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SACHSEN-ANHALT/342: ZwischenRuf 3-2019 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 3/2019
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

Engagement ist gefragt!
Was Sachsen-Anhalt tun muss, um das Ehrenamt zu stärken


INHALT

AUS DEM PLENUM

Hilfe für Anglervereine
Sachsen-Anhalt erlebte in diesem Hitzesommer ein massenhaftes Fischsterben. Die Fraktion DIE LINKE brachte einen Antrag zur Unterstützung der Anglerverbände ein. Die AfD-Fraktion legte einen Alternativantrag vor.

Verkleinerung des Landtags
Im von den Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Gesetzentwurf geht es um die Neueinteilung der Wahlkreise und um die Aufhebung des Wahlrechtsausschlusses von Menschen mit Behinderung.

Mehr Hausärzte, mehr Autonomie
Verabschiedung zweier Gesetze in der September-Sitzungsperiode: Zum einen ging es um die Veränderung hochschulrechtlicher Vorschriften, zum anderen um das Landarztgesetz.

Baukostensenkung ist Thema
Die Landesregierung sollte per Antrag der AfD-Fraktion aufgefordert werden, eine unabhängige und ehrenamtliche Kommission zur Baukostenbewertung und zur fachtechnischen Beurteilung von Baunormen einzurichten.

IM BLICKPUNKT

Freie Berufe wichtig für Wirtschaft
Mit ihrer Großen Anfrage wollte die CDU-Fraktion Klarheit über die Situation und Entwicklung der Freien Berufe in Sachsen-Anhalt schaffen.

Seniorenpolitik auf dem Prüfstand
Die Fraktion DIE LINKE hat mit einer Großen Anfrage den aktuellen Stand bei der Umsetzung des seniorenpolitischen Landesprogramms erfragt.

Justizvollzug in der Schweiz
Auf einer Delegationsreise in den Kanton Aargau (Schweiz) informierten sich Mitglieder des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung über neue technische Möglichkeiten im Umgang mit Strafgefangenen.

Europaausschuss im Bundesrat
Um das Programm Finnlands während der EU-Ratspräsidentschaft vorzustellen, empfing der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien den Gesandten der Botschaft Finnlands Dr. Antti Kaski im Bundesrat in Berlin.

RÜCKBLICK

Erntedankfest im Schulgarten
Zu DDR-Zeiten gab es sie an jeder Schule, 30 Jahre später, werden sie langsam wiederentdeckt - die Schulgärten. Wie viel Spaß sie machen können, beweist ein Schulgartenprojekt in der Grundschule Mühlanger.

Das Gedächtnis des Parlaments
Hinter die Kulissen geschaut: Zum 20-jährigen Jubiläum des Archivs des Landtags von Sachsen-Anhalt. Die Tätigkeit des Archivs wird vom Landesarchivgesetz geregelt. Tausende Objekte und Daten werden hier aufbewahrt.

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30 Jahre Friedliche Revolution

Schwerpunktthema im ZwischenRuf 4/19

Bereits am 13. September 2019 sorgten Schülerinnen und Schüler aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen mit einer Kunstaktion auf dem Helmstedter Marktplatz für Aufsehen. In einem szenischen Spiel erinnerten sie an den Fall der Mauer vor 30 Jahren.

Die nächste Ausgabe des ZwischenRufs (Mitte November) beschäftigt sich schwerpunktmäßig ebenfalls mit der Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Etwa zeitgleich startet auf der Internetseite des Landtags ein Dossier zum Thema. Spannende Geschichten, Zeitzeugeninterviews und Lieblingsorte der Landtagsabgeordneten 30 Jahre nach dem Mauerfall werden dabei nur ein Teil des Projekts sein.

Mehr dazu online auf: www.landtag.sachsen-anhalt.de

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18. PUA "Lotto-Toto" hat sich konstituiert

Mit rund 6,3 Millionen Euro unterstützte Lotto Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr Projekte in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Genau wegen dieser Fördermittelvergabe ist das Unternehmen seit ein paar Wochen in den Schlagzeilen. Der im Augustplenum des Landtags beschlossene 18. Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) soll nun prüfen, ob es eine Verbindung zwischen Werbeaufträgen an die ehemalige Firma der Lotto-Geschäftsführerin und Empfängern von Lotto-Fördermitteln gegeben hat. Der Ausschuss konstituierte sich am Freitag, 13. September 2019. Der Abgeordnete Andreas Steppuhn (SPD) wurde zum Vorsitzenden ernannt. Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch wünschte den Abgeordneten viel Erfolg bei der Bewältigung der Untersuchungsaufgabe. Ausschussvorsitzender Steppuhn betonte, die gestellten Untersuchungsaufgaben zügig abarbeiten zu wollen und nur Platz für Sachverhalte und Fakten zu lassen.

Dr. Stefan Müller


Harry Lienau ist Nachrücker in den Reihen der CDU

Mit Ablauf des 31. Juli 2019 ist Florian Philipp (CDU) als Abgeordneter aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt ausgeschieden. Die Landeswahlleiterin hat nun mitgeteilt, dass Harry Lienau als "noch nicht für gewählt erklärte Ersatzperson des Landeswahlvorschlages" der CDU das Abgeordnetenmandat am 1. August 2019 angenommen hat. Harry Lienau, Dipl.-Ingenieur für Vermessungswesen, wurde in Glückstadt geboren, ist Jahrgang 1955 und wohnhaft in Weißenfels. Seit 1995 ist er Mitglied der CDU. Er war bereits in der 4. bis 6. Wahlperiode Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt, dabei unter anderem Mitglied im Ausschuss für Recht und Verfassung sowie im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr. Aktuell gehört er vier Ausschüssen des Landtags an: für Finanzen und für Petitionen sowie dem 15. und 18. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Dr. Stefan Müller

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

spüren Sie den kalten Abendhauch, der den einen frösteln macht und den anderen frohgesinnt, dass die arg gebeutelte Mutter Natur die Hitze auf den nächsten Sommer verschoben hat? Die Blätter färben sich in den schönsten Farben, die Sonnenuntergänge sind geradezu malerisch, die Sonnenaufgänge lassen dafür länger auf sich warten. Um es nun mit einem Wort auf den Punkt zu bringen: Herbst. Sei er willkommen!

So gilt diese Ausgabe also gleichsam einer Rückschau auf die letzten Sommerwochen vom, über, im und um den Landtag von Sachsen-Anhalt und einer Vorschau, was da kommen wird in der letzten Ausgabe des ZwischenRufs.

Doch zunächst zur Rückblende. Ganz aktuell haben es die Ergebnisse aus der September-Sitzungsperiode des Landtags ins Heft geschafft. Als Stichworte seien hier das Landarztgesetz, die Kostenentwicklung, Normen und Standards im Wohnungsbau, die Unterstützung der Anglerinnen und Angler im Land und die Änderung des Wahlgesetzes bzw. des Volksabstimmungsgesetzes genannt, die von den Fraktionen beschlossen oder beantragt worden sind. Aus dem Plenum heraus rekapitulieren wir zudem die Ergebnisse von drei Großen Anfragen, in denen sich die Fraktionen und die Landesregierung mit den Freien Berufen in Sachsen-Anhalt, dem seniorenpolitischen Landesprogramm und mit der Engagement- und Demokratieförderung auseinandergesetzt haben.

Die Ausschüsse des Landtags tagen nicht allein in den dafür vorgesehenen Beratungsräumen im Parlamentsgebäude in Magdeburg, bei besonderen Anlässen oder Vor-Ort-Terminen sind die Mitglieder der Ausschüsse bisweilen auch unterwegs: So war der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung kürzlich in Zürich, um sich dort neue technische Möglichkeiten im Umgang mit Strafgefangene erklären zu lassen, und der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien machte seinem Namen alle Ehre, als er erstmals im Bundesrat tagte. Themen waren hier unter anderem die EU-Ratspräsidentschaft Finnlands und die freien Medien in Sachsen-Anhalt. Unterwegs war auch wieder unsere "Landesentdeckerin" Gudrun Oelze, sie war für das Regionalfenster des neuen ZwischenRufs unterwegs in Gräfenhainichen/Ferropolis.

Dieser Tage vor dreißig Jahren war es, als die Menschen in der DDR mehr und mehr Mut fassten und auf die Straße gingen, um gegen das SED-Regime zu demonstrieren und nach vierzig Jahren Diktatur endlich eine wirkliche Freiheit zu erringen. Ein knappes Jahr nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 sollten die Bundesrepublik und die DDR ab dem 3. Oktober 1990 wieder Deutschland einig Vaterland sein, per Wahlen wurden kurz darauf die Abgeordneten der neuen Landtage bestimmt. Sachsen-Anhalt entstand wieder (das Land Sachsen-Anhalt hatte es in ähnlicher Fläche bereits von 1947 bis 1952 gegeben) und feiert nun im nächsten Jahr seinen 30. Geburtstag. Der ZwischenRuf wird beide Themen in seiner kommenden Ausgabe umfänglich aufgreifen und dabei einen Blick zurück auf die historischen Ereignisse werfen, aber auch schauen, wie die Menschen - insbesondere junge Leute - heute mit den Geschehnissen jener Zeit umgehen und welchen Einfluss sie auf das Leben heute genommen haben und noch nehmen. Die nächste Ausgabe wird bereits im November erscheinen!

Bis dahin wünschen wir Ihnen eine gute Zeit!

Ihr ZwischenRuf-Team

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AUS DEM PLENUM

Engagement ist gefragt

Wie ist der Status quo beim Ehrenamt und wie kann freiwilliges Engagement noch besser unterstützt werden? Diese und andere Fragen stellte die SPD-Fraktion in einer Großen Anfrage. Die Ergebnisse wurden diskutiert und ein weiterführender Antrag der Koalitionsfraktionen beschlossen.


Bürgerschaftliches Engagement trägt zentral zur Stärkung unseres Gemeinwesens bei", betonte Dr. Katja Pähle (SPD). Gemeinwohlorientiertes freiwilliges Engagement sei eine "wesentliche Säule unseres Zusammenlebens und unserer Demokratie". Zudem biete Engagement die Möglichkeit, Polarisierung zu vermeiden und Entfremdungstendenzen umzukehren. Die Formen des Engagements seien dabei sehr vielseitig. Dennoch dürfe man nicht vergessen: "Ehrenamt braucht Hauptamt, damit es funktionieren kann."

