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AFRIKA/1112: Nigeria - Boko Haram fackelt staatliche Schulen ab, im Norden geht die Angst um (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2012

Nigeria: Boko Haram fackelt staatliche Schulen ab - Im Norden geht die Angst um

von Grit Porsch



Berlin, 23. April (IPS) - Der Name der radikal-islamistischen Sekte ist Programm. Boko Haram ('Westliche Bildung verboten') verbreitet in den staatlichen Schulen des nigerianischen Bundesstaates Borno im Norden Angst und Schrecken. Allein in diesem Jahr wurden in Maiduguri, der Hauptstadt Bornos, 14 Schulgebäude abgefackelt oder in die Luft gesprengt.

Für 7.000 Mädchen und Jungen fällt deshalb der Unterricht in einer Region, in der ohnehin nur 28 Prozent der Kinder eingeschult werden, aus. Für Lehrer und Hilfsorganisationen wird es immer schwieriger, Eltern dazu zu bringen, ihre Kinder weiterhin zur Schule zu schicken. Hier erhalten sie sowohl westlich orientierten als auch islamischen Unterricht.

"Wir appellieren an die Eltern, sich nicht einschüchtern zu lassen und ihre Kinder in die Schule zu lassen", so Musa Inuwa, der Bildungsbeauftragte von Borno, gegenüber dem UN-Informationsdienst IRIN. Wie er betonen auch andere Staatsbeamte, der Schulbesuch sei sicher. Das in der Region stationierte Militär hat seine Patrouillen rund um Schulen verstärkt.

Doch Bildungsforscher Eric Guttschuss, der in Nigeria für die internationale Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' arbeitet, ist skeptisch, was den Erfolg der Aufrufe betrifft. "Wenn in der Nachbarschaft Schulen angegriffen werden und die Leute weitere Übergriffe befürchten, lassen sie ihre Kinder zu Hause, oft für immer."


Auch zerstörte Privatschulen fordern Aufbauhilfe

Die Behörden haben zugesagt, alle zerstörten staatlichen Schulen wieder aufzubauen. Ob dieses Hilfsangebot auch für die fünf zerstörten Privatschulen gilt, ist nicht ausgemacht. Einer der betroffenen Lehrer verlangt auch für sie staatliche Aufbauhilfe. "Viele unserer Schüler sind bei uns eingeschrieben, weil die staatlichen Schulen überfüllt sind. Und wo bleibt der Staat jetzt?", klagte er.

Auch immer mehr Lehrer bleiben zu Hause. Suleiman Aliyu, Direktor der privaten 'Future Prowess Islamic Foundation', die vor allem Bornos zahlreiche Waisen aufnimmt, berichtete IRIN: "Immer häufiger rufen Lehrer bei mir an und teilen mir mit, sie blieben zu Hause, weil in ihrer Gegend geschossen werde."

Islamische Schulen haben in der Region zwar eine lange Tradition, doch sie unterstehen nicht der staatlichen Schulaufsicht, und ihre Absolventen, die bis zu zehn Jahre lang ausschließlich Koranunterricht erhalten haben, besitzen keinerlei berufliche Qualifikation.

"Ohne einen anerkannten Schulabschluss finden junge Leute keine Anstellung, islamische Bildung genügt einfach nicht", betonte der Bildungsbeauftragte Inuwa. "Deshalb müssen wir die Eltern überzeugen, sich für einen westlich orientierten Unterricht für ihre Kinder zu entscheiden." (Ende/IPS/mp/2012)

Links:
http://www.hrw.org
http://www.irinnews.org/printreport.aspx?reportid=95327

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2012