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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2027: Schulreform (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 08 - Oktober 2013

Schulreform:
Mehr gemeinsames Lernen - Vorwurf der "Kuschel-Pädagogik"



Großer Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit oder ideologischer Irrweg? Das neue Schulgesetz der rot-grün-blauen Landesregierung hat im September-Plenum für heftige Kontroversen gesorgt.


"Lernen im Gleichschritt war gestern - der individuellen, partnerschaftlichen Förderung gehört die Zukunft", warb Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) für ihre Pläne. Heike Franzen (CDU) warnte dagegen vor einem "kuschelpädagogischen Ansatz, nach dem Motto: Wenn wir alle in einen Topf schmeißen, dann wird die Suppe schon schmecken". Es sei unrealistisch, Kinder mit Gymnasialempfehlung gemeinsam mit Förderschülern in einen gemeinsamen Klassenverband zu stecken.

Anita Klahn (FDP) kritisierte, dass die Begriffe "Bildung" und "Erziehung" im bisherigen Gesetz durch die Formulierung "pädagogische Ziele" ersetzt werden sollen. "Pädagogik ohne Bildung funktioniert nicht", betonte Klahn. Ministerin Wende rechtfertigte die Umbenennung damit, dass die Begriffe "Bildung" und "Erziehung" in der Alltagssprache wie in der Wissenschaft ganz unterschiedlich verstanden würden und deswegen zu ungenau seien.

Martin Habersaat (SPD) untermauerte den Plan der Koalition, auch an Gemeinschaftsschulen Oberstufen einzurichten, um den Weg zum Abi flächendeckend zu öffnen. Die Abi-Quote sei zurzeit "immer da höher, wo es mehr Oberstufen gibt". Sven Krumbeck (Piraten) warnte davor, dass die Kommunen hierfür die Zeche zahlen müssten. Zudem gebe es zu wenige Lehrer, und es fehle ein "landesweit verbindlicher Schulentwicklungsplan".

Anke Erdmann (Grüne) warf der Union eine rückwärtsgewandte Politik vor. Viele Kommunalpolitiker hätten sich vor Ort für die Gemeinschaftsschule stark gemacht, so Erdmann an die Adresse der CDU: "Ihre Kommunalpolitiker sind meilenweit voraus, während Sie noch in den 1950ern herumstapfen."

Die Vertreter der Koalition verwiesen zudem darauf, dass der jetzige Entwurf auf drei sogenannten Bildungskonferenzen mit Lehrern, Eltern, Schülern, Kommunen und Wissenschaftlern abgesprochen worden sei und dort viel Zuspruch erfahren habe. "Damit ist also genau der Elternwille, der so gern gegen uns ins Feld geführt wird, in vielen Bereichen ausschlaggebend", unterstrich Jette Waldinger-Thiering (SSW).

Im Bildungsausschuss geht die Diskussion nun weiter. Eine mündliche Anhörung ist für den 28. November vorgesehen, im Januar ist die Zweite Lesung geplant, die Reform soll zum Schuljahr 2014/15 in Kraft treten.

(Drucksache 18/1124)


KASTEN
 
Schulgesetz: Die Kernpunkte

Zweigliedriges Schulsystem: Nach der Grundschule können Schüler zwischen Gemeinschaftsschule und Gymnasium wählen. Die 42 Regionalschulen werden zum 1. August 2014 zum Großteil in Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Zwölf Regionalschulen erreichen die Mindestzahl von 240 Schülern nicht und werden geschlossen, fünf weitere sind gefährdet.

Schulabschlüsse: Der Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife werden abgeschafft. Stattdessen wird an Gemeinschaftsschulen nach neun Jahren die "Berufsbildungsreife" erreicht, nach zehn Jahren der "Mittlere Abschluss" und das Abitur nach 13 Jahren.

Gymnasien: Das Abitur wird in der Regel nach acht Jahren (G8) erworben. Bestandsschutz erhalten die landesweit elf Gymnasien mit neunjährigem Bildungsgang und die vier Gymnasien, die G8 und G9 (das sogenannte Y-Modell) anbieten.

Kooperationen: Gemeinschaftsschulen ohne eigene Oberstufe können mit Gymnasien, Beruflichen Gymnasien oder Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe eine Kooperation vereinbaren.

Binnendifferenzierung: AnGemeinschaftsschulen soll es keine abschlussbezogenen Klassenverbände mehr geben. Der Unterricht findet in "binnendifferenzierender" Form statt. Ausnahmen: Ab Jahrgangsstufe 7 sind Lerngruppen in einzelnen Fächern nach Leistungsfähigkeit möglich. Und: In sogenannten Flexi-Klassen können langsamer lernende Schüler den Stoff der letzten beiden Schuljahre für die Berufsbildungsreife in drei Jahren erlernen.

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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 08 im Oktober 2013, S. 22
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2013