In den vergangenen Jahren sei Sachsen-Anhalt in einigen Bereichen des Ehrenamts durchaus vorangekommen, erläuterte Pähle weiter, zum Beispiel beim Versicherungsschutz, Freistellungen oder in puncto Mobilität. Die Landesregierung hätte erkannt, dass Engagementförderung eine zentrale Querschnittsaufgabe sei, allerdings fehle noch eine Engagementstrategie, die Ziele und Prioritäten formuliere. Verantwortlich dafür soll die interministerielle Arbeitsgruppe "Bürgerschaftliches Engagement" sein.

Die Strategie sollte nicht von oben nach unten, sondern auf Augenhöhe mit den Beteiligten entwickelt werden, so die SPD-Abgeordnete. Bei den Maßnahmen zur Stärkung und Aktivierung von Engagement sollten die Faktoren Alter, Geschlecht, Behinderung, Wohnort, Herkunft und Zeitsouveränität besondere Beachtung finden. Die Förderung des Engagements müsste auf breitere und verlässlichere Strukturen gestellt werden.

Arbeits- und Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) freute sich, dass die Bereitschaft sich zu engagieren in den vergangenen Jahren grundsätzlich gestiegen sei. Außerdem stellte sie fest: "Freiwilliges Engagement dient nicht allein dem Wohl der Gesellschaft, sondern tut auch den engagierten Menschen selbst gut." Denn Menschen, die sich freiwillig engagierten, seien über gemeinschaftliche Tätigkeiten in die Gesellschaft eingebunden. Sie würden andere Freiwillige kennenlernen und sich im Rahmen ihres Engagements weiterbilden.

Allerdings werde auch deutlich, dass Engagement von Ressourcen wie Geld, Bildung und Zeit abhängig sei, so Grimm-Benne. Deshalb sei eine bessere Abstimmung nötig, um zukünftig auch Menschen zu erreichen, die sich bisher nicht angesprochen fühlten (zum Beispiel Ältere, Arbeitslose, Migranten). Den Antrag der Koalitionsfraktionen, die Landesregierung mit der Erarbeitung einer Engagementstrategie zu beauftragen, begrüßte sie daher außerordentlich. Sie freue sich darauf, diese Engagementstrategie zu erarbeiten, natürlich nicht "im stillen Kämmerlein", sondern mit vielen Engagierten aus der Praxis.

Oliver Kirchner (AfD) zeigte sich überzeugt, es ginge mit der Großen Anfrage gar nicht um die tatsächlich ehrenamtlich Engagierten, sondern die so oft beschworene "Zivilgesellschaft gegen Rechts". Dies belege bereits der Eingangstext zur Großen Anfrage. Daher wundere es nicht, dass sie vollgestopft sei mit Gefälligkeitsfragen und Phrasen, um zu verschleiern, worum es wirklich ginge, führte Kirchner weiter aus. Auf den Rücken der Engagierten würden die Antragsteller versuchen, ihre "linksliberale Klientel an- und durchzufüttern". Wie er aus der Großen Anfrage erfahren habe, plane der Bund gerade eine Engagementstiftung. Kirchner fragte: Welchen Sinn mache es daher, eine interministerielle Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Strategie zu beauftragten, wenn das zuständige Ministerium bereits mit dem Thema befasst sei und derzeit von eigenen Initiativen auf Landesebene absieht, wie die Antwort auf Frage 44 belege. Die AfD-Fraktion unterstütze das Anliegen des Sozialministeriums daher gerne, lehne den Antrag allerdings ab.

"Ehrenamtliches Engagement ist unverzichtbar und unbezahlbar", brachte es Tobias Krull (CDU) auf den Punkt. In Sachsen-Anhalt würde sich derzeit jeder Dritte ehrenamtlich engagieren, leider belege das Land damit nur den vorletzten Platz im bundesweiten Vergleich, so der CDU-Abgeordnete. Daher müsse man sich überlegen, wie man das Engagement vielleicht noch steigern könnte. Bereits jetzt sei das Ehrenamt sehr vielseitig, egal ob Sport, Feuerwehr oder Seniorenbetreuung. Krull erinnerte explizit auch an die umfangreiche ehrenamtliche Arbeit in den Orts- und Kreisräten - "die Herzkammern der Demokratie".

Der CDU-Abgeordnete fragte: Welche Rahmenbedingungen müssen wir als Politik bieten, damit Menschen sich für ehrenamtliches Engagement begeistern? Als Stichworte nannte er die gute Ausstattung der Feuerwehren, einen guten Zustand der Sportstätten und die Anhebung der Ehrenamtspauschalen. Außerdem sei es wichtig, jedes Ehrenamt entsprechend zu würdigen. Er sprach sich ebenfalls für die Erarbeitung einer ganzheitlichen Strategie aus, bei der Vertreter der Zivilgesellschaft, der kommunalen Spitzenverbände und Unternehmen eingebunden werden sollten.

Doreen Hildebrandt (DIE LINKE) sagte: "Ein zentrales Merkmal von Zivilgesellschaft ist Solidarität." Bürgerschaftliches Engagement baue auf mündige Bürger, die sich kritisch und gestaltend in die Gesellschaft einbringen würden. Ihre Fraktion verstehe bürgerschaftliches Engagement als Form der politischen Teilhabe, die neben dem Staat agiert. "Es ist aber kein Vehikel für die Theorie der Umsetzung eines schlanken Staates", unterstrich Hildebrandt. Die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge dürften nicht aus der staatlichen Verantwortung herausgerissen und ausschließlich in private Hände gelegt werden. Genau dies geschehe jedoch seit Jahren, Beispiele seien Dorfbibliotheken, Schwimmbäder oder Bürgerbusse. Vor diesem Hintergrund müsste bürgerschaftliches Engagement unbedingt gestärkt werden und deshalb unterstütze ihre Fraktion den eingebrachten Antrag.

"Ein zukunftsfestes Sachsen-Anhalt ist auf engagierte Bürger angewiesen", stellte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fest. Man könne sich nicht weiter auf einzelne Maßnahmen beschränken, sondern müsste "Engagementpolitik aus einem Guss" entwickeln. Sie betonte: "Nur wenn Menschen mitmachen und mitdenken [...] und das Allgemeinwohl in den Blick nehmen, erst dann beginnt sich eine politische, eine demokratische Gemeinschaft zu formen."

Am Ende der Debatte wurde der Antrag der Koalitionsfraktion von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Stimmen der Fraktion DIE LINKE angenommen.


Zahlen und Fakten zum Ehrenamt in Sachsen-Anhalt
  • 37,1 Prozent der Menschen engagieren sich freiwillig.
  • Zwischen 2009 und 2014 ist der Anteil um 10 Prozent gestiegen, allerdings investieren sie weniger Zeit in ihr Engagement, konkret weniger als zwei Stunden pro Woche.
  • Etwa 25 Prozent der Engagierten üben ihre freiwillige Tätigkeit täglich oder mehrmals pro Woche aus.
  • Häufige Begründung für ehrenamtliches Engagement: "Tätigkeit macht Spaß"; "um mit anderen Menschen zusammen zukommen"; "um die Gesellschaft mitzugestalten".
  • Seltener (außer bei Schülern) ist das Engagement motiviert durch den Wunsch, Qualifikationen zu erwerben.
  • Die meisten Engagierten kommen aus der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen (45 Prozent) und der 30- bis 49-Jährigen (42 Prozent). Den geringsten Anteil weisen mit nur 25 Prozent die Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren auf.
  • Männer (40 Prozent) engagieren sich häufiger als Frauen (34 Prozent), Männer häufig im Bereich Sport, Frauen vor allem in Schule, Kindergarten und im Sozialen.
  • Viele Menschen nennen berufliche Gründe, warum sie sich noch nie engagiert haben (47,2 Prozent der Frauen und 56,1 Prozent der Männer).
  • Nur 23,5 Prozent der Menschen ohne Berufsausbildung engagieren sich, dagegen 54 Prozent mit abgeschlossenem Fachhochschul- oder Universitätsstudium.
  • Personen, die ihre finanzielle Lage als sehr gut einschätzen, engagieren sich mit 50 Prozent zu einem fast doppelt so hohen Anteil wie Personen, die ihre finanzielle Lage als sehr schlecht einschätzen (26,9 Prozent).

Quelle: Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage "Engagement und Demokratieförderung" Drs. 7/4371

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

Hilfe für Anglervereine

Sachsen-Anhalt erlebte in diesem Hitzesommer ein massenhaftes Fischsterben. Die Anglerverbände benötigten deshalb Unterstützung, erklärte die Fraktion DIE LINKE und brachte einen Antrag ein. Die AfD-Fraktion legte einen Alternativantrag vor.


Neben der Hege und Pflege der Gewässer sei eine wichtige Aufgabe der Anglervereine der Besatz der Gewässer mit Fischen, um die Artenvielfalt zu erhalten, erläuterte Andreas Höppner (DIE LINKE). Nach diesem Sommer seien die Anglervereine in dieser Hinsicht besonders gefordert und die anstehende Arbeit könnte nicht von ihnen alleine geleistet werden. Denn "die Erhaltung der Biodiversität an unseren Gewässern stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar", betonte Höppner. Deshalb will seine Fraktion die Landesregierung mit einem Antrag auffordern, die Anglerverbände im nächsten Jahr beim Wiederaufbau naturnaher Fischbestände in den zu bewirtschaftenden Gewässern finanziell zu unterstützen. Einmalig müssten dazu 250.000 Euro bereitgestellt werden.

Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) erklärte, die finanzielle Unterstützung sei zwar gut gemeint, aber aus fachlicher Sicht durchaus ein "zweischneidiges Schwert". Bevor über konkrete Maßnahmen nachgedacht werde, sei eine gründliche Analyse nötig, so die Ministerin. Die Landesregierung sehe den Antrag zum jetzigen Zeitpunkt kritisch.

Die Besatzarbeit werde im Allgemeinen positiv betrachtet, unterstrich Lars-Jörn Zimmer (CDU). Es gebe jedoch viel grundsätzlichere Probleme für die Anglervereine. Viele Gewässer hätten seit Jahren einen schlechten Sauerstoffgehalt und einen viel zu geringen Wasserbestand. Darüber sollte man unbedingt im Ausschuss sprechen.

