Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1108: Guinea-Bissau - Portugiesischsprachige Staaten fordern UN-Friedensmission (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. April 2012

Guinea-Bissau: Portugiesischsprachige Staaten fordern UN-Friedensmission

von Mario Queiroz



Lissabon, 16. April (IPS) - Die Gemeinschaft der portugiesischsprachigen Länder (CPLP) wird die Vereinten Nationen zur Entsendung einer Friedensmission nach Guinea-Bissau aufrufen. Wie die CPLP-Außenminister auf einem jüngsten Treffen in Lissabon erklärten, ließen die Militärs, die am 12. April einen Putsch durchgeführt hatten, kein Interesse an einer Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen erkennen.

Wie aus einer entsprechenden Resolution der CPLP-Außenminister hervorgeht, sollte eine solche Intervention von der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, der Afrikanischen und Europäischen Union und von einem definitiven Mandat des UN-Sicherheitsrats gestützt werden. An der Zusammenkunft vom 14. April in der portugiesischen Hauptstadt hatte auch Mamadou Djalo Pires teilgenommen, der Außenminister der gestürzten Regierung Guinea-Bissaus.

Für den Fall, dass sich die an dem Putsch beteiligten Akteure - Militärs und Zivilisten - weigern, die widerrechtlich erlangte Macht abzugeben, drohten die CPLP-Außenminister internationale Sanktionen wie Reisebeschränkungen, strafrechtliche Verfolgung und das Einfrieren ausländischer Konten an.

Ein selbst ernanntes 'Militärkommando', über dessen Zusammensetzung wenig bekannt ist, hatte am 12. April den Staatspräsidenten und den Regierungschef von Guinea-Bissau, Raimundo Pereira und Carlos Gomes Júnior in seine Gewalt gebracht. Die Putschisten haben nach eigenen Angaben keine Machtansprüche, sondern wollten die angeblich geplante Zerstörung der Streitkräfte durch die seit 2011 in Guinea-Bissau stationierte angolanische Militärmission verhindern. Den offiziellen Angaben zufolge halten sich die angolanischen Militärs in Guinea-Bissau auf, um die dortigen Streitkräfte aus- und fortzubilden.

Die Erklärung der Rebellen ließen die Außenminister der CPLP-Mitgliedsländer Angola, Brasilien, Guinea-Bissau, Kapverden, Mosambik, Osttimor, Portugal, São Tomé und Principe unbeeindruckt.


Rolle des Generalstabschefs unbekannt

Nach Angaben von Walna Dabana, einem Sprecher des diffusen Militärkommandos, befindet sich auch der Generalstabschef der Streitkräfte von Guinea-Bissau, General António Indjai, in Haft. Doch wie Außenminister Djalo Pires am Rande der CPLP-Konferenz gegenüber IPS erklärte, ist Indjai selbst Teil der Verschwörung.

An dem vom angolanischen CPLP-Exekutivsekretär Domingos Simões Pereira organisierten Treffen in Lissabon nahmen neben Djalo Pires die Außenminister George Chicoti (Angola), Jorge Borges (Kapverden), Paulo Portas (Portugal) und Manuel Salvador dos Ramos (São Tomé und Principe) teil. Mosambik wurde durch Vizeaußenminister Henrique Banzé, Brasilien durch den Staatssekretär für afrikanische und nahöstliche Angelegenheiten, Paulo Cordeiro, und Osttimor durch den Botschafter José Barreto Martins vertreten.

Wie der portugiesische Außenminister Portas erklärte, wurde die Schnelle Eingreiftruppe (IRF) seines Landes, die aus Einheiten von Heer, Fallschirmspringern, Luft- und Marineinfanterie besteht, in Alarmbereitschaft versetzt. Die IRF werde allerdings nur im Rahmen einer Befreiungsaktion portugiesischer Bürger eingreifen, die in Guinea-Bissau leben. Eine Militärintervention schloss er aus.

Dem Rebellensprecher Dabana zufolge zielen die Rebellen auf eine politische Lösung der Krise. Er kündigte die Bildung einer Übergangsregierung zur Vorbereitung von Neuwahlen an.

Der Staatsstreich ist weltweit auf Proteste gestoßen. So verurteilte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Putschisten aufs Schärfste und forderte die unverzügliche Wiederherstellung der Demokratie und die Freilassung der Häftlinge. Auch aus EU, USA und anderen Ländern sowie von Regional- und Menschenrechtsorganisationen kamen ähnliche Forderungen.

Portas zufolge gilt es für den "Triumph der Rechtstaatlichkeit" zu sorgen. "Wir dürfen keinen Militärschlag hinnehmen, erst recht nicht in Wahlkampfzeiten, in denen sich Gomes Júnior als möglicher Gewinner abzeichnet."

Abgesehen davon, dass Regierungsvertreter und ihre Familien Zielscheibe von Übergriffen, Zerstörung und Plünderungen wurden, herrscht in Bissau Ruhe. Am Samstag konnten die Geschäfte wieder regulär öffnen, und die Präsenz der Soldaten in der Stadt hielt sich in Grenzen.


Land im Griff der Gewalt

Der neue bewaffnete Konflikt öffnet ein weiteres Kapitel in der Geschichte des Landes, das seit dem Unabhängigkeitskrieg gegen Portugal 1961 immer wieder von Staatsstreichen und chronischer Gewalt heimgesucht wird. Das 1,2 Millionen Menschen zählende Guinea-Bissau gehört mit Tschad, Äthiopien, Ruanda, Niger, Madagaskar, Bangladesch, Burundi, Laos und Pakistan zu den zehn Ländern mit der geringsten Lebensqualität.

Was die ohnehin schon große politische Fragilität weiter vergrößert, ist die Tatsache, dass sich das kleine westafrikanische Land zu einem 'Drogenstaat' entwickelt hat, den lateinamerikanische Drogenkartelle für den Kokainhandel in Richtung EU missbrauchen. (Ende/IPS/kb/2012)

Links:
http://www.cplp.org/Default.aspx?ID=317&Action=1&NewsId=1911&M=NewsV2&PID=305
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100559

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. April 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2012