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INNEN/2720: Eine wirksame Flüchtlingspolitik von Bund, Ländern und Kommunen


SPD-Pressemitteilung vom 4. Mai 2015

SPD-Präsidium: Gemeinsame Verantwortung, gemeinsames Handeln, gerechte Aufgabenverteilung

Für eine wirksame Flüchtlingspolitik von Bund, Ländern und Kommunen


Das SPD-Präsidium hat in seiner heutigen Sitzung folgenden Beschluss gefasst:


I. Sozialdemokratische Grundsätze der Flüchtlingspolitik

Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR der Vereinten Nationen aus dem Jahre 2014 sind fast 17 Mio. Frauen, Männer und Kinder aus ihren Heimatländern weltweit geflohen oder auf der Flucht. Menschen Schutz und Zuflucht zu gewähren, die wegen Krieg, Bürgerkrieg und Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen, ist nicht nur Teil unserer Verfassungsordnung: Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es auch Teil unserer politischen Identität.

Deutschland ist derzeit mit der Aufnahme von Schutzsuchenden stark gefordert, aber nicht überfordert. Gleichwohl macht es die aktuelle Situation erforderlich, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Herausforderung hoher und womöglich weiter steigender Flüchtlingszahlen auch ganz praktisch im Alltag der Menschen gemeistert werden kann.

Dazu wollen wir unsere Flüchtlingspolitik an folgenden Grundsätzen ausrichten:

→Flüchtlingspolitik ist eine gesamtstaatliche Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Insbesondere für die Kommunen sind die Herausforderungen erheblich. Finanziell und logistisch, aber auch im Hinblick auf die Bewältigung mancher Skepsis bei Bürgerinnen und Bürgern. Es ist vor allem das Verdienst der Verantwortlichen vor Ort - von Stadtverwaltungen und Bürgergesellschaft zugleich - daß die Aufnahme von Flüchtlingen bislang insgesamt gut gelingt. Deshalb wollen wir Länder und Kommunen durch eine strukturelle Übernahme von Kosten durch den Bund spürbar entlasten.

→Nicht alle, die zu uns kommen, um Zuflucht zu finden, werden wir in Deutschland aufnehmen können. Viele Menschen, die nach Deutschland kommen, fliehen aufgrund von Armut aus ihrer Heimat. Schaut man auf die Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern, so wird schnell verständlich, dass viele auf der Suche nach einem besseren Leben versuchen, zu uns kommen. Aber so verständlich diese Fluchtursachen auch sind, es sind oft keine Gründe im Sinne unseres Flüchtlingsrechts. Sie ermöglichen damit auch keine Anerkennung in einem Asylverfahren bei uns. Neben der Sicherung unserer Außengrenzen wird es deshalb umso mehr darauf ankommen, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen.

→Nach dem erneuten schweren Flüchtlings-Unglück im Mittelmeer brauchen wir endlich ein Umdenken in der europäischen Flüchtlingspolitik. An erster Stelle müssen sofortige Maßnahmen zur Seenotrettung stehen. Wir benötigen außerdem eine gemeinsame Bekämpfung der Schlepperbanden und Menschenhändler, legale Einreisewege, eine solidarische Verantwortungsteilung bei der Aufnahme von Asylbewerbern und eine Bekämpfung der Fluchtursachen.


II. Europäische Flüchtlingspolitik: Solidarität in Europa Seenotrettung sofort!

Frauen, Männer und Kinder versuchen in lebensgefährlichen Booten von Nordafrika aus Europa zu erreichen. Viele von ihnen überleben diese Überfahrt nicht. Die italienische Regierung hat mit ihrem Programm "Mare Nostrum" vorgemacht, was eine Seenotrettungsmission leisten kann.