Lydia Funke (AfD) sagte, Trockenheit und Hitze seien nicht die einzigen Gründe für das wiederholte Fischsterben. An manchen Gewässern sei die schlechte Wasserqualität hausgemacht. Der Alternativantrag der AfD-Fraktion schlägt vor, eine konkrete Titelgruppe "Aufbau und Erhalt der Landes-Fischbestände" in den Haushalt aufzunehmen und zwar "bis sich eine deutliche ökologische Verbesserung bei geschützten und wieder zu etablierenden Arten quantifizieren lässt." Für das Jahr 2020 sollten zunächst 300.000 Euro eingeplant werden. Die Angler hätten in den vergangenen Jahren mit ihrer großartigen Arbeit Schlimmeres verhindert, dafür müsste man ihnen ausdrücklich danken, betonte Jürgen Barth (SPD). Es sei allerdings unbedingt nötig, über nachhaltiges Gewässermanagement zu diskutieren.

Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zeigte sich überzeugt, dass zunächst die Ursachen für die schlechte Gewässerqualität bekämpft werden sollten. Die Förderung von neu zu erwerbendem Initialbesatz würde nicht viel bringen, solange sich die Wasserqualität nicht verbessere. "Gewässer und Biotope sind für Sachsen-Anhalt wichtig", sie hätten allerdings keine Fürsprecher, ergänzte Sarah Sauermann (fraktionslos). Der Umgang Norwegens mit der Natur sollte als Vorbild dienen. Laut Sauermann müsste ganzheitlich umgedacht werden, um die Natur zu retten und neue Wege in der Stadtentwicklung einzuschlagen.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Alternativantrag der AfD-Fraktion wurden zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Umwelt und Energie (federführend) und den Ausschuss für Finanzen (mitberatend) überwiesen.

Stefanie Böhme


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Mehr als 43.000 Menschen sind im Landesanglerverband Sachsen-Anhalt e. V. organsiert. Jung und Alt lernen dort nicht nur das Angeln, sondern auch die Hege und Pflege der Gewässer.

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AUS DEM PLENUM

Verkleinerung des Landtags

Im von den Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Gesetzentwurf geht es unter anderem um die Neueinteilung der Wahlkreise und um die Aufhebung des Wahlrechtsausschlusses von Menschen mit Behinderung.


Der Gesetzentwurf beinhalte die Neueinteilung der Wahlkreise für die Landtagswahl 2021, erklärte Markus Kurze (CDU). Die Anzahl der Wahlkreise werde von 43 auf 41 verringert. Die Wahlkreise Oschersleben und Wolfen werden aufgelöst, die darin befindlichen Gemeinden werden an die umliegenden Wahlkreise aufgeteilt, um gleichmäßige Bevölkerungsgrößen in den Wahlkreisen zu erreichen. Außerdem werde der Wahlrechtsausschluss von Menschen mit Behinderung(en), die betreut werden müssen, abgestellt. Dies - und auch die vorgesehenen Wahl-Erklärungen in Einfacher Sprache - stärke die Teilhabe am demokratischen Miteinander.

Den Landtag bürgernah und transparenter zu gestalten, sei Anliegen der AfD-Fraktion, betonte Daniel Roi (AfD). Dies sei in den vergangenen drei Jahren aufgrund der anderen Fraktionen nicht zu schaffen gewesen. Die vorgeschlagene Verlegung des Wahltermins der nächsten Landtagswahl von März auf Juni 2021 sei bisher nicht begründet worden. Roi mutmaßte, dass dies mit den Regelungen zur Errechnung des Übergangsgelds der Abgeordneten zusammenhänge. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Robert Farle hatte allerdings für eine mögliche Anberaumung des Wahltermins erst im Juni 2021 - statt wie im Jahr 2016 im März - Zustimmung signalisiert. Am Ende bestimmt der Landtag auf Vorschlag der Präsidentin (nach Anhörung der Landeswahlleiterin und im Benehmen mit dem Ältestenrat) den Wahltag und die Wahlzeit.

Daniel Rois Redebeitrag sei der "Gipfel der Unwissenheit" gewesen, erklärte Rüdiger Erben (SPD). Wohl habe er aber eher ganz bewusst falsche und verdrehte Dinge in den öffentlichen Raum gestellt. Dabei habe er aber lediglich seinen eigenen parlamentarischen Geschäftsführer vorgeführt, der offensichtlich kein Verhandlungsmandat habe und der von seiner Fraktion nicht für voll genommen werde. Es gebe bereits eine breite Verständigung der Parlamentsreformkommission zu den Themen, die Roi angesprochen habe. Erben lobte die Verkleinerung des Landtags und die Abschaffung des Wahlrechtsausschlusses für gesetzlich Betreute, die der Gesetzentwurf enthalte. "Die vorgelegten Regelungen gleichen sich an die erfolgten Änderungen im Bundeswahlgesetz an", rekapitulierte Christina Buchheim (DIE LINKE). Diese Änderungen sollten auch in der Landeswahlordnung angepasst werden. Unsicherheit bestehe darin, wer außer den Wahlhelfern Menschen mit Behinderungen im Wahlbüro noch unterstützen dürfte. Ganz klar zu kritisieren sei, dass trotz Reduzierung noch immer vier Wahlkreise hinsichtlich des Bevölkerungsanteils erhebliche Abweichungen im höheren zweistelligen Bereich aufwiesen. Es wäre besser, diese Abweichungen schon jetzt aufzulösen, so Buchheim.

Der Gesetzentwurf sei die Folge eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts, das den Ausschluss von in allen Belangen betreuten Menschen von der Wahl verfassungswidrig erklärte. Die sei ein richtiger und wichtiger Schritt, für den sich die Grünen schon seit 2016 eingesetzt hätten, erklärte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Das Wahlrecht für alle Wahlberechtigten sollte durch den Einsatz der Einfachen Sprache und der Gebärdensprache erleichtert werden, Letztere sollte im Gesetzgebungsverfahren noch ergänzt werden, ebenso die Arbeit mit Symbolen und einem verbesserten Design der Stimmzettel. Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Mehr Hausärzte, mehr Autonomie

Das Parlament verabschiedete in der September-Sitzungsperiode zwei Gesetze. Zum einen ging es um die Veränderung hochschulrechtlicher Vorschriften, zum anderen um das sogenannte Landarztgesetz für eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung.


Die Landesregierung legte im Mai 2019 einen Gesetzentwurf zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vor. Damit sollte insbesondere das zentrale Verfahren bei der Vergabe von Studienplätzen im Fach Medizin geändert werden. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die geltenden Vorschriften für teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärte. Der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung hatte nun eine Beschlussempfehlung erarbeitet, die die Annahme des geänderten Gesetzentwurfs vorsah. Diesem Ansinnen ist die Mehrheit des Landtags bei der abschließenden Abstimmung auch gefolgt.

Parallel zum beschlossenen Gesetz brachte die Landesregierung zudem eine Neufassung des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in den Landtag ein. Es soll der weiteren Stärkung der Autonomie und Eigenverantwortung sowie der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen des Landes dienen, darüber hinaus der Erweiterung ihrer wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten, der verbesserten Partizipation aller Hochschulmitglieder an Entscheidungen, der Verbesserung von Studium und Lehre und der Förderung der Chancengleichheit, insbesondere auch beim Zugang zu Promotionen. Dieser Gesetzentwurf wurde am Ende der Debatte in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung (federführend) sowie in den Ausschuss für Finanzen (mitberatend) überwiesen.

Das zweite im September 2019 beschlossene Gesetz beinhaltet die Gewährleistung einer wohnortnahen hausärztlichen Versorgung der Menschen in ländlichen Regionen in Sachsen-Anhalt. Nach Ansicht der Landesregierung werde diese zunehmend schwieriger. Um diesem Mangel wirksam zu begegnen, brachte die Landesregierung im April 2019 einen Gesetzentwurf ein, durch den die gewünschte ärztliche Versorgung sichergestellt werden soll. Unter anderem können Studentinnen und Studenten der Humanmedizin bevorzugt zugelassen werden, wenn sie sich vor Studienbeginn verpflichten, anschließend als Hausärzte in Sachsen-Anhalt tätig zu werden.

Die Bewerberinnen und Bewerber verpflichten sich allerdings in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zu einer Strafzahlung in Höhe von 250.000 Euro, wenn sie einer ihrer Verpflichtungen nicht oder nicht unverzüglich nachkommen. Nach seinen internen Beratungen zum Gesetzentwurf empfahl der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration dem Landtag, den genannten Gesetzentwurf in veränderter Fassung anzunehmen. Dem ist die Mehrheit im Landtag auch nachgekommen.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Baukostensenkung ist Thema

Die Landesregierung sollte per Antrag der AfD-Fraktion aufgefordert werden, eine unabhängige und ehrenamtliche Kommission zur Baukostenbewertung und zur fachtechnischen Beurteilung von Baunormen einzurichten.


Für ein Eigenheim müsse immer mehr Geld aufgewendet werden, dies sei eine Folge der Vorgaben der EU für strengere Regeln für das energetische Bauen, erklärte Matthias Büttner (AfD). Wenn das Erdgeschoss eines Neubaus bereits behindertengerecht gestaltet worden sei, sei es nicht nötig, jedes Wohnhaus auch noch mit einem Aufzug zu versehen, meinte Büttner. Er sprach zudem von einer "dritten Miete": die Kosten für die Wartung und Instandhaltung teurer technischer Geräte. "Wir brauchen wartungsfreie Häuser, die Baustandards sind viel zu hoch."

Geänderte Normen und Standards hätten ganz gewiss steigernde Auswirkungen auf die Baukosten, räumte Finanzminister Michael Richter (CDU) in Vertretung von Bauminister Thomas Webel ein. Die Gremien der Bauministerkonferenz seien mit der Thematik bereits befasst: Kosten- Nutzen-Prüfungen sollen zukünftig obligatorisch neue Baunormen evaluieren. Beim "Wohngipfel" im Bundeskanzleramt im vergangenen Jahr sei bereits über die Verhinderung der Kostensteigerung durch Baunormen diskutiert worden. Ein weiteres Gremium auf Landesebene sei nicht notwendig und laufe den Bemühungen des Bundes zuwider, betonte Richter hinsichtlich des AfD-Antrags.

