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NORDRHEIN-WESTFALEN/2359: Aktuelle Stunde zum Tod eines Syrers in der JVA Kleve (Li)


Landtag intern 9/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

PLENUM
Verwechselt und verhaftet
Aktuelle Stunde zum Tod eines Syrers in der JVA Kleve

von Sonja Wand, Wibke Busch, Michael Zabka


11. Oktober 2018 - Der Landtag hat sich in einer Aktuellen Stunde mit der unrechtmäßigen Verhaftung und dem Tod eines Syrers befasst. Der 26-jährige Amed A. hatte mehr als zwei Monate lang aufgrund einer Verwechslung in der Justizvollzugsanstalt Kleve eingesessen, bevor er am 29. September 2018 an den Folgen eines Brandes in seiner Zelle starb. Ein per Haftbefehl gesuchter Mann aus Mali hatte sich unter einem ähnlichen Namen in Deutschland bewegt.


Mit dem Vorfall hätten sich bereits mehrfach Ausschüsse und Gremien des Landtags befasst, jedoch seien dabei viele Fragen offen geblieben, begründete die SPD-Fraktion ihren Antrag auf eine Aktuelle Stunde: "Tod durch Brand in der JVA Kleve - unrechtmäßige Verhaftung, Warnungen und Hinweise des Gefangenen ignoriert, schleppende Aufklärung des Brandes? Landesregierung muss rückhaltlos alles aufklären!" (Drs. 17/3850).

Weder Geburtsort und -datum des Syrers noch das Foto hätten mit dem Gesuchten übereingestimmt, zählte Sven Wolf (SPD) auf. Bereits am 9. Juli 2018 habe der Gefangene dem Anstaltsleiter, dem Gefängnisarzt und der dortigen Psychologin mitgeteilt, dass er der Falsche sei. "An wen hätte sich Amed A. noch wenden sollen?", fragte Wolf. Auch sei ein Brandsachverständiger erst nach eineinhalb Wochen beauftragt, die Zelle in der Zwischenzeit aber viermal geöffnet worden. "Sorgen Sie für Transparenz", forderte Wolf den Justizminister auf. Ansonsten müsse ein Untersuchungsausschuss den Vorfall aufklären.

Angela Erwin (CDU) rief dazu auf, die Debatte sachlich zu führen. Ihr Vorredner habe versucht, den Tod von Amed A. zu instrumentalisieren, kritisierte sie. Innen- und Justizminister arbeiteten "umfassend, zügig und proaktiv" an der Aufklärung. Staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, die nicht ausreichend die Identität überprüft hätten, seien umgehend eingeleitet worden. Der Justizminister plane eine zusätzliche Sicherheitsstufe zur Identitätsprüfung in den Gefängnissen. Den Beschäftigten der JVA Kleve dankte Erwin für "geistesgegenwärtiges und schnelles Reagieren" beim Brand.

Stefan Engstfeld (Grüne) sagte, das Geschehene könne nicht ungeschehen gemacht werden. Aber die Landespolitik könne aufklären und darlegen, wer die Verantwortung für den Vorfall trage. Das Agieren der Landesregierung habe aber nichts mit Transparenz zu tun. Es gebe immer noch offene Fragen und Widersprüche. So sei es "lebensfremd" anzunehmen, dass der Syrer vermeintlich nur einmal auf die Verwechslung hingewiesen haben solle. Engstfeld kritisierte insbesondere Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Anders als der Innenminister habe er keine politische Verantwortung für den Vorfall übernommen.

"Größtmögliche Transparenz"

Marc Lürbke (FDP) wies die Kritik der Opposition zurück. Die Landesregierung von CDU und FDP habe "größtmögliche Transparenz" geschaffen und schnell Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen. Alle Fragen des Parlaments seien vom Innen- und vom Justizminister "in bemerkenswertem Tempo und vollumfänglich" beantwortet worden. Er könne sich nicht daran erinnern, dass die rot-grüne Vorgängerregierung so klar Fehler benannt habe. Der Opposition gehe es nicht um Aufklärung des Vorfalls, sondern um vorschnelle Beschuldigungen und eine Skandalisierung.

Thomas Röckemann (AfD) kritisierte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und sah darin auch einen Ausgangspunkt des tragischen Vorfalls. Bereits bei der Erstregistrierung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe festgestanden, dass die Identität des Mannes gefälscht sei. Sein "Pech" sei gewesen, dass "jemand mit genauso falschem Namen in Hamburg mittels zweier Haftbefehle gesucht wurde". Die AFD-Fraktion behalte sich vor, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen - im Hinblick auf Deutsche in NRW, "die der Einwanderung seit 2015 zum Opfer fielen".

Justizminister Peter Biesenbach (CDU) wies die Vorwürfe der Opposition zurück. Eine "schleppende Aufklärung" lasse er seinen Geschäftsbereichen nicht vorhalten. "Alles, was wir wissen, können Sie bei uns erfahren", sagte der Minister. Dies habe sich die Landesregierung vorgenommen, und das halte sie auch "eisern" durch. "Wir haben nichts zu verbergen, wir legen alles offen", sagte Biesenbach. Dass er Innen- und Rechtsausschuss in einer Sondersitzung nicht vollständig informiert habe, sei falsch. Die betreffenden Informationen habe er erst zweieinhalb Stunden nach der Sitzung erhalten.

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Quelle:
Landtag intern 9 - 49. Jahrgang, 16.10.2018, S. 5
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2018

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