Wir wollen ein von Frontex koordiniertes Rettungsprogramm, das mindestens dem Umfang der Mare Nostrum-Operation gleich kommt. Alle Mitgliedstaaten haben hierfür ihren finanziellen Beitrag zu leisten und/oder sich mit Ausrüstung und Personal zu beteiligen. Die geographische Reichweite muss neben der Zwölfmeilenzone von EU-Mitgliedstaaten auch die Anschlusszone und die Hohe See erfassen.

Wir werden auf eine Veränderung der Frontex-Verordnung hinwirken, damit Frontex-Boote ein ausdrückliches Mandat zur Seenotrettung sowie mehr finanzielle und operationelle Mittel von den Mitgliedstaaten erhalten. Zudem ist auf eine Anwendung der Seenotrettungs- und Ausschiffungsvorschriften zu achten, die den Grundsatz des non-refoulement wie in der Verordnung vorgesehen beachtet.

Sichere Einreisewege notwendig

Wer in der EU Schutz beantragt, muss oft lebensgefährliche, von den Einreisestaaten als illegal betrachtete Einreisewege auf sich nehmen. Deshalb benötigen wir sichere, legale Einreisewege in die EU. Dafür fordern wir u.a. ein auf Dauer angelegtes europäisches Resettlement-Programm zur Neuansiedlung von Flüchtlingen unter verbindlicher Beteiligung aller Mitgliedstaaten. In Zusammenarbeit mit UNHCR wollen wir Flüchtlinge, die aus Krisengebieten in einem ersten Aufnahmestaat festsitzen, in die EU bringen. Durch eine zu vereinbarende Quote sollen die Schutzsuchenden auf die Mitgliedstaaten solidarisch verteilt werden. Außerdem ist es jetzt dringend notwendig, das Aufnahmekontingent des Bundes zur Aufnahme von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen zu erhöhen.

Darüber hinaus wollen wir, dass humanitäre Visa stärker genutzt werden. Hiernach könnten Schutzsuchende ein Visum in Botschaften beantragen, um legal in die EU einzureisen und sich vor Ort für das Asylverfahren registrieren zu lassen. Wir werden die Erfahrungen anderer Staaten mit solchen Programmen auswerten.

Kriminelle Schleuser und Schlepper wirksam bekämpfen - keine Militarisierung der Flüchtlingspolitik

Schleuser und Schlepper, die sich am Elend Schutzsuchender hemmungslos bereichern, wollen wir bekämpfen. Die kriminellen Netzwerke müssen zerschlagen und die Täter verfolgt werden. Hierzu braucht es eine bessere Zusammenarbeit von EUROPOL, FRONTEX, EASO und EUROJUST ebenso wie eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Wir müssen Schleuserboote identifizieren, festsetzen und aus dem Verkehr ziehen sowie Vermögenswerte der Schlepperbanden beschlagnahmen. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Europäischen Union um ein UN-Mandat zur Sicherung der Küsten Afrikas.

Gerechte Verteilung von Schutzsuchenden - das Dublin-System ist gescheitert

Trotz des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems werden dreiviertel der Asylbewerber zurzeit von fünf der insgesamt 28 EU-Mitgliedstaaten aufgenommen. Die SPD fordert seit langem, das Dublin-Verfahren durch eine gerechtere und solidarischere Teilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Asylbewerbern zu ersetzen.

In Europa müssen faire Quoten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und ggf. ein finanzieller Ausgleich praktisch umgesetzt werden. Die deutsche Bundesregierung muss diese grundlegende Änderung der europäischen Flüchtlingspolitik mit großem Nachdruck vorantreiben.

In der Übergangszeit sind Initiativen nötig, um besonders betroffene Mitgliedstaaten zu entlasten. Dies kann die freiwillige Aufnahme von Asylbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten, den großzügigen Gebrauch des Selbsteintrittsrechts, finanzielle Unterstützung für einzelne, besonders betroffene Mitgliedstaaten, aber auch Vertragsverletzungsverfahren gegenüber Mitgliedstaaten, die ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen brechen, beinhalten.