Die Förderung von Teilsanierung (zum Beispiel Schallschutz, Einbruchsicherheit) werde - im Gegensatz zur AfD-Erkenntnis - bereits ermöglicht, stellte Dr. Falko Grube (SPD) richtig. Die Vorschläge der AfD zur Kostensenkung - keine Fußbodenheizung, keine Aufzüge in Mehrfamilienhäusern - seien völlig absurd, befand Grube. "Kein Bauunternehmer baut ein Mehrfamilienhaus ohne Aufzug."

"Der vorliegende Antrag ist zur Erreichung bezahlbaren Wohnraums nicht geeignet", erklärte Guido Henke (DIE LINKE). "Wenn die Mieten steigen, dann wohl wegen steigender Ertragserwartungen." Henke empfahl, die Debatte über den bezahlbaren Wohnraum mit der Strukturwandeldiskussion verbunden zu führen. Die bestehende EU-Gebäuderichtlinie gebe vor, was baulich zu tun sei, landesinterne Regelungen seien da nicht zielführend. "Die Fraktion DIE LINKE lehnt diesen Mist ab", sagte Henke.

Die AfD-Fraktion hätte sich die Vorschläge der Baukostensenkungskommission des Bundes vor der Einbringung ihres Antrags einmal ansehen sollen, reklamierte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Dann nämlich hätte Klarheit geherrscht, "was man ändern kann und was man nicht ändern kann". Die Grünen setzten sich für die Sanierung und Instandsetzung der Altbausubstanz ein, es gelte, die zergliederte Wohnstruktur wieder näher zusammenzuführen und alte Stadt- und Dorfkerne zu revitalisieren, ökologische Dämmung zu installieren und innerstädtische Baulücken zu schließen.

"Wir müssen daran arbeiten, die Baukosten zu senken und Wohnen bezahlbar gestalten", sagte Frank Scheurell (CDU). Wenn die Materialkosten stiegen, sei es nicht verwunderlich, dass auch die Baukosten insgesamt anstiegen. Die Beschlusslage zum Bauen sei eindeutig, man müsse sich nur daran halten oder sie überhaupt kennen, wandte sich Scheurell an die AfD.

Hintergrund des Antrags ist der wachsende Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bei gleichzeitig steigenden Baukosten. Die anderen Fraktionen verwiesen auf Maßnahmen im Bund und lehnten den Antrag einhellig als nicht substanziell ab.

Dr. Stefan Müller

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IM BLICKPUNKT

Freie Berufe wichtig für Wirtschaft

Mit ihrer Großen Anfrage wollte die CDU-Fraktion Klarheit über die Situation und Entwicklung der Freien Berufe in Sachsen-Anhalt schaffen. Die Antworten der Landesregierung wurden von den Fraktionen unterschiedlich bewertet.


Ohne die Freien Berufe wäre unser wirtschaftliches, privates und gesellschaftliches Leben undenkbar", konstatierte Ulrich Thomas (CDU). Denn fast alles, was nah am Menschen ist, seien Freie Berufe: Wirtschaftsprüfer, Ärzte und andere Heilberufe, Ingenieure, Architekten oder Anwälte. Allein in Sachsen-Anhalt erwirtschafteten mehr als 105.000 Freiberufler rund 15 Prozent des Bruttosozialprodukts. Allerdings stünden auch die Freien Berufe in den nächsten Jahren vor enormen Herausforderungen (Globalisierung, Energiewende, Demografie, Digitalisierung). Seiner Ansicht nach sei es wichtig, die Tugenden, welche die deutsche Wirtschaft bisher weltweit zu einem Vorbild gemacht hätten ("Made in Germany"), zu bewahren.

Kritisch sah der CDU-Abgeordnete die Tendenzen der Europäischen Union, die durch einheitliche Regelungen zur Absenkung der deutschen Standards führen würden. Konflikte gebe es beispielsweise bei der dualen Ausbildung, der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure und dem Restauratoren-Gesetz. Auch den Bologna-Prozess bewertete er kritisch, er habe Deutschland beispielsweise den Diplom-Ingenieur gekostet sowie zum Qualitätsverlust bei den Studienabschlüssen geführt. Thomas rief alle Abgeordneten auf, "das gesellschaftliche Fundament der Freien Berufe aktiv zu verteidigen". Die CDU werde beispielsweise nicht zulassen, dass die Qualität der Berufsausbildung gemindert und das System der Selbstverwaltung aufgegeben werde.

Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD) erklärte, dass sich die Wirtschaft in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt habe. Davon profitierten gleichermaßen die Freien Berufe in Sachsen-Anhalt. Als Herausforderung sehe er derzeit die Unternehmensnachfolge, deshalb unterbreite das Land diverse Beratungsangebote und gewähre Darlehen für die Übernahme eines Unternehmens. Zur Kritik am BolognaProzess konterte Willingmann: Es sei ja gerade auf Wunsch der Wirtschaft das Studium verkürzt worden, um schneller Fachkräfte mit einem ersten Studienabschluss zu haben. Außerdem könne er keine Qualitätsabsenkung sehen, denn um heute einen Master-Abschluss (6 Semester Bachelor + 4 Semester Master) zu erhalten, müssten Studenten zwei Semester länger studieren als früher (8 Semester).

Alexander Raue (AfD) bemängelte die Antworten aus der Großen Anfrage: Sie seien teilweise nicht aktuell, ohne großen Neuigkeitswert oder unkonkret. Allgemein würden viele Hoffnungen auf EU-Verordnungen gesetzt, gleichzeitig werde deutlich, dass bestimmte Fördermittel gar nicht abgerufen werden könnten. An mehreren Stellen der Großen Anfrage hätte die Landesregierung selbst eingeräumt, dass sie keine gesonderten Fördermaßnahmen zu Freien Berufen plane. Besonders unverständlich erscheine dem AfD-Abgeordneten die Tatsache, dass die Landesregierung keine neuen Studienplätze im Bereich Humanmedizin plane, obwohl der Ärztemangel doch bekannt sei. Stattdessen werde auf die bundesweit überdurchschnittliche Quote von 2,3 Absolventen pro Einwohner verwiesen.

Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) unterstrich die besondere Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft, da sie nicht nur das Image des Landes prägten sondern auch wichtige Impulse für den übrigen Teil der Wirtschaft lieferten. Um Freiberufler in diesem Bereich noch besser zu unterstützen, müssten der Ausbau der Infrastruktur und der Abbau der Bürokratie vorangetrieben werden. Eine weitere große Baustelle sei, die medizinische Versorgung auch im ländlichen Raum zu gewährleisten.

Die wirklich wichtigen Fragen hätte die CDU-Fraktion in der Großen Anfrage nicht gestellt, erläuterte Doreen Hildebrandt (DIE LINKE). So sei beispielsweise nicht gefragt worden, wie viele Freiberufler Soloselbstständige seien, wie viele ALG II bezögen und wie viele sich keine Renten-, Arbeits- und Pflegeversicherung leisten könnten. Somit werde das wirkliche Leben vieler Freiberufler nicht erfragt, denn neben Ärzten und Anwälten gebe es viele andere Berufsgruppen, die sich in prekären Verhältnissen befänden. Sie bekämen oftmals Verträge vorgesetzt, in denen es keine gesetzliche Honorarordnung gebe. Um konkrete Verbesserungen vorzuschlagen, sollte man die einzelnen Branchen innerhalb der Freien Berufe konkret betrachten, so Holger Hövelmann (SPD). Wenn künftige Logo-, Ergo- oder Physiotherapeuten immer noch Schulgeld bezahlen müssten und keine Ausbildungsvergütung erhielten, sei dies ein enormes Ungleichgewicht. Dies müsse dringend geändert werden, entsprechende Gelder sollten daher vom Bildungsministerium in den kommenden Haushaltsplan eingestellt werden.

Studierende in der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften nach Studienbereichen © Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Halle (Saale), 2019

Stefanie Böhme

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IM BLICKPUNKT

Seniorenpolitik auf dem Prüfstand

Die Fraktion DIE LINKE hat mit einer Großen Anfrage den aktuellen Stand bei der Umsetzung des seniorenpolitischen Landesprogramms erfragt. Die Antworten der Landesregierung machten deutlich, dass es noch einiges zu tun gibt.


Mehrgenerationenhäuser", "mobile Praxisassistentinnen" oder das Programm "Altern mit Biss" - die konkreten Projekte im Rahmen des seniorenpolitischen Programms sind äußerst vielfältig. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stellt es seit 2008 einen Teil des Handlungskonzepts der Landesregierung zur nachhaltigen Bevölkerungspolitik in Sachsen-Anhalt dar. Bevor das Programm in zwei Jahren ausläuft, wollte die Fraktion DIE LINKE mit einer Großen Anfrage den aktuellen Stand der Umsetzung erfragen und eine mögliche Fortsetzung des Programms nach 2020 prüfen.

Das 76-seitige Programm sei nicht viel mehr als ein "Schubladenfüller", denn lediglich 25 Prozent der beschlossenen Maßnahmen seien bislang umgesetzt, monierte Katja Bahlmann (DIE LINKE).

Unverständlich sei insbesondere, dass den für viele Seniorinnen und Senioren so essentiell wichtigen Themen wie Gewalt gegen alte Menschen/Gewalt in Pflegebeziehungen, die geriatrische Versorgung, Seniorentickets im ÖPNV, Verbraucherschutz und Altersarmut keine Bedeutung beigemessen worden sei. Daraus lasse sich recht klar die Bedeutung der größten Bevölkerungsgruppe des Landes für die Landesregierung messen. Außerdem könne der Antwort der Landesregierung entnommen werden, dass keine Maßnahmen eingeleitet worden seien, um die Öffentlichkeit für die Themen Gewalt und Stalking gegen ältere Menschen zu sensibilisieren, obwohl die häusliche Gewalt gegen ältere Menschen seit 2014 um 83 Prozent zugenommen habe, konstatierte die Linken-Abgeordnete. Besonders betroffen mache Bahlmann die Aussage der Landesregierung zur Altersarmut in Sachsen-Anhalt. Die Aussage, das Land betreibe keine Einkommenspolitik für Ältere, lasse tief blicken. Gleichzeitig würden jegliche Anträge der Linken für diesen Bereich im Landtag abgelehnt oder verzögert.

