerdem. Bei der Finanzausstattung pro Kopf liege NRW am Ende der Tabelle. "Die Länder hängen mehr am Tropf des Bundes" und grundlegende Strukturprobleme blieben ungelöst, so sein Fazit.

Es sei gut, dass künftig mehr von dem Geld, das in Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet werde, auch im Land bleibe, sagte Martin-Sebastian Abel (GRÜNE). Bund und Länder hätten für die nächsten Jahre Planungssicherheit. Dennoch seien viele Fragen offen. Abel sprach in diesem Zusammenhang die "Digitalisierungsoffensive" und das geplante Bürgerportal der öffentlichen Verwaltungen an. Letzteres müsse von Anfang an gemeinsam mit den Ländern erarbeitet werden. Er forderte zudem ein Ende des Kooperationsverbots von Bund und Ländern in der Bildung. Die NRW-Hochschulen müssten vom Bund ihrer Leistung angemessen gefördert werden.

Dass NRW vom Jahr 2020 an 1,4 Milliarden Euro mehr erhalte, sei nicht dem Verhandlungsgeschick der Landesregierung zu verdanken, sagte Nicolaus Kern (PIRATEN). Vielmehr sei es "ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, am Ende nicht mit mehr Geld in der Kasse dazustehen". Mit der Abgabe von Kompetenzen hätten die Länder aber einen zu hohen Preis gezahlt, der Föderalismus werde in "finanzielle Geiselhaft genommen". Schwerwiegende Folgen werde die Gründung einer "Bundesautobahngesellschaft" haben. Die Stellen der 6.000 Beschäftigten von "Straßen.NRW" seien dadurch gefährdet. Kern befürchtete eine Privatisierung der Autobahnen.

Dietmar Schulz (fraktionslos) schloss sich den Worten seines Vorredners in vielen Punkten an. Alle Bundesländer hätten wesentliche Kompetenzen an den Bund abgegeben.

Mit beraten wurde der Antrag der PIRATEN-Fraktion "Kein Blankoscheck für eine 'Infrastrukturgesellschaft Verkehr' - NRW muss drohender Privatisierung der Autobahnen jetzt einen Riegel vorschieben" (Drs. 16/13304), ein Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN (Drs. 16/13408) sowie ein Entschließungsantrag der CDU-Fraktion (Drs. 16/13411).

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Quelle:
Landtag intern 9 - 47. Jahrgang, 15.11.2016, S. 5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2016

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