Einheitliche Standards im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem fördern Seit 1999 arbeitet die EU an der Schaffung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und hat es zuletzt im Juni 2013 umfassend überarbeitet. In der Realität ist das oft kaum spürbar. Wir wollen, dass die Europäische Kommission Druck auf die Mitgliedstaaten ausübt, die sich nicht an die Regeln halten, bis hin zur Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren.

Zudem fordern wir eine weitere Stärkung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO), damit es Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der europäischen Standards noch besser unterstützen kann.

Stabilisierung und Entwicklung der Herkunfts- und Transitstaaten unterstützen

Neben kurzfristigen Maßnahmen ist die Bekämpfung der Fluchtursachen zentrale Aufgabe europäischer Politik. Alle EU-Politikbereiche sind gefordert, die Auswirkungen auf die Nachbarschaftsregionen deutlich stärker als bisher zu berücksichtigen. Erforderlich ist daher eine Überprüfung und Neuausrichtung der EU-Politiken. Gefordert sind hier nicht nur Außen- und Sicherheitspolitik, sondern ebenso bspw. Wirtschafts-, Handels-, Fischerei, Agrar-, Entwicklungs- oder Einwanderungspolitik.


III. Entwicklung Asylantragslage und Kostenentwicklung in Kommunen und Ländern
Antragslage

Im vergangenen Jahr haben über 200.000 Flüchtlinge einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Für das laufende Jahr 2015 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Februar 2015 mindestens 300.000 Anträge prognostiziert. Damit steigt die Zahl der Flüchtlinge im sechsten Jahr in Folge und mit weiteren Steigerungen ist zu rechnen.

Von Januar bis März 2015 haben bereits 83.179 Personen einen Erstantrag gestellt:

• Personen aus dem Kosovo stellten mit bisher 21.105 die meisten Anträgen (ein Plus gegenüber dem gleichen Zeitraum 2014 von fast 1.800 Prozent).

• Aus Syrien haben 14.711 Schutzsuchende einen Antrag auf Asyl gestellt (ein Plus von 185 Prozent).

• Auf Rang drei der Statistik sind Personen aus Albanien mit 6.311 Erstanträgen (ein Plus von 226 Prozent).

bull; Insgesamt wurden im März 2015 fast 60 Prozent aller Erstanträge von Personen aus sechs Balkanländern. (Kosovo: 11.147, Serbien: 1.709, Albanien: 2.955, Mazedonien: 744, Bosnien und Herzegowina: 380, Montenegro: 236)

Kostenentwicklung

Die Ausgaben von Ländern und Kommunen für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge stiegen in dieser Zeit parallel mit den Antragszahlen: Ausgehend von Antragszahlen und Gesamtkosten für 2013 (128.000 Asylanträge bei 1,5 Mrd. Euro Gesamtkosten nach AsylblG.) muss hier in diesem Jahr also mit Kosten von rund 3,5 Mrd. Euro gerechnet werden. Das wäre eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2010 um 233 Prozent!

Besonders die Kosten der Grundsicherung, also für Essen, Unterkunft, Kleidung und Taschengeld sind in diesem Zeitraum um 260 Prozent auf 943 Mio. Euro gestiegen. Die Gesundheitskosten stiegen von 148 auf 262 Mio. Euro - ein Plus von 177 Prozent.

Der Bund ist bisher allein für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Für das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind im laufenden Jahr 201 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Gegenüber dem Jahr 2012 ein Plus von 152 Prozent.


IV. Höhere Bundesbeteiligung an den Kosten für Flüchtlinge und Verbesserung der Integrationsmaßnahmen vor Ort.

Die Leistungen, die in diesen Wochen von Ländern, Kommunen und vor allem den vielen ehrenamtlich Engagierten bei der Unterbringung und Versorgung erbracht werden, sind aller Anerkennung wert. Jeden Tag und überall in Deutschland zeigt sich: Wir sind ein starkes und mitfühlendes Land!

