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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2119: Pro und Kontra - Sollen sich Flüchtlinge zum Grundgesetz bekennen? (Landtag)


Der Landtag - Nr. 03 / Oktober 2015
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

PLENUM
Pro und Kontra: Sollen sich Flüchtlinge zum Grundgesetz bekennen?


Rund eine Million Flüchtlinge kommen in diesem Jahr nach Deutschland, davon etwa 50.000 nach Schleswig-Holstein. Der Landtag beriet in der Oktober-Sitzung einen ganzen Tag lang über die Lage in den Unterkünften und die Belastungen für Kommunen und Helfer. Viele Neuankömmlinge werden dauerhaft im Lande bleiben. Deswegen kreiste die Debatte auch um die Frage: Was müssen Menschen aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea leisten, um sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren? Die CDU-Fraktion verlangt ein Bekenntnis zum Grundgesetz - und stieß damit auf ein geteiltes Echo.


"Wenn Menschen zu uns kommen, dann können wir guten Gewissens von ihnen verlangen, sich zu unserem Grundgesetz und unseren Werten zu bekennen", betonte CDU-Oppositionsführer Daniel Günther: "Menschen, die zu uns kommen, müssen sich unseren Regeln anpassen und nicht umgekehrt." Es sei "Voraussetzung jeder Integration", Grundsätze wie persönliche Freiheit und Toleranz zu akzeptieren. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki forderte zwar kein ausdrückliches Bekenntnis zur Verfassung, aber verpflichtende Integrationskurse: "Nicht die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes muss sich anpassen, sondern die Flüchtlinge." Es gehe darum, "unmissverständlich die Regeln vorzugeben und die Einwanderer zugleich zu Eigenverantwortung und Mitwirkung zu befähigen".

Ein "Treueschwur auf das Grundgesetz" direkt nach der Ankunft sei praxisfremd, wandte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner ein: "Wenn dieser Eid wirklich eine Bedeutung haben soll, müssen Sie den Flüchtlingen doch erst einmal erklären, worauf sie da schwören sollen." Deswegen sei es sinnvoller, bis zu einer möglichen Einbürgerung zu warten. Dort verlange das Staatsangehörigkeitsgesetz "zu Recht" ein Bekenntnis zu Menschenwürde, Gleichheit von Mann und Frau, Religions- und Meinungsfreiheit und zum Gewaltmonopol des Staates.

Auf Gegenkurs gingen die Grünen. Fraktionschefin Eka von Kalben hielt nichts von "irgendwelchen Gelöbnissen auf etwas, was man genauso wenig kennt wie vermutlich viele Deutsche". Eine erfolgreiche Integration gelinge dann, "wenn wir den Flüchtlingen etwas zutrauen und ihnen die Gelegenheit geben, sich einzubringen".

Ihr Parteifreund Burkhard Peters kritisierte die "völlig sinnlose und wertlose Unterwerfungserklärung", die die CDU verlange. Es sei nicht möglich, in einem Flüchtlingsheim Staatsbürgerkunde so zu vermitteln, dass "eine tragfähige Wissensgrundlage für eine Bekenntniserklärung" dabei herauskomme. Auch Pirat Torge Schmidt hielt nichts von der CDU-Idee. "Wenn wir eine Treue-Erklärung zum Rechtsstaat verlangen, dann dürfen wir das Grundgesetz selber nicht aushöhlen", mahnte er mit Blick auf Pläne für ein schärferes Asylrecht.

(Drucksache 18/3404)

MELDUNGEN

In Schleswig-Holstein bekommen Asylbewerber ab Januar 2016 eine elektronische Gesundheitskarte. Hierauf haben sich Sozialministerium und Krankenkassen Mitte Oktober verständigt. Flüchtlinge müssen Arztbesuche dann nicht mehr beim Sozialamt beantragen. Schleswig-Holstein ist nach den Stadtstaaten Hamburg und Bremen das erste Flächenland, das Asylbewerbern die Gesundheitskarte zukommen lässt. Im Landtag gab es hierfür breite Unterstützung.

SPD, Grüne und SSW begrüßen die Initiative "Talente für unser Land - Studienchancen für Flüchtlinge". Damit will die Landesregierung Asylbewerbern den Weg in zulassungsfreie Studiengänge ebnen und sie als Gasthörer zulassen.

Die FDP fordert, Frauen und Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen verstärkt vor psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt zu schützen. Die Liberalen sehen auch die Gefahr, dass Islamisten in den Einrichtungen Nachwuchs rekrutieren. Hierüber berät nun der Innen- und Rechtsausschuss.

Die Piraten wollen den Solidaritätszuschlag so umwandeln, dass die Länder ihn ab 2020 für Flüchtlingskosten und zur Schuldentilgung nutzen können. Damit befasst sich nun der Finanzausschuss.

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 03 / Oktober 2015, S. 15
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2016

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