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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2144: Wahlrecht - einige Reformen, aber keine Revolution (Der Landtag)


Der Landtag - Nr. 02 / Juni 2016
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Wahlrecht: einige Reformen, aber keine Revolution


Schleswig-Holsteins Wahlrecht wird in einigen Punkten nachgebessert. Das hat der Landtag im Juni beschlossen. Es geht sowohl um die nächste Landtagswahl am 7. Mai 2017 als auch um Kommunen und Volksentscheide. Größere Umwälzungen, die Piraten und CDU gefordert hatten, lehnte die Koalition allerdings ab.


DAS IST NEU:

Fristen: Wer am Wahltag seit mindestens sechs Wochen im Lande wohnt, kann künftig seine Stimme abgeben. Bisher gab es eine Dreimonatsfrist. Für Kandidaten gilt jetzt: Wer sich in den Landtag wählen lassen will, muss nicht mehr sechs, sondern nur noch drei Monate vor der Wahl eine Wohnung in Schleswig-Holstein haben.

Beschwerden: Das Landesverfassungsgericht entscheidet künftig über Beschwerden von Parteien, die der Landeswahlausschuss nicht für die Landtagswahl zulässt - und zwar bereits vor der Wahl. Bislang können sich solche Vereinigungen erst nach der Landtagswahl wehren.

In der Wahlkabine: Das Kreuzchen wird künftig mit radierfesten Stiften geschrieben. Die Stimmzettel werden auf A3-Format vergrößert und mit bunten Parteilogos ausgestattet. Insgesamt werde "in vielen Punkten ein faktischer Fortschritt" erreicht, unterstrich der SPD-Abgeordnete Kai Dolgner.

UN-Behindertenrechtskonvention: Künftig dürfen auch Menschen wählen, die unter Vollbetreuung stehen. Die Wahlunterlagen sollen auch in Leichter Sprache verfügbar sein - für Menschen mit Lernschwäche oder Demenz. Ekkehard Klug (FDP) sah ein "Wahlrecht für Menschen unter Vollbetreuung" kritisch. Wenn Personen das Wahlrecht erhielten, die zu einem eigenständigen Leben nicht in der Lage seien, dann drohe "Manipulation bei der Stimmabgabe". Der Behindertenbeauftragte Ulrich Hase sprach in seiner Reaktion auf das neue Wahlrecht hingegen von einer "fälligen rechtlichen Gleichstellung".

Mehrheit bleibt Mehrheit: Im Kommunalwahlrecht reagiert der Landtag auf den "Fall Boostedt". In der Gemeinde bei Neumünster hatte die CDU beim letzten Urnengang 2013 keine Mehrheit in der Gemeindevertretung erhalten, obwohl sie mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen gewann. Schuld war das Verteilungsverfahren. Eine "Mehrheitsklausel" soll das künftig verhindern.

Bürgermitsprache: Initiatoren von Volksbegehren können künftig im Internet und "auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen" Unterschriften sammeln. Und: Bei Volksentscheiden ist nun auch eine Alternativabstimmung möglich. Es wird nicht nur "ja" oder "nein" zu einem Vorschlag gesagt, sondern es werden mehrere Vorschläge zur Wahl gestellt.


DAS KOMMT NICHT:

Ersatzstimme: Durchgefallen ist die von den Piraten ins Spiel gebrachte Ersatzstimme. Der Gedanke: Wähler kreuzen mit ihrer Zweitstimme nicht nur die Partei ihrer Wahl an, sondern auch eine Ersatzpartei. Die Ersatzstimme wird dann mitgezählt, wenn Partei Nummer eins an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Damit wäre ein "massenhafter Verfall von Wählerstimmen" verhindert worden, merkte Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer an. Er verwies auf die jüngste Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, bei der 14 Prozent der Zweitstimmen wegen der Sperrklausel unter den Tisch gefallen seien.

Vier-Prozent-Hürde: Petra Nicolaisen (CDU) prangerte den "Trend zur Zersplitterung" in vielen Ratsversammlungen an und brachte eine Vier-Prozent-Regel auf Kommunalebene ins Spiel: "Ohne eine Sperrklausel ist der Weg für Kleinstgruppierungen offen." In Schleswig-Holsteins Kommunen gibt es seit 2009 keine solche Hürde mehr, nachdem das Bundesverfassungsgericht sich kritisch hierzu geäußert hatte.

Anonymität: Die Piraten wollten erreichen, dass Kandidaten für ein Mandat in Gemeinde, Kreis oder Land künftig nicht mehr ihre Adresse veröffentlichen müssen. Grund: Bewerber würden zunehmend durch Werbung und Drohbriefe belästigt. Auch hierfür gab es keine Zustimmung.

Amtsangehörige Gemeinden: In Gemeinden, die ihre kommunalen Aufgaben an ein Amt übertragen haben, gibt es keine Bürgerentscheide und Einwohneranträge - anders als bei Kommunen mit eigener Verwaltung. Die Piraten wollten das ändern. Aber auch hierfür gab es keine Mehrheit.

Abstimmung an Wahltagen: Die Piraten wollten Volksentscheide grundsätzlich an Wahltagen abhalten, um so ausreichend Bürger an die Urnen zu locken. Doch auch dieser Plan fand keine Unterstützung.

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 02 / Juni 2016, S. 18
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
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Tobias Rischer (verantwortlich)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2016

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