Mit der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge sind große organisatorische, logistische, soziale und kommunikative Herausforderungen verbunden. Die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Kommunen bei der Aufnahme unterstützen und ihre neuen Nachbarn willkommen heißen, verdienen ebenso unseren Dank wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden und Flüchtlingsunterkünften, die Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer: sie vollbringen wichtige Integrationsleistungen. Bisher wurde dies von Ländern und Kommunen im Wesentlichen allein finanziert. Die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine gute Integration der Flüchtlinge zu schaffen, kann aber nur noch gemeinschaftlich mit dem Bund bewältigt werden.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung bereits eine finanzielle Entlastung der Länder und Kommunen zugesagt: gemäß einer Verständigung zwischen Bund und Ländern wird der Anteil der Länder am Aufkommen der Umsatzsteuer in den Jahren 2015 und 2016 um jeweils 500 Mio. Euro erhöht. Da der Bundeshaushalt im Gegenzug nicht benötigte Mittel aus dem von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten Fonds "Aufbauhilfe" vereinnahmen wird, bedeutet dies im Ergebnis eine einmalige Unterstützung der Länderhaushalte in Höhe von 500 Mio. Euro. Hinzu kommt mancherorts die Option, Liegenschaften des Bundes für die Unterbringung von Asylbewerbern zu nutzen.

Der weiterhin anhaltende Anstieg der Flüchtlingszahlen lässt allerdings bereits jetzt erkennen, dass dieses Engagement nicht ausreichen wird. Obgleich der Bund Anstrengungen unternimmt, um die Asylverfahren durch eine personelle Stärkung des BAMF zu beschleunigen, werden die gesamtstaatlichen Ausgaben für den Lebensunterhalt, die Unterbringung und die Betreuung von Flüchtlingen in diesem Jahr voraussichtlich den Betrag von 3,5 Mrd. Euro übersteigen.

Entlastung der Kommunen von den Kosten der Flüchtlingsunterbringung und Integration

Vor allem die Gemeinden, Städte und Landkreise sind überfordert, wenn sie dauerhaft steigende Flüchtlingszahlen als Folge internationaler Krisen bewältigen sollen. Schon heute führen die Kosten in der Ausführung von Bundes- und Landesgesetzen in vielen Kommunen zu erheblichen Defiziten und zwangsweise zur Vernachlässigung der eigentlichen kommunalen Aufgaben. Der Bau oder die Sanierung von Kindertagesstätten und Schulen, die Förderung von Sportvereinen, Jugendarbeit, Kultur oder sozialer Daseinsvorsorge dürfen nicht in Konkurrenz zu einer menschlichen und angemessenen Flüchtlingsunterbringung geraten.

Dies gilt insbesondere für die Aufgabe der Wohnraumversorgung zu bezahlbaren Mieten. Deshalb müssen die Kommunen von den Kosten der Flüchtlingsunterbringung dauerhaft entlastet werden, um ihre eigentlichen Aufgaben wirksam wahrnehmen zu können.

Der Bund ist gefordert, sich dauerhaft substanziell und strukturell an den steigenden Ausgaben zu beteiligen. Die Länder und Kommunen benötigen eine Kostenbeteiligung des Bundes entweder durch einen maßgeblichen Pauschalbeitrag für Unterbringung, Betreuung und andere Integrationsmaßnahmen oder durch eine wesentliche zeitliche Beschränkung der Geltung des Asylbewerberleistungsgesetzes (z.B. auf 12 Monate) und anschließende Überführung der Leistungsberechtigten in die Regelsysteme. Damit sind Bund, Länder und Gemeinden in einer Verantwortungsgemeinschaft auch in Hinblick auf eine faire Kostentragung:

(1) Einigung von Bund und Ländern auf einen Mindeststandard der Flüchtlingsunterbringung für die Zeit zwischen Einreise und den Entscheid über den Asylantrag, dessen Kosten den Kommunen bzw. Ländern voll erstattet werden.

