Der Landtag - Nr. 03 / Oktober 2015
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein
Altenparlament 2015: Wege in ein "neues Miteinander"
Der demographische Wandel verlangt ein neues Miteinander in der Gesellschaft. Unter diesem Motto formulierte Ende September das Altenparlament seine Forderungen an Landtag und Landesregierung.
In vielen Bereichen sei es "schon jetzt zwölf Uhr, und nicht
erst kurz davor", mahnte Ute Algier von der Landesarbeitsgemeinschaft
Heimmitwirkung, Präsidentin der diesjährigen Tagung.
Das Altenparlament war bereits zum 27. Mal im Landtag zusammengekommen. Die 84 Delegierten aus Parteien und Verbänden berieten ihre Forderungen in drei Arbeitskreisen und verabschiedeten schließlich rund 50 Anträge. Schwerpunkte waren Wohnen, Infrastruktur, Gesundheit und Ehrenamt. Die Fraktionen werden nun zu den Anregungen des Altenparlaments Stellung nehmen. Ein Abschlussgespräch zwischen Delegierten und Abgeordneten am 26. Februar rundet den Diskussionsprozess ab.
Landtagspräsident Klaus Schlie hob in seiner Begrüßungsrede die Bedeutung des Altenparlaments hervor. "Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil unserer demokratischen Kultur der Willensbildung und politischen Mitwirkung", bescheinigte er den Delegierten.
Er versprach, dass die Ergebnisse des Altenparlaments "in die Arbeit des Landtages einfließen werden". Denn, so Schlie: "Sie tun das nicht allein im Namen Ihrer Generation, sondern im Namen der gesamten Gesellschaft."
ÖPNV: Das Altenparlament fordert barrierefreie Züge, Bahnhöfe
und Haltestellen sowie Toiletten in den Wagen der AKN-Eisenbahn. Wer
seinen Führerschein zurückgibt, soll für eine gewisse Zeit umsonst Bus
und Bahn fahren dürfen. Die Seniorenpolitiker wollen mehr öffentliche
Verkehrsmittel in der Fläche. Um festzustellen, wie groß der Bedarf
ist, soll die Landesregierung eine landesweite Untersuchung aller
Strecken auf den Weg bringen.
Wohnen: Das Land soll den sozialen Wohnungsbau forcieren und
barrierefreies Bauen fördern. Das Recht auf Wohnraum soll ins
Grundgesetz aufgenommen werden. In jedem mehrstöckigen Neubau soll ein
Fahrstuhl eingerichtet werden. Stolperstellen an Türen oder Balkons
sollen vermieden werden. Türen, Flure und Bäder sollen grundsätzlich
rollstuhlgerecht sein. Landtag und Landesregierung wurden
aufgefordert, einen Preis für "vorbildliche, soziale und finanzierbare
Wohnraumversorgung" auszuschreiben. Ältere Menschen mit großen
Wohnungen sollen ermutigt werden, umzuziehen und ihre Unterkunft
jungen Familien zu überlassen. Hier soll es Zuschüsse für den Umzug
geben.
Versorgung: In "verwaisten" Wohnquartieren wie Neubaugebieten,
aber auch in ländlichen Gemeinden, sollen "Mehrfunktionshäuser"
entstehen, wo Einzelhandel und Dienstleistungen auf kurzem Wege
erreicht werden können und wo die Einwohner sich
begegnen.
Gesundheit: Die Landesregierung soll "alle Möglichkeiten
ausschöpfen", um eine bessere ärztliche Versorgung auf dem Land
sicherzustellen. Auch im ländlichen Raum soll es in Zukunft
flächendeckend Krankenhäuser, Rettungsdienste und Hospize geben. Das
Altenparlament fordert höhere Standards in Krankenhäusern - mehr
Personal, mehr Hygiene und mehr behördliche Prüfungen. Die Ausbildung
zum Altenpfleger sowie zum Ergo- und zum Physiotherapeuten soll
durchgehend kostenfrei sein.
Ehrenamt: Altersgrenzen für Ehrenamtler, etwa für Schöffen,
sollen aufgehoben werden. Die Auslagen der Ehrenamtler sollen ersetzt
werden. Das Land soll eine Ehrenamtsstiftung ins Leben rufen, um
engagierte Menschen zu beraten und weiterzubilden.
Alle Forderungen des Altenparlaments stehen im Internet:
www.sh-landtag.de, Rubrik "Service"
KASTEN 2 "Wir wachsen in eine Gesellschaft mit dem größten Hilfebedarf der Menschheitsgeschichte hinein..."
... sagt Prof. Klaus Dörner, Fachreferent des diesjährigen Altenparlaments. Der Psychiater aus Hamburg sieht die westlichen Gesellschaften "in einem Epochen-Umbruch". So müsse man sich "von der Machbarkeit einer leidensfreien Gesellschaft" verabschieden. Trotz des medizinischen Fortschritts werde die alternde Gesellschaft geprägt sein von Pflegebedürftigkeit, Demenz und chronischen Krankheiten. Deren Behandlung wird nach Dörners Auffassung anders verlaufen als bisher gewohnt: "Das Heimzeitalter für Behinderte ist eigentlich überholt." Kaum ein alter oder kranker Mensch wolle noch in einer anonymen Groß-Einrichtung "die letzte Wegstrecke" verbringen.
Stattdessen müsse man "die Hilfe in die Wohnung der Menschen bringen", und zwar in einem "Bürger-Profi-Mix". Dörners Perspektive: Die Versorgung alter und kranker Menschen wird zunehmend von einer "neuen Nachbarschaftsbewegung" übernommen. Hierzu zählt er Hospizvereine, Selbsthilfegruppen, Bürgerstiftungen, generationenübergreifende Wohnmodelle oder Pflegefamilien, "wo die Menschen 'Wir' zueinander sagen".
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Quelle:
Der Landtag, Nr. 03 / Oktober 2015, S. 7
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2015
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