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AFRIKA/1084: Südafrika - Wirtschaftsmacht versagt in internationaler Friedenspolitik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Januar 2012

Südafrika: Wirtschaftsmacht versagt in internationaler Friedenspolitik

von Grit Porsch


Berlin, 9. Januar (IPS) - Während Südafrikas regierender Afrikanischer Nationalkongress (ANC) sein 100-jähriges Bestehen feiert, üben Analysten scharfe Kritik am globalen Friedensengagement der stärksten afrikanischen Wirtschaftsmacht.

Die Weltgemeinschaft erwarte mehr von der Regierung am Kap, sagte Jakkie Cilliers vom Institut für Sicherheitsstudien (ISS), einer in Pretoria ansässigen Denkfabrik. Doch auf das gewünschte Truppenkontingent und Equipment warte sie bisher vergeblich.

Wie Cilliers gegenüber dem UN-Informationsdienst IRIN betonte, liegt die Ursache des Problems in der nationalen Verteidigungspolitik. Seit dem Ende der Apartheid rüste das Land gegen vermeintliche äußere Feinde auf. Ein solcher Ansatz lasse sich weder mit den Friedensoperationen auf dem Kontinent noch mit der Bekämpfung massiver innenpolitischer Probleme wie der organisierten Kriminalität, der illegalen Plünderung der Küstengewässer und der unkontrollierten Migration in Einklang bringen.

In der Verteidigungspolitik sei die von der internationalen Gemeinschaft erhoffte Rolle Südafrikas als stabilisierender Friedensstifter auf dem Kontinent nicht vorgesehen, sagte Cilliers. Er kritisierte die 1999 abgeschlossenen Milliarden-Dollar-Verträge zum Ankauf kostspieliger Rüstungsgüter wie schwedische Kampfjets, U-Boote und Korvetten als völlig unangemessen. Sie werden vielleicht niemals zum Einsatz kommen. Nach Schätzungen unabhängiger Experten kosteten sie Südafrika bis 2011 umgerechnet 8,5 Milliarden US-Dollar.

Der ehemalige Staatspräsident Thabo Mbeki (1999-2008) habe Friedenseinsätze auf dem Kontinent als innere Einmischung abgelehnt und auf den Dialog gesetzt, stellte Cilliers fest.


High-Tech-Waffen

Der Leiter der 'Brenthurst Foundation', Greg Mills, meinte: "Es macht keinen Sinn, einen luxuriösen Geländewagen zu kaufen, wenn das Geld für Benzin oder Ersatzreifen fehlt."

'Jane's Defence Weekly' (JDW), eine Fachzeitschrift für militärische Rüstung, berichtete 2011, dass das südafrikanische Militär die Zahl der Trainingsflüge auf dem neuen Kampfjet 'Gripen' und dem Schulungsjet 'Hawk' aus Kostengründen halbiert habe.

Dennoch versicherte Siphiwe Dlamini, Sprecher des Verteidigungsministeriums, gegenüber IRIN, die Aufgabe der südafrikanischen Streitkräfte bestehe weiterhin vorrangig in der Abwehr äußerer Aggressoren. Ein Kurswechsel in Richtung Friedensengagement ist auch in dem noch ausstehenden aktualisierten Bericht über die Verteidigungspolitik Südafrikas nicht zu erwarten. Der Kapstaat hatte dem UN-Sicherheitsrat 2011 als nichtständiges Mitglied angehört.

Nach Angaben des Internationalen Instituts für strategische Studien (IISS) in London bestand Südafrikas militärisches Aufgebot 2011 aus 62.000 Streitkräften in Uniform, 12.000 Zivilbeschäftigen und 15.000 Reservisten.

Auf einer Pressekonferenz im vergangenen September berichtete Verteidigungsministerin Lindiwe Sisulu, Südafrika unterstütze Friedensoperationen in der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik mit insgesamt 2.304 Soldaten. Auf einen Workshop Ende November 2011 betonte die Ministerin, Afrikas Länder seien sich zunehmend ihrer Verantwortung bewusst, mit regionalen Konflikten besser fertig zu werden. "Man erwartet, dass Südafrika dabei eine bedeutende Rolle übernimmt", betonte sie.


Für Friedenseinsätze schlecht gerüstet

Für derartige Einsätze stehen jedoch höchstens 3.000 Soldaten zur Verfügung, wie der Experte Emmanuel Nibishaka in einem im Februar 2011 für die Rosa-Luxemburg-Stiftung erarbeiteten Papier feststellte. Darin kritisierte er den desolaten Zustand der südafrikanischen Armee und ihres militärischen Geräts. Viele Soldaten litten an HIV/Aids oder seien zu alt. Es gebe zu viele Offiziere, und das Ansehen südafrikanischer Soldaten, die seit 1994 an Friedenseinsätzen im Ausland beteiligt waren, sei wegen ihres ungebührlichen Verhaltens miserabel.

Als strategische Fehlentscheidung der Regierung kritisierte Helmoed-Romer Heitmann, Rüstungsanalyst und führender Mitarbeiter von JDW, den aus Kostengründen vorgenommenen Widerruf einer 2005 vorgenommenen Bestellung von acht militärischen Transportmaschinen vom Typ Airbus A 400, die 2013 in Betrieb genommen werden sollten. "Damit hat sich Südafrikas Regierung wohl ins eigene Bein geschossen", meinte er gegenüber IRIN. "Denn ohne Truppentransporter kann man sich nicht an Friedensoperationen beteiligen."

Sein Kollege Mills empfiehlt den südafrikanischen Streitkräften eine Verjüngungskur. Nur junge Leute mit Computerkenntnissen und IT-Erfahrungen können die Komplexität moderner Friedenseinsätze und Frieden schaffender Maßnahmen erfassen", betonte er. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.iss.co.za/
http://www.thebrenthurstfoundation.org
http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=94597

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2012