(2) Entlastung der Kommunen durch eine zentrale Durchführung der Asylverfahren für Flüchtlinge aus den Balkanstaaten in Gemeinschaftsunterkünften und Verzicht der Verteilung in dezentrale Unterbringungen.

(3) Start einer konzertierten Aktion von Bund, Ländern und Kommunen für ein Wohnungsbauprogramm (Städtebauförderung und Wohnungsbauförderung und verbilligter Wohnbaulandmobilisierung). Dabei sollte es nicht um Sonder- oder Behelfswohnungsbau gehen, da eine große Zahl der Flüchtlinge auf Dauer in Deutschland bleiben wird.

(4) Ermittlung der durchschnittlichen Kosten für die Integrationsbedarfe der Länder und Kommunen für anerkannte Asylbewerber/innen bzw. Menschen mit Abschiebeschutz (Wohnen, Schule, Kitas usw.) und Einigung auf einen Erstattungsbetrag pro Flüchtling an die Länder und Kommunen pro Flüchtling.

Übernahme der Gesundheitskosten

Zusätzlich sollte der Bund die Gesundheitskosten für Asylbewerber übernehmen und hierfür ein bundeseinheitliches Abrechnungsverfahren organisieren. Dies stellt nicht nur eine wesentliche finanzielle Entlastung dar, sondern auch eine erhebliche organisatorische Erleichterung - insbesondere für die Kommunen.

Stärkung der Eingliederungsmaßnahmen für arbeitsuchende Flüchtling Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass wir arbeitsuchenden Flüchtlingen früher als in der Vergangenheit Unterstützung gewähren wollen. Im Zuge der Entscheidung über die erleichterte Arbeitsaufnahme für Flüchtlinge wird in der Regel bereits nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis erteilt, die Vorrangprüfung entfällt nach 15 Monaten. Daraus resultieren vermehrt Beratungs-, Qualifizierungs- und Vermittlungsaufgaben für die Job-Center. Um diesem Auftrag nachzukommen, müssen die Eingliederungsmaßnahmen im SGB nachhaltig gestärkt werden.

Gleichzeitig müssen in besonderer Weise auch die Eingliederungsmaßnahmen für die hier lebenden Jugendlichen und Heranwachsenden ausgebaut werden, die bisher keine Berufsausbildung haben.

Zugang zu Sprachkursen für Asylbewerber und Geduldete

Integration kann nur über den Erwerb der deutschen Sprache gelingen. Asylsuchende und Geduldete, die voraussichtlich lange Zeit in Deutschland bleiben, sollten vom Tag der Antragstellung Zugang zum Spracherwerb im Rahmen von Integrationskursen (Ff. BMI) und berufsqualifizierenden Angeboten (Ff. BMAS) erhalten. Die entsprechenden Haushaltsmittel des Bundes sind aufzustocken.

Ausbildung für Jugendliche und gesicherter Aufenthalt in Deutschland Wir wollen durch Ergänzung im Aufenthaltsrecht eine noch bessere Verzahnung der Chancen einer zügigen Arbeitsmarktintegration einerseits und der Sicherung des Fachkräftebedarfs andererseits gewährleisten. Deshalb sollen Jugendliche und junge Erwachsene unabhängig von einem Asylverfahren und dessen Ausgang eine berufliche Ausbildung aufnehmen und beenden oder eine fortgeschrittene Schulausbildung abschließen können. Im Interesse der Rechtssicherheit soll dafür ein eigener Aufenthaltstitel geschaffen werden. Nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung ist ihnen mit einem sicheren Aufenthaltsstatus auch eine Perspektive zu eröffnen, den erlernten Beruf in Deutschland ausüben zu können.