Bahlmanns Fazit: "Die Landesregierung Sachsen-Anhalts betreibt eine unzureichende Politik für Seniorinnen und Senioren." Um dies zu ändern, werde ihre Fraktion demnächst einen seniorenpolitischen Maßnahmenplan in den Landtag einbringen. Man sollte den positiven Beispielen aus anderen Bundesländern folgen, "um der älteren Generation die Wertschätzung entgegenzubringen, die es braucht, um die Lebensleistung dieser Menschen zu honorieren und ein würdevolles Leben im Alter inmitten unserer Gesellschaft zu garantieren."

Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) erwiderte, das Programm sei kein Maßnahmenkatalog sondern formuliere lediglich Leitlinien für die Seniorenpolitik, denn diese liege in der Verantwortung vieler Akteure, vornehmlich in der kommunalen Zuständigkeit. Bei der Seniorenpolitik gehe es im Wesentlichen darum, allen Menschen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben im Alter zu ermöglichen. Die Ministerin verwies zudem auf die zahlreichen Dialoge am Runden Tisch, die ihr Haus mit Seniorinnen und Senioren geführt habe. Zudem sei es gelungen, das ehrenamtliche Engagement innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe und ihre Netzwerke zu stärken. Die Kritik beim Thema "Verbraucherschutz" wollte Grimm-Benne nicht auf sich sitzen lassen und erklärte, dass sich alle Beratungsstellen in den letzten Jahren verstärkt dem Thema Verbraucherschutz für Senioren widmeten. Außerdem verwies sie darauf, dass das Land seit einigen Jahren den altersgerechten Umbau von Wohnungen fördere. Es gebe auch zwei Bürgerbusprojekte zur Verbesserung der Mobilität von Senioren, die gerade modellhaft in Osterburg und Möser mit Unterstützung der Landesregierung realisiert würden.

Tobias Krull (CDU) stellte fest, etwa 34 Prozent der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt seien 60 Jahre und älter. Das Thema habe daher eine enorme Bedeutung. Allerdings würden viele politische Maßnahmen nicht nur Senioren helfen, sondern die gesamte Gesellschaft profitiere davon (Aufzüge, Internet, Ärzte usw.). Vor diesem Hintergrund fand 2017 auch das erste Forum der Generationen im Landtag statt und hätte interessante Erkenntnisse gebracht.

Für noch mehr Beteiligung von Senioren in der Politik hätte das neue Kommunalverfassungsgesetz den Weg frei gemacht, so der CDU-Abgeordnete. Das ehrenamtliche gesellschaftliche Engagement von Senioren sei ein wichtiger Beitrag für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Seine Fraktion erwarte, dass zum Thema Altersarmut auf Bundesebene eine gute Lösung gefunden werde.

Das seniorenpolitische Programm zeige auf, dass es unzähliger Maßnahmen bedürfe, um älteren Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Allerdings würde man auch mit diesen Maßnahmen nur die Symptome behandeln, betonte Ulrich Siegmund (AfD). Früher hätten funktionierende Familienstrukturen diese Aufgaben übernommen, dies sei heutzutage jedoch nicht mehr möglich. Seine Fraktion fordert daher unter anderem, wer 30 oder 40 Jahre gearbeitet habe, müsse eine auskömmliche Rente erhalten, zudem müsste die Familie gestärkt werden.

Sachsen-Anhalt bekomme es seiner Ansicht nach jedoch nicht einmal hin, eine kostenfreie Kita-Betreuung einzuführen, stattdessen würden illegale Einwanderer durchgefüttert oder Gender-Programme finanziert, kritisierte der AfD-Abgeordnete. Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sagte, ein zentraler Ansatz um die Teilhabe älterer Menschen zu ermöglichen, sei der Quartiersansatz und genau dieser konnte in Form einer Beratungsstelle gestärkt werden. Außerdem seien ein guter ÖPNV oder autonomes Fahren zentrale Vorhaben, um Senioren möglichst lange Mobilität zu gewähren.

"Ich glaube, unsere Seniorenpolitik ist nicht so schlecht, wie es Kollegin Bahlmann dargestellt hat", erklärte Andreas Steppuhn (SPD). Es sei wichtig, das Engagement von Senioren zu unterstützen und zu stärken und gleichzeitig ihre Lebensleistung wertzuschätzen. Deshalb müsse es natürlich Verbesserungen in den Bereichen Gesundheit und Pflege geben, räumte Steppuhn ein. Allerdings habe die Landesregierung schon viele konkrete seniorenpolitische Forderungen umgesetzt, beispielsweise die Familienpatenschaften und die Stärkung der generationsübergreifenden ehrenamtlichen Arbeit. Gleichzeitig gebe es noch einige Baustellen, an erster Stelle nannte Steppuhn die Bekämpfung der Altersarmut durch die Einführung einer Grundrente.

Am Ende der Debatte zur Großen Anfrage wurden keine Beschlüsse gefasst.

Stefanie Böhme

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IM BLICKPUNKT

Justizvollzug in der Schweiz

Auf einer Delegationsreise vom 2. bis 5. September 2019 in den Kanton Aargau (Schweiz) informierten sich Mitglieder des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung über neue technische Möglichkeiten im Umgang mit Strafgefangenen.

Grundsätzlich konnten wir feststellen, dass die Personalausstattung für den Vollzugsdienst deutlich besser ist als bei uns", erklärte Ausschussvorsitzender Detlef Gürth (CDU) nach seiner Rückkehr aus der Schweiz. Die 6-köpfige Delegation, zu der auch Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) gehörte, besuchte unter anderem die Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg. Diese wurde bereits 1864 eröffnet und galt damals als modernste Einrichtung Europas. Heute bietet sie Platz für mehr als 300 Gefangene und Arbeitsplätze für rund 250 Menschen.

Bei der Sanierung der JVA sei in den vergangenen Jahren erheblich in die Infrastruktur investiert worden, um das Hereinschmuggeln verbotener Gegenstände (zum Beispiel Drogen und Handys) nahezu unmöglich zu machen, betonte Gürth. Heute gebe es dort nicht nur eine Drohnendetektionsanlage sondern auch Mobilfunkdetektion. Auf diese Weise werde verhindert, dass Gegenstände auf das Gelände der JVA geworfen und Handys benutzt werden. Denn in jeder Zelle sei von vornherein ein Handydetektor installiert, der dort sofort Alarm auslöst, falls jemand ein Handy nutzt. "Das ist auch in Deutschland gerade ein großes Thema, denn immer wieder kommt es vor, dass Strafgefangene via Handy Kontakt in ihre Milieus halten und sogar Zeugen oder Lebenspartner einschüchtern", erläuterte Gürth die Bedeutung der Maßnahme. Allerdings verursache eine Ausstattung mit solchen Detektoren auch Kosten, etwa 1000 Euro pro Zelle, fügt er hinzu.

Ein weiteres Thema bei den Gesprächen sei der Fachkräftemangel im medizinischen Bereich gewesen. Hier habe die JVA einen interessanten Weg eingeschlagen. In einem Pilotprojekt könnten sich Gefangene übers Internet via Telemedizin an einen Arzt in einer Klinik wenden. Speziell ausgebildete Krankenschwestern und Pfleger unterstützten den Prozess. Auch die Krankenakte würde dem Arzt bereits elektronisch übermittelt, sodass sie beim Gespräch ebenfalls auf dem Bildschirm verfügbar ist. "Ich meine, das ist eine wirklich gute Idee und Möglichkeit, die ärztliche Versorgung im Strafvollzug sicherzustellen", sagte Detlef Gürth. In akuten Fällen würden die Strafgefangenen natürlich in eine Klinik gebracht.

Beim Thema "Resozialisierungsmaßnahmen" konnte die Delegation feststellen, dass Sachsen-Anhalt grundsätzlich auf einem guten Weg sei. Allerdings nutzten die Schweizer Kollegen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs eine zusätzliche Methode, die es in Sachsen-Anhalt so noch nicht gebe, die "restaurative Justiz", erklärte Gürth. Strafgefangene würden in Gesprächen direkt mit Opfern zusammengebracht, um über das Verbrechen, seine Entstehung und Folgen zu sprechen. Auf diese Weise erhielten Opfer die Chance, das Erlebte zu verarbeiten, Täter würden erkennen, was sie tatsächlich angerichtet haben.

Gürths Fazit insgesamt: "Die Reise hatte einen wirklich hohen Informationsgehalt und bot viele Anregungen und Verbesserungsmöglichkeiten für unseren Justizvollzug." Insbesondere im Hinblick auf den geplanten Ausbau der JVA Halle seien die gewonnenen Erkenntnisse sehr hilfreich.

Stefanie Böhme

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IM BLICKPUNKT

Europaausschuss im Bundesrat

Um das Programm Finnlands während der EU-Ratspräsidentschaft vorzustellen, empfing der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien den Gesandten der Botschaft Finnlands Dr. Antti Kaski während seiner Sitzung im Bundesrat in Berlin.


Die Situation in der Europäischen Union ist nicht zuletzt durch den drohenden Austritt Großbritanniens angespannt. Finnland hat derzeit den Vorsitz im Europäischen Rat inne. Um das Programm der finnischen Regierung vorzustellen, empfing der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien des Landtags den Gesandten der Botschaft Finnlands Dr. Antti Kaski während seiner Sitzung, die diesmal im Bundesrat in Berlin stattfand.

Seit Juni 2019 habe Finnland eine neue Regierung und der erste Punkt des Regierungsprogramms sei der Klimawandel, betonte Dr. Antti Kaski, und die Bekämpfung des Klimawandels sei auch einer der Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft Finnlands. Das Vorsitz-Motto Finnlands laute "Ein nachhaltiges Europa, eine nachhaltige Zukunft", denn die Einigkeit der EU sei wichtiger denn je, nur geeinigt könne die EU dem Wandel in der Welt erfolgreich begegnen.