Mehr Schutz für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Kinder und Jugendliche, die allein nach Deutschland fliehen, brauchen unseren besonderen Schutz. Derzeit werden sie an ihrem Einreiseort in Obhut der Jugendämter genommen und nicht wie erwachsene Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt. Die Aufnahmekapazitäten für Kinder und Jugendliche sind aber in einigen Kommunen ausgeschöpft, deshalb brauchen wir eine faire Verteilung im Bundesgebiet.

Wir unterstützen deshalb den von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher. Künftig sind die Jugendämter gehalten, zentrale Punkte des Kindeswohls in einem Prüfverfahren, nach Möglichkeit innerhalb von einer Woche nach der Einreise des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings abzuklären. Innerhalb von zwei Wochen muss festgelegt werden, wo der künftige Aufenthaltsort sein wird. Nach Ablauf von vier Wochen bleiben die Jugendlichen am ursprünglichen Ankunftsort. Diese Vorgaben wirken auf eine Vereinheitlichung des Verfahrensablaufs hin; längere Phasen "in der Schwebe" wird es künftig in der gegenwärtigen Form nicht mehr geben.


V. Vorschläge für die Beschleunigung und Verbesserung der Verfahren

Immer mehr Flüchtlinge suchen in Deutschland Schutz vor Bürgerkrieg und Verfolgung. Ein schnelles Verfahren liegt ebenso im Interesse der Asylsuchenden wie auch von Bund, Ländern und Kommunen.

Beschleunigung von Asyl- und Rechtsschutzverfahren

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss personell so ausgestattet werden, dass ein durchschnittliches Asylverfahren nur drei Monate dauert. Auch die Möglichkeiten für eine Erleichterung und Beschleunigung von Rechtsschutzverfahren sollen von Bund und Ländern gemeinsam geprüft werden. Darüber hinaus sollte die Durchführung von Überstellungen nach der sog. Dublin-Verordnung in der gemeinsamen Verantwortung und Zuständigkeit von Bund und Ländern liegen, ebenso die Durchsetzung der Ausreisepflichten nach erfolglosen Asylverfahren in den Fällen sicherer Herkunftsstaaten. Darüber hinaus werden Bund und Länder prüfen, welche weiteren Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung ergriffen werden können.

Da in Zweifelsfällen die Identitätsfeststellungen von Asylbewerbern mit bestimmten Herkunftsländern schwierig sind, ist die Bundesregierung gefordert, in Gesprächen mit den jeweiligen nationalen Regierungen eine kooperativere Haltung zu erreichen.

Förderung der freiwilligen Rückkehr

Nach der seit 2008 in Kraft getretenen Rückführungsrichtlinie ist der freiwilligen Rückkehr Vorrang vor einer Abschiebung einzuräumen. Ziel der Rückkehrförderung ist eine erfolgreiche, dauerhafte und nachhaltige Rückkehr in das Herkunftsland der Antragssteller. Die Bund-Länder-Koordinierungsstelle "Integriertes Rückkehrmanagement" unter Moderation des BAMF ist gefordert Maßnahmen zu entwickeln, welche die freiwillige Rückkehr fördern. Bund und Länder sind gemeinsam unter Einbeziehung der Kommunen gefordert, dass es sichtbar zu einer Beschleunigung der Rückkehrverfahren kommt. Die Förderung der freiwilligen Rückkehr kann dabei durch Maßnahmen wie umfassendere Beratungsangebote, Rückführungshilfen und Reintegrationsprojekte verstärkt werden. Die dazu bestehenden Förderprogramme sollten aufgestockt werden. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass die Bundesregierung alle Möglichkeiten nutzt, um in den betroffenen Ländern gezielt die Öffentlichkeit über die geringe Aussicht auf Erfolg der Asylanträge zu informieren und auf diesem Weg dazu beizutragen, den Zustrom von Asylbewerbern aus diesen Ländern zu senken.

Unterbringung von Asylsuchenden aus Ländern mit sehr geringer Anerkennungsquote

Um auf einen stark schwankenden Zuzug von Asylsuchenden aus Herkunftsstaaten mit einer bekannt geringen Anerkennungsquote und entsprechend erwartbar geringen Anerkennungsaussichten reagieren und dabei auch ein schnelles Verfahren bei gleichzeitiger Entlastung der für die verbleibenden Regelverfahren vorgesehenen Ressourcen gewährleisten zu können, sollten Bund und Länder gemeinsam prüfen, diese Gruppen nicht mehr auf kommunaler Ebene zu verteilen sondern sie stattdessen räumlich zu bündeln ("Friedland"-Modell).


VI. Stärkung bürgerschaftlicher Flüchtlingsarbeit

Bei der Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen vor Ort hat sich das ehrenamtliche Engagement zu einer unentbehrlichen Unterstützung für die Flüchtlinge, aber auch für die Verwaltung erwiesen. Insbesondere der aktuelle Anstieg der Flüchtlingszahlen stellt Kommunen (besonders die finanzschwachen), die Nachbarn vor Ort und die Beratungsdienste vor große Herausforderungen. Die Geflüchteten selbst leiden vielfach direkt unter der Überforderung der Strukturen - sei es z.B. die Unterbringung in Notunterkünften ohne Privatsphäre, seien es überlastete Sozialämter, Schulen oder Beratungsstellen.

Gerade der tatkräftige Einsatz der vielen Freiwilligen ermöglicht ein Ankommen, ein Kennenlernen und eine Orientierung sowohl für die Flüchtlinge, als auch für die Anwohner. Das löst viele Konflikte vor Ort. Das Angebot ehrenamtlicher Mithilfe beschränkt sich dabei keineswegs auf Flüchtlingsinitiativen: Auch Stadtteilzentren, Kirchengemeinden und auch nicht organisierte Nachbarn sind sehr engagiert. Flüchtlinge werden nicht nur in materiellen Dingen unterstützt, sondern auch über Angebote wie Fahrdienste, Begleitung zu Ämtern und Ärzten, Dolmetscher- oder Sprachdienste oder Deutsch-Kurse. Über die so gewachsene Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen wird auch ein wichtiger Beitrag gegen Rassismus und Ausgrenzung geleistet. Dieses überwältigende Engagement von so vielen können wir nicht genug würdigen! Und diese freiwillige Hilfsbereitschaft wollen wir fördern. Mit dem Programm "Willkommen bei Freunden" (BMFSFJ) werden Kommunen unterstützt und vernetzt, um das Engagement der Zivilgesellschaft zu stärken.

Damit das große Engagement sinnvoll eingesetzt und vernetzt werden kann, bedarf es aber der hauptamtlichen Unterstützung und Begleitung. Nur über eine strukturierte Einbindung der ehrenamtlichen freiwilligen Hilfe kann sichergestellt werden, dass sie nicht ausgenutzt wird oder zu Frustrationen führt. Dazu gehört auch, dass unsere Behörden besser in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben im Umgang mit Flüchtlingen angemessen auszuüben. Ehrenamtliche Arbeit kann nicht staatliche Versäumnisse ausgleichen.

Eine strukturierte hauptamtliche Koordinierung sorgt dafür, dass die fachlichen und zeitlichen Ressourcen der Freiwilligen optimal eingesetzt werden können, zugleich verhindern wir dadurch, dass die Ehrenamtlichen überfordert werden. Wir setzen uns deshalb für eine Stärkung der hauptamtlichen Unterstützer von Flüchtlingsinitiativen, Gemeinden, Kirchen und aller ehrenamtlich Engagierten durch bessere Vernetzung und Information vor Ort ein.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 94/15 vom 4. Mai 2015
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
Bürgerbüro, Willy-Brandt-Haus
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Tel.: 030/25 991-300, Fax: 030/25 991-507
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2015

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