Finnland hat sich vier Schwerpunkte für die EU-Ratspräsidentschaft auf die Fahnen geschrieben: (1) Stärkung der gemeinsamen Werte und des Rechtsstaatlichkeitsprinzips. Darunter wird die Ergreifung effizienter Maßnahmen, um die Einhaltung der gemeinsamen Werte in den Mitgliedsstaaten sicherzustellen, verstanden, des Weiteren die Fortsetzung der Verhandlungen über eine Kopplung von Förderungen aus EU-Mitteln an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und eine Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter. (2) Wettbewerbsfähigere und sozial inklusive Union: Voraussetzungen für Wachstum und Wohlstand seien ein umfassender Binnenmarkt, eine ambitionierte, offene und regelbasierte Handelspolitik und die Schaffung einer inklusiven Wirtschaftsunion. (3) Stärkung der EU als Vorkämpferin gegen den Klimawandel: Bis Jahresende 2019 sollen die zentralen Elemente der langfristigen EU-Klimastrategie bis 2050 definiert werden, Umsetzung der Energieunion und Durchsetzung von Emissionsverringerungen, Ausweitung der Kreislaufwirtschaft. (4) Sicherheit für alle Europäerinnen und Europäer: die EU als starke, geeinte und effiziente außenpolitische Akteurin präsentieren, Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit für Schutz und Sicherheit in der EU, Vorbeugung und Abwehr hybrider Bedrohungen (künstliche Intelligenz, Cyberkriminalität); Stabilität der EU gewinne auch durch die Erweiterung der Gemeinschaft (Finnland baut auf Beitrittshandlungen mit den Ländern Mazedonien und Albanien).

Im Anschluss an den Vortrag des finnischen Gesandten nutzten die Mitglieder des Ausschusses die Gelegenheit, um sich mit ihren Fragen - etwa zum Klimaschutz, der Rechtsstaatlichkeit, der Entwicklungshilfe und der Asylpolitik unter dem Ratsvorsitz Finnlands - an Antti Kaski zu wenden. Darauf gab es für die Dame und die Herren noch eine Führung durch das Bundesratsgebäude, inklusive Besuch im Plenarsaal, in dem sich regelmäßig die Vertreterinnen und Vertreter der 16 deutschen Länder für Verhandlungen treffen.

Dr. Stefan Müller

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REGIONALFENSTER

Gräfenhainichen - die kleine Stadt der großen Abwechslung

Am Rande der Dübener Heide, zwischen der Bauhausstadt Dessau, der Lutherstadt Wittenberg und der Industrielegende Bitterfeld, macht eine kleine Stadt zunehmend von sich reden: Gräfenhainichen, einstmals Kreisstadt, über Jahrzehnte geprägt vom Braunkohletagebau und seiner Reparaturindustrie, mit einer fast einhundertdreißigjährigen Tradition des Buchdrucks, befindet sich im Aufbruch zu einer charmanten Kommune.


Besucher, die sich in der Tourist-Information Gräfenainichens nach Sehenswertem erkundigen, kommen häufig Paul Gerhardts wegen in die Kleinstadt im Landkreis Wittenberg. Denn ihr berühmtester Sohn gilt neben Martin Luther als der größte Dichter evangelischer Kirchenlieder aller Zeiten. Er wurde am 12. März 1607 in der heutigen Paul-Gerhardt-Straße geboren. Viele seiner 139 Lieder und Gedichte werden von Christen auf der ganzen Welt gesungen. Die titelgebende Zeile aus Gerhardts geistlichem Sommerlied "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" steht auf einem hölzernen Buch, das der aus einem rustikalen Baumstamm geschnitzte Theologe vor der Stadtkirche Gräfenhainichens in Händen hält. Seine Geburtsstadt, die im Mittelalter von wehrhaften Mauern umgeben und deren Ober- und Untertor von trutzigen Türmen geschützt war, errichtete ihm zu Ehren 1830 im klassizistischen Stil eine Paul-Gerhardt-Kapelle, in der eine Dauerausstellung über das Leben und Wirken Gerhardts informiert und eine Paul-Gerhardt-Bibliothek ihren Sitz hat. 1907, anlässlich seines 300. Geburtstags, wurde in Gräfenhainichen mit Spendengeldern aus ganz Deutschland ein Paul-Gerhardt-Haus als christliches Vereinshaus erbaut. In dem Gebäude befand sich später ein Kindergarten, heute dient es der evangelischen Kirche als Gemeindehaus.

Ein Rundgang durch Gräfenhainichen, dessen Häuser in der Innenstadt nach umfangreichen Sanierungen der vergangenen Jahre vielfach wieder in altem Glanz erstrahlen, führt vorbei am quadratischen Oberen Stadtturm, in dem einst die Wärter ihre Unterkunft hatten, zum Rathaus, einem Fachwerkbau aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Auf dem Marktplatz davor steht seit 1996 ein "Springbrunnen der Elemente", dessen Figuren die Urgewalten Feuer, Wasser und Wind darstellen. Unweit davon gewährt eine historische Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt Einblick in Alltag und Arbeitsleben einer gutbürgerlichen Familie um 1900. In der Kleinstadt Gräfenhainichen war damals traditionelles Handwerk stark vertreten. Dort hatte auch die "schwarze Kunst" eine lange Tradition, wovon mehr als 100 Jahre alte, aber noch immer funktionstüchtige Buchdruck- und Buchbindemaschinen in einem Museum künden.

Handwerk, Handel und Gewerbe bilden auch heute wieder das wirtschaftliche Rückgrat Gräfenhainichens. Immerhin 731 selbstständige Gewerbetreibende waren zu Jahresbeginn in der Einheitsgemeinde tätig, als Handwerker, Dienstleister, Händler, Gastronomen oder Hoteliers sowie im industriellen Bereich. Über viele Jahrzehnte aber waren es der Bergbau und dessen Reparaturindustrie, die den Bewohnern der Stadt Brot und Arbeit gaben. Schon 1890 begann auf der Hochfläche von Gräfenhainichen-Schmiedeberg, einem Endmoränengebiet mit braunkohleführenden Schichten, der Abbau. Doch richtig los ging es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als zunächst Golpa-Nord bei Gräfenhainichen aufgeschlossen wurde und später die Kraftwerke Zschornewitz und Vockerode für die Erzeugung von Elektrizität auch aus dem Tagebau Gröbern mit Braunkohle versorgt wurden. Die Wunden, die die riesigen Bagger in das Erdreich rissen, sind kaum noch zu sehen, an beiden Tagebau-Standorten bei Gräfenhainichen entstanden Gewässer: Der Gröbener See mit einer Wasserfläche von insgesamt 374 Hektar und der über 500 Hektar große Gremminer See. Die Stadt Gräfenhainichen nutzt die Umgestaltung der Tagebaulandschaft, um mit dieser für sich als eine Region für Freizeit und Erholung, Natur- und Landschaftsschutz zu werben.

Doch es sind (noch) nicht so sehr die Badelustigen und Wassersportler, die zuhauf vor allem an den Gremminer See strömen. Vielmehr lockt dorthin Ferropolis: Ferro als Präfix für Eisen und Polis, im Griechischen eine Stadt bezeichnend. Die Idee für diese Stadt aus Eisen wurde vor genau 30 Jahren geboren, beim II. Internationalen Walter-Gropius-Seminar vom 4. bis zum 10. November 1989 am Dessauer Bauhaus. Am Ende jener Woche fiel nicht nur die Mauer in Berlin, sondern war auch die Vision von einem "Industriellen Gartenreich" entstanden. Es sollte zur Korrespondenzregion der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover werden. Von den zahlreichen Projekten dieses Industriellen Gartenreichs avancierte die Baggerstadt bei Gräfenhainichen zum vielbesuchten Vorzeigeobjekt. Anfangs aber glich das Areal des heutigen monumentalen Freiluftmuseums noch einer Mondlandschaft.

Die traditionellen, zunächst noch verstreuten Braunkohlereviere in Mitteldeutschland waren in den 1950er Jahren zu einem Ganzen verschmolzen: In 20 Tagebauen förderten fast 60.000 Bergleute jährlich bis zu 100 Millionen Tonnen Kohle als Rohstoff für zahlreiche Kraftwerke, Brikettfabriken und Schwelereien. Unter diesen Tagebauen gehörte Golpa-Nord eher zu den kleinen. Doch auch dort hatten über einen Zeitraum von fast 30 Jahren, in dem eine ganze Ortschaft - Gremmin - dem Bergbau weichen musste, riesige Bagger ein beinahe 2000 Hektar großes Gebiet durchfurcht, 341.000 Kubikmeter Abraum aus der Erde geschürft und knapp 70 Millionen Tonnen Rohbraunkohle gefördert. "Für einen Eimer Braunkohle mussten sechs Eimer Wasser abgepumpt und fünf Eimer Abraum verkippt werden", beschreibt Isa Feller von der Ferropolis GmbH den damaligen - wahrlich nicht sehr effektiven - Förderaufwand. Die Diplomchemikerin kam 1996 in die Region und gehörte mit zu jenen, die geführte "Spaziergänge" durch die Tagebaulandschaft von Golpa-Nord unternehmen konnten. Dann erlebte sie hautnah mit, wie dort nicht nur ein künstlicher See als Tagebau-Folgelandschaft entstand, sondern die inzwischen weltweit größte Stahlskulptur Gestalt annahm. Der Bauhaus-Vision vom Industriellen Gartenreich folgend, wurden damals fünf Tagebaugroßgeräte vor der Verschrottung gerettet und unter großem Aufwand an ihren neuen Standort gegenüber von Gräfenhainichen gebracht.

Auf einer 20 Hektar großen Halbinsel im seit 2000 gefluteten Gremminer See, der inzwischen die Wüste des früheren Tagebaus bedeckt, tragen diese rostigen Giganten so phantasievolle Namen wie Mad Max, Mosquito, Big Wheel, Gemini und Medusa. Zusammen sind sie Ferropolis - eine Stadt aus Eisen. Und weil zu einer antiken griechischen Stadt immer auch eine Arena gehörte, bekam auch diese eine, um die die Bagger und Absetzer gruppiert wurden und eine grandiose Kulisse für die jährlich zunehmenden kleinen und großen Veranstaltungen in Ferropolis bilden. Bis zu 25.000 Menschen können in der Arena die besondere Atmosphäre zwischen Musik, Licht, Natur und den stählernen Relikten der ehemaligen Industrieregion erleben. Eingeweiht wurde die Arena im Sommer 2000 im Rahmen der EXPO mit einem Konzert von Mikis Theodorakis und einer Lichtinstallation von Gerd Hof.

An die 120.000 Besucher kommen seither in jedem Jahr zu Festivals und Events in die Stadt aus Eisen, die früher Energie und Technik, für viele aber nur grauer Ar­ beitsalltag war und heute bunte Kultur verschiedener Genres bietet, berichtet Isa Feller. Auf der Bühne vor "Mad Max" begeisterten schon Künstler wie Herbert Grönemeyer, Peter Maffay, Nena, Tokio Hotel, Die Toten Hosen und Metallica ihre Fans. Doch nicht nur deren Auftritte oder Festivals wie MELT oder SPLASH! locken Besucher aus allen Teilen Deutschlands in die Stadt aus Eisen. Isa Feller und das Ferropolis-GmbH-Team zählen jährlich auch an die 30.000 Tagesbesucher, denen die Tagebaugiganten am Gremminer See einen ganz besonderen Einblick in mitteldeutsche Industriegeschichte bieten. Den mit fast 2000 Tonnen schwersten und gewaltigsten der insgesamt 7000-Tonnen-Stahl-Gigan­ ten können Besucher sogar begehen - den zweiteiligen Absetzer "Gemini", der 1958 in Köthen gebaut wurde und dann mit einer bis zu achtköpfigen Besatzung in den Tagebauen Muldenstein und Golpa-Nord im Einsatz war. Damit er und seine vier "Gefährten" standsicher bleiben und nicht gänzlich vom Rost zerfressen werden, werden sie alle zwei Jahre einer statischen Prüfung unterzogen und nach 15 Jahren gründlich saniert.

In der einstigen Schaltwarte des Tagebaus Golpa-Nord, dem damaligen "elektrischen Herzen", das den gesamten Bergbaubetrieb mit Strom versorgte, erzählt der Ferropolis-Förderverein mit seinen Ausstellungen von dem Industriezweig, der die Region so lange und so nachhaltig prägte. Denn nicht nur im Bergbau selbst arbeiteten Bewohner von Gräfenhainichen und Umgebung, auch die Zentrale Reparaturwerkstatt beschäftigte 2000 Männer und Frauen.

Damals hätte es wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass im Bergbaurevier Ehen geschlossen werden können. Doch das ist heute gar nicht so selten, hat doch Gräfenhainichens Standesamt eine Außenstelle in der einstigen 30-KV-Station. Gleich neben diesem "Trauzimmer": Die Nachbildung der Fundstelle sowie die Knochen und Stoßzähne des 1987 im nahen Tagebau Gröbern gefundenen, 125.000 Jahre alten Waldelefanten.

Wer die Stadt aus Eisen nicht nur als Museum oder besondere kulturelle Location erleben möchte, kann das weitläufige und abwechslungsreiche Gelände rund um Ferropolis auch bei einer Trabant-Rallye, bei Quad-Touren oder per Segway erkunden. Isa Feller und das Team der Ferropolis GmbH hoffen, dass sie Gästen bald auch einmal Erholung und Spaß am und auf dem Gremminer See anbieten können. Noch aber steht das Gewässer unter Bergrecht, darf vorerst also nicht zum Baden, Boot fahren oder Wasserski genutzt werden. Umrunden kann man das mit Mulde-Wasser gefüllte einstige Tagebau-Loch aber: Von April bis Oktober zum Beispiel mit direkt in Ferropolis gemieteten Fahrrädern. Der zirka 16 Kilometer lange Rundkurs führt auf der der Stadt aus Eisen gegenüberliegenden Seite zu Gräfenhainichens "Stadtbalkon" am Ende der Gremminer Brücke, die die Verbindung von Gräfenhainichen und Ferropolis symbolisiert und nach dem verschwundenen Dorf benannt wurde. Der Flügelaltar der einstigen Gremminer Kirche fand in Gräfenhainichens Stadtkirche St. Marien ein neues Domizil.

Die Bewohner von Gremmin wurden, bevor ihre Häuser dem Tagebau weichen mussten, umgesiedelt. Vielleicht fand der eine oder andere ein neues Heim in Zschornewitz, einem Ortsteil von Gräfenhainichen. Dort wurde vor gut 100 Jahren das einst größte und modernste Braunkohlekraftwerk der Welt aus dem Boden gestampft. Inzwischen ein Industriedenkmal, ist dieser zu den ältesten Kraftwerken Deutschland zählende einstige Energieerzeuger, der Strom bis nach Berlin lieferte und dafür auch rund ein Drittel der Braunkohleförderung von Golpa-Nord verfeuerte, aus Sicherheitsgründen allerdings nicht mehr öffentlich zugänglich. Die Werkssiedlung nahe dem Kraftwerksareal hingegen lohnt einen Besuch. Die "Kolonie" Zschornewitz wurde ab 1915 für die Arbeiter des Kraftwerks erbaut und ist heute, nach umfangreicher Sanierung Ende der 1990er Jahre, ein Schmuckstück moderner Siedlungsarchitektur.

Die knapp 11.000 Einwohner der Einheitsgemeinde Gräfenhainichen leben nicht nur in der 1200 erstmals erwähnten Kernstadt und in Zschornewitz, sondern auch in den Ortsteilen Buchholz, Ho henlubast, Jüdenberg, Möhlau, Schköna und Tornau. Von der Braunkohle sehr geprägt wurde auch Möhlau, wo sich mit dem Möhlauer See, der Alten Grube und Grube 33 drei geflutete Tagebaurestlöcher befinden, die nun als Badeseen genutzt werden. Der Ortsteil Schköna ist mit 160 Metern über dem Meeresspiegel der höchstgelegene Ort im Naturpark Dübener Heide, einer weitgehend landund forstwirtschaftlich geprägten Landschaft. Bei Tornau produziert die letzte Köhlerei der Dübener Heide noch immer Holzkohle. Dort, wie in allen Ortsteilen, nutzt Gräfenhainichen, das sich selbst als "kleine Stadt der großen Abwechslung" bezeichnet, Ferropolis, die Dübener Heide und Paul Gerhardt für ein vielseitiges Touristenangebot und wird für ihre Bürgerinnen und Bürgern immer mehr zu einer attraktiven Wohnstadt.

Gudrun Oelze

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RÜCKBLICK

Erntedankfest im Schulgarten

Zu DDR-Zeiten gab es sie an jeder Schule, nach 1990 waren sie verschwunden und jetzt, 30 Jahre später, werden sie langsam wiederentdeckt - die Schulgärten. Wie viel Spaß sie machen können, beweist ein Schulgartenprojekt in der Grundschule Mühlanger.


Säen, gießen, Unkraut jäten und schließlich auch ernten - in der Grundschule Mühlanger gehört das wieder zum Schulalltag. Denn die kleine Schule in der Gemeinde Zahna-Elster beteiligt sich seit diesem Frühjahr am Schulgartenprojekt "Kleines Gemüse ganz groß" der AOK Sachsen-Anhalt. Mitte September veranstaltete die Schule ihr erstes Erntedankfest, an dem auch Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch teilnahm.

Gemeinsam mit den Kindern schnippelte die Präsidentin Gurken, Paprika und Möhren aus eigenem Anbau und bereitete mit den Kindern einen leckeren und frischen Salat zu. "Ich freue mich, dass es langsam wieder mehr Schulgärten in Sachsen-Anhalt gibt. Gerade Grundschüler können hier viel darüber lernen, wo unser Obst und Gemüse eigentlich herkommt", erklärte Landtagspräsidentin Brakebusch. Sie unterstütze die Schulgartenidee aus ganzem Herzen und hätte nichts dagegen, wenn das Fach oder einzelne Elemente wieder in den Lehrplan aufgenommen würden. Ähnlich sieht es Henry Saage, Landesrepräsentant der AOK Sachsen-Anhalt: "Schulgärten sind leider etwas aus der Mode gekommen. Wir wollen das ändern." Unterstützt wird das AOK-Schulgartenpro jekt von Frauen des Landfrauenverbandes Sachsen-Anhalt e. V., die ihr Fachwissen zu Ernährungs- und Verbraucherbildung über die gesamte dreijährige Projektdauer ein bringen. Sie helfen beim Errichten eines Gemüsebeetes und geben Tipps, wie die Schüler und ihre Lehrer das Angebaute zu einer gesunden Mahlzeit verarbeiten können. Bislang werden in Sachsen-Anhalt acht Schulgärten von der AOK unterstützt.

Stefanie Böhme

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RÜCKBLICK

Konferenz im Welterbe-Dreieck

Frauen in den Parlamenten, Digitalisierung und Datenschutz: Die "LDK19" in Dessau und Wörlitz bot ausreichend Diskussionsstoff für das dreitägige Treffen der Direktorinnen und Direktoren der Landesparlamente.


Sachsen-Anhalt hatte im Juni 2019 von Bayern für ein Jahr die Federführung für die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente und des Deutschen Bundestags sowie für die Konferenz der Direktorinnen und Direktoren der deutschen Landesparlamente, des Deutschen Bundestags und des Bundesrats (LDK19) übernommen. Letztere fand vom 22. bis 24. September in Dessau und Wörlitz statt.

Auf der Tagesordnung der dreitägigen Konferenz standen nicht weniger als dreizehn Tagesordnungspunkte inklusive Impulsreferate, Berichterstattungen aus den Ländern und dem Bund und der einen oder anderen kulturellen Ergänzung zum Sitzungsgeschehen. Nicht umsonst fand die "LDK19" im Dreieck dreier Weltkulturerbestätten (Bauhaus Dessau, Dessau-Wörlitzer Gartenreich, Biosphärenreservat Mittlere Elbe) statt. Getagt wurde im Bauhaus selbst, das in diesem Jahr seinen 100. Gründungsgeburtstag beging.

Schon der erste Tagesordnungspunkt - Diskussionsstand und Reformüberlegungen hinsichtlich des Anteils von Frauen in den Parlamenten - glänzte mit einer deutlichen Überlänge. Auf das Impulsreferat von Daniela Suchantke vom Landesfrauenrat hin wurde im 100. Jahr des Frauenwahlrechts in Deutschland und der möglichen Einführung von Parité-Gesetzen in den Ländern intensiv und dabei tiefgründig diskutiert. Zweiter großer Schwerpunkt waren die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit in den Landesparlamenten. Auch die Öffentlichkeitsarbeit der Landtage in Zeiten von Social Media, der Datenschutz und die Informationsfreiheit wurden zum Thema gemacht. Nach dem jeweiligen Sitzungsschluss wurde sich der Kultur des Landes gewidmet. SachsenAnhalt bewies sich als guter Gastgeber sowohl in den Bereichen Kunst und Architektur (Bauhaus) als auch in der Natur und Landesgeschichte (Gartenreich). Die nächste LDK wird im April 2020 als zwei tägige Konferenz in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts in Berlin stattfinden.

Dr. Stefan Müller

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WEITBLICK

Wendejahre: Ostdeutschland 1990-1995

Daniel Biskup, ein deutscher Fotojournalist und Dokumentarfotograf, hat mit dieser deutsch- und englischsprachigen Veröffentlichung im Jahr 2012 eine beeindruckende Dokumentation der Wendejahre vorgelegt. In einem einleitenden Interview beschreibt er die Jahre von 1990 bis 1995 als besonders intensiv, weil sich für die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR ungemein viel - fast alles - geändert hat. Der Autor beschreibt auf eindrucksvolle Weise, wie es ihm über die damals verfügbaren Massenmedien - Radio und Fernsehen - gelang, häufig zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.

Daniel Biskup weist auch auf einen wichtigen Aspekt seiner Arbeit hin, der viele seiner Aufnahmen aus heutiger Sicht so eindrucksvoll macht: Es sei wichtig, mit dem Wissen zu fotografieren, dass alltägliche Dinge in der langfristigen Betrachtung so interessant werden, weil sie irgendwann vergehen werden. Die Ergebnisse seiner viele Tausend Kilometer umfassenden Reisen können wir heute auf 356 Seiten, ergänzt durch bildbezogene Hintergrundinformationen, auf uns wirken lassen.

Michael Rahmfeld

Daniel Biskup: Wendejahre. Ostdeutschland 1990-1995.
The first years after reunification. East Germany 1990-1995.

Augsburg: Salz und Silber, 2012.


Der Parlamentarische Rat 1948-1949: Die Entstehung des Grundgesetzes

Am 1. September 1948 begann der Parlamentarische Rat, gebildet aus den gewählten Delegationen der elf westdeutschen Parlamente, mit seinen Arbeiten zur Schaffung einer neuen Verfassung für die künftige Bundesrepublik, am 8. Mai 1949 verabschiedete er den Entwurf des Grundgesetzes. Der Historiker Michael Feldkamp nimmt uns gewissermaßen mit zurück in diese ereignisreiche Zeit neuer Weichenstellungen und legt mit dieser Untersuchung die erste wissenschaftlich fundierte Darstellung der politischen Geschichte des Parlamentarischen Rats vor. Er wirft dabei einen präzisen Blick auf die Arbeitsweise und die unterschiedlichen Positionen der "Väter und Mütter" unserer heutigen Verfassung und beschreibt das Ringen um tragfähige Kompromisse zwischen den politischen Lagern. Ein kurzer biografischer Abriss aller insgesamt 77 Mitglieder des Rats rundet dieses wichtige und lesenswerte zeitgeschichtliche Werk ab.

Michael Rahmfeld

Michael F. Feldkamp: Der Parlamentarische Rat 1948-1949.
Die Entstehung des Grundgesetzes.

Göttingen: Vandehoeck & Ruprecht, 2019.


Das deutsche Bildungssystem - Eine Katastrophe?

Michael Winterhoff, der Autor des Buches "Deutschland verdummt", ist Kinder- und Jugendpsychiater. Anhand vieler Beispiele aus seiner langjährigen Praxis und zahlreichen Rückmeldungen zu seinen Büchern und Vorträgen zum Thema Bildung in Deutschland beschreibt er den aktuellen Zustand in den Bildungseinrichtungen. Sehr kritisch beurteilt er das derzeitige Bildungssystem und kommt zu dem Schluss, dass die Zukunft unserer Gesellschaft gefährdet ist und insbesondere die Kinder die Leidtragenden sind.

Neben seiner Bestandsaufnahme schlägt er aber auch konkrete Lösungen und Maßnahmen zur Verbesserung und Optimierung des Bildungswesens vor. Er fordert unter anderem eine großangelegte Bildungsoffensive und ruft Bildungspolitiker, Wähler, Pädagogen und Eltern auf, Verantwortung zu übernehmen. Den Kindern soll durch die Orientierung an erwachsenen Bezugspersonen ermöglicht werden, ihre emotionale und soziale Psyche zu entwickeln. Denn nur auf dieser Basis sei es möglich, sich in andere Menschen einzufühlen, eine soziale Kompetenz und das Verständnis für demokratische Abläufe zu entwickeln.

Beate Grau

Michael Winterhoff: Deutschland verdummt. Wie das Bildungssystem die Zukunft unserer Kinder verbaut.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2019


Was Deutschland spaltet

Die Autoren Jakob Augstein und Nikolaus Blome sind Journalisten und streiten gern. Bisher taten sie das im TV-Sender Phoenix. Mit ihrem Buch "Oben und unten" suchen sie nun eine weitere Möglichkeit, ihre Diskussionen in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

In fünf Abschnitten des Buches streiten sie provozierend, hochinteressant und stets faktenreich miteinander über verschiedene Themenbereiche. Dabei betrachten sie Themen wie soziale Gerechtigkeit, Armut, Zuwanderung und die Agenda 2010 aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie vermitteln dem Leser, dass der Diskurs richtig und wichtig ist und dass der Begriff Streit nicht automatisch negativ besetzt sein muss.

Auf ironisch-unterhaltsame Art und Weise legen sie dar, wie wichtig die Auseinandersetzung mit kontroversen Meinungen ist, um einer Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken zu können.

Beate Grau

Jakob Augstein, Nikolaus Blome: Oben und unten. Abstieg, Armut, Ausländer - was Deutschland spaltet.
München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2019.


Die Landtagsbibliothek ...

­... ist eine wissenschaftliche Spezialbibliothek, die auch für Bürgerinnen und Bürger nutzbar ist. Die Sammelschwerpunkte umfassen die Bereiche Recht, Politik, Parlamentarismus, Sozialwissenschaften, Geschichte und Landeskunde.

Neben dem umfangreichen Literatur- und Zeitschriftenbestand stehen komfortable Arbeitsmöglichkeiten im Lesesaal zur Verfügung.

Öffnungszeiten (nicht an Feiertagen)
Mo. bis Do., 8-16.30 Uhr, Fr. 8-15 Uhr
Kontakt
Telefon: 0391 560 1135
E-Mail: bibliothek@lt.sachsen-anhalt.de

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RÜCKBLICK

Das Gedächtnis des Parlaments

Hinter die Kulissen geschaut: Zum 20-jährigen Jubiläum des Archivs des Landtags von SachsenAnhalt. Die Tätigkeit des Archivs wird vom Landesarchivgesetz geregelt. Tausende Objekte und Daten werden hier aufbewahrt.


Der Landtag von Sachsen-Anhalt besitzt seit dem einstimmigen Beschluss des Ältestenrats am 30. September 1999 ein eigenes historisches Archiv, das mit seiner Überlieferungsbildung die Entwicklung der Landesidentität unterstützt. Hier werden vor allem historisch und rechtlich bedeut same Unterlagen des parlamentarischen Betriebs und der Landtagsverwaltung aufbewahrt. Die Bestände des Land tagsarchivs umfassen derzeit rund 800 Regalmeter, wobei der Großteil auf die Gesetzesdokumentation entfällt. Zudem lagern hunderte DVDs, VHS-Tapes, Magnettonbänder sowie über 20.000 Fotos in den Magazinen im Landtagsgebäude und im digitalen Langzeitarchiv. Ergänzt werden die Bestände von Nachlässen und einer Sammlung von Geschenken an den Landtag und seine Präsidentin und Präsidenten. Damit wird es möglich, den gesamten Lebenszyklus der im Landtag produzierten Informationen detailliert und transparent darzustellen bzw. für jeder mann zugänglich zu machen.

Die Tätigkeit des Landtagsarchivs und seine Benutzung sind durch das Landes archivgesetz Sachsen-Anhalt geregelt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs sind seit zwanzig Jahren nicht nur für die Bewertung, Erschließung und Er haltung dieser haptischen und digitalen Quellen zuständig. Sie halten auch das authentische Schrift- und Archivgut für die innerparlamentarische Arbeit vor und sie betreuen darüber hinaus die amtliche biografische Datenbank über die Mitglieder des Landtags.

Das Archivgut des Landtags kann jeder auf Antrag nutzen, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann. Ein Benutzerantrag und eine Beständeüber sicht stehen auf der Homepage des Landtags bereit (www.landtag.sachsenanhalt.de/dokumente/landtagsarchiv).

Für telefonische Auskünfte sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs von Montag bis Freitag erreichbar.

Jana Tempelhoff

Kontakt zum Landtagsarchiv
Tel.: +49 391 560-1182
E-Mail: archiv@lt.sachsen-anhalt.de

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Landtag von Sachsen-Anhalt | Domplatz 6 - 9 | 39104 Magdeburg Telefon: 0391 560-1226 | Fax: 0391 560-1123 E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de


Das IMPRESSUM des Zwischenruf 3/2019 siehe unter:
https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Downloads/Zwischenruf/ZR03.2019_web.pdf

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Quelle:
ZwischenRuf 3/2019
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt
Herausgeber: Die Präsidentin des Landtages von Sachsen-Anhalt
Redaktion/Bestelladresse:
Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Medien- und Öffentlichkeitsarbeit,
Besucherdienst und Protokoll
Domplatz 6-9, 39104 Magdeburg
Telefon: 0391 / 560 0; Fax: 0391 / 560 1123
E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de
Internet: www.landtag.sachsen-anhalt.de
 
Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
Das Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit
des Landtages von Sachsen-Anhalt.
Es wird kostenfrei